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09.06.2010 · IWW-Abrufnummer 101133

Finanzgericht Rheinland-Pfalz: Urteil vom 18.06.2009 – 4 K 1646/07

Werden Mittel aus einem mit einer Lebensversicherung besicherten Finanzierungsdarlehen sowohl für den Erwerb von begünstigtem Anlagevermögen als auch von Umlaufvermögen und für weitere Finanzierungskosten abgerufen, hat dies die komplette Steuerpflicht der Erträge aus dem Lebensversicherungsvertrag zur Folge, sofern die sog. Bagatellgrenze von 2.556 € gemäß BMF-Schreiben vom 15.06.2000 ( BStBl 2000 I S. 1118) überschritten wird.


Finanzgericht Rheinland-Pfalz v. 18.06.2009

4 K 1646/07

Tatbestand
Im Streit ist die gesonderte Feststellung der Steuerpflicht von Zinsen aus Kapitallebensversicherungen gem. § 29 der Einkommensteuerdurchführungsverordnung - EStDV - i.V.m. § 20 Abs. 1 Nr. 6 des Einkommensteuergesetzes - -EStG-.

Am 17. August 2004 zeigte die A-Bank, Filiale K, nach § 29 Abs. 1 EStDV an, dass der Kläger die Versicherungsansprüche in Höhe von 120.000 € aus seiner Kapitallebensversicherung (A-Versicherung AG, K, Versicherungsnummer ...003) zur langfristigen Sicherung eines Darlehens in Höhe von 180.000 € (Darlehen ...834) zur Finanzierung einer Praxisübernahme eingesetzt hatte. Der Beklagte stellte daraufhin die Steuerpflicht der Zinsen aus der o.g. Kapitallebensversicherung mit Bescheid vom 29. Juni 2005 gesondert fest.

Mit seinem Einspruch trug der Kläger vor, dass er zur Finanzierung der Anschaffung von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens einen Darlehensvertrag i.H.v. 180.000 € abgeschlossen habe. Aus der Lebensversicherung seien jedoch lediglich 120.000 € zur Besicherung/Tilgung des Darlehens eingesetzt worden. Bisher sei ein Betrag i.H.v. 155.200 € für die Kaufpreiszahlung aus dem Praxiskauf i.H.v. 148.000 € und die Zinscap-Gebühr aufgrund einer Zinsbegrenzungsvereinbarung i.H.v. 7.200 € abgerufen und dem Vorfinanzierungskonto gutgeschrieben worden. Der verbleibende Restbetrag stehe für Investitionen des Anlagevermögens weiterhin bereit, sei jedoch noch nicht abgerufen. Da es sich um eine erstmalige Finanzierung handele und die Versicherungsansprüche lediglich i.H.v. 120.000 € zur Sicherung dienten, liege keine schädliche Verwendung vor.

Der Beklagte wies den Einspruch mit Entscheidung vom 3. April 2007 als unbegründet zurück.

Setze ein Steuerpflichtiger Ansprüche aus einer Lebensversicherung im Sinne des § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst, b Doppelbuchstaben bb, cc und dd EStG während der Dauer der Versicherung im Erlebnisfall zur Tilgung oder Sicherung von Darlehen ein, deren Finanzierungskosten Betriebsausgaben oder Werbungskosten seien, könnten die Versicherungsbeiträge grundsätzlich nicht als Sonderausgaben abgezogen werden (§ 10 Abs. 2 Satz 2 EStG). Gegebenenfalls sei eine Nachversteuerung durchzuführen (§ 30 Abs. 2 EStDV). Soweit die Voraussetzungen für den Sonderausgabenabzug nicht erfüllt seien, gehörten die Zinsen aus den in den Beiträgen enthaltenen Sparanteilen zu den Einkünften aus Kapitalvermögen (§ 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG). In diesen Fällen müsse das Versicherungsunternehmen bei Verrechnung oder Auszahlung von Zinsen (z.B. bei Fälligkeit der Versicherung) Kapitalertragsteuer einbehalten (§ 43 Abs. 1 Nr. 4 EStG). Nach § 29 EStDV hätten der Sicherungsnehmer, das Versicherungsunternehmen und der Versicherungsnehmer dem zuständigen Finanzamt unverzüglich die Fälle anzuzeigen, in denen Ansprüche aus Versicherungsverträgen nach dem 13. Februar 1992 zur Tilgung oder Sicherung von Darlehen eingesetzt würden. Nach § 9 der Verordnung über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nach § 180 Abs. 2 der Abgabenordnung (V zu § 180 Abs. 2 AO) sei die Steuerpflicht der außerrechnungsmäßigen und rechnungsmäßigen Zinsen aus den in den Versicherungsbeiträgen enthaltenen Sparanteilen gesondert festzustellen.

