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05.03.2010 · IWW-Abrufnummer 100719

Finanzgericht Rheinland-Pfalz: Urteil vom 26.01.2010 – 3 K 2002/09

Die Verdoppelung des Höchstbetrags für die Berücksichtigung von Aufwendungen für Handwerkerleistungen von 600 € auf 1.200 € durch das Gesetz zur Umsetzung steuerrechtlicher Regelungen des Maßnahmenpakets „Beschäftigungssicherung durch Wachstumsstärkung” vom 21. Dezember 2008 ( BGBl 2008 I S. 2896) gilt erstmals ab dem Veranlagungszeitraum 2009.


Finanzgericht Rheinland-Pfalz v. 26.01.2010
3 K 2002/09
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob im Veranlagungszeitraum 2008 der Höchstbetrag der Steuerermäßigung nach § 35a EStG für die Inanspruchnahme von Handwerkerleistungen 600 n€ oder bereits 1.200 € betrug.
Die Kläger sind Eheleute, die im Streitjahr 2008 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden (Blatt 1 ff. der Einkommensteuerakten -EStA-). Im Streitjahr waren den Klägern unstreitig Aufwendungen für Handwerkerleistungen (Arbeiten am Dach, Fassade, Garagen) in Höhe von insgesamt 4.267 € entstanden, für die sie in ihrer Einkommensteuererklärung eine Steuerermäßigung nach § 35a EStG in Höhe von 20 % der ordnungsgemäß nachgewiesenen Aufwendungen (4.267 € x 20 % = 853,40 €) begehrten (Blatt 8 EStA, Rückseite).
Das beklagte Finanzamt gewährte im Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr vom 15. Juni 2009 eine Steuerermäßigung in Höhe von lediglich 600 €, da Aufwendungen für Handwerkerleistungen im Privathaushalt nur bis zu diesem Höchstbetrag berücksichtigungsfähig seien (Blatt 32, 34 EStA).
Gegen diesen Bescheid legten die Kläger am 17. Juni 2009 Einspruch ein, der sich gegen die Berechnung der Steuerermäßigung für Handwerkerleistungen richtete. Zur Begründung führten sie aus, dass durch das Gesetz „Beschäftigungssicherung durch Wachstumsstärkung” der in § 35a Abs. 2 S. 2 EStG genannte Höchstbetrag für die Berücksichtigungsfähigkeit von Aufwendungen für Handwerkerleistungen von 600 € auf 1.200 € verdoppelt worden sei. Diese Regelung sei nach Art. 4 Abs. 3 des Gesetzes „Beschäftigungssicherung durch Wachstumsstärkung” am Tag nach der Verkündung, also noch in 2008, in Kraft getreten. Mithin sei in dem angefochtenen Einkommensteuerbescheid eine Steuerermäßigung für Handwerkerleistungen in Höhe von rund 854 € zugrunde zu legen (Blatt 36 EStA).
Mit Einspruchsentscheidung vom 7. Juli 2009 wies der Beklagte den Einspruch der Kläger als unbegründet zurück und führte aus, dass zwar durch das Gesetz zur Umsetzung steuerrechtlicher Regelungen des Maßnahmenpakets „Beschäftigungssicherung durch Wachstumsstärkung” der Höchstbetrag des § 35a Abs. 2 S. 2 EStG von 600 € auf 1.200 € erhöht worden sei. Der geänderte Höchstbetrag sei jedoch nach der entsprechenden Anwendungsvorschrift (§ 52 Abs. 50b S. 4 EStG) erstmals für Aufwendungen anzuwenden, die im Veranlagungszeitraum 2009 geleistet und deren zu Grunde liegende Leistungen nach dem 31. Dezember 2008 erbracht worden seien. Dies entspreche auch dem in der Gesetzesbegründung dokumentierten Willen des Gesetzgebers. Die Berücksichtigung des erhöhten Höchstbetrags von 1.200 € schon für den Veranlagungszeitraum 2008 komme daher nicht in Betracht (Blatt 47 ff. EStA).
