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30.04.2010 · IWW-Abrufnummer 101366

Finanzgericht Köln: Urteil vom 16.12.2009 – 9 K 2580/07

1.) Die Anlaufhemmung des § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO gilt nicht, wenn die Verpflichtung zur Erstattung einer Anzeige gemäß § 30 Abs. 3 i.V.m. § 34 ErbStG ausschließlich einen Dritten betrifft, der nicht Vertreter des Steuerpflichtigen ist.



2.) Der Anlauf der nach § 170 Abs. 1 AO beginnenden regulären Festsetzungsfrist für die Erbschaft-/Schenkungsteuer wird bei unterbliebener Anzeige nach § 30 Abs. 3 i.V.m. § 34 ErbStG bis zu dem in § 170 Abs. 5 Nr. 2 AO genannten Zeitpunkt gehemmt. Fordert das Finanzamt hiernach zur Abgabe einer Steuererklärung auf, greift keine weitere Anlaufhemmung nach § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO.



3.) § 170 Abs. 5 Nr. 2 Alternative 2 AO verlangt positive Kenntnis der organisatorisch zur Verwaltung der Erbschaft- und Schenkungsteuer berufenen Dienststelle des örtlich und sachlich zuständigen Finanzamts von der vollzogenen Schenkung. Der zuständigen Dienststelle sind dabei grundsätzlich alle Tatsachen bekannt, die sich aus den bei ihr geführten Akten ergeben.


FG Köln v. 16.12.2009

9 K 2580/07

Tatbestand
Streitig ist, ob bei Erlass der angefochtenen Schenkungsteuerbescheide bereits Festsetzungsverjährung eingetreten war.

Mit notariellem Vertrag vom 14. Dezember 1998 (Urk.-Nr. … des in L amtsansässigen Notars F) übertrug die Klägerin ihren drei Kindern M, M1 und M2 mit Wirkung zum 31. Dezember 1998 unentgeltlich jeweils einen Teilanteil ihrer Kommanditbeteiligung an der N GmbH & Co. KG i.H. von nominal … DM sowie Teilgeschäftsanteile im Nennwert von jeweils … DM an der O & Cie GmbH. Unter Tz. VII.2. des Vertrags vereinbarten die Parteien, dass die mit der Urkunde und ihrer Durchführung verbundenen Kosten einschließlich der Kosten der Handelsregistereintragung und eine etwaige Schenkungsteuer von der Klägerin zu tragen seien. Die im Beurkundungstermin nicht anwesende, von ihrem Bruder M1 als Vertreter ohne Vertretungsmacht vertretene M2 genehmigte mit notariell beglaubigter Erklärung vom 28. Dezember 1998 den Inhalt der vorgenannten Vertragsurkunde. Erst danach wurden ausweislich des in Kopie vorliegenden, vom beurkundenden Notar unterschriebenen Ausfertigungsvermerks vom 7. Januar 1999 den Vertragsparteien und den Gesellschaften, deren Anteile Gegenstand der Übertragung waren, jeweils eine Ausfertigung der Urkunde sowie einem nicht näher bezeichneten „Finanzamt” eine beglaubigte Abschrift erteilt.

Am 17. Mai 2005 ging bei dem Beklagten eine an dessen Erbschaftsteuerstelle z.Hd. Frau P adressierte Kurzmitteilung des Finanzamts für Groß- und Konzernbetriebsprüfung L ein, wonach anlässlich einer bei der N GmbH & Co KG durchgeführten Betriebsprüfung bekannt geworden sei, dass die Klägerin zum 31. Dezember 1998 im Wege der Schenkung jeweils 2 v.H. ihrer Anteile an der N KG und an der O & Co Cie GmbH an ihre Kinder M, M1 und M2 übertragen habe. Die Mitteilung schloss mit dem Hinweis, die Freibeträge gemäß § 13a ErbStG seien entfallen, da die Anteile zum 31. Dezember 2002 veräußert worden seien. Der Kurzmitteilung beigefügt war u.a. eine Kopie der der O Cie GmbH erteilten Ausfertigung der notariellen Urkunde vom 14. Dezember 1998.

Der Aufforderung des Beklagten, wegen der vorgenannten Anteilserwerbe eine Schenkungsteuererklärung abzugeben, begegnete die Kanzlei T als Bevollmächtigte der Beschenkten M2 und M mit der Auffassung, wegen der Schenkungen vom 14. Dezember 1998 sei bereits Festsetzungsverjährung eingetreten. Nach der mit Schreiben vom 12. Mai 2005 vorgelegten Bestätigung des Notars F vom 4. Mai 2005 sei dem Beklagten am 15. Dezember 1998 eine beglaubigte Abschrift der Urkunde Nr. … erteilt worden. Hierzu teilte das Notariat F dem Beklagten – z.Hd. Frau P – unter dem 22. Juni 2005 ergänzend mit, ein Postausgangsbuch werde in ihrem Büro nicht geführt, die beglaubigte Abschrift der Urkunde Nr. … sei jedoch an das zum damaligen Zeitpunkt für Schenkungen und Erbschaften zuständige Finanzamt übersandt worden. Da es damals hierfür nur das Finanzamt L gegeben habe, sei die beglaubigte Abschrift auch an dieses Finanzamt geschickt worden.

Ausweislich einer unter dem 13. Oktober 2005 gefertigten Gesprächsnotiz der zuständigen Sachbearbeiterin P meldete sich Herr B vom Büro T telefonisch bei ihr und erkundigte sich, ob das Notariat F zwischenzeitlich angerufen habe. Weiter heißt es in dem Aktenvermerk wörtlich:

„Das Notariat F hat mir mitgeteilt, dass am 7. Januar 1999 zusammen mit dem strittigen Vertrag ein Vertrag für Schenkgeber J, r… Datum des Vertrags 10. Dezember 1998 UR.Nr. … dem FA L… im gleichen Umschlag geschickt worden ist. Problem: L ist für den Vertrag J nicht zuständig sondern Q. D.h. der Vertrag müsste weiter gesandt worden sein. Eingang beim FA L sollte ca. 9. Januar 1999 gewesen sein.

Herr B kennt nicht den Vorgang J aufgrund der Schweigepflicht der Notare. Herr B wünscht aber im Falle einer weiteren Stellungnahme des FA auf jeden Fall eine Anmerkung zu dem zweiten Vertrag, der lt. Notariat im gleichen Umschlag war. (Indiz für Bekanntwerden des strittigen Vertrags beim FA L).”