Im Streitfall seien die Voraussetzungen für den Sonderausgabenabzug nach § 10 Abs. 2 Satz 2 EStG nicht gegeben. Danach könnten Beiträge u. a. zu einer Kapitallebensversicherung nicht als Sonderausgaben abgezogen werden, wenn die Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag während dessen Dauer im Erlebensfall der Tilgung oder Sicherung eines Darlehens dienten, dessen Finanzierungskosten Betriebsausgaben oder Werbungskosten seien, es sei denn, das Darlehen diene unmittelbar und ausschließlich der Finanzierung von Anschaffungs- oder Herstellungskosten eines Wirtschaftsgutes, das dauernd zur Erzielung von Einkünften bestimmt und keine Forderung sei, und die ganz oder zum Teil zur Tilgung oder Sicherung verwendeten Ansprüche aus Versicherungsverträgen überstiegen nicht die mit dem Darlehen finanzierten Anschaffungs- oder Herstellungskosten.

Sonderregelungen bestünden unter bestimmten Voraussetzungen für Investitionsdarlehen, kurzfristige Betriebsmittelkredite und betrieblich/beruflich veranlasste Darlehen, die mit einer Direktversicherung gesichert würden. Ziel der Neuregelung sei es gewesen, ungerechtfertigte Steuervorteile einzudämmen, weil Lebensversicherungen vermehrt zu steuersparenden Finanzierungsmodellen eingesetzt worden seien, bei denen die Darlehenszinsen als Betriebsausgaben/Werbungskosten den steuerfreien Kapitalerträgen aus den Lebensversicherungen gegenüber gestanden hätten. Die Versicherungen seien zur Tilgung oder Sicherung der Darlehen verwendet worden und hätten damit nicht mehr für Vorsorgezwecke zur Verfügung gestanden. Ein Sonderfall nach § 10 Abs. 2 Satz 2 a EStG, wonach Ausnahmen vom Abzugsverbot bei der Anschaffung oder Herstellung bestimmter Wirtschaftsgüter eingriffen, liege nicht vor. Am 30. Mai 2004 habe der Kläger ein Darlehen zur Finanzierung der Praxisübernahme i.H.v. 180.000 € aufgenommen. Am 30. Juni 2004 sei hieraus ein Teilbetrag von 7.200 € und am 30. Juli 2004 ein Teilbetrag i.H.v. 148.000 € in Anspruch genommen worden, mithin insgesamt 155.200 €. Für die Praxisübernahme seien 9.000 € als Vorauszahlung und 148.000 € als Restzahlung, insgesamt 157.000 €, geleistet worden. Hierin seien laut Kaufvertrag enthalten: Praxiseinrichtung incl. Installationen, Vorräte, Medikamente und Materialien 59.000 € und 98.000 € für den Praxiswert. Es liege somit eine Mitfinanzierung von Umlaufvermögen i.H.v. 1.800 € vor, die im Rahmen des § 10 Abs. 2 Satz 2 Buchstabe a EStG steuerschädlich sei, da insoweit nicht begünstigte Wirtschaftsgüter finanziert worden seien. Hinzu komme, dass mit dem Darlehen nicht ausschließlich begünstigte Anschaffungskosten finanziert worden seien, sondern auch Finanzierungskosten i.H.v. 7.200 € für die sog. Zinscap. Beide Aufwendungen seien zur Überprüfung der Bagatellgrenze zusammen zu rechnen und führten zum Überschreiten der Grenze von 2.556 € (Hinweis auf Rdnr. 16 des BMF-Schreibens vom 15. Juni 2000 IV C 4 -S 2221- 86/00, BStBl 2000 I S. 1118). Diene das Darlehen anteilig auch einem steuerschädlichen Zweck, entfalle die Begünstigung insgesamt. Das Abzugsverbot entfalle u. a. auch dann, wenn das Darlehen unmittelbar und ausschließlich der Finanzierung von Anschaffungs- oder Herstellungskosten eines Wirtschaftsgutes diene, das dauernd