Die Kläger haben am 28. Juli 2009 Klage erhoben, die sie – im Kern – wie folgt begründen (Blatt 3 ff. PA):
Der Höchstbetrag für die Steuerermäßigung für Handwerkerleistungen nach § 35a EStG habe im Veranlagungszeitraum 2008 1.200 € betragen.
Durch Art. 1 Nr. 3 des Gesetzes zur Umsetzung steuerrechtlicher Regelungen des Maßnahmenpakets „Beschäftigungssicherung durch Wachstumsstärkung” vom 21. Dezember 2008 sei der Höchstbetrag der Steuerermäßigung i.S.d. § 35a Abs. 2 Satz 2 EStG auf 1.200 € verdoppelt worden. Nach Art. 4 Abs. 3 dieses Gesetzes sei die Regelung des Art. 1 Nr. 3 am Tage nach der Verkündung (29. Dezember 2008), also am 30. Dezember 2008, in Kraft getreten.
Demgegenüber sei die in Art. 1 Nr. 4 b) des Maßnahmenpakets enthaltene neue Anwendungsvorschrift des § 52 Abs. 50b Satz 4 EStG, durch die eine Anwendung des verdoppelten Höchstbetrages bereits im Jahr 2008 habe verhindert werden sollen, nach Art. 4 Abs. 1 des Maßnahmenpakets erst zum 1. Januar 2009 und damit später als die Änderung des § 35a Abs. 2 Satz 2 EStG in Kraft getreten. Die Verdoppelung des Höchstbetrages auf 1.200 € gelte daher schon für den Veranlagungszeitraum 2008.
Zwar sei der Gesetzesbegründung zum Maßnahmenpaket an mehreren Stellen zu entnehmen, dass die Verdoppelung des Höchstbetrages erst ab dem 1. Januar 2009 habe gelten sollen. Dies sei jedoch unbeachtlich. Wenn es dem Willen des Gesetzgebers entspreche, den höheren Abzugsbetrag von 1.200 € erst im Jahre 2009 zu gewähren, müsse sich dieser Wille im Gesetzestext wieder finden lassen. Denn nur soweit er sich im Wortlaut und Sinnzusammenhang manifestiert habe, könne er berücksichtigt werden.
Der Wortsinn bilde auch nach der Rechtsprechung die Grenze der Auslegung. Durch das verspätete Inkrafttreten der zu § 35a EStG korrespondierenden Anwendungsvorschrift des § 52 Abs. 50b Satz 4 EStG sei dies aber gerade nicht geschehen.
Die Kläger beantragen sinngemäß (Blatt 6 PA),
unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 7. Juli 2009 den Einkommensteuerbescheid für 2008 vom 15. Juni 2009 dahin zu ändern, dass die tarifliche Einkommensteuer gemäß § 35a Abs. 2 EStG um weitere 253,40 € (insgesamt 853,40 €) ermäßigt wird.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung wiederholt er im Wesentlichen seine Ausführungen in der angefochtenen Einspruchsentscheidung (Blatt 14 PA):
Die Beteiligten haben übereinstimmend auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet (Blatt 13, 16 PA).
Gründe
I.
Die zulässige Klage, über die das Gericht gemäß § 90 Abs. 2 FGO im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden konnte, ist unbegründet.
Der Beklagte hat zu Recht in dem angefochtenen Bescheid vom 15. Juni 2009 die tarifliche Einkommensteuer lediglich um 600 € verringert, da die Steuerermäßigung nach § 35a EStG für im Streitjahr erbrachte und bezahlte Handwerkerleistungen auf diesen Höchstbetrag begrenzt war.
Nach § 35a Abs. 2 S. 2 EStG in der Fassung des Jahressteuergesetzes 2008 – JStG 2008 – vom 20. Dezember 2007 (Bundesgesetzblatt I 2007, 3150, 3154) ermäßigt sich für die Inanspruchnahme von Handwerkerleistungen für Renovierungs-, Erhaltungs- und Modernisierungsmaßnahmen, die in einem in der Europäischen Union oder dem Europäischen Wirtschaftsraum liegenden Haushalt des Steuerpflichtigen erbracht werden, mit Ausnahme der nach dem CO2-Gebäudesanierungsprogramm der KfW Förderbank geförderten Maßnahmen, die tarifliche Einkommensteuer, vermindert um die sonstigen Steuerermäßigungen, auf Antrag um 20 Prozent, höchstens 600 Euro, der Aufwendungen des Steuerpflichtigen. Diese Voraussetzungen sind im Streitfall erfüllt, da den Klägern unstreitig im Streitjahr Aufwendungen für seinerzeit erbrachte Handwerkerleistungen in Höhe von insgesamt 4.267 € entstanden waren, so dass im Grundsatz in Höhe von 20 % der Aufwendungen (= 853,40 €) eine Steuerermäßigung zu gewähren war, diese jedoch infolge des gesetzlichen Höchstbetrags auf 600 € beschränkt.
Entgegen der Auffassung der Kläger ergibt sich aus der zum 30. Dezember 2008 in Kraft getretenen Änderung des § 35a Abs. 2 S. 2 EStG in der Fassung des Gesetzes zur Umsetzung steuerrechtlicher Regelungen des Maßnahmenpakets „Beschäftigungssicherung durch Wachstumsstärkung” vom 21. Dezember 2008 (im Folgenden abgekürzt: Wachstumsstärkungsgesetz) für sie kein Anspruch auf eine weitergehende Steuerermäßigung, da die bewirkte Anhebung des Höchstbetrags auf 1.200 € erstmals für den Veranlagungszeitraum 2009 galt, wie sich aus folgenden Erwägungen ergibt:
a. Das Wachstumsstärkungsgesetz vom 21. Dezember 2008 wurde am 29. Dezember 2008 in dem hier maßgeblichen Teil mit folgendem Inhalt verkündet (Bundesgesetzblatt I 2008, 2896 ff.):
„Artikel 1 Änderungen des Einkommensteuergesetzes
3. In § 35a Abs. 2 S. 2 wird die Zahl „600” durch die Zahl „1.200” ersetzt.
4. § 52 wird wie folgt geändert:
b) Dem Absatz 50b wird folgender Satz angefügt:
„§ 35a in der Fassung des Artikels 1 des Gesetzes vom 21. Dezember 2008 ( BGBl 2008 I S. 2896) ist erstmals anzuwenden bei Aufwendungen, die im Veranlagungszeitraum 2009 geleistet und deren zu Grunde liegenden Leistungen nach dem 31. Dezember 2008 erbracht worden sind.”
Artikel 4 Inkrafttreten
(1) Dieses Gesetz tritt vorbehaltlich der folgenden Absätze am 1. Januar 2009 in Kraft.
(2) Artikel 2 [Änderung des Kraftfahrzeugsteuergesetzes] tritt mit Wirkung vom 5. November 2008 in Kraft.
(3) Artikel 1 Nr. 3 tritt am Tage nach der Verkündung in Kraft.”
b. Dem vorstehend dargestellten Gesetzestext ist zunächst zu entnehmen, dass § 35a Abs. 2 Satz 2 EStG (in der Fassung des JStG 2008 ) durch Art. 1 Nr. 3 des Wachstumsstärkungsgesetzes insoweit geändert wurde, als der Höchstbetrag der Steuerermäßigung auf 1.200 € angehoben wurde. Diese Änderung des § 35a Abs. 2 Satz 2 EStG trat nach Art. 4 Nr. 3 des Wachstumsstärkungsgesetzes am Tag nach der Verkündung, also am 30. Dezember 2008, in Kraft. Hiervon ausgehend könnte § 35a Abs. 2 S. 2 EStG in der Fassung des Wachstumsstärkungsgesetzes mit dem Höchstbetrag von 1.200 € auch für die Aufwendungen der Kläger im Streitjahr 2008 eingreifen.
c. Der Gesetzgeber hat allerdings im Wachstumsstärkungsgesetz sogleich die Anwendung des geänderten § 35a Abs. 2 Satz 2 EStG auf die Zeit nach dem 31. Dezember 2008 (= 2009) hinausgeschoben. So hat er in Art. 1 Nr. 4 b) des Wachstumsstärkungsgesetzes der Anwendungsvorschrift des § 52 Abs. 50 b EStG einen weiteren Satz (Satz 4) angefügt, der bestimmt, dass § 35a in der Fassung des Artikels 1 des Gesetzes vom 21. Dezember 2008 ( BGBl 2008 I S. 2896) – also der geänderte § 35a Abs. 2 Satz 2 in der Fassung des Wachstumsstärkungsgesetzes – erstmals anzuwenden ist bei Aufwendungen, die „im Veranlagungszeitraum 2009 geleistet und deren zu Grunde liegenden Leistungen nach dem 31. Dezember 2008 erbracht worden sind.”. Mithin ist § 35a Abs. 2 Satz 2 EStG in der Fassung des Wachstumsstärkungsgesetzes im Falle der Kläger nicht anwendbar, da ihre Aufwendungen nicht im Veranlagungszeitraum 2009 geleistet und die zugrunde liegenden Handwerkerleistungen nicht nach dem 31. Dezember 2008 erbracht worden sind.
d. Diesem Ergebnis steht Art. 4 (Inkrafttreten) des Wachstumsstärkungsgesetzes nicht entgegen.
aa. Die Kläger vertreten insoweit die Auffassung, dass Art. 1 Nr. 4 b) (§ 52 Abs. 50 b Satz 4 EStG), der die Anwendung des zum 30. Dezember 2008 in Kraft getretenen § 35a Abs. 2 Satz 2 EStG in der Fassung des Wachstumsstärkungsgesetzes einschränke, seinerseits erst am 1. Januar 2009 in Kraft getreten und daher für den abgeschlossenen Veranlagungszeitraum 2008, in welchem der Höchstbetrag 1.200 € betragen habe, nicht mehr von Bedeutung sei.
bb. Demgegenüber ist der erkennende Senat der Ansicht, dass auch Art. 1 Nr. 4 b) des Wachstumsstärkungsgesetzes, durch welchen die erstmalige Anwendung des erhöhten Höchstbetrags von 1.200 € ab dem Veranlagungszeitraum 2009 sichergestellt werden sollte, am 30. Dezember 2008 in Kraft getreten ist. Art. 1 Nr. 4 b) wurde lediglich aufgrund eines erkennbaren Redaktionsversehens des Gesetzgebers nicht in Art. 4 Abs. 3 des Wachstumsstärkungsgesetzes erwähnt. Dies ergibt sich bei einer Auslegung der hier maßgeblichen Gesetzesvorschriften des Wachstumsstärkungsgesetzes:
aaa. Den Klägern ist – in Anlehnung an den Wortlaut – zuzugestehen, dass Art. 4 Abs. 1 des Wachstumsstärkungsgesetzes den 1. Januar 2009 als den Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes benennt und der hier in Rede stehende Art. 1 Nr. 4 b) in den beiden anderen Absätzen des Art. 4 mit abweichenden Inkrafttretenszeitpunkten nicht aufgeführt ist (Art. 4 Abs. 2 betrifft die Änderung des Kraftfahrzeugsteuergesetzes; Art. 4 Abs. 3 benennt nur Art. 1 Nr. 3). Wäre hiernach Art. 1 Nr. 4 b) des Wachstumsstärkungsgesetzes zum 1. Januar 2009 in Kraft getreten, würde sich nachfolgend die Frage stellen, ob die rückwirkende Einschränkung der erhöhten Steuerermäßigung des § 35a Abs. 2 Satz 2 EStG in der Fassung des Wachstumsstärkungsgesetzes auf im Veranlagungszeitraum 2009 geleistete Aufwendungen und nach dem 31. Dezember 2008 erbrachte Handwerkerleistungen rechtlich zulässig wäre.
bbb. Der Wortlaut des Art. 4 des Wachstumsstärkungsgesetzes bildet aber im Streitfalle nicht die Grenze der Auslegung.
Nach ständiger Rechtsprechung des BFH können (Steuer-)Gesetze ausnahmsweise auch gegen ihren Wortlaut ausgelegt werden. Das ist dann geboten, wenn die wortgetreue Auslegung zu einem sinnwidrigen Ergebnis führt, das vom Gesetzgeber nicht beabsichtigt sein kann (Beschluss vom 8. September 2004 X B 51/04, BFH/NV 2005, 53; Urteil vom 8. Juni 2000 IV R 37/99, BStBl 2001 II S. 162; Urteil vom 17. Januar 1995 IX R 37/91, BStBl 1995 II S. 410; Urteil vom 17. Februar 1994 VIII R 30/92, BStBl 1994 II S. 938; Urteil vom 2. August 1983 VIII R 190/80, BStBl 1984 II S. 4; Urteil vom 1. August 1974 IV R 120/70, BStBl 1975 II S. 12). Dies kann beispielsweise bei einem erkennbaren bzw. offensichtlichen Redaktionsversehen der Fall sein (BFH, Urteil vom 8. Juni 2000 IV R 37/99, a.a.O.). Der vom BFH vertretene Auslegungsgrundsatz wird auch vom Bundesverfassungsgericht anerkannt (Beschluss vom 17. Februar 1999 1 BvR 1422/92, Juris; Beschluss vom 11. März 2009 1 BvR 3413/08, Juris). Vorliegend würde eine wörtliche Auslegung der Gesetzesvorschriften, dass Art. 1 Nr. 4 b) des Wachstumsstärkungsgesetzes über Art. 4 Abs. 1 dieses Gesetzes erst am 1. Januar 2009 in Kraft getreten wäre, zu einem sinnwidrigen Ergebnis führen, dass vom Gesetzgeber nicht gewollt sein kann.
Dies folgt daraus, dass die in Art. 1 Nr. 4 b) des Wachstumsstärkungsgesetzes enthaltene Ergänzung der Anwendungsvorschrift des § 52 Abs. 50b EStG um den neuen Satz 4 andernfalls inhaltlich ins Leere liefe.
Wie oben dargestellt, wäre bei Orientierung am Wortlaut des Wachstumsstärkungsgesetzes die neue Anwendungsvorschrift des § 52 Abs. 50b Satz 4 EStG, der auf § 35a Abs. 2 Satz 2 EStG in der Fassung des Wachstumsstärkungsgesetzes Bezug nimmt, erst zum 1. Januar 2009 in Kraft getreten. Zu diesem Zeitpunkt (dem 1. Januar 2009) war aber § 35a Abs. 2 S. 2 EStG in der Fassung des Wachstumsstärkungsgesetzes schon nicht mehr gültig. Denn zum 1. Januar 2009 trat § 35a EStG in der Fassung des Familienleistungsgesetzes vom 22. Dezember 2008 in Kraft (Bundesgesetzblatt I 2008, 2955 ff.): Die Steuerermäßigung für die Inanspruchnahme von Handwerkerleistungen war nunmehr in § 35a Abs. 3 EStG geregelt. Demzufolge verbliebe bei wörtlicher Auslegung für Art. 1 Nr. 4 b) des Wachstumsstärkungsgesetzes keinerlei Anwendungsbereich, so dass dieses Normenverständnis nicht dem gesetzgeberischen Willen entsprechen kann.
Das von den Klägern vertretene Auslegungsergebnis wäre auch aus einem weiteren Grunde offensichtlich sinnentstellend. Soweit nämlich Art. 1 Nr. 4 b) des Wachstumsstärkungsgesetzes erst am 1. Januar 2009 in Kraft getreten wäre, würde er sich – wie bereits oben angeführt – Rückwirkung insoweit beimessen, als die bereits zum 30. Dezember 2008 erfolgte Erhöhung des Höchstbetrags der Steuerermäßigung nach § 35a Abs. 2 S. 2 EStG in der Fassung des Wachstumsstärkungsgesetzes auf 1.200 € (rückwirkend) wieder genommen würde, indem die Anhebung auf den nachfolgenden Veranlagungszeitraum 2009 hinausgeschoben würde. Allerdings kann nicht ernsthaft angenommen werden, der Gesetzgeber habe in einem einheitlichen Gesetzgebungswerk wie dem Wachstumsstärkungsgesetz zunächst für die Dauer von zwei Tagen eine Begünstigung (Verdoppelung des Höchstbetrages auf 1.200 €) gewähren wollen, die er – im gleichen gesetzgeberischen Atemzug – den Steuerpflichtigen wieder habe nehmen wollen, und habe mithin – ohne Not – eine rechtsstaatlich nur unter eingeschränkten Bedingungen zulässige gesetzliche Rückwirkung aussprechen wollen.
ccc. Mangels Sinn gebender Auslegung anhand des Wortlauts sind daher die hier in Rede stehenden Vorschriften des Wachstumsstärkungsgesetzes unter Berücksichtigung der Entstehungsgeschichte und von Sinn und Zweck des Gesetzes, der sich insbesondere der Gesetzesbegründung entnehmen lässt, dahingehend auszulegen, dass die Verdoppelung des Höchstbetrags der Steuerermäßigung für die Inanspruchnahme von Handwerkerleistungen im Sinne des § 35a EStG erst ab dem Veranlagungszeitraum 2009 gelten sollte.
Hierfür spricht zum einen der Regelungsgehalt des durch Art. 1 Nr. 4 b) des Wachstumsstärkungsgesetzes eingefügten § 52 Abs. 50b S. 4 EStG, wonach § 35a Abs. 2 Satz 2 EStG in der Fassung des Wachstumsstärkungsgesetzes „erstmals anzuwenden ist bei Aufwendungen, die im Veranlagungszeitraum 2009 geleistet und deren zu Grunde liegende Leistungen nach dem 31. Dezember 2008 erbracht worden sind.”.
Zum anderen wird die erstmalige Anwendbarkeit des neuen Höchstbetrags von 1.200 € ab dem Veranlagungszeitraum 2009 auch aus dem in der Gesetzesbegründung zum Ausdruck kommenden Zweck des Wachstumsstärkungsgesetzes deutlich: So wollte der Gesetzgeber durch die Verdopplung des Höchstbetrages die Absetzbarkeit von Handwerkerleistungen bei Instandhaltungs- und Modernisierungsmaßnahmen ausweiten und hierdurch Impulse für die rasche Überwindung der Konjunkturschwäche und für die Sicherung von Arbeitsplätzen im Handwerk setzen (Bundestagsdrucksache 16/10930, Seite 5). Mit dem im Dezember 2008 verabschiedeten Wachstumsstärkungsgesetz konnte aber die Auftragslage des Handwerks nicht rückwirkend verbessert werden. Die durch das Gesetz angestoßenen Impulse konnten zwangsläufig erst in der Zukunft (im Folgejahr 2009) greifen (so zutreffend FG Münster, Beschluss vom 11. Dezember 2009 10 V 4132/09 E , juris).
ddd. Schließlich ist davon auszugehen, dass Art. 1 Nr. 4 b) des Wachstumsstärkungsgesetzes, der über § 52 Abs. 50 b) S. 4 EStG den vorstehend ermittelten Willen des Gesetzgebers zur erstmaligen Anwendung des erhöhten Höchstbetrags von 1.200 € ab dem Veranlagungszeitraum 2009 sicherstellen soll, lediglich aufgrund eines Redaktionsversehens nicht in Art. 4 Abs. 3 des Wachstumsstärkungsgesetzes erwähnt wurde (so auch FG Münster, Beschluss vom 11. Dezember 200910 V 4132/09 E, a .a.O.).
Insoweit ist zu berücksichtigen, dass der Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD zum Wachstumsstärkungsgesetz vom 13.11.2008 (Bundestagsdrucksache 16/10930) und der Gesetzentwurf der Bundesregierung zum Familienleistungsgesetz vom 7. November 2008 (Bundestagsdrucksache 16/10809) nahezu parallel Gegenstände des Gesetzgebungsverfahrens waren. Beide Gesetzesentwürfe sahen unter anderem Änderungen des Einkommensteuergesetzes vor.
Nach dem Gesetzentwurf zum Wachstumsstärkungsgesetz sollte die bestehende Steuerermäßigung nach § 35a EStG für Handwerkerleistungen - wie bisher - in Abs. 2 S. 2 dieser Vorschrift belassen, jedoch mit Blick auf die Überwindung der Konjunkturschwäche und zur Sicherung von Arbeitsplätzen im Handwerk von 600 € auf 1.200 € erhöht werden (Bundestagsdrucksache 16/10930, Seite 5). Der so geänderte § 35a Abs. 2 S. 2 EStG sollte - nach dem der Anwendungsvorschrift des § 52 Abs. 50b angefügten Satz (S. 4) - erstmals für im Veranlagungszeitraum 2009 geleistete Aufwendungen angewendet werden, soweit die den Aufwendungen zu Grunde liegenden Leistungen nach dem 31. Dezember 2008 erbracht würden (Bundestagsdrucksache 16/10930, Seite 3). Diese Änderungen sollten am 1. Januar 2009 in Kraft treten (Bundestagsdrucksache 16/10930, Seite 4).
Demgegenüber sah der Gesetzentwurf zum Familienleistungsgesetz vor, die Steuerermäßigung für die Inanspruchnahme von Handwerkerleistungen nicht mehr - wie bislang - in Absatz 2, sondern in Absatz 3 des § 35a EStG zu verorten. Darüber hinaus war eine Anhebung des Höchstbetrags nicht geplant, so dass die Steuerermäßigung weiterhin höchstens 600 € betragen sollte (Bundestagsdrucksache 16/10809, Seite 8). Dieser Teil des Gesetzentwurfs sollte ebenfalls am 1. Januar 2009 in Kraft treten (Bundestagsdrucksache 16/10809, Seite 9).
Wären beide Gesetzesentwürfe unverändert und zeitgleich zum 1. Januar 2009 in Kraft getreten, so wäre die Steuerermäßigung für die Inanspruchnahme von Handwerkerleistungen sowohl in Abs. 2 des § 35a EStG mit einem Höchstbetrag von 1.200 € (Fassung des Wachstumsstärkungsgesetzes) als auch in Abs. 3 dieser Vorschrift mit einem Höchstbetrag von 600 € (Fassung des Familienleistungsgesetzes) geregelt gewesen.
Vor diesem Hintergrund wurde das Inkrafttreten dieses Teils des Wachstumsstärkungsgesetzes noch in das Jahr 2008 vorverlegt, um eine „Inkrafttretenskollision” mit dem Familienleistungsgesetz zu vermeiden. Zu diesem Zwecke wurde in Artikel 4, der das Inkrafttreten des Wachstumsstärkungsgesetzes betrifft, ein neuer Absatz 3 aufgenommen. Hierzu führte der Finanzausschuss aus: „Das Inkrafttreten der Verdoppelung des Höchstbetrages der Steuerermäßigung für Handwerkerleistungen nach § 35a EStG am Tage nach der Verkündung vermeidet Inkrafttretenskollisionen mit dem Inkrafttreten des Jahressteuergesetzes 2009 und des Familienleistungsgesetzes.” (Bericht des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages betreffend den Gesetzentwurf zum Wachstumsstärkungsgesetz vom 3. Dezember 2008, Bundestagsdrucksache 16/11190, Seite 4). Im Unterschied dazu trat Art. 1 Nr. 13 des Familienleistungsgesetzes, der die Neufassung der Steuerermäßigung für die Inanspruchnahme von Handwerkerleistungen in § 35a Abs. 3 EStG betrifft, wie geplant zum 1. Januar 2009 in Kraft, wobei aber nunmehr – in dem neuen § 35a Abs. 3 EStG – der Höchstbetrag der Steuerermäßigung auf 1.200 € angehoben war [s. Art. 1 Nr. 13, Nr. 18 f), Art. 9 Abs. 1 des Familienleistungsgesetzes vom 22. Dezember 2008, Bundesgesetzblatt I 2008, 2955 – 2958].
Nach alledem wurde das Inkrafttreten dieses Teils des Wachstumsstärkungsgesetzes nicht deshalb vorverlagert, um die für 2009 geplante Begünstigung (Anhebung des Höchstbetrags auf 1.200 €) bereits im Jahr 2008 wirksam werden zu lassen, sondern allein zur Vermeidung der oben beschriebenen „Inkrafttretenskollision”. Schließlich wurde Art. 1 Nr. 4 b) des Wachstumsstärkungsgesetzes, der die erstmalige Anwendung des verdoppelten Höchstbetrags ab 2009 vorschrieb, auch nicht aus dem Gesetz gestrichen.
Somit spricht alles dafür, dass Art. 1 Nr. 4 b) des Wachstumsstärkungsgesetzes, der durch Bezugnahme auf „§ 35a in der Fassung des Artikels 1 des Gesetzes vom 21. Dezember 2008” mit Art. 1 Nr. 3 des Wachstumsstärkungsgesetzes unmittelbar und systematisch zusammenhängt, ebenfalls am Tag nach der Verkündung (30. Dezember 2008) in Kraft treten sollte, um die gerade nicht erwünschte zeitliche Vorverlagerung der Höchstbetragsanhebung bereits in das Jahr 2008 zu vermeiden. Mithin hat es der Gesetzgeber lediglich aufgrund eines redaktionellen Versehens unterlassen, Art. 1 Nr. 4 b) des Wachstumsstärkungsgesetzes ebenfalls in Art. 4 Abs. 3 des Wachstumsstärkungsgesetzes aufzuführen.
eee. Unter Korrektur dieses gesetzgeberischen Redaktionsversehens (vgl. BFH, Urteil vom 8. Juni 2000 IV R 37/99, a.a.O.) ist daher Art. 4 Abs. 3 des Wachstumsstärkungsgesetzes dahingehend zu lesen, dass sowohl der ausdrücklich benannte Art. 1 Nr. 3 (§ 35a Abs. 2 S. 2 EStG in der Fassung des Wachstumsstärkungsgesetzes) als auch der versehentlich nicht erwähnte Art. 1 Nr. 4 b) (§ 52 Abs. 50b S. 4 EStG in der Fassung des Wachstumsstärkungsgesetzes) am Tag nach der Verkündung, also am 30.12.2008, in Kraft getreten sind.
Danach können aber die Kläger für die bereits im Streitjahr 2008 an sie erbrachten und von ihnen bezahlten Handwerkerleistungen keine weitergehende Steuerermäßigung nach § 35a Abs. 2 S. 2 EStG in der Fassung des Wachstumsstärkungsgesetzes beanspruchen.
II.
Die Klage war mit der Kostenfolge aus § 135 Abs. 1 FGO abzuweisen.
III.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO nicht vorliegen. Insbesondere ist ein Fall rechtsgrundsätzlicher Bedeutung nicht geben, da der vorliegende Streitfall ohne weiteres auf der Grundlage der ständigen Rechtsprechung des BFH sowie auch der Rechtsprechung des BVerfG entschieden werden konnte. Danach ist eine Auslegung des Gesetzes über seinen Wortlaut bei einem offensichtlichen Redaktionsversehen des Gesetzgebers – wie hier – möglich und geboten.

RