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06.05.2010 · IWW-Abrufnummer 101382

Hessisches Finanzgericht: Beschluss vom 14.01.2010 – 8 K 283/04

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


FG Hessen v. 14.01.2010

8 K 283/04

Gründe
Die Kläger sind Eheleute und werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger ist als … selbständig tätig. Im Dezember 1997 erwarben er und die Klägerin je einen Miteigentumsanteil von 116/1000 bzw. 402/1000 an dem unbebauten Grundstück A. Die Planung für das Bauvorhaben hatte bereits im Sommer 1995 begonnen; der Bauantrag war am 1995 eingereicht worden. Am 1997 wurde der Generalunternehmervertrag zum Bauvorhaben geschlossen. Baubeginn war nach erteilter Baugenehmigung am 1997 der …

…1998. Auf dem Grundstück wurde ein Gebäude mit elf Wohnungen und zwei Büroeinheiten errichtet. Die Miteigentümer teilten nach Beschränkung ihres Miteigentumsanteils gem. § 3 Wohnungseigentumsgesetz mit notariellem Vertrag vom … 1998 das Grundstück u. a. dergestalt auf, dass die Klägerin eine der beiden Büroeinheiten sowie drei Eigentumswohnungen und der Kläger zwei Wohnungen jeweils zu Alleineigentum erhielten. Der Kläger veräußerte eine seiner beiden Wohnungen mit notariellem Vertrag vom …1998, die Klägerin in der Folgezeit drei ihrer Wohnungen mit Verträgen vom …1998,

…1998 und …1999. Die Bauabnahme des gesamten Objektes erfolgte am …1998.

Der Beklagte hat nach einer Betriebsprüfung für die von der Klägerin in 1999 verkaufte Eigentumswohnung sonstige Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften in Höhe von ... DM berücksichtigt und am …2002 einen entsprechend geänderten Einkommensteuerbescheid 1999 erlassen. Hiergegen haben die Kläger erfolglos Einspruch eingelegt.

Da die Klage nicht innerhalb der einmonatigen Frist beim Finanzgericht eingegangen war, haben die Kläger Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Mit Zwischenurteil des Senats vom 29. Oktober 2009 ist die Zulässigkeit der Klage festgestellt worden.

Die Kläger sind der Auffassung, § 23 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG sei in ihrem Fall nicht anzuwenden. Die Wohnungen hätten zum Teil aus Finanzierungsgründen verkauft werden müssen, weil sich die Baukosten in nicht vorhersehbarer Weise erheblich erhöht hätten. Auf ihren Fall bezogen liege eine tatbestandliche Rückwirkung vor. Der Vertragsschluss am …1999 sei zwar erst nach dem Beschluss des Bundesrates, jedoch noch vor der Veröffentlichung der Neuregelung im Bundessteuerblatt erfolgt. Die neuere verfassungsrechtliche Rechtsprechung zur Rückwirkung von Änderungen der Steuergesetze schütze das Vertrauen des Steuerbürgers in planungsmäßiger Hinsicht. Ihr Vertrauen in die nicht nur zum Zeitpunkt des Planungsbeginns, sondern auch noch im Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrages gültige rechtliche Situation sei auch nicht durch die Kenntnis von Umständen erschüttert worden, die auf eine Änderung der steuerlichen Behandlung von so genannten Herstellungsfällen durch den Gesetzgeber hindeuteten. Die Bundesregierung habe noch 1996, also nach Beginn der Planungsphase für das im Streit befindliche Bauvorhaben ausdrücklich betont, an der damals geltenden Regelung des § 23 Abs. 1 EStG festhalten zu wollen. Wenn der BFH in seiner Rechtsprechung der Auffassung sei, dass Verkaufsfälle nach Ablauf der Spekulationsfrist wegen schwerwiegender verfassungsrechtlicher Bedenken nicht steuerlich belastet werden dürften, so müsse das auch für Herstellungsfälle gelten.

Die Kläger beantragen,

unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom …2003 die mit Bescheid vom …2002 festgesetzte Einkommensteuer auf Euro ( DM) herabzusetzen.

Der Beklagte beantragt sinngemäß,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte ist der Auffassung, die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 23 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes lägen vor. Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der streitentscheidenden Norm bestünden für den Streitfall nicht, da die Eigentumswohnung zeitlich nach dem Gesetzesbeschluss des Deutschen Bundestages und auch nach der Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt verkauft wurde und daher das Vertrauen der Kläger nicht schutzwürdig sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze sowie auf die Einkommensteuerakten 1999 mit Schriftverkehr zum Einspruchs- und Aussetzungsverfahren verwiesen.

B.

Der Senat legt die Vorlagefrage dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) gem. Art. 100 Abs. 1 Satz 1 Grundgesetz (GG), § 80 des Gesetzes über das BVerfG (BVerfGG) zur Entscheidung vor und setzt bis dahin das Verfahren aus.