zur Erzielung von Einkünften bestimmt, d. h. zum Anlagevermögen gehöre, und keine Forderung sei. Dieser Nachweis sei nicht erbracht. Im Schreiben der Bank werde mitgeteilt, dass im Rahmen einer so genannten Existenzgründungsfinanzierung ein Darlehen i.H.v. 180.000 € zugesagt worden sei. Auch soweit es sich um ein Vorschaltdarlehen für eine längere Investitionsphase für den Praxiskauf gehandelt haben sollte, gelte auch hier das Abzugsverbot, da die Voraussetzungen der Ausnahmetatbestände nicht erfüllt seien. Denn das Enddarlehen für den Praxiskauf hätte spätestens nach Ablauf von drei Monaten nach Abschluss des Praxiskaufs aufgenommen sein müssen. Somit lägen für einen Teil des Darlehens keine Anschaffungen vor. Es handele sich um eine Überfinanzierung des Praxiskaufs. Der Bundesfinanzhof -BFH- habe in seinem Urteil vom 13. Juli 2004 (VIII R 48/02, BStBl 2004 II S. 1060) ebenfalls ausdrücklich auf den Gesetzeszweck hingewiesen. Ein Darlehen solle nur begünstigt sein, wenn es - neben anderen Voraussetzungen - der Herstellung oder Anschaffung eines begünstigten Wirtschaftsgutes „ausschließlich und unmittelbar” diene. Eine nur teilweise Verwendung des Gesamtdarlehens ohne Anpassung führe zur Überfinanzierung und damit zur Steuerschädlichkeit. Eine teilweise unschädliche Verwendung könne nicht losgelöst vom Gesamtdarlehen gesehen werden. Die Überfinanzierung „Praxiskauf” infiziere das Gesamtdarlehen. Das Restdarlehen werde nicht direkt für die Anschaffung oder Herstellung begünstigter Wirtschaftsgüter verwendet, sondern auf einem von der Bank geführten Vorfinanzierungskonto bereitgehalten. Die Zinsen, Provisionen und Kosten würden vierteljährlich belastet. Bei wortgemäßer Auslegung habe das Darlehen damit unmittelbar zur Begründung einer Forderung gegen die Bank geführt. Das Vorhalten über einen Zeitraum von ggf. 12 Jahren entspreche nicht einer üblichen Zahlungsgestaltung für die Praxisübernahme laut Darlehensvertrag. Nach dem Gesetzeswortlaut und -zweck solle die Steuerfreiheit der Nutzung der Policen zur Sicherung von Darlehen, deren Zinsen Betriebsausgaben seien, entfallen und nur für eng begrenzte Finanzierungen von Anschaffungskosten/ Herstellungskosten (insbesondere: unmittelbar, ausschließlich; Wirtschaftsgüter, die dauernd zur Erzielung von Einkünften bestimmt seien) wiederum eingeräumt werden. Es handele sich daher nicht vorrangig um eine Förderungsvorschrift zur Erleichterung von Investitionen, sondern um eine Einschränkung von Finanzierungen mittels Policendarlehen mit eng begrenzten Ausnahmen. Bei richtiger Gestaltung und zweckmäßiger Handhabung (Bündelung mehrerer kleinerer Investitionen, Abschluss mehrerer Darlehen für größere Investitionen, Finanzierung mittels eines Vorschaltkontos) wäre es möglich gewesen, die tatbestandlichen Voraussetzungen der Ausnahmeregelung für den Praxiskauf einzuhalten (Hinweis auf das Urteil des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz vom 18. März 2003, 2 K 1062/01 , juris). Die in § 10 Abs. 2 Satz 2 Buchstabe a EStG für die Steuerunschädlichkeit von Zinsen aus Kapitallebensversicherungen geforderte unmittelbare ausschließliche Verwendung der mit der Lebensversicherung besicherten Darlehensmittel sei hier insgesamt nicht gegeben.