Mit Bescheiden vom 26. Januar 2006 setzte der Beklagte wegen der Erwerbe der drei Kinder M, M1 und M2 aus den Anteilsübertragungen ihrer Mutter vom 14. Dezember 1998 gegen diese als Schenkerin unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 Abs. 1 der Abgabenordnung – AO) Schenkungsteuer i.H. von jeweils … DM (= … EURO) fest.

Hiergegen legte die Klägerin mit Schreiben ihres nunmehr bevollmächtigten Sohnes M Einspruch ein. Zur Begründung bekräftigte sie ihre bereits im Veranlagungsverfahren vertretene Auffassung, dass bereits mit Ablauf des Jahres 2002 Festsetzungsverjährung eingetreten sei. Außerdem bat sie, zwecks Überprüfung der im Schätzwege ermittelten Besteuerungsgrundlagen die Steuerwerte der einzelnen Wirtschaftsgüter der N GmbH & Co KG mitzuteilen.

Nachdem der Beklagte dieser Bitte mit Schreiben vom 23. Juni 2006 nachgekommen war, wies er die Einsprüche der Klägerin mit Rechtsbehelfsentscheidung vom 20. Juni 2007, auf deren Inhalt wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen wird, als unbegründet zurück. Zur Begründung seiner Ansicht, dass die angefochtenen Bescheide noch vor Eintritt der Festsetzungsverjährung erteilt worden seien, führte er im Wesentlichen aus:

Die organisatorisch zuständige Erbschaft- und Schenkungsteuerstelle des beklagten Finanzamts habe erst mit Eingang der Kontrollmitteilung vom 11. Mai 2005 die nach § 170 Abs. 5 Nr. 2 AO erforderliche Kenntnis von den in Rede stehenden Anteilsschenkungen erlangt. Für die von ihr behauptete Tatsache, der zugrunde liegende Notarvertrag sei bereits früher in den Machtbereich der zuständigen Stelle gelangt, habe die Klägerin bisher keinen geeigneten Nachweis erbracht. Selbst wenn man eine ordnungsgemäße Versendung der Urkunde durch das Notariat F unterstelle, sei damit weder deren Zugang beim zuständigen Finanzamt noch – erst recht – ihr Zugang bei der organisatorisch zuständigen Stelle dieser Behörde nachgewiesen. Aus dem von der Finanzverwaltung NRW herausgegebenen „Merkblatt über steuerliche Beistandspflichten der Notare” ergebe sich, dass der Absendevermerk nicht als Empfangsbestätigung gelte. Eine solche würden die Finanzämter vielmehr regelmäßig nicht erteilen. Woran der Zugang der Vertragsurkunde bei der organisatorisch zuständigen Stelle gescheitert sei, sei jedoch letztlich unerheblich. Etwa verbleibende und durch keinerlei weitere Ermittlungen behebbare Unklarheiten gingen zulasten der Klägerin, der die Feststellungslast für die den Steueranspruch vernichtenden Verjährungsvoraussetzungen obliege. Die Höhe der festgesetzten Schenkungsteuer sei nicht – auch nicht hilfsweise – bestritten worden und nach Aktenlage nicht zu beanstanden.

Mit ihrer Klage hält die Klägerin an dem Einwand fest, die Steueransprüche wegen der Anteilsübertragungen vom 14. Dezember 1998 seien erloschen, weil im Zeitpunkt des Erlasses der Bescheide vom 26. Januar 2006 bereits Festsetzungsverjährung eingetreten sei. Hierzu trägt sie im Wesentlichen vor:

Entgegen den Angaben des Beklagten habe dieser nicht erst anlässlich der bei der N GmbH & Co KG durchgeführten Betriebsprüfung im Laufe des Jahres 2005, sondern bereits spätestens Anfang 1999 Kenntnis von den streitigen Anteilschenkungen erlangt. Aus den vorgelegten Bestätigungen des beurkundenden Notars F vom 4. Mai 2005 und 22. Juni 2005 ergebe sich, dass er bereits am 15. Dezember 1998 eine beglaubigte Abschrift der Vertragsurkunde an das seinerzeit ausschließlich für Schenkungsteuer zuständige Finanzamt L übermittelt habe. Den üblichen Gepflogenheiten eines Notariats entsprechend sei die beglaubigte Abschrift per Formular versandt und ihre Erteilung auf der Urschrift vermerkt worden. Ausweislich des von der Finanzverwaltung Rheinland-Pfalz herausgegebenen „Merkblatts über die steuerlichen Beistandspflichten der Notare” gelte der Absendevermerk eines Notars zugleich als Empfangsbestätigung des Finanzamts. Folgerichtig könne der Eingang der notariellen Urkunde vom 14. Dezember 1998 in den Empfangsbereich des Beklagten als zuständige Erbschaftsteuerstelle ohne weiteres unterstellt werden. Hierfür spreche bereits der beweis des ersten Anscheins.

Soweit sich der Beklagte darauf berufe, der streitige Notarvertrag sei schon deshalb nicht in seinen Machtbereich gelangt, weil er weder in dem früher handschriftlich geführten Schenkungsverzeichnis noch in dem zum Jahreswechsel 1998/99 installierten internen Datensystem der Erbschaft- und Schenkungsteuerstelle erfasst worden sei, werde die Richtigkeit dieser Behauptung ausdrücklich bestritten. Da derartige Systemumstellungen regelmäßig mit Anpassungs- und Umstellungsschwierigkeiten einhergingen, sei die Ende 1998 bei dem Beklagten eingegangene beglaubigte Urkundenabschrift schlicht außer Kontrolle geraten und habe daher auch nicht fristgerecht bearbeitet werden können. Auch dieser Umstand streite für den Beweis des ersten Anscheins, dass die streitige Urkunde tatsächlich eingegangen sei. Für die Tatsache, dass der streitige Notarvertrag der organisatorisch zuständigen Dienststelle des Beklagten bereits früher vorgelegen hat, spreche darüber hinaus eine interne Gesprächsnotiz der zuständigen Sachbearbeiterin vom 13. Oktober 2005. In diesem Vermerk habe Frau P folgenden Sachverhalt bestätigt: Der beurkundende Notar F habe den streitigen Vertrag zusammen mit einer weiteren ebenfalls eine Schenkung betreffenden Urkunde Nr. … – Schenkgeberin sei hier Frau J – in ein und demselben Briefumschlag postalisch zur ausschließlichen Prüfung einer etwaigen Schenkungsteuerpflicht postalisch an das Finanzamt L übermittelt. Dabei habe der Notar den weiteren Vertrag betreffend die Schenkungen der Frau J fehlerhaft – wohl aufgrund eines Büroversehens – an das beklagte Amt geschickt, das diese Urkunde dann zuständigkeitshalber an das Finanzamt Q weitergeleitet habe. So jedenfalls habe es die Sachbearbeiterin Frau P den Notar F bzw. seiner Angestellten Frau U telefonisch mitgeteilt, die von der örtlichen Zuständigkeit des Finanzamts Q für die Schenkung der Frau J bis zu diesem Anruf nichts gewusst hätten. Vor dem Hintergrund dieser Sachlage habe der Notar F dann seine Mitarbeiterin Frau U bei dem Beklagten anrufen lassen, um sich nach der Existenz der Verträge zu erkundigen. Dabei habe Frau U der Sachbearbeiterin des Beklagten, Frau P, u.a. gesagt, dass beide Verträge in einem Umschlag versandt worden seien. Nach Erwähnung des Namens J habe Frau P die Sache geprüft und sodann mitgeteilt, dass der Vertrag J zuständigkeitshalber vom Finanzamt L an das Finanzamt Q weitergeleitet worden sei. Sie habe also genau sagen können, dass der weitere Vertrag vorgelegen habe und seinerzeit nach Q abgegeben worden sei. Dieses Wissen könne Frau P indes nur dadurch erlangt haben, dass der weitere Vertrag (J) tatsächlich bei dem Beklagten eingegangen und registriert worden sei. Wenn aber die Urkunde J nachweislich bei dem beklagten Amt eingegangen sei, müsse dies auch für den hier streitigen Notarvertrag gelten. Ob der beide Vertragsurkunden beinhaltende Umschlag bereits am 15. Dezember 1998 zur Post gegeben worden oder – wie sich aus der Gesprächsnotiz ergebe – ein Eingang beider Verträge erst am 9. Januar 1999 zu verzeichnen sei, sei insofern rechtlich unerheblich, als jedenfalls spätestens mit Ablauf des Jahres 2003 Festsetzungsverjährung eingetreten sei.

Bezeichnenderweise habe der Beklagte trotz ausdrücklicher Aufforderung des Steuerberaters B keine weiteren „offiziellen” Nachforschungen im Hinblick auf die Weiterleitung der Urkunde J angestellt. Es stelle sich daher die Frage, ob sich das beklagte Amt nicht „offiziell” habe bösgläubig machen wollen, weil man es „inoffiziell” bereits gewesen sei. In Anbetracht der Höhe des streitigen Betrags sei es überhaupt mehr als erstaunlich, dass der Vorgang so dünn sei. Offenbar habe man sich bewusst bestimmten Erkenntnissen verschließen wollen. Jedenfalls mache die Akte der Klägerin einen insgesamt gesäuberten Eindruck.

Da die Klägerin nach alledem zumindest den Anscheinsbeweis für die Richtigkeit ihres Vortrags erbracht habe, müsse der Beklagte nunmehr gegenbeweislich darlegen und beweisen, dass er von der notariellen Urkunde vom 14. Dezember 1998 zuvor keine Kenntnis gehabt habe.

Darüber hinaus hätten die Beschenkten ihren jeweiligen Erwerb auch in ihren jährlichen Einkommensteuererklärungen berücksichtigt, so dass das beklagte Finanzamt L auch aus diesem Grunde von den Anteilsschenkungen Kenntnis gehabt habe oder jedenfalls hätte haben müssen. Insoweit sei nach grundsätzlich auf die Kenntnis der Finanzbehörde als Trägerin des Verwaltungsverfahrens abzustellen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Klägervortrags wird ergänzend auf die weitgehend wiederholenden und vertiefenden Schriftsätze des Prozessbevollmächtigten vom 17. Januar 2008, vom 28. März 2008, vom 21. April 2009, und vom 22. Mai 2009 Bezug genommen.

Die Klägerin beantragt,

die Schenkungsteuerbescheide vom 26. Januar 2006 und die dazu ergangene Einspruchsentscheidung vom 20. Juni 2007 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hält an seiner Auffassung fest, dass im Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Schenkungsteuerbescheide noch keine Festsetzungsverjährung eingetreten war, weil seine zuständige Erbschaft- und Schenkungsteuerstelle erst mit Eingang der Kontrollmitteilung im Mai 2005 Kenntnis von den streitigen Anteilsschenkungen erhalten habe. Hierzu führt er im Wesentlichen aus:

In der Regel erhielten alle beim Finanzamt L eingehenden Schriftstücke ungeachtet der erst später zu ermittelnden konkreten Zuständigkeit für die weitere Bearbeitung von der Poststelle des Hauses einen Eingangsstempel. Danach würden die Unterlagen anhand erkennbarer Merkmale wie z.B. Steuernummer, Bearbeitername, Stellenbezeichnung u.ä. auf die verschiedenen Stellen im Haus verteilt. Bei Fehlen sofort erkennbarer Zuordnungsmerkmale würden die Schriftstücke zunächst der für den Namen des Steuerpflichtigen zuständigen Stelle zugeleitet. Dabei gehe ein notarieller vertrag, der deutlich erkennbar eine Schenkung betreffe, normalerweise zu der zuständigen Schenkungsteuerstelle. Es sei aber auch nicht auszuschließen, dass er dem für den Buchstaben zuständigen Bearbeiter des Veranlagungsbezirks übersandt werde, sofern das Vorliegen einer Schenkung von der Poststelle nicht erkannt werde. Erst auf dem betreffenden Veranlagungsbezirk werde dann die örtliche und sachliche Zuständigkeit geprüft. Für die Schenkungsteuer habe es in 1998 und 1999 drei zuständige Sachbearbeiter im Finanzamt L gegeben. Im Schenkungsteuerbezirk werde regelmäßig zunächst die örtliche Zuständigkeit geprüft. Sei diese zu bejahen, würden sämtliche Verträge schriftlich erfasst und mit einer Ermittlungsnummer versehen. Bis zum September 1998 sei hierfür ein handschriftliches Schenkungsverzeichnis geführt worden, danach sei auf maschinelle Erfassung umgestellt worden, wobei teilweise die handschriftlich registrierten Vorgänge in den PC nachgespeichert worden seien. Im Fall der Klägerin sei die notarielle Urkunde vom 14. Dezember 1998 weder manuell verzeichnet noch maschinell erfasst worden. Verträge, für die der Beklagte örtlich unzuständig sei, würden sofort, also ohne vorherige Erfassung, an das zuständige Finanzamt weitergeleitet. Aus diesem Grund sei nirgendwo registriert, dass oder ob der Vertrag der Frau J beim Beklagten eingegangen sei.

Die Behauptung der Klägerin, der Beklagte habe zugegeben, diesen Vertrag erhalten und an das Finanzamt Q weitergeleitet zu haben, sei falsch. Insbesondere lasse sich dies nicht aus der von der Klägerin angeführten Gesprächsnotiz entnehmen, in der die Bearbeiterin Frau P, die im Jahr 2005 für Schenker mit dem Anfangsbuchstaben … zuständig gewesen sei, den Verlauf eines Telefonats mit dem Steuerberater der Klägerin niedergelegt und dabei ausdrücklich im Konjunktiv formuliert habe. Im Übrigen könne Frau P auch gar nicht zugegeben haben, den Vertrag J an das Finanzamt Q weitergeleitet zu haben, weil sie zum damaligen Zeitpunkt noch nicht in der Schenkungsteuerstelle des Beklagten gearbeitet habe. Ungeachtet dessen sei auch nicht das Finanzamt Q, sondern das Finanzamt R für die Schenkungsteuersache der Frau J örtlich zuständig.

Die zuständige Berichterstatterin hat im Rahmen eines am 6. Mai 2009 durchgeführten Erörterungs- und Beweistermins den beurkunden Notar F und die bei ihm angestellte Notarfachreferentin U als Zeugen zu den Fragen vernommen, ob die Vertragsurkunde Nr. … vom 14. Dezember 1998 Ende 1998 und / oder Anfang 1999 entweder alleine oder zusammen mit weiteren Verträgen in ein und demselben Briefumschlag an das Finanzamt L versandt worden ist, wie das diesen Urkunden beigefügte Anschreiben adressiert und formuliert und wie im Notariat F im fraglichen Zeitraum (Ende 1998 / Anfang 1999) die Versendung notarieller Urkunden organisiert gewesen ist. Die Zeugin U und die ebenfalls als Zeugin benannte Sachbearbeiterin des Beklagten, Frau P, sind außerdem dazu gehört worden, welchen Inhalt das zwischen ihnen geführte Telefonat hatte. Schließlich hat die Berichterstatterin Beweis erhoben über die Frage, wie in 1998 / 1999 im Finanzamt L mit dort eingehenden Vertragsurkunden verfahren wurde, durch Vernehmung des Herrn Steueramtsinspektor G als Zeugen. Wegen der Ergebnisse der Beweisaufnahme wird auf die hierüber gefertigte Niederschrift vom 6. Mai 2009 Bezug genommen.

Das Gericht hat neben der die Vorgänge der Klägerin betreffenden Schenkungsteuer- und Rechtsbehelfsakte des Beklagten auf Antrag der Klägerin Auszüge aus der beim Finanzamt R geführten Schenkungsteuerakte der Frau J, die Einkommensteuerakten der Klägerin (für 1998 bis 2005) und der Beschenkten, d.h. des Herrn M (für die Jahre 1998 bis 2000), der Frau M2 (für die Jahre 1999 bis 2006) und des Herrn M1 (für die Jahre 1996 bis 2002), eine Vertrags- und eine Umsatzsteuerakte sowie die Betriebsprüfungsakten des Finanzamts für Groß- und Konzernbetriebsprüfung L betreffend die N GmbH & Co KG beigezogen. Auf den Inhalt dieser Vorgänge wie auch der Prozessakten wird ebenfalls Bezug genommen.



Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet.

I. Die angefochtenen Schenkungsteuerbescheide vom 26. Januar 2006 und die dazu ergangene, die Erwerbe der drei Zuwendungsempfänger zusammenfassende Einspruchsentscheidung vom 20. Juni 2007 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin, deren Inanspruchnahme als Schenkerin aufgrund ihrer Übernahmeerklärung im Notarvertrag vom 14. Dezember 1998 gemäß §§ 20 Abs. 1 Satz 1, 10 Abs. 2 ErbStG ermessensfehlerfrei ist, nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung – FGO). Die dem Grunde und der Höhe nach unstreitig entstandenen Schenkungsteueransprüche waren bei Erlass der betreffenden Bescheide im Januar 2006 auch noch nicht erloschen (§ 47 AO), da entgegen der Auffassung der Klägerin zu diesem Zeitpunkt noch keine Festsetzungsverjährung eingetreten war.

1. Nach § 47 AO erlöschen Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis u.a. durch Verjährung. Eine Steuerfestsetzung sowie ihre Aufhebung oder Änderung sind daher nicht mehr zulässig, wenn die Festsetzungsfrist abgelaufen ist (§ 169 Abs. 1 Satz 1 AO). Diese beträgt für die Schenkungsteuer regelmäßig vier Jahre (§ 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO). Sie beginnt mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden oder eine bedingt entstandene Steuer unbedingt geworden ist (§ 170 Abs. 1 AO).

2. Abweichend hiervon beginnt die Festsetzungsfrist, wenn eine Steuererklärung oder eine Steueranmeldung einzureichen oder eine Anzeige zu erstatten ist, mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuererklärung, die Steueranmeldung oder die Anzeige eingereicht wird, spätestens jedoch mit Ablauf des dritten Kalenderjahres, das auf das Kalenderjahr folgt, in dem die Steuer entstanden ist (§ 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO). Diese Anlaufhemmung gilt jedoch nur, wenn der Steuerpflichtige zumindest auch, d.h. neben weiteren Personen, zur Erstattung einer Anzeige und / oder zur Abgabe einer Steueranmeldung oder -erklärung verpflichtet ist, nicht hingegen für den Fall, dass diese Verpflichtung ausschließlich einen von ihm unabhängigen Dritten trifft, der – wie etwa Gerichte, Behörden und Notare – nicht Vertreter des Steuerpflichtigen ist (BFH-Urteile vom 16. Februar 1994 II R 125/90, BStBl 1994 II S. 866, 868 f, und vom 4. August 1999 II R 63/97, BFH/NV 2000, 409, sowie Klein / Rüsken, Abgabenordnung, Kommentar, 10. Auflage, § 170 Rz. 14, m.w.N.). Bedarf es daher – wie im Streitfall – einer Anzeige des Erwerbs durch den Erwerber und / oder Schenker mit Rücksicht auf die (ausschließliche) Anzeigepflicht des beurkundenden Notars nicht (§ 30 Abs. 3 i.V.m. § 34 Abs. 2 Nr. 3 ErbStG), greift die Anlaufhemmung gemäß § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO nicht ein.

3. Der Anlauf der Festsetzungsfrist war jedoch vorliegend gleichwohl bis zum Ablauf des 31. Dezember 2005 gehemmt, weil die für die Schenkungsteuerveranlagung der Klägerin zuständige Dienststelle des örtlich zuständigen Finanzamts L nach der durch das Ergebnis der Beweisaufnahme bestätigten Aktenlage erst durch die Kontrollmitteilung des Finanzamts für Groß- und Konzernprüfung L vom 11. Mai 2005 von den streitigen Anteilsübertragungen Kenntnis erlangt hat.

a) Nach § 170 Abs. 5 Nr. 2 AO beginnt die Festsetzungsfrist für die Schenkungsteuer bei einer Schenkung nicht vor Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Schenker gestorben ist oder die Finanzbehörde von der vollzogenen Schenkung Kenntnis erlangt hat, wobei die jeweils zuerst eingetretene Alternative – hier also die letztgenannte – maßgeblich ist (BFH-Urteil vom 5. Februar 2003 II R 22/01, BStBl 2003 II S. 502, und Klein / Rüsken, a.a.O., § 170 Rz. 38). Dabei wird der Fristbeginn nach § 170 Abs. 5 Nr. 2 Alternative 2 AO durch den Zeitpunkt der Kenntniserlangung nicht vorverlegt, sondern allenfalls auf einen späteren Zeitpunkt verschoben (BFH-Urteile vom 26. Oktober 2006 II R 16/05, BFH/NV 2007, 852, und vom 6. Juni 2007 II R 54/05, BStBl 2007 II S. 954, 955). § 170 Abs. 5 Nr. 2 Alternative 2 AO enthält einen auf die Schenkungsteuer beschränkten selbständigen Hemmungstatbestand, der den Beginn der Festsetzungsfrist (§ 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. § 170 Abs. 1 und 2 AO) auf den Ablauf des Jahres der Kenntniserlangung des Finanzamts von der vollzogenen Schenkung festlegt. Durch diese Vorschrift wird bei einer nach § 30 ErbStG bestehenden Anzeigepflicht die in § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO enthaltene Drei-Jahres-Grenze, bis zu der der Anlauf der Festsetzungsfrist längstens gehemmt ist, außer Kraft gesetzt und bei einer – wie hier – lediglich für Gerichte und Notare bestehenden Anzeigepflicht nach § 34 ErbStG der Anlauf der sonst nach § 170 Abs. 1 AO beginnenden Festsetzungsfrist gehemmt (BFH-Urteile vom 5. Februar 2003 II R 22/01, BStBl 2003 II S. 502, 504, und vom 6. Juni 2007 II R 54/05, BStBl II 2007, 954, 955). Fordert das Finanzamt den Steuerpflichtigen, nachdem es gemäß § 170 Abs. 5 Nr. 2 Alternative 2 AO Kenntnis von der vollzogenen Schenkung erlangt hat, noch im Jahr der Kenntniserlangung zur Abgabe einer Schenkungsteuererklärung auf (§ 31 Abs. 1 ErbStG), tritt – ebenso wie bei einer nach § 30 Abs. 1 und 2 ErbStG bestehenden, aber nicht erfüllten Anzeigepflicht des Erwerbers oder Schenkers (vgl. hierzu BFH-Urteile vom 18. Oktober 2000 II R 50/98, BStBl II 2001, 14, vom 6. Dezember 2000 II R 44/98, BStBl II 2001, 574, und vom 6. Juni 2007 II R 54/05, BStBl II 2007, 954, 955) – keine weitere Anlaufhemmung nach § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO ein. Erfährt das Finanzamt daher erst mehr als drei Jahre nach Steuerentstehung von einer vollzogenen Schenkung, beginnt die Festsetzungsfrist mit Ablauf des Jahres der Kenntniserlangung.

b) § 170 Abs. 5 Nr. 2 Alternative 2 AO verlangt positive Kenntnis der Finanzbehörde von der vollzogenen Schenkung. Hierfür ist erforderlich, aber auch genügend, dass der organisatorisch zur Verwaltung der Erbschaft- und Schenkungsteuer berufenen Dienststelle des örtlich und sachlich zuständigen Finanzamts entweder aufgrund einer Anzeige oder auf sonstige Weise Informationen in dem notwendigen Umfang, d.h. zumindest Name und Anschrift des Schenkers und des Bedachten sowie der Rechtsgrund für seinen Erwerb, mitgeteilt werden (BFH-Urteile vom 28. Mai 1998 II R 54/95, BStBl 1998 II S. 647, und vom 5. Februar 2003 II R 22/01, BStBl 2003 II S. 502, 504, BFH-Beschlüsse vom 5. Februar 2003 II B 124/02, BFH/NV 2003, 739, und vom 29. Januar 2004 II B 99/02, BFH/NV 2004, 609, sowie Klein / Rüsken, a.a.O., § 170 Rz. 38). Grob fahrlässige Unkenntnis i.S. eines bloßen Kennenmüssens reicht demnach für die Ingangsetzung der Verjährungsfrist ebenso wenig aus wie die Kenntnis von Umständen, die erst aufgrund weiterer Ermittlungen eine Prüfung der Frage ermöglichen, ob ein schenkungsteuerpflichtiger Vorgang vorliegt (BFH in BStBl II 1998, 647, und Klein / Rüsken, a.a.O., § 170 Rz. 38). Die Kenntnis anderer Finanzämter von der vollzogenen Schenkung reicht keinesfalls und die des zuständigen Finanzamts als solchem nur dann, wenn ihm die Schenkung ausdrücklich zur Prüfung der Schenkungsteuerpflicht bekannt gegeben wird, die Information aber aufgrund organisatorischer Mängel oder eines Fehlverhaltens innerhalb der Behörde die berufene Dienststelle nicht unverzüglich erreicht (BFH in BStBl II 2003, 502).

Der zuständigen Dienststelle sind dabei grundsätzlich alle, aber auch nur diejenigen Tatsachen bekannt, die sich aus den bei ihr geführten Akten ergeben (vgl. statt aller Klein / Rüsken, a.a.O., § 173 Rz. 62, m.w.N.). Eine Ausnahme ist unter Berücksichtigung des BFH-Urteils vom 5. Februar 2003 II R 22/01 ( BStBl 2003 II S. 502) und im Interesse einer sachgerechten Risikoverteilung allerdings dann zuzulassen, wenn das die maßgebenden Tatsachen enthaltende, ausdrücklich zum Zwecke einer schenkungsteuerrechtlichen Überprüfung übermittelte Schriftstück dem zuständigen Finanzamt nachweislich zugegangen, d.h. derart in seinen Machtbereich gelangt ist, dass es hiervon Kenntnis nehmen konnte und diese Kenntnisnahme nach allgemeinen Gepflogenheiten auch erwartet werden kann (Klein / Brockmeyer, Abgabenordnung, Kommentar, 10. Auflage, § 122 Rz. 56, m.w.N.). Davon ist regelmäßig auszugehen, wenn das Schriftstück in den Hausbriefkasten der Behörde eingeworfen oder einem Bediensteten der Poststelle persönlich ausgehändigt worden ist. Weist der Steuerpflichtige, der insoweit die Feststellungslast trägt, das Vorliegen dieser Voraussetzungen zur Überzeugung des Gerichts (§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO) nach, geht der Umstand, dass das Schriftstück gleichwohl nicht an die zuständige Dienststelle weitergeleitet worden und dieser infolgedessen nicht bekannt ist, zulasten des Finanzamts.

c) Ausgehend von diesen Grundsätzen hat der erkennende Senat unter Berücksichtigung der beigezogenen Steuerakten sowie des Ergebnisses der Zeugenvernehmungen die nach § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO erforderliche Überzeugung gewonnen, dass der Beklagte erst aufgrund der ihm zugeleiteten Kontrollmitteilung des Finanzamts für Groß- und Konzernbetriebsprüfung L im Mai 2005 von den Anteilsübertragungen der Klägerin auf ihre Kinder erfahren hat. Der Klägerin ist es demgegenüber nicht gelungen, Nachweis für die Richtigkeit ihrer Behauptung zu erbringen, dass die notarielle Urkunde vom 14. Dezember 1998 bereits vor Mai 2005, namentlich im Januar 1999, in den Machtbereich des Beklagten gelangt ist oder seiner zuständigen Erbschaft- und Schenkungsteuerstelle anderweitig (positiv) bekannt war, dass die Klägerin ihren Kindern die in Rede stehenden Teilgeschäftsanteile unentgeltlich zugewandt hat.

aa) Eine Ausfertigung oder Abschrift der notariellen Urkunde vom 14. Dezember 1998 befindet sich – abgesehen von der der Kontrollmitteilung beigefügten Kopie – unstreitig weder in den bei der Erbschaft- und Schenkungsteuerstelle des Beklagten geführten Verwaltungsvorgängen der Klägerin noch in den antragsgemäß beigezogenen weiteren Steuerakten des Beklagten und anderer Finanzbehörden. Dem Inhalt dieser – vom Prozessbevollmächtigten der Klägerin eingesehenen – Aktenstücke sind auch keinerlei Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, dass die vermisste Urkunde der Erbschaft- und Schenkungsteuerstelle des Beklagten vor Mai 2005 zu irgendeinem Zeitpunkt vorgelegen hat. Selbst unter Berücksichtigung der beim Finanzamt R angeforderten Akten(-auszüge) betreffend die Zuwendungen der Frau J lässt sich nicht rekonstruieren, dass der Inhalt des Übertragungsvertrags Nr. … vom 14. Dezember 1998 dem Beklagten bzw. dessen zuständiger Erbschaft- und Schenkungsteuerstelle bereits vor 2005 bekannt gewesen ist. Die in diesem Zusammenhang angestellte Hilfsüberlegung der Klägerin, ein möglicherweise beim Finanzamt L aufgebrachter Eingangsstempel auf der Urkundenabschrift betreffend die Schenkungen der Frau J belege, da das Notariat F diese Abschrift und die Abschrift der am selben Tag ausgefertigten Urkunde der Klägerin in einem Umschlag an den Beklagten versandt habe, zugleich auch deren dortigen Zugang, kommt schon deswegen nicht zum Tragen, weil sich in der Akte J nachweislich keine vom Notariat F übersandte und für irgendein Finanzamt bestimmte Abschrift der Vertragsurkunde J befindet.

Die der Frau J unter dem 7. Januar 1999 erteilte Ausfertigung der ihre Übertragungen betreffenden notariellen Urkunde hat sie selbst über ihren steuerlichen Berater am 14. Juli 2000 unmittelbar beim Finanzamt R eingereicht mit der Folge, dass dort ein entsprechender Vorgang im Register erfasst worden ist. Aus dieser vollständig vorgelegten Urkundenausfertigung ergeben sich die Namen und Anschriften aller Vertragsbeteiligten. Bei der im zweiten Teil der Akte abgehefteten Kopie der notariellen Urkunde J handelt es sich um eine Ausfertigung der Beteiligungsgesellschaft H mbH und mithin ebenfalls nicht um eine solche, die eigens für das Finanzamt bestimmt war. Diese Kopie ist unvollständig. Wegen der fehlenden Seite 1 ist zwar der Sitz der Gesellschaften erkennbar, deren Anteile Gegenstand der Übertragung waren, nicht aber Namen und Anschriften der Vertragsbeteiligten. Diese Vertragskopie hat das Finanzamt R an das beklagte Finanzamt L übersandt, von wo aus sie später wieder dorthin zurückgeschickt worden ist. Der auf der Suchanfrage des Finanzamts R aufgedruckte Datumsstempel des Finanzamts L weist als Eingangstag den 26. November 2001 aus. Daraus folgt, dass zu diesem Zeitpunkt Suchanfrage nebst unvollständiger Vertragskopie beim Beklagten eingegangen und nur deshalb an ihn weitergeleitet worden sind, weil die Gesellschaften, deren Anteile Frau J übertragen hatte, in L ansässig waren und das Finanzamt R wegen der fehlenden Seite 1 der Urkunde keinerlei Anhaltspunkte für seine örtliche Zuständigkeit erkennen konnte. Aus einer Gesprächsnotiz der Bearbeiterin des Finanzamts L vom 8. April 2002 über ein mit dem Notariat F geführtes Telefonat ergibt sich ferner, dass der Beklagte bemüht gewesen ist, die Wohnanschriften der Vertragsbeteiligten zu ermitteln, um das örtlich zuständige Finanzamt festzustellen. Einem handschriftlichen Bearbeitungsvermerk in Verbindung mit dem Versendungsvorblatt ist zu entnehmen, dass der Vorgang J kurze Zeit später – im April 2002 – an das Finanzamt S zurückgegeben worden ist.

