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17.06.2010 · IWW-Abrufnummer 101841

Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen: Urteil vom 05.11.2009 – 4 A 2698/04

Zum zulässigen Umfang der Beschäftigung von Kontierern durch einen Steuerberater.


OVG NRW, Urteil vom 5.11.2009 - 4 A 2698/04 -;
I. Instanz: VG Düsseldorf - 3 K 1748/01 -.
Die Klägerin zu 1. entwickelt und vertreibt Finanzbuchhaltungssoftware und ist Franchisegeberin für gewerbliche Buchführungsbüros. Die Klägerin zu 2. war deren Franchisenehmerin und führte ein Kontierungsbüro. Mit ihrer Unterlassungsklage wollten die Klägerinnen verhindern, dass die Beklagte – eine Steuerberaterkammer – weiterhin ihre Mitglieder dahingehend belehrt, die Zusammenarbeit von Steuerberatern mit den Klägerinnen sei unzulässig. Anlass für dieses Begehren war ein entsprechendes Auskunftsschreiben der Beklagten an eines ihrer Mitglieder. Das VG wies die Unterlassungsklage als unzulässig mit der Begründung ab, die Klägerinnen seien durch die Rechtsauskunft der Beklagten nicht in eigenen Rechten verletzt. Die Auskunft der Beklagten verringere lediglich ihre Chance, neue Kunden zu gewinnen. Die vom Senat zugelassene Berufung der Klägerinnen blieb erfolglos.

Aus den Gründen:

Die Klagen sind zwar zulässig. Insbesondere sind die Klägerinnen entsprechend § 42 Abs. 2 VwGO klagebefugt, da ein Eingriff in ihre Rechte am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb jedenfalls möglich erscheint. Ein solcher Eingriff kann nach der Rechtsprechung der Zivilgerichte u. a. dadurch erfolgen, dass Dritte aufgefordert werden, mit einem Gewerbetreibenden nicht in geschäftlichen Kontakt zu treten. Vgl. etwa Sprau, in: Palandt, BGB, 89. Aufl., § 823 Rn. 131, m. w. N. - 2 –

Eine Erklärung solchen Inhalts ist dem hier streitigen Schreiben der Beklagten vom 16.9.1999 zu entnehmen.

Die Klagen sind jedoch unbegründet. Der von den Klägerinnen geltend gemachte Unterlassungsanspruch ergibt sich weder aus § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog noch aus wettbewerbsrechtlichen Vorschriften.

Ein Anspruch der Klägerin zu 2. entsprechend § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB scheidet jedenfalls deshalb aus, weil es hinsichtlich eines Teils des Unterlassungsanspruchs an der erforderlichen Wiederholungsgefahr fehlt und die streitigen Äußerungen der Beklagten im Übrigen als zutreffende Auskunft zu den Berufspflichten des Steuerberaters durch §§ 76 Abs. 2 Nr. 1, 57 Abs. 1 StBerG gerechtfertigt sind.

Das Schreiben der Beklagten vom 16.9.1999, auf dem der Klageantrag der Klägerinnen fußt, hat – soweit hier von Bedeutung – folgenden Wortlaut:

„Kontierer, und dabei wird es sich um die Franchisenehmer der GmbH handeln, dürfen nur Teilbereiche der Buchführung im Rahmen des § 6 Ziff. 4 StBerG und unter den dort genannten Voraussetzungen erbringen. Dies verbietet zum einen eine weitergehende Tätigkeit, zum anderen aber auch eine weitergehende Kundmachung nach außen.

Unabhängig hiervon gilt, daß Steuerberater weder gewerblich tätig werden dürfen noch mit Gewerbetreibenden, wie der D. F. GmbH oder deren Mitglieder zusammenarbeiten dürfen; § 57 Abs. 2, Abs. 4 StBerG. Darüber hinaus verpflichtet § 57 Abs. 1 StBerG Berufsangehörige zur eigenverantwortlichen und unabhängigen Berufsausübung, zur verschwiegenen Berufsausübung und auch zur Ausübung des Berufes unter Beachtung des Verbotes einer individuellen Mandatszuführung (Werbeverbot).

Vor diesem Hintergrund ist Ihnen eine Zusammenarbeit u.a. mit einem gewerblichen Kontierungsbüro nicht erlaubt.“

Die Ausführungen in diesem Schreiben betreffen aus der maßgeblichen Sicht eines vernünftigen Empfängers nicht die Frage, ob und inwieweit es Steuerberatern erlaubt ist, Kontierer als Angestellte in ihrer Praxis zu beschäftigen. Dies folgt zunächst daraus, dass das Schreiben nicht von Beschäftigung, sondern von Zusammenarbeit spricht. Darüber hinaus stand eine Beschäftigung von Franchisenehmern der Klägerin zu 1. als Angestellte weder in Rede noch kam sie der Sache nach in Betracht. Im Übrigen hält die Beklagte eine Beschäftigung von Kontierern im Angestelltenverhältnis ausdrücklich für zulässig.

Ob das Schreiben vom 16.9.1999 eine „Zusammenarbeit“ von Steuerberatern und Kontierern im Rahmen einer freien Mitarbeit zum Gegenstand hat, kann dahin stehen. Ausweislich des Schriftsatzes der Beklagten ist zugrunde zu legen, dass die Beklagte nach Neufassung des § 7 BOStB (Beschluss der Satzungsversammlung vom 21.12.2004, DStR 12/2005) unter den dort genannten Bedingungen gegen die Beschäftigung von Kontierern als freie Mitarbeiter keine Einwände mehr hat. Der Senat hat keinen Anlass anzunehmen, dass die Beklagte Franchisenehmer der Klägerin zu 1. von dieser Erklärung ausgenommen wissen will. Infolgedessen besteht nicht die Gefahr, dass die Beklagte künftig eine Äußerung tätigt, nach der die Zusammenarbeit von Steuerberatern und Franchisenehmern der Klägerin zu 1. in Form einer freien Mitarbeit unzulässig ist.

Hinsichtlich sonstiger Formen der Zusammenarbeit von Steuerberatern und Franchisenehmern der Klägerin zu 1. ist der Inhalt des Schreibens vom 16.9.1999 durch §§ 76 Abs. 2 Nr. 1, 57 Abs. 1 StBerG gerechtfertigt. Nach § 76 Abs. 2 Nr. 1 StBerG obliegt es der Beklagten insbesondere, die Mitglieder der Steuerberaterkammern in Fragen der Berufspflichten (§ 57 StBerG) zu beraten und zu belehren. In Wahrnehmung dieser Aufgabe ist die Beklagte berechtigt, ihre Mitglieder darauf hinzuweisen, dass eine Zusammenarbeit zwischen Steuerberatern und selbstständigen Kontierern außerhalb einer Beschäftigung als Angestellte oder freie Mitarbeiter unzulässig ist. Dies dürfte zwar – anders als die Beklagte meint – nicht bereits aus § 57 Abs. 4 Nr. 1 StBerG folgen. Durch die bloße Beauftragung eines Gewerbetreibenden übt der Steuerberater noch nicht selbst eine gewerbliche Tätigkeit im Sinne dieser Vorschrift aus; er ist nur Kunde eines Gewerbetreibenden.

So im Ergebnis auch Maxl, in: Kuhls u. a., StBerG, 2. Aufl., § 57 Rn. 435 f.

Die in Rede stehende Zusammenarbeit von Steuerberatern und selbstständigen Kontierern ist jedoch im Hinblick auf § 57 Abs. 1 StBerG unstatthaft. Danach haben Steuerberater und Steuerbevollmächtigte ihren Beruf insbesondere eigenverantwortlich auszuüben. Die eigenverantwortliche Berufsausübung begründet u. a. die Verpflichtung des Steuerberaters, die seinen Mandanten geschuldete Dienstleistung grundsätzlich höchstpersönlich zu erbringen.

Vgl. etwa Maxl, a. a. O., § 57 Rn. 101.

Diese Verpflichtung schließt es nach allgemeiner Auffassung zwar nicht aus, dass der Steuerberater in seinem Büro Gehilfen als Angestellte beschäftigt, die ihn bei seiner Arbeit unterstützen.

Vgl. Maxl, a. a. O., § 57 Rn. 115 f.

Denn angestellte Gehilfen unterliegen umfassend der Kontrolle und den Weisungen des Steuerberaters mit der Folge, dass eine mit Unterstützung dieser Gehilfen erbrachte Tätigkeit nach wie vor als in eigener Verantwortung erbrachte höchstpersönliche Dienstleistung des Steuerberaters erscheint. Unter den Voraussetzungen des § 7 BOStB ist es auch nicht ausgeschlossen, dass der Steuerberater Kontierungsaufgaben auf freie Mitarbeiter überträgt, die seinen fachlichen Weisungen und Kontrolle unterworfen sind.

Vgl. zu Letzterem auch Mittelsteiner u. a., BOStB, 2002, § 7 Rn. 5, m. w. N.

Eine den Anforderungen des § 57 Abs. 1 StBerG genügende Dienstleistung des Steuerberaters liegt nach Ansicht des Senats aber jedenfalls dann nicht mehr vor, wenn der Steuerberater Kontierungstätigkeiten außerhalb einer Beschäftigung freier Mitarbeiter auf gewerbliche Kontierungsbüros überträgt. Insbesondere bei Kontierungsbüros, die eine Mehrzahl von Mitarbeitern beschäftigen und eine mehrstufige Organisationsstruktur aufweisen, sind die Kontroll- und Einwirkungsmöglichkeiten des Steuerberaters auf die Erledigung der übertragenen Aufgaben nicht mehr in der Weise gewährleistet, dass das jeweilige Arbeitsresultat noch als in eigener Verantwortung erbrachte höchstpersönliche Dienstleistung des Steuerberaters angesehen werden könnte. Dabei ist in Rechnung zu stellen, dass von dem Steuerberater unter Zugrundelegung eines praxisgerechten Maßstabs nicht die Überprüfung eines jeden einzelnen Buchungsvorgangs erwartet werden kann.

Vgl. auch Maxl, a. a. O., § 57 Rn. 117, m. w. N.

Um so wichtiger ist die unmittelbare Mitwirkung des Steuerberaters an der Auswahl des einzelnen Mitarbeiters, dem Kontierungsaufgaben übertragen werden, dessen sorgfältiger Unterweisung und einer jedenfalls stichprobenartigen Überwachung auch am Arbeitsplatz selbst. Die Voraussetzungen hierfür sind bei der Beschäftigung eines Kontierers im Angestelltenverhältnis ohne weiteres gegeben; sie können auch im Falle einer freien Mitarbeit erfüllt sein, die auf einzelne natürliche Personen beschränkt ist. Bei einer darüber hinausgehenden Zusammenarbeit mit gewerblichen Kontierungsbüros sind diese Bedingungen hingegen nicht ausreichend gewährleistet. Hier obliegen Auswahl, Unterweisungs- und Überwachungsaufgaben unmittelbar dem Büroinhaber; dem Steuerberater selbst verbleiben jedenfalls bei der Auswahl, der Unterweisung und der Überwachung am Arbeitsplatz selbst nur mittelbare Einwirkungsmöglichkeiten, etwa durch die Vereinbarung bestimmter Standards mit dem Büroinhaber. Der Steuerberater ist im Übrigen auf eine stichprobenweise Kontrolle der Arbeitsergebnisse beschränkt. Auch die Einhaltung der Verschwiegenheitspflicht (§ 57 Abs. 1 StBerG) kann durch den Steuerberater weniger gut gewährleistet werden, wenn seine Kontroll- und Einwirkungsmöglichkeiten in dieser Weise begrenzt sind.

Ergibt sich demnach ein Verbot der Zusammenarbeit zwischen Steuerberatern und Kontierern in der hier noch streitigen Form bereits aus § 57 Abs. 1 StBerG, kann offen bleiben, ob sich dasselbe im Umkehrschluss aus § 56 StBerG ergibt.

Hinsichtlich eines Unterlassungsanspruchs der Klägerin zu 1. entsprechend § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB gilt Folgendes: Soweit das Schreiben vom 16.9.1999 und der darauf fußende Klageantrag eine unmittelbare Zusammenarbeit von Steuerberatern mit der Klägerin zu 1. zum Gegenstand haben, fehlt es an einem Eingriff in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb der Klägerin zu 1. Denn die Klägerin zu 1. erbringt selbst keine Kontierungsleistungen, die mit dem o. g. Schreiben der Beklagten allein angesprochen sind. Nach den Erläuterungen ihres Prozessbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung erschöpft sich Tätigkeit der Klägerin zu 1. gegenüber Steuerberatern vielmehr im Verkauf von Buchhaltungssoftware. Der Erwerb solcher Software durch einen Steuerberater ist in dem Schreiben nicht thematisiert und begegnet unter dem Blickwinkel der hier in Rede stehenden Vorschriften auch nach der in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat geäußerten Auffassung der Beklagten keinen Bedenken. Ob ein Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb der Klägerin zu 1. insoweit in Betracht zu ziehen ist, als Steuerberatern die Zusammenarbeit mit den Franchisenehmern der Klägerin zu 1. untersagt wird, bedarf vor dem Hintergrund der vorstehenden Feststellungen keiner weiteren Klärung. Denn die beanstandeten Äußerungen der Beklagten sind, soweit eine Wiederholungsgefahr besteht, gerechtfertigt.

Ein Unterlassungsanspruch aus § 8 Abs. 1 Sätze 1 und 2, § 3 UWG scheidet - ungeachtet der Frage, ob das Schreiben vom 16.9.1999 eine geschäftliche Handlung im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG ist, jedenfalls aus denselben Erwägungen aus. Denn soweit eine Wiederholungsgefahr besteht, sind die Äußerungen nicht unlauter. Es handelt sich um eine von der Beklagten im Rahmen ihrer Zuständigkeit zutreffend gegebene Auskunft.

RechtsgebieteStBerG, BOStB, BGB, UWGVorschriftenStBerG §§ 56, 57 Abs. 1, 76 Abs. 2 BOStB § 7 BGB §§ 823, 1004 Abs. 1 UWG §§ 3, 8 Abs. 1

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