Hinsichtlich der weiteren Begründung wird auf die Aktenausfertigung der Einspruchsentscheidung Bezug genommen (Bl. 77 der Sonderakten).

Hiergegen richtet sich die Klage.

Der Kläger räumt den vom Beklagten festgestellten Sachverhalt ein und verweist darauf, dass er zum Kauf einer Zahnarztpraxis sowie für den weiteren Erwerb begünstigter Wirtschaftsgüter mit Vertrag vom 30. Mai/04. Juni 2004 ein Darlehen i.H.v. 180.000.00 € bei der A-Bank aufgenommen habe. Das Darlehen sei mit dem Lebensversicherungsvertrag im Wert von 120.000 € besichert worden. Das Darlehen sei zunächst lediglich i.H.v. 155.200 € in Anspruch genommen worden (148.000 € für Kaufpreis der Praxis und 7.200 € für Zinscap-Gebühr). Bislang stehe der restliche Darlehensbetrag in Höhe von 24.800 € zur Auszahlung auf Abruf bereit. Zwar sei der Darlehensbetrag nicht in Gänze für die Anschaffung begünstigter Wirtschaftsgüter verwendet worden, jedoch sei auch das Darlehen entsprechend geringfügig besichert worden, so dass der an die Bank zur Sicherheit abgetretene Betrag aus der Lebensversicherung unter dem Betrag liege, der zur Anschaffung begünstigter Wirtschaftsgüter tatsächlich aufgewendet worden sei. Aus diesem Grunde greife hier die Ausnahme vom Abzugsverbot mit der Folge, dass die Beiträge für die Lebensversicherung Sonderausgaben seien und die Zinsanteile aus der Lebensversicherung steuerfrei verblieben. Denn dem Steuergesetzgeber sei es lediglich darauf angekommen, diejenigen Beiträge zur Lebensversicherung vom Privileg „Sonderausgabe” auszunehmen, mit denen ein Darlehen besichert werde, welches gar nicht in Höhe dieser Sicherheit zur Anschaffung begünstigter Wirtschaftsgüter verwendet werde. Auf einen etwaigen nicht besicherten Darlehensanteil komme es dagegen nicht an. Vorliegend habe der Kläger weit mehr für die Anschaffung begünstigter Wirtschaftsgüter ausgegeben als er das Darlehen durch die streitgegenständlichen Versicherungen besichert habe. Zu diesem Ergebnis gelange man auch, wenn man - wie der Beklagte - die Aufwendungen für den sog. Zinscap i.H.v. 7.200 € sowie Umlaufvermögen i.H.v. 1.800 € von den verauslagten 155.200 € in Abzug bringe.

Der Kläger beantragt (sinngemäß),

den Bescheid vom 29. Juni 2005 über die gesonderte Feststellung der Steuerpflicht von Zinsen aus Kapitallebensversicherungen aus dem Versicherungsvertrag bei der A-Versicherung AG, K, Vertrag-Nr. ...003 und die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung vom 03. April 2007ersatzlos aufzuheben,

hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er verweist auf die Gründe in der Einspruchsentscheidung vom 03. April 2007 und führt im Übrigen aus:

Durch die Verwendung der Darlehensmittel für die sog. Zinscap und das aus den Angaben im Praxiskaufvertrag rechnerisch ermittelte Umlaufvermögen sei die Bagatellgrenze von 2.556 € überschritten. Die durch die Entwicklung des Darlehnskontos anfallenden Zinsen, Provisionen und Kosten seien hierbei noch nicht einbezogen worden. Die Darlehensnummer ...834 und die Vorfinanzierungskontonummer ...834 seien nicht identisch. Das Vorfinanzierungskonto sei im Jahr 2006 auch für Zwecke der Eigenheim-Finanzierung verwendet worden. Entgegen der Auffassung des Klägers sei die in § 10 Abs. 2 Satz 2 Buchstabe a EStG für die Steuerunschädlichkeit von Zinsen aus Kapitallebensversicherungen geforderte unmittelbare ausschließliche Verwendung der mit den Lebensversicherungen besicherten Darlehensmittel insgesamt nicht gegeben, wenn das einheitliche Gesamtdarlehen teilweise steuerschädlich verwendet werde (Umlaufvermögen und Finanzierungskosten sowie fehlende unmittelbare Verwendung = Überfinanzierung). Die Verwendung eines Darlehens für steuerschädliche Zwecke „infizieref” das Gesamtdarlehen und führe zur Steuerpflicht der Zinsen (Hinweis auf das BFH-Urteil vom 13. Juli 2004, VIII R 61/03 BFH/NV 2005,184; Finanzgericht Baden-Württemberg, Az. 5 K 21/06, EFG 2006, 1751, sowie Finanzgericht Rheinland-Pfalz vom 18. März 2003 , Az. 2 K 1062/01).

Die Beteiligten haben übereinstimmend auf mündliche Verhandlung verzichtet. Dem Senat haben die Sonderakten betreffend die gesonderte Feststellung der Steuerpflicht von Zinsen aus einer Lebensversicherung, die Bilanzakten und die Eigenheimzulageakten vorgelegen.



Gründe
I. Die Klage ist unbegründet.

Der Senat hat den Klageantrag, mit der in erster Linie die Einkommensteuerfreiheit der Zinsen aus dem Lebensversicherungsvertrag erreicht werden soll, sachgerecht dahingehend ausgelegt, dass insoweit lediglich die ersatzlose Aufhebung des Bescheides über die gesonderte Feststellung der Steuerpflicht der außerrechnungsmäßigen und rechnungsmäßigen Zinsen aus dem Versicherungsvertrag bei der A-Versicherung AG, K, begehrt wird. Denn soweit darüber hinaus auch die (positive) Feststellung der Steuerfreiheit der Zinsen aus dem Kapitallebensversicherungsvertrag und damit der Erlass eines sog. negativen Feststellungsbescheides beantragt wurde (vgl. hierzu BMF-Schreiben vom 25. März 2002 IV A 4 - S 3061 -4/02, BStBl 2002 I S. 476), war dieser Antrag bisher im Verwaltungsverfahren noch nicht gestellt worden. Auch im Einspruchsverfahren wurde ausdrücklich bislang lediglich die ersatzlose Aufhebung des Bescheides vom 29. Juni 2005 über die gesonderte Feststellung der Steuerpflicht der Zinsen beantragt. Insoweit würde es hinsichtlich dieses zusätzlichen Klageantrages an der Zulässigkeit der Klage aufgrund des Erfordernisses des erfolglos gebliebenen außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahrens fehlen (§ 44 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung -FGO-).

Der angefochtene Feststellungsbescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Denn der Beklagte hat zu Recht die Steuerpflicht der Zinsen aus den Sparanteilen, die in den Beiträgen zu der o.g. bei der A-Versicherung AG, K, abgeschlossenen Kapitallebensversicherung enthalten sind, festgestellt. Das Gericht konnte aufgrund des tatsächlichen Ablaufs der vom Kläger vorgenommenen Finanzierung nicht zu der Feststellung gelangen, dass das mit der Lebensversicherung besicherte Darlehen ausschließlich und unmittelbar der Finanzierung von Anschaffungskosten oder Herstellungskosten von Wirtschaftsgütern gedient hat, die dauernd zur Erzielung von Einkünften bestimmt sind (§ 10 Abs. 2 Satz 2 Buchstabe a EStG ). Insoweit blieb der Kläger, der sich für das Vorliegen der Ausnahmen von der grundsätzlichen Steuerpflicht der Zinsen gem. § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 EStG zu seinen Gunsten hierauf berief, darlegungs- und beweispflichtig.