Damit steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Beklagte zwar im November 2001 eine unvollständige Kopie der der Beteiligungsgesellschaft H mbH erteilten Ausfertigung von der Urkunde J erhalten hat. Da ihm diese Ausfertigung jedoch nicht unmittelbar vom Notariat F übersandt worden ist, sind Rückschlüsse auf einen (gleichzeitigen) Zugang und Verbleib der hier allein maßgeblichen Abschrift der Vertragsurkunde Nr. … nicht möglich.

bb) Der aus den Akten ersichtliche Befund, dass die zuständige Dienststelle des Beklagten vor Eingang der Kontrollmitteilung im Mai 2005 noch keine positive Kenntnis von den in Rede stehenden Erwerbsvorgängen hatte, wird bestätigt durch die zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Aussagen der von der Berichterstatterin im Erörterungs- und Beweistermin vom 6. Mai 2009 vernommenen Zeugen.

Soweit der Prozessbevollmächtigte der Klägerin eine unter dem 13. Oktober 2005 gefertigte Gesprächsnotiz der Zeugin P dahin versteht, diese habe in einem Telefonat mit Herrn B vom Büro T den Eingang und die Weiterleitung der Vertragsurkunde J an das Finanzamt Q eingeräumt, vermag der Senat dem ebenso wenig zu folgen wie der hieraus gezogenen Schlussfolgerung, dem Beklagten müsse auch die – wie er behauptet – in demselben Umschlag versandte Urkunde Nr. … vom 14. Dezember 1998 vorgelegen haben.

Dies ergibt sich bereits aus dem Umstand, dass die Zeugin P unstreitig erst ab September 2000 in der Erbschaft- und Schenkungsteuerstelle des Beklagten als Sachbearbeiterin tätig gewesen und schon deshalb objektiv nicht in der Lage ist, aufgrund eigener Wahrnehmung Geschäftsvorfälle aus den Jahren 1998/99 zu bezeugen. Vor diesem Hintergrund hat sie glaubhaft bekundet, sie habe den Vertrag M erstmals im Rahmen einer Kontrollmitteilung im Frühjahr 2005 zu Gesicht bekommen. Dasselbe gilt für die notarielle Urkunde betreffend die Übertragungen der Frau J. Auch insoweit hat die Zeugin P schlüssig und nachvollziehbar dargelegt, dass sie über den Zugang und die Weiterleitung dieser Urkunde aus eigener Anschauung nichts sagen könne, sondern Informationen über diesen „zweiten Vertrag” erstmals im Rahmen des mit dem Notariat F geführten Telefonats erhalten habe. Diese Aussage deckt sich mit dem Wortlaut ihres Aktenvermerks vom 13. Oktober 2005, wonach ihr das Notariat F mitgeteilt hat, „dass am 7. Januar 1999 zusammen mit dem strittigen Vertrag ein Vertrag Schenkgeber J. dem FA L im gleichen Umschlag geschickt worden ist.” Dem Vermerk ist entgegen der Ansicht der Klägerin auch nicht zu entnehmen, dass eine Abschrift der Vertragsurkunde J im fraglichen Zeitraum (1999) vom Beklagten an ein anderes Finanzamt abgegeben worden ist. Zwar ergibt sich aus der Gesprächsnotiz, dass die Zeugin P Überlegungen zur Frage der örtlichen Zuständigkeit angestellt hat. Dies geschah indes weder aus eigenem Antrieb noch bereits in 1999, sondern erst anlässlich des Telefonats mit dem Notariat F im Oktober 2005. Dass der Anstoß für derartige Recherchen auf die Mitteilungen des Notariats, insbesondere die Benennung der Schenkerin, zurückgeht, hat die Zeugin P bei ihrer Anhörung glaubhaft bestätigt und hierzu ergänzend ausgeführt, sie habe erst aufgrund der ihr gegebenen Informationen das örtlich zuständige Finanzamt feststellen können. Ihre weitergehende Einlassung, sie habe dann daraus geschlussfolgert, dass der Vertrag J an dieses, also das von ihr ermittelte Finanzamt in … weitergeleitet worden sei, lässt nach Auffassung des Senats keinen Zweifel daran, dass es sich, worauf auch die konjunktivischen Formulierungen („müsste” bzw. „sollte”) in der Aktennotiz vom 13. Oktober 2005 hindeuten, nicht um die Wiedergabe von der Zeugin P selbst wahrgenommener Tatsachen handelt. Vielmehr war diese – veranlasst durch den Anruf des Notariats F – lediglich darum bemüht, aufgrund der ihr telefonisch mitgeteilten Fakten einen ihr unbekannten möglichen Geschehensverlauf zu rekonstruieren.

Bestätigt wird dieser Befund durch die insoweit schlüssige und nachvollziehbare Aussage der Zeugin U, die glaubhaft bekundet hat, dass die im Rahmen des Telefonats mit der Zeugin P über den Verbleib der Urkundenabschrift M angestellten Überlegungen rein spekulativen Charakter gehabt hätten. Sie und die Zeugin P hätten mehrere Möglichkeiten in Betracht gezogen, wie die vorgenannte Vertragsurkunde gemeinsam mit der dem Finanzamt erteilten Abschrift der Urkunde J in einem Umschlag hätte versandt werden können. Dabei hat die Zeugin wiederholt und ausdrücklich betont, dass es sich bei sämtlichen Überlegungen einschließlich derjenigen zu der Frage einer etwaigen Weiterleitung der Verträge nur um mögliche Geschehensabläufe bzw. Spekulationen gehandelt habe. Darüber hinaus hat die Zeugin U die Aussage der Zeugin P auch insoweit bestätigt, als sie unmissverständlich bekundet hat, diese habe ihr gegenüber weder geäußert, dass die Urkunde J noch dass die Urkunde M tatsächlich beim Finanzamt L eingegangen seien.

Dieses Beweisergebnis wird nicht in Frage gestellt durch die Zeugenaussagen des beurkundenden Notars F und des seinerzeit in der Schenkungsteuerstelle des Beklagten für Steuerpflichtige mit dem Anfangsbuchstaben … zuständigen Sachbearbeiters Steueramtsinspektor G.

Zwar spricht der vom Notar F schlüssig und detailliert geschilderte Arbeitsablauf in seinem Büro dafür, dass – die Einhaltung seiner allgemeinen Organisationsanweisungen unterstellt – die dem „Finanzamt” gemäß Ausfertigungsvermerk vom 7. Januar 1999 erteilte Abschrift der Urkunde Nr. … allein oder zusammen mit einer Abschrift des Vertrags J auf den Postweg zum Beklagten gebracht worden ist. Dies allein ist jedoch für die Streitentscheidung unerheblich. Maßgebend ist vielmehr, ob das zur Post gegebene Schriftstück seinen Empfänger auch tatsächlich erreicht hat. Hierzu konnte der Zeuge F, der sich – wie er auf Nachfrage des Gerichts eingeräumt hat – üblicherweise auf den Zugang seiner mit einfachem Brief versandten Vertragsurkunden verlässt, indes nichts sagen. Die in diesem Zusammenhang von ihm bekundete, auch dem Gericht bekannte Erfahrungstatsache, dass abgesandte Urkunden nur „relativ selten” nicht bei dem angegebenen Adressaten ankommen, rechtfertigt jedenfalls nicht den auf bloßen Wahrscheinlichkeitserwägungen beruhenden Schluss, auch im Streitfall sei die Urkunde dem Beklagten zugegangen.

Der Nachweis, dass ein bestimmtes Schriftstück tatsächlich entsprechend den Anforderungen des § 130 BGB in den Machtbereich des Empfängers gelangt ist, kann weder nach den Regeln des Anscheinsbeweises geführt (vgl. hierzu z.B. Klein / Brockmeyer, a.a.O., § 122 Rz. 55 m.w.N., FG Hamburg, Urteil vom 7. Mai 1996 II 100/95 , EFG 1996, 959, m.w.N., BGH-Urteil vom 17. Februar 1964 II ZR 87/61 , NJW 1964, 1176, und OLG Hamm, Beschluss vom 27. September 1990 4 W 89/90 ) noch allgemein durch statistisches Zahlenmaterial ersetzt werden. Zwar spricht eine große Wahrscheinlichkeit dafür, dass ein auf den Postweg gegebenes Schreiben seinen Adressaten auch erreicht. Bestehen jedoch für einen Geschehensverlauf wie bei einer Postsendung zwei oder mehrere Möglichkeiten, kann von einem typischen und damit dem Anscheinsbeweis zugänglichen Sachverhalt nicht mehr die Rede sein, zumal es dem Empfänger unmöglich wäre, den Nichtzugang zu beweisen. Demgegenüber ist es dem Absender des Schriftstücks grundsätzlich möglich und auch zumutbar, seinerseits mittels entsprechender Versendungsformen Beweisvorsorge zu treffen (FG Hamburg in EFG 1996, 959).

Vor dem Hintergrund dieser Rechtslage verfängt auch nicht der Hinweis der Klägerin auf das von der Finanzverwaltung des Landes Rheinland-Pfalz herausgegebene „Merkblatt über die steuerlichen Beistandspflichten der Notare”, zufolge dessen der Absendevermerk eines Notars zugleich als Empfangsbestätigung des Finanzamts gelten soll. Zum einen hat der beurkundende Notar F im Streitfall unter dem 7. Januar 1999 nur die Ausfertigung der Urkunde und nicht auch deren Absendung vermerkt. Zum anderen ist der erkennende Senat bei seiner Beweiswürdigung nicht an den Inhalt eines zumal in einem anderen Bundesland geltenden Merkblatts gebunden.

Schließlich bietet auch die in sich schlüssige Aussage des Zeugen G, der den organisatorischen Ablauf der Postverteilung innerhalb des Finanzamts L sowie die Erfassung neu eingehender Schenkungsteuerfälle in den Jahren 1998/99 detailliert und glaubhaft geschildert hat, keinerlei Anhaltspunkte für die Annahme, dass die notarielle Urkunde Nr. … bereits vor Eingang der Kontrollmitteilung im Mai 2005 in den Machtbereich des Beklagten gelangt und dort möglicherweise falsch zugeordnet oder abhanden gekommen ist.

Zwar hat der Zeuge G bei seiner Vernehmung eingeräumt, dass – jedenfalls in Erbfällen – „schon mal” irgendwelche Unterlagen versehentlich einem falschen Vorgang zugeordnet worden seien. Insoweit deckt sich seine Aussage mit der Äußerung der Zeugin P, die auf Befragen des Prozessbevollmächtigten im Beweistermin erklärt hat, es komme „gelegentlich” vor, dass Verträge erst durch Kontrollmitteilungen bekannt würden; sie könne ihre Hand nicht dafür ins Feuer legen, dass nicht auch im Finanzamt L „schon mal” Vertragsurkunden abhanden gekommen seien. Diesen nachvollziehbaren Aussagen ist jedoch lediglich die vom Senat geteilte und im Übrigen unstreitige Erkenntnis zu entnehmen, dass ein Verlust der in Rede stehenden Urkundenabschrift (erst) innerhalb der Sphäre des Beklagten im Streitfall nicht mit 100%iger Gewissheit auszuschließen ist. Damit allein hat die Klägerin jedoch nicht den ihr obliegenden Nachweis der entscheidungserheblichen Tatsache erbracht, dass die Urkundenabschrift – bevor sie beim Beklagten hätte verloren gehen können – überhaupt in dessen Machtbereich gelangt oder seine zuständige Dienststelle anderweitig von den vollzogenen Anteilsübertragungen in Kenntnis gesetzt worden ist.

d) Soweit der Prozessbevollmächtigte der Klägerin es als ausreichend ansieht, dass die Beschenkten ihre Erwerbe auch in ihren jährlichen Einkommensteuererklärungen angegeben haben, verkennt er die einschlägige Rechtsprechung des BFH, wonach im Rahmen des § 170 Abs. 5 Nr. 2 Alternative 2 AO grundsätzlich auf die (positive) Kenntnis der organisatorisch zur Verwaltung der Erbschaft- und Schenkungsteuer berufenen Dienststelle des zuständigen Finanzamts abzustellen ist (so grundlegend BFH in BStBl 2003 II S. 502).

3. Nach alledem begann die vierjährige Festsetzungsfrist im Streitfall erst mit Ablauf des 31. Dezember 2005, also des Jahres, in dem der Erbschaft- und Schenkungsteuerstelle des Beklagten die Kontrollmitteilung des Finanzamts für Groß- und Konzernprüfung L zugegangen ist, mit der Folge, dass die aus den Anteilsübertragungen der Klägerin resultierenden Schenkungsteueransprüche bei Erlass der angefochtenen Bescheide im Januar 2006 noch nicht wegen Festsetzungsverjährung erloschen waren (§§ 169 Abs. 1, 47 AO).

II. Da Einwände gegen die inhaltliche Richtigkeit dieser Bescheide weder vorgetragen worden noch diesbezügliche Anhaltspunkte aus den Akten ersichtlich sind, war die Klage mit der Kostenfolge des § 135 Abs. 1 FGO als unbegründet abzuweisen.

RechtsgebieteAO, ErbStGVorschriftenAO § 170 Abs 5 Nr 2 ErbStG § 30 Abs 3 ErbStG § 34 AO § 170 Abs 2 Satz 1 Nr 1

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