Nach der Überzeugung des Senats sind § 23 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 i. V. m. § 52 Abs. 39 Satz 1 EStG in der Fassung des Art. 1 Nr. 31 und Art. 56 Abs. 39 des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 vom 24. März 1999, BGBl I 1999, 402 (410, 417) verfassungswidrig, als die sich steuererhöhend auswirkende Gesetzesänderung, dass errichtete Gebäude in die Ermittlung des Gewinns aus privaten Veräußerungsgeschäften einzubeziehen sind, auch auf vor dem 01.01.1999 fertig gestellte Gebäude anwendbar ist. Diese Regelung bewirkt nach Überzeugung des Senats als unzulässige tatbestandliche Rückanknüpfung einen Verstoß gegen den verfassungsrechtlich gebotenen Vertrauensschutz der Klägerin im Rahmen der von ihr ausgeübten wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 20 Abs. 3 GG), weil der Gewinn im Streitfall auf die vor dem 01.01.1999 entstandene Wertsteigerung entfällt.

I. Einfachgesetzliche Beurteilung des Streitfalles

1. Gewerblicher Grundstückshandel

Der Gewinn aus dem Verkauf der Eigentumswohnung in 1999 ist nicht als Gewinn aus Gewerbebetrieb zu erfassen, da die Klägerin nicht als gewerbliche Grundstückshändlerin tätig geworden ist.

a) Nach § 15 Abs. 2 EStG ist ein Gewerbebetrieb eine selbständige, nachhaltige Betätigung, die mit der Absicht, Gewinn zu erzielen, betrieben wird, sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt und die weder als Ausübung der Land- und Forstwirtschaft noch als Ausübung eines freien Berufes noch als eine andere selbständige Tätigkeit anzusehen ist sowie nicht der privaten Vermögensverwaltung zuzurechnen ist (ständige Rechtsprechung des BFH, vgl. Beschluss des Großen Senats des BFH vom 10. Dezember 2001 GrS 1/98, BFHE 197, 240, BStBl II 2002, 291, m. w. N.).

Für die Abgrenzung zwischen Gewerbebetrieb einerseits und Vermögensverwaltung andererseits stellt die Rechtsprechung auf das Gesamtbild der Verhältnisse und die Verkehrsanschauung ab. In Zweifelsfällen ist maßgebend, ob die Tätigkeit, soll sie in den gewerblichen Bereich fallen, dem Bild entspricht, das nach der Verkehrsanschauung einen Gewerbebetrieb ausmacht und einer privaten Vermögensverwaltung fremd ist (vgl. Beschluss des Großen Senats des BFH vom 3. Juli 1995 GrS 1/93, BFHE 178, 86, BStBl II 1995, 617, unter C.I.).

Anhaltspunkt für einen solchen gewerblichen Grundstückshandel ist die Veräußerung von mehr als drei Objekten innerhalb eines engen zeitlichen Zusammenhangs (sog. Drei-Objekt-Grenze, vgl. Beschluss des Großen Senats des BFH vom 10. Dezember 2001 GrS 1/98, BFHE 197, 240, BStBl II 2002, 291, m. w. N.). Denn die Zahl der Veräußerungen innerhalb eines engen zeitlichen Zusammenhangs von in der Regel fünf Jahren zwischen Anschaffung bzw. Errichtung und Verkauf lässt den Schluss zu, dass es dem Steuerpflichtigen auf die Ausnutzung substantieller Vermögenswerte durch Umschichtung ankommt (BFH-Urteil vom 15. März 2000 X R 130/97, BFHE 191, 360, BStBl II 2001, 530). Die Heranziehung dieser objektiv erkennbaren Merkmale ist gerechtfertigt, weil das Merkmal der von Anfang an bestehenden Veräußerungsabsicht oft nicht auf anderem Wege zweifelsfrei feststellbar ist. Gleichwohl kommt es auf diese Umstände dann nicht an, wenn sich bereits aus anderen – ganz besonderen – Umständen zweifelsfrei eine von Anfang an bestehende oder aber fehlende Veräußerungsabsicht ergibt. Solche besonderen Umstände können unter anderem darin liegen, dass das im zeitlichen Zusammenhang mit der Bebauung und Veräußerung erworbene Grundstück schon vor seiner Bebauung verkauft wurde, die Bebauung des Grundstücks von vornherein nach den Wünschen und Vorstellungen des Erwerbers erfolgte (vgl. Beschluss des Großen Senats des BFH vom 10. Dezember 2001 GrS 1/98, BFHE 197, 240, BStBl II 2002, 291) oder das Bauvorhaben nur kurzfristig finanziert und während der Bauzeit bereits ein Makler mit dem Verkauf beauftragt wurde (BFH-Urteil vom 27. November 2002 X R 53/01, BFH/NV 2003, 1291). Allein ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen Erwerb, Bebauung und Veräußerung ist ohne weitere objektive Umstände, wie z. B. eine kurzfristige Finanzierung, nicht ausreichend, eine unbedingte Veräußerungsabsicht anzunehmen (BFH-Urteile vom 27. November 2008 IV R 38/06, BFHE 223, 476, BStBl II 2009, 278; vom 7. Mai 2008 X R 49/04, BFHE 221, 144, BStBl II 2008, 711).

b) In Anwendung vorstehender Rechtsgrundsätze, die das Gericht für zutreffend hält, liegen die Voraussetzungen für einen gewerblichen Grundstückshandel im Streitfall nicht vor.

Da die Klägerin nicht mehr als drei Objekte verkauft hat, müssen Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass eine unbedingte Veräußerungsabsicht zum Zeitpunkt der Bebauung bestanden hat. Hinsichtlich der Bestimmung des maßgeblichen Zeitpunktes ist nicht auf den Beginn der Bauarbeiten oder auf die Fertigstellung abzustellen, sondern auf den Zeitpunkt, in dem sich die Klägerin rechtlich gebunden hat, hier also durch Abschluss der auf die Bebauung gerichteten Verträge (BFH, Urteil vom 28. April 2005 IV R 17/04, BFHE 209, 372, BStBl II 2005, 606 unter 1. b; Urteil vom 19. Februar 2009 IV R 8, 9/07, BFH/NV 2009, 923, 925 unter 2. b der Gründe). Im Streitfall sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Klägerin schon vor Abschluss des Generalunternehmervertrages vom …1997 die Absicht hatte, eine oder mehrere Wohnungen zu verkaufen.

Sonstige Umstände, die auf einen Erwerb der im Streitjahr veräußerten Eigentumswohnung in unbedingter Veräußerungsabsicht schließen lassen, liegen nicht vor. Die Klägerin hat weder das Objekt von vornherein zum Verkauf angeboten noch hat sie die in 1999 verkaufte Eigentumswohnung nach den Vorstellungen der Erwerberin gebaut. Vielmehr war die Wohnung bei Abschluss des Vertrages bereits fertig gestellt.

2. Sonstige Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften

a) Gem. §§ 23 Abs. 1 Nr. 1, 22 Nr. 2 EStG in der Fassung des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 vom 24. März 1999 (BGBl I, 402 -StEntlG-) sind Überschüsse aus der Veräußerung eines Grundstücks steuerpflichtig, wenn der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als zehn Jahre beträgt. Ein innerhalb dieses Zeitraums errichtetes Gebäude ist einzubeziehen. Gem. § 52 Abs. 39 EStG in der Fassung des StEntlG ist § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG auf alle Veräußerungsgeschäfte anzuwenden, bei denen die Veräußerung auf einem nach dem 31.12.1998 abgeschlossenen obligatorischen Vertrag beruhte.

b) Unter Berücksichtigung dieser Gesetzeslage hat das Finanzamt zu Recht den (der Höhe nach unstreitigen) Gewinn mit dem Unterschied zwischen Veräußerungspreis und Anschaffungs- und Herstellungskosten gem. § 23 Abs. 3 EStG bei der Einkommensteuerveranlagung berücksichtigt:

Die Klägerin hat das Grundstück mit notariellem Vertrag vom .... 1997 erworben und die errichtete und fertig gestellte Eigentumswohnung mit notariellem Vertrag von ... .1999 veräußert. Da zu den Grundstücken i. S. der Regelung des § 23 Abs. 1 Nr. 2 EStG auch das Wohnungseigentum als besonders ausgestaltetes Miteigentum nach Bruchteilen am (bebauten) Grundstück zählt (vgl. BFH-Urteil vom 27.08.1997 X R 26/95, BFHE 184, 385, BStBl II 1998, 135 m. w. N.) und die Klägerin damit innerhalb der Spekulationsfrist das Grundstück veräußert hat, ist unstreitig der Tatbestand der §§ 22 Nr. 2, 23 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 EStG erfüllt.

Aus der Anschaffung und Veräußerung (nur) des Grund und Bodens ist nach den Feststellungen ein Gewinn nicht entstanden. Es ist davon auszugehen, dass innerhalb der kurzen Frist zwischen Erwerb und Veräußerung des Grundstücks keine Wertsteigerungen des Grund und Bodens eingetreten sind.

3. Rechtsentwicklung der im Streitfall maßgeblichen Vorschrift des § 23 EStG

Die Rechtsentwicklung der im Streitfall maßgeblichen Vorschrift des § 23 EStG ist vom BFH in dessen Vorlagebeschluss vom 16. Dezember 2003 IX R 46/02 (BFHE 204, 228, BStBl II 2004, 284 unter I. 1. der Gründe; vgl. auch Vorlagebeschluss des Finanzgerichts Münster vom 17. August 2009 10 K 3918/05 E, EFG 2009, 1945) ausführlich dargestellt worden, so dass darauf verwiesen wird. Für dieses Verfahren von besonderer Bedeutung ist die Fassung des § 23 Abs. 1 Nr. 1 EStG in der dem StEntlG vorhergehenden Fassung:

1§ 23 Spekulationsgeschäfte

(1) Spekulationsgeschäfte (§ 22 Nr. 2) sind

1. Veräußerungsgeschäfte, bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung beträgt:

a) bei Grundstücken und Rechten, die den Vorschriften des bürgerlichen Rechts über Grundstücke unterliegen (z. B. Erbbaurecht, Mineralgewinnungsrecht), nicht mehr als zwei Jahre,…

während § 23 Abs. 1 Nr. 1 EStG und § 52 Abs. 39 Satz 1 EStG i. d. F. des StEntlG lauten:

§ 23 Private Veräußerungsgeschäfte

(1) Private Veräußerungsgeschäfte (§ 22 Nr. 2) sind

1. Veräußerungsgeschäfte bei Grundstücken und Rechten, die den Vorschriften des bürgerlichen Rechts über Grundstücke unterliegen (z. B. Erbbaurecht, Mineralgewinnungsrecht), bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als zehn Jahre beträgt. Ein innerhalb dieses Zeitraums fertig gestelltes Gebäude ist einzubeziehen…

§ 52 Anwendungsvorschriften

(39) § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 ist auf Veräußerungsgeschäfte anzuwenden, bei denen die Veräußerung auf einem nach dem 31. Dezember 1998 rechtswirksam abgeschlossenen obligatorischen Vertrag oder gleichstehenden Rechtsakt beruht.