a) Zutreffend gibt der Beklagte die Rechtslage in der Einspruchsentscheidung wieder, wonach gem. § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG zu den Einkünften aus Kapitalvermögen außerrechnungsmäßige und rechnungsmäßige Zinsen aus den Sparanteilen gehören, die in den Versicherungen auf den Erlebens- oder Todesfall enthalten sind. Dies gilt nicht für Zinsen aus Lebensversicherungen, die mit Beiträgen verrechnet oder im Versicherungsfall oder im Fall des Rückkaufs des Vertrags nach Ablauf von zwölf Jahren seit dem Vertragsschluss ausgezahlt werden. Dies kommt jedoch wiederum nur dann zur Anwendung, wenn die Voraussetzungen für den Sonderausgabenabzug nach § 10 Abs. 2 Satz 2 Buchstaben a und b EStG erfüllt sind. Als Sonderausgaben können demnach Beiträge zu Lebensversicherungen nicht abgezogen werden, wenn die Ansprüche aus den Versicherungsverträgen während deren Dauer im Erlebensfall der Tilgung oder Sicherung eines Darlehens dienen, dessen Finanzierungskosten Betriebsausgaben oder Werbungskosten sind, es sei denn das Darlehen dient unmittelbar und ausschließlich der Finanzierung von Anschaffungs- oder Herstellungskosten eines Wirtschaftsguts, das dauernd zur Erzielung von Einkünften bestimmt und keine Forderung ist (Verbot der Überfinanzierung), und die ganz oder zum Teil zur Tilgung oder Sicherung verwendeten Ansprüche aus Versicherungen übersteigen nicht die mit dem Darlehen finanzierten Anschaffungs- und Herstellungskosten (Verbot der Übersicherung). Erfüllen Darlehen - abgesehen von der Bagatellgrenze jeweils i.H.v. 2.556 € - nicht die beiden vorgenannten Voraussetzungen, die jeweils voneinander getrennt zu beurteilen sind, so führt dies zur vollen „Steuerschädlichkeit” (Finanzgericht Berlin, Urteil vom 16. August 2004, 8 K 6100/02, EFG 2005, 41; Finanzgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 25. Januar 2006 , 5 K 21706, a.a.O., und Finanzgericht Düsseldorf, Urteil vom 12. Mai 2006, 18 K 2888/04 F, EFG 2006, 1581, jeweils Fälle einer steuerschädlichen Überfinanzierung; BFH-Urteil vom 12. Oktober 2005 VIII R 19/04, BFH/NV 2006,288, steuerschädliche Überfinanzierung und Übersicherung, BFH-Urteil vom 12. September 2007 VIII R 12/07, BStBl 2008 II S. 602, steuerschädliche Übersicherung; Schmidt/Heinicke, EStG 2008, 27. Aufl., § 10 Rz 189 ff.). Die sich daraus ergebende Steuerpflicht war gesondert festzustellen. Das im Streitfall mit der Lebensversicherung gesicherte Darlehen über 180.000 € diente insoweit nur der Anschaffung von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens i.H.v. 157.200 € aus dem Praxiskauf. In Höhe von 9.000 € wurde das Darlehen für nicht begünstigte Zwecke (Finanzierung des Umlaufvermögens und der Zinscap-Gebühr) verwendet. Insoweit fehlt es am Merkmal der Ausschließlichkeit. Da das Darlehen auch nur teilweise zur Finanzierung von Wirtschaftsgütern des Umlaufvermögens und für die Aufbringung von Finanzierungskosten verwendet wurde, sind die Erträge aus der Kapitallebensversicherung insgesamt steuerpflichtig (vgl. BMF-Schreiben vom 15. Juni 2000 IV C 4-S 2221-86/00, a.a.O.).

b) Eine ausdehnende Auslegung oder Rechtsfortbildung im Wege der Lükkenfüllung dergestalt, dass auch der Erwerb eines „Gesamtwirtschaftsguts” Praxis steuerunschädlich wäre und dass bei einem derartigen Erwerb die Finanzierungsdurchführung zu lockern wäre, ist nicht vorzunehmen. Der Senat sieht keinen Anlass, über den eindeutigen Gesetzeswortlaut hinauszugehen. Der Gesetzgeber sah die Zurückführung auf den eigentlichen Zweck des § 10 Abs. 1 Nr. 2b EStG, nämlich Förderung der Vorsorgeaufwendungen in Form von Lebensversicherungen, als erforderlich an (vgl. Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, Kommentar, 172. Aktualisierung Februar 2007, § 10 Rdnr. P 6 ff.; Schmidt/ Heinicke, a.a.O., Rz. 186, auch zum Folgenden). Die Vorteile der Finanzierungsmodelle über Policendarlehen lagen in der (Tilgung bzw.) Sicherung einer Darlehensrückzahlung im Einkünftebereich durch Lebensversicherung und dem Abzug der in der Regel günstigen aber wegen begrenzter Beleihbarkeit durch Tilgungsstreckung erhöhten Schuldzinsen als Betriebsausgaben bzw. Werbungskosten bei gleichzeitiger Steuerfreiheit der angesparten Versicherungszinsen. In dieser Steuerfreiheit lag der maßgebliche Vorteil und hier hat der Gesetzgeber angesetzt: Mit dem Sonderausgabenabzug entfällt - eingeschränkt - die Steuerfreiheit des Sparzinsanteils bei Auszahlung der Versicherungssumme. Der so umschriebene Gesetzeszweck der Einschränkung gem. § 10 Abs. 2 Satz 2 EStG steht der klägerseitig erstrebten Ausweitung der Steuerfreiheit der Zinsanteile von Lebensversicherungen entgegen. Nach dem Gesetzeswortlaut und -zweck soll die Steuerfreiheit der Nutzung der Policen zur Sicherung von Darlehen, deren Zinsen Betriebsausgaben sind, entfallen und nur für eng begrenzte Finanzierungen von Anschaffungskosten/ Herstellungskosten (insbesondere: unmittelbar, ausschließlich; Wirtschaftsgüter, die dauernd zur Erzielung von Einkünften bestimmt sind) wiederum eingeräumt werden („es sei denn”). Es handelt sich danach nicht vorrangig um eine Förderungsvorschrift zur Erleichterung von Investitionen - etwa für mittelständische Unternehmen - sondern um die Einschränkung von Finanzierungen mittels Policendarlehen mit eng begrenzten Ausnahmen. Ein Grund, der zu der vom Kläger erstrebten Ausweitung der Steuerunschädlichkeit führen sollte, ist nicht zu erkennen. Für die vom Kläger erstrebte ausweitende Auslegung - durch Verzicht auf das zusätzliche Erfordernis der fehlenden Überfinanzierung - besteht auch kein Bedürfnis. Bei richtiger Gestaltung und zweckmäßiger Handhabung, worauf auch der Beklagte in der Einspruchsentscheidung unter Bezugnahme auf das BMF-Schreiben vom 15. Juni 2000 IV C 4-S 2221-86/00, a.a.O., Rdnr. 39 bis 42, hinweist, wäre es nämlich möglich gewesen, die tatbestandlichen Voraussetzungen der Ausnahmeregelung des § 10 Abs. 2 Satz 2 EStG für den wesentlichen Teil der Investitionen einzuhalten (ebenso Finanzgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 18. März 2003 , Az. 2 K 1062/01, bezüglich der Finanzierung einer Praxisübernahme durch einen Steuerberater und damit zusammenhängender Investitionen; Finanzgericht Berlin, Urteil vom 16. August 2004, 8 K 6100/02, a.a.O. bezüglich des Kaufs einer Apotheke). Ebenso hätte auch die Möglichkeit bestanden, dass den betreffenden Zahlungen an den Verkäufer der Praxis eine eindeutige Zweckbestimmung beigefügt wäre, wonach die betreffende Zahlung sich ausschließlich auf den Teil des Kaufpreises beziehen sollte, der für das Anlagevermögen gezahlt worden wäre. Nur bei einer derartigen Gestaltung der Zahlungsströme hätte festgestellt werden können, dass das betreffende Darlehen, das mit der Lebensversicherung besichert worden ist, tatsächlich und gegenständlich ausschließlich zur Finanzierung des Anlagevermögens verwendet worden ist - und nicht auch teilweise zur Finanzierung des Umlaufvermögens.