Nach der dem StEntlG vorhergehenden Fassung des § 23 Abs. 1 Nr. 1 EStG war nur der Gewinn aus der Veräußerung des Grundstücks selbst innerhalb der Spekulationsfrist steuerpflichtig. Ein nach dem Grundstückserwerb errichtetes Gebäude als steuerlich vom Grund und Boden verschiedenes Wirtschaftsgut fiel nicht unter den Tatbestand des § 23 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a, Abs. 3 EStG.

Bei den Beratungen zum Jahressteuergesetz 1996 ist erwogen worden, hergestellte Gebäude in die Spekulationsbesteuerung einzubeziehen (Entwurf des Jahressteuergesetzes, BTDrucks. 13/1686, Begründung S. 40). Der Entwurf ist jedoch nicht Gesetz geworden. Mit der Neufassung des § 23 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG durch das StEntlG unterliegt nunmehr die Veräußerung eines innerhalb der Spekulationsfrist hergestellten Gebäudes ebenfalls der Besteuerung nach § 23 EStG (BTDrucks. 14/265, S. 180 zu Nummer 27). § 52 Abs. 39 Satz 1 EStG hatte erst auf Vorschlag des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages Eingang in das Gesetz gefunden hat (BTDrucks. 14/442, S. 23). Er sollte für § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG eine besondere Anwendungsregelung schaffen (BTDrucks. 14/443, S. 33 zu Absatz 39). Gegen diese Änderungen wurden im Gesetzgebungsverfahren durch den Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages keine rechtsförmlichen oder verfassungsrechtlichen Bedenken erhoben (BTDrucks. 14/443, S. 5 unter 3. a). Aufgrund der Neuregelung und der (erstmaligen) Einbeziehung von Herstellungsfällen wurden für Bund, Länder und Gemeinden jährliche Mehreinnahmen in Höhe von insgesamt 665 Mio. DM erwartet (BTDrucks. 14/23, S. 154).

Durch Art. 1 Nr. 16, Nr. 40 Buchst. n des Steuerbereinigungsgesetzes 1999 vom 22. Dezember 1999 (BGBl I, 2601) wurde § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 2 und 3, Abs. 3, § 52 Abs. 39 Satz 1 EStG nochmals wie folgt geändert:

§ 23 Private Veräußerungsgeschäfte

(1) Private Veräußerungsgeschäfte (§ 22 Nr. 2) sind

1. Veräußerungsgeschäfte bei Grundstücken und Rechten, die den Vorschriften des bürgerlichen Rechts über Grundstücke unterliegen (z. B. Erbbaurecht, Mineralgewinnungsrecht), bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als zehn Jahre beträgt. Gebäude und Außenanlagen sind einzubeziehen, soweit sie innerhalb dieses Zeitraums errichtet, ausgebaut oder erweitert werden; dies gilt entsprechend für Gebäudeteile, die selbständige unbewegliche Wirtschaftsgüter sind, sowie für Eigentumswohnungen und im Teileigentum stehende Räume.

§ 52 Anwendungsvorschriften

(39) § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 in der Fassung des Gesetzes vom 22.12.1999 (BGBl I, 2601) und § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 ist auf Veräußerungsgeschäfte anzuwenden, bei denen die Veräußerung auf einem nach dem 31. Dezember 1998 rechtswirksam abgeschlossenen obligatorischen Vertrag oder gleichstehenden Rechtsakt beruht.

Diese „klarstellende“ Regelung (BTDrucks. 14/2070, 1, 19) bewirkt, dass im Gegensatz zur Regelung im StEntlG auch der Überschuss aus dem Verkauf von teilfertigen Gebäuden sowie der Erweiterung und dem Ausbau von Gebäuden erfasst wird. Das StBereinG ist erst zum 01.01.2000 in Kraft getreten (Art. 28 Abs. 1 StBereinG). Gleichwohl wird das StBereinG wegen der Regelung des § 52 Abs. 39 (Art. 1 Nr. 40 n), wonach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StBereinG auf Veräußerungsgeschäfte anzuwenden ist, bei denen die Veräußerung auf einem nach dem 31. Dezember 1998 rechtswirksam abgeschlossenen obligatorischen Vertrag oder gleichstehenden Rechtsakt beruht, schon für 1999 für anwendbar gehalten (vgl. Weber-Grellet in Schmidt, EStG, 24. Aufl. 2005 § 23 Rdn. 17; Risthaus, Beilage Nr. 13 in DB 2000, Rdn. 13). Die geänderte Gesetzesregelung hat für die im Streitfall zu beurteilende Rechtslage aber schon deshalb keine Bedeutung, weil zwar der Wortlaut des StBereinG im Hinblick auf sog. Errichtungsfälle verändert wurde, nach beiden Gesetzesfassungen (StEntlG und StBereinG) aber fertig gestellte Gebäude – wie im Streitfall – zu erfassen sind.

II. Verfassungsrechtliche Beurteilung des § 52 Abs. 39 Satz 1 i. V. m. § 23 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG i. d. F. des StEntlG

Der Senat ist der Überzeugung, dass die zu § 23 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG ergangene Anwendungsvorschrift des § 52 Abs. 39 Satz 1 EStG insoweit gegen das Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG i. V. m. dem Grundsatz der allgemeinen Handlungsfreiheit des Art. 2 GG verstößt, als aus der Veräußerung von errichteten Gebäuden Gewinne erfasst werden, die bereits vor dem 1. Januar 1999 latent entstanden waren, aber erst durch eine Veräußerung nach dem 31.12.1998 realisiert wurden.

1. § 23 Abs. 1 Nr. 1 EStG, der nach § 52 Abs. 39 Satz 1 EStG auf den Streitfall anzuwenden ist, unterwirft innerhalb der Veräußerungsfrist realisierte Wertveränderungen der Einkommensteuer. Er weicht damit von dem für die sog. Überschusseinkünfte (§ 2 Abs. 1 Nr. 4 bis 7 EStG) in § 2 Abs. 2 Nr. 2, §§ 8 ff. EStG normierten Grundsatz ab, dass – anders als bei den Gewinneinkünften (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 3, Abs. 2 Nr. 1, §§ 4 ff. EStG) – durch Veräußerung realisierte Wertsteigerungen von Wirtschaftsgütern grundsätzlich nicht steuerbar sind. Die Vorschrift stellt damit als Durchbrechung des Grundsatzes der Nichtsteuerbarkeit von Wertzuwächsen im Privatvermögen nach der Systematik der Überschusseinkünfte eine Ausnahme dar (vgl. Vorlagebeschluss des BFH vom 16. Dezember 2003 IX R 46/02, BFHE 204, 228, BStBl II 2004, 284 unter III. 1. a der Gründe).

a) Für den Streitfall von entscheidender Bedeutung ist, dass nach § 23 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2, Abs. 3 EStG in der Fassung des StEntlG erstmalig Einkünfte aus der Wertschöpfung eines in der Spekulationsfrist errichteten, dem Privatvermögen zuzuordnenden Gebäudes einzubeziehen sind, während in den dem StEntlG vorhergehenden Fassungen der §§ 22 Nr. 2, 23 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 EStG ein in der Spekulationsfrist errichtetes Gebäude unbeachtlich und dementsprechend für den zu ermittelnden Überschuss ohne Bedeutung war. Bei der Beurteilung von Spekulationsgeschäften war nämlich zu beachten, dass Grund und Boden einerseits und aufstehende Gebäude andererseits sowohl bei einheitlichem Erwerb wie bei nachträglicher Gebäudeerrichtung selbständige Wirtschaftsgüter bildeten (Urteile des BFH vom 30. November 1976 VIII R 202/72, BFHE 120, 522, BStBl II 1977, 384; vom 29. März 1989 X R 4/84, BFHE 156, 465, BStBl II 1989, 652; vom 1. Dezember 1989 III R 56/85, BFHE 159, 167, BStBl II 1990, 1054). Bei den sog. „Errichtungsfällen“ wurde nur der Grund und Boden im Sinne dieser Vorschrift angeschafft und veräußert. Die Gebäude wurden hergestellt und dann veräußert; sie unterlagen nicht dem Tatbestand eines Spekulationsgeschäftes nach § 23 Abs. 1 EStG.

b) Bei § 23 Abs. 1 Nr. 1 EStG handelt es sich um einen sog. gestreckten Steuertatbestand, dessen Verwirklichung mit der Anschaffung des Wirtschaftsguts beginnt und der mit dessen Veräußerung endet. Die während der gesamten Besitzzeit eintretenden Wertsteigerungen sollen erfasst werden (Urteil des FG Köln vom 15. Februar 1995 11 K 2685/93, EFG 1995, 672; ausführlich dazu Vorlagebeschluss des BFH vom 16. Dezember 2003 IX R 46/02, BFHE 204, 228, BStBl II 2004, 284 unter III. 1. b der Gründe).

2. Die Klägerin hat mit dem Erwerb des Grundstücks und der Errichtung der Wohnung eine wirtschaftlich motivierte Disposition getroffen und hierbei das Grundrecht der wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG in Anspruch genommen (vgl. BVerfG-Beschluss vom 5. Februar 2002 2 BvR 305, 348/93, BVerfGE 105, 17, 32, 38). Zum Zeitpunkt ihrer Entscheidungen konnte die Klägerin noch davon ausgehen, dass ein etwaiger Verkauf der Wohnung keine Besteuerung aus § 23 Abs. 1 Nr. 1 EStG nach sich ziehen würde, soweit nicht das Grundstück als solches betroffen war.

a) Ändert der Gesetzgeber die Rechtsfolgen eines der Vergangenheit zugehörigen Verhaltens nachträglich in belastender Weise, bedarf es nach der Rechtsprechung des BVerfG angesichts des Rechtsstaatsprinzips (Art. 20 Abs. 3 GG) einer besonderen Rechtfertigung. Wenn der Gesetzgeber an bereits abgeschlossene Tatbestände im Nachhinein ungünstigere Folgen knüpft als diejenigen, von denen der Bürger bei seinen Dispositionen ausgehen durfte , wird er in seinem Vertrauen auf die Verlässlichkeit der Rechtsordnung enttäuscht und in seiner Freiheit erheblich gefährdet (vgl. BVerfG-Beschlüsse vom 10. März 1971 2 BvL 3/68, BVerfGE 30, 272, 285; vom 8. Juni 1977 2 BvR 499/74, 1042/75, BVerfGE 45, 142, 167 f.; vom 14. Mai 1986 2 BvL 2/83, BVerfGE 72, 200, 257 f.; vom 3. Dezember 1997 2 BvR 882/97, BVerfGE 97, 67, 78). Der Staatsbürger muss vielmehr die ihm gegenüber möglichen staatlichen Eingriffe voraussehen und sich dementsprechend einrichten können (BVerfG-Urteil vom 19. Dezember 1961 2 BvL 6/59, BVerfGE 13, 261, 271; BVerfG-Beschluss vom 26. Februar 1969 2 BvL 15, 23/68, BVerfGE 25, 269, 290).

Dies gilt auch und besonders im Steuerrecht. Jeder Bürger muss darauf vertrauen können, dass sein dem geltenden Recht entsprechendes Handeln von der Rechtsordnung mit allen ursprünglich damit verbundenen Rechtsfolgen anerkannt bleibt. Soweit Steuertatbestände an Handlungen anknüpfen, muss also die Rechtsfolge bereits im Augenblick des Handelns gesetzlich vorgesehen sein (BVerfG-Urteil vom 19. Dezember 1961 2 BvL 6/59, BVerfGE 13, 261, 271).

Andererseits kann der Gesetzgeber beachtliche Gründe haben, bestehende Rechtslagen zu ändern, selbst wenn er dabei auf Tatbestände einwirken muss, die sich in der Entwicklung befinden und die im Vertrauen auf eine bestehende günstige Rechtslage geplant wurden. Er wäre in seinen Dispositionsmöglichkeiten unvertretbar eingeengt, wenn eine Einwirkung auf bestehende Rechtsverhältnisse grundsätzlich unzulässig wäre (BVerfG-Beschluss vom 13. März 1979 2 BvR 72/76, BVerfGE 50, 386, 396). Der Bürger kann deshalb grundsätzlich nicht darauf vertrauen, dass der Gesetzgeber Steuervergünstigungen und steuerliche Freiräume aufrechterhält sowie von der Erhebung zusätzlicher Steuern absieht (BVerfG-Beschlüsse vom 8. März 1983 2 BvL 27/81, BVerfGE 63, 312, 331; vom 28. November 1984 1 BvR 1157/82, BVerfGE 68, 287, 307). Hier zeigt sich, dass Rechtssicherheit und Vertrauensschutz in einem Spannungsverhältnis zum Demokratieprinzip stehen (Art. 20 Abs. 1 GG).

b) In diesem Zusammenhang unterscheidet das BVerfG seit 1960 zwischen echter (retroaktiver) Rückwirkung und unechter (retrospektiver) Rückwirkung. Soweit das BVerfG in steuerrechtlichen Verfahren entschieden hat, knüpft es grundsätzlich an das Entstehen des Steueranspruchs an. Bei periodischen Steuern auf das Einkommen nimmt es eine unechte Rückwirkung bzw. eine tatbestandliche Rückanknüpfung an, wenn das Gesetz noch vor Jahresende mit Wirkung auf den Jahresanfang beschlossen wird, weil der Steueranspruch erst mit dem Ablauf des Veranlagungszeitraums besteht. Echte Rückwirkung sieht das BVerfG dann als gegeben an, wenn das Gesetz erst im Folgejahr rückwirkend auf das Vorjahr beschlossen wird. Regelungen mit unechter Rückwirkung sind nach der Rechtsprechung des BVerfG grundsätzlich zulässig (BVerfG-Beschluss vom 28. November 1984 1 BvR 1157/82, BVerfGE 68, 287, 307). Im Steuerrecht hat das BVerfG noch keinen Fall unechter Rückwirkung als unzulässig erkannt (Tipke/Lang, Steuerrecht, 20. Aufl. 2010, § 4 Rz. 173, 178).

In seiner neueren Rechtsprechung hat das BVerfG seine Rechtsprechung zur Zulässigkeit rückwirkender Gesetze modifiziert. Im Falle einer Verschonungssubvention im Schiffsbau (Sonderabschreibung gemäß § 82 f. der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung) hat es entschieden, dass die steuergesetzlichen Dispositionsbedingungen bereits mit der Disposition, nicht erst mit Ablauf des Veranlagungszeitraums zu einer schutzwürdigen Vertrauensgrundlage werden (BVerfG-Beschluss vom 3. Dezember 1997 2 BvR 882/97, BVerfGE 97, 67). Aus den Ausführungen dieses Beschlusses, wonach es jedenfalls für Steuervergünstigungen bereits während des Veranlagungszeitraums abgeschlossene Sachverhalte geben kann, wird geschlossen, dass ein Umdenken des BVerfG im Hinblick auf die Bedeutung des Jährlichkeitsprinzips bei Veranlagungssteuern erfolgen könnte (vgl. BFH, Vorlagebeschluss vom 2. August 2006 XI R 34/02, BFHE 214, 386, BStBl II 2006, 887 unter III. 1. b der Gründe), zumal die Rückwirkungsrechtsprechung des BVerfG im Schrifttum immer wieder kritisiert wurde (vgl. Tipke/Lang, Steuerrecht, 20. Aufl. 2010, § 4 Rz. 177). Der BFH hat in vorstehendem Vorlagebeschluss unter III. und im Vorlagebeschluss vom 16. Dezember 2003 IX R 46/02, BFHE 204, 228, BStBl II 2004, 284 unter III. 2. der Gründe die verfassungsgerichtliche Rechtsprechung zur Rückwirkung sowie die unterschiedlichen Meinungen in Rechtsprechung und Literatur ausführlich dargestellt. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird darauf verwiesen.