c) Auch auf die Ausnahmeregelung des § 10 Abs. 2 Satz 2 Buchst. a, 2. Halbsatz EStG, wonach es unbeachtlich ist, wenn die Voraussetzungen des § 10 Abs. 2 Satz 2 Buchst. a, 1. Halbsatz EStG bei Darlehen oder bei zur Sicherung verwendeten Ansprüchen aus Versicherungsverträgen jeweils insgesamt für einen Teilbetrag bis zu 2.556 € nicht erfüllt sind, kann sich der Kläger nicht berufen. Denn mit dem Darlehen über 180.000 € sind mit den Positionen Umlaufvermögen und Zinscap-Gebühr Aufwendungen von insgesamt 9.000 € finanziert worden, die nicht zu den Anschaffungs- oder Herstellungskosten von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens zählen. Zwar lässt es die Finanzverwaltung (vgl. BMF-Schreiben vom 15. Juni 2000 IV C 4 -S 2221- 86/00, a.a.O., Rdnr. 15) über die Bagatellgrenze von bis zu 2.556 € hinaus im Billigkeitswege bei der erstmaligen Finanzierung begünstigter Anschaffungs- oder Herstellungskosten aus Vereinfachungsgründen (über den Wortlaut des Gesetzes hinaus) zu, dass das Darlehen auch bankübliche einmalige Finanzierungskosten umfasst und die Versicherungsansprüche vereinbarungsgemäß höchstens bis zur Höhe der mit dem Darlehen finanzierten Anschaffungs- oder Herstellungskosten der Tilgung/Sicherung des Darlehens dienen. Jedoch sollen nach Rdnr. 16 des vorstehend zitierten BMF-Schreibens, wenn neben den Anschaffungs- und Herstellungskosten auch andere Aufwendungen bis zu einem Teilbetrag von insgesamt 2.556 € (Bagatellgrenze) durch die Darlehen mitfinanziert werden, die mitfinanzierten einmaligen Finanzierungskosten - i.S. der Rdnr. 15 - auf die Bagatellgrenze anzurechnen sein. Das hat im Ergebnis zur Folge, dass immer dann, wenn - wie auch im Streitfall- erstmalige einmalige Finanzierungskosten i.S. der Rdnr. 15 des vorgenannten BMF-Schreibens von mehr als 2.556 € mitfinanziert werden, die Bagatellgrenze i.S. der Rdnr. 16 des BMF-Schreibens, die alle denkbaren Aufwendungen umfasst, überschritten wird. Da der Kläger Finanzierungskosten in Höhe von 7.200 €, die nicht zu den Anschaffungskosten zählen, mitfinanziert hat, und diese hiernach auf die Bagatellgrenze anzurechnen sind, führt dies insgesamt zu einer steuerschädlichen Verwendung i.S. des § 10 Abs. 2 Satz 2 Buchst. a EStG (vgl. auch Niedersächsisches Finanzgericht, Urteil vom 28. Januar 2003 , 15 K 904/99, EFG 2003, 1478). Diese schließt eine Steuerfreiheit der Zinsen aus den Sparanteilen, die in den Beiträgen zur Lebensversicherung des Klägers enthalten sind, insgesamt aus. Selbst wenn es sich bei dem bei dem genannten BMF-Schreiben um eine zur Selbstbindung der Verwaltung führende Billigkeitsregelung handeln sollte, auf deren Anwendung der Steuerpflichtige einen Rechtsanspruch hätte (hieran zu Recht zweifelnd BFH-Urteil vom 12. Oktober 2005 VIII R 19704, a.a.O., unter II.2.b)cc)), könnte die Klage keinen Erfolg haben.

Von einer weiteren Begründung wird abgesehen; der Senat folgt den insoweit zutreffenden Gründen der Einspruchsentscheidung (§ 105 Abs. 5 FGO).

II. Die Entscheidung erging mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§ 90 Abs. 2 FGO).

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

IV. Der Revisionszulassung bedurfte es nicht (§ 115 Abs. 2 FGO). Denn die vom Kläger angesprochenen rechtlichen Gesichtspunkte sind bereits höchstrichterlich geklärt.

RechtsgebietEStGVorschriftenEStG § 10 Abs. 1 Nr. 2 EStG § 10 Abs. 2 Satz 2a EStG § 20 Abs. 1 Nr. 6

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