Der vom BFH vertretenen Auffassung, dass der verstärkte Schutz von Dispositionen auf alle Steuerrechtsnormen zu erstrecken ist und dass der Bürger in seinem Vertrauen auf die bestehende Rechtsordnung gegen den rückwirkenden Wegfall einer Steuervergünstigung den gleichen Schutz verdient wie gegen die rückwirkende Belastung mit einem neu begründeten Steueranspruch (Vorlagebeschluss vom 16. Dezember 2003 IX R 46/02, BFHE 204, 228, BStBl II 2004, 284 unter III. 2. e) bb) der Gründe) schließt sich der Senat ausdrücklich an und verweist auf die diesbezüglichen Ausführungen.

c) Insbesondere ist festzustellen, dass der Neuregelung des § 23 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG vor diesem Hintergrund eine eigenständige Rückwirkungsproblematik innewohnt, weil die sachliche Ausdehnung der Steuerverhaftung im Hinblick auf errichtete Gebäude als ein von der Verlängerung der Veräußerungsfristen trennbarer und eigenständiger Tatbestand zu beurteilen ist (Seer/Drüen, FR 2006, 661 unter II. 2.). Da Wertsteigerungen erfasst werden, die vor dem Veranlagungszeitraum 1999 erfolgten, wird die Vorschrift ohne Erlass einer Übergangsregelung als verfassungswidrig angesehen (Musil in Herrmann/ Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, Kommentar, § 23 EStG Anm. 11; Rose, FR 2006, 441; ausführlichst Seer/Drüen, FR 2006, 661).

3. Im Streitfall liegt eine tatbestandliche Rückanknüpfung vor, da der (gestreckte) Tatbestand des § 23 Abs. 1 EStG, nämlich Erwerb, Errichtung und Veräußerung zum Zeitpunkt der Gesetzesänderung weder tatsächlich noch rechtlich abgeschlossen war. Erst die Veräußerung im …1999 beendete das der Besteuerung zugrunde liegende tatsächliche Geschehen.

Dennoch lässt nach Auffassung des vorlegenden Senats der Vertrauensschutz der Klägerin das Änderungsinteresse des Gesetzgebers zurücktreten. Wie der BFH in seinem Vorlagebeschluss vom 16. Dezember 2003 IX R 46/02, BFHE 204, 228, BStBl II 2004, 284 unter III. 4. zur verlängerten Spekulationsfrist ausgeführt hat, hält er § 23 Abs. 1 Nr. 1, § 52 Abs. 39 Satz 1 EStG insoweit für verfassungswidrig, als es vor dem Hintergrund des dem Rechtsstaatsprinzip entspringenden Kontinuitätsgebots und des Vertrauensschutzes verfassungsrechtlich zu beanstanden ist, dass der Steuerpflichtige im Vertrauen auf seine Vermögensdispositionen schutzlos gelassen wurde und sich der Gesetzgeber durch eine abrupte Kursänderung in Widerspruch zu seinen vorangegangenen Regelungen gesetzt hat. Der Senat teilt diese Auffassung. Die Ausführungen des BFH sind sinngemäß auch auf die sog. „Errichtungsfälle“ und damit im Streitfall anwendbar; zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die Ausführungen des BFH verwiesen.

Die Klägerin hat mit dem Abschluss des Generalunternehmervertrages eine wirtschaftlich motivierte Disposition getroffen und hierbei das Grundrecht der wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG in Anspruch genommen. Der vorlegende Senat stimmt der Auffassung von Seer/Drüen (FR 2006, 661 unter III. 3. b) zu, dass eine Herstellungsdisposition mehr Schutz verdient als die vom BFH bereits als schutzwürdig erachtete Anlagedisposition. Denn eine Anschaffung ist eine ergebnisneutrale Vermögensumschichtung, während bei der Herstellung ein Wertumformungsprozess in Gang gesetzt wird, dem das wirtschaftliche Risiko der Herstellung immanent ist. Die für das Jahr 1997 geltende Gesetzesfassung war im Zeitpunkt ihrer Anlagedisposition die Grundlage, auf die die Klägerin vertraut hat. Zu diesem Zeitpunkt war nicht abzusehen, dass das Gesetz in naher Zukunft geändert würde und die Wertsteigerung aus einem errichteten Gebäude zu versteuern war.

Das Vertrauen der Klägerin ist besonders schutzwürdig. Die Klägerin musste mit dem steuerlichen Zugriff des Gesetzgebers in wirtschaftlich bereits eingetretene, bisher nicht steuerbare Vorgänge nicht rechnen und konnte dies bei ihren Dispositionen daher nicht berücksichtigen. Aufgrund der jahrzehntelangen Geltung der Vorgängerregelung ist das Vertrauen der Klägerin auch von besonderem Gewicht, denn Wertzuwächse aus errichteten Gebäuden waren vor dieser Gesetzesregelung nicht zu erfassen. Zudem wurde ihr Vertrauen dadurch bestärkt, dass der in 1995 unternommene Versuch, die „Errichtungsfälle“ im Jahressteuergesetz 1996 zu verankern (vgl. BTDrucks. 13/1686, Begründung S. 40), gescheitert ist.

Es ist zwar unbestritten, dass der Gesetzgeber auch bisher nicht steuerbare Tätigkeiten für die Zukunft einer Besteuerung unterwerfen kann. Insbesondere kann der Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung eine Rechtfertigung für eine zukünftige Neuregelung bilden, die auch Wertsteigerungen des Privatvermögens erfasst. Entscheidend im Streitfall ist jedoch, dass durch die Veräußerung als letztes Tatbestandsmerkmal des § 23 EStG ein Wertzuwachs versteuert werden soll, der vor der Gesetzesänderung bereits vorhanden war. Der Wertzuwachs ist entstanden in einem Zeitraum, in dem das errichtete Gebäude weder „steuerverstrickt“ noch insbesondere „steuerverhaftet“ war, weil entsprechend der Systematik des § 2 Abs. 2 Nr. 2 EStG Wertzuwächse im Privatvermögen nicht zu besteuern waren.

Der Vertrauensschutz der Klägerin ist auch nicht deshalb eingeschränkt, weil sie die Eigentumswohnung nicht vor Änderung des EStG durch das StEntlG verkauft hat. Die Kläger haben Käufer für die zum Verkauf bestimmten Wohnungen schon in 1998 gesucht; der Klägerin war es aber nicht gelungen, vorher einen Käufer zu finden. Es liegt in der Natur des Grundstücksmarktes, dass der Verkauf eines Grundstücks in der Regel einen längeren Zeitraum benötigt und es daher von Zufälligkeiten abhängt, wann sich der bereits gefasste Veräußerungsentschluss realisieren lässt.

Öffentliche Interessen überwiegen dieses schutzwürdige Vertrauen der Klägerin nicht. Die rückwirkende Erweiterung des § 23 EStG war als Maßnahme der Gegenfinanzierung der sich aufgrund des StEntlG 1999/2000/2002 ergebenden Steuerausfälle gedacht. Außerdem ist im Gesetzgebungsverfahren zur Rechtfertigung der Verfassungsgrundsatz der Steuergerechtigkeit herangezogen worden. Beide Gründe sind zwar öffentliche Interessen, überwiegen aber im Streitfall das schutzwürdige Vertrauen der Klägerin nicht. Auf die sinngemäß anzuwendenden, weiteren Ausführungen des BFH im Vorlagebeschluss vom 16. Dezember 2003 IX R 46/02, BFHE 204, 228, BStBl II 2004, 284 unter III. 4. der Gründe wird zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen.

IV. Entscheidungserheblichkeit der Vorlagefrage

1. Da es für die Entscheidung des Streitfalles auf die Gültigkeit der § 23 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG i. V. m. § 52 Abs. 39 Satz 1 EStG ankommt, hat der Senat das Verfahren auszusetzen und eine Entscheidung des BVerfG zu der Vorlagefrage einzuholen (Art. 100 Abs. 1 GG; § 80 Abs. 1 BVerfGG).

Im Rahmen des anhängigen Klageverfahrens ist eine abschließende Sachentscheidung darüber zu treffen, ob die von der Klägerin erzielten Einkünfte aus der Veräußerung der Eigentumswohnung nach § 22 Nr. 2 i. V. m. § 23 Abs. 1 Nr. 1 EStG der Besteuerung zu unterwerfen ist. Sind die Vorschriften verfassungsgemäß, ist die Klage abzuweisen. Entfaltet die vorgelegte materielle Steuerrechtsnorm eine verfassungsrechtlich unzulässige Rückwirkung, würde die Steuerbelastung der Kläger im Streitjahr geringer ausfallen, wenn die vorgelegte Norm deswegen unanwendbar wäre.

V. Der Senat entscheidet nach § 90 Abs. 2 FGO ohne mündliche Verhandlung, da die Beteiligten auf mündliche Verhandlung verzichtet haben, die tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte des Streitfalles bereits in der mündlichen Verhandlung vom 20. Oktober 2009 erörtert worden sind und nach Auffassung des Senats auch ohne nochmalige Durchführung einer mündlichen Verhandlung die Entscheidungserheblichkeit der Norm mit Sicherheit feststeht (vgl. BVerfG-Urteil vom 31. Januar 1989 1 BvL 17/87, BVerfGE 79, 256, 264 f.; BVerfG-Beschluss vom 29. Oktober 1963 1 BvL 15/58, BVerfGE 17, 148, 152).

RechtsgebieteEStG 1997, GG, StEntlGVorschriften§ 23 Abs 1 Nr 1 S 2 EStG 1997 vom 24.03.1999, § 52 Abs 39 S 1 EStG 1997 vom 24.03.1999, Art 2 Abs 1 GG, Art 20 Abs 3 GG, StEntlG 1999/2000/2002, § 23 Abs 3 EStG 1997 vom 24.03.1999, § 23 Abs 1 Nr 1 Buchst a EStG 1997, § 23 Abs 3 EStG 1997, § 22 Nr 2 EStG 1997 vom 24.03.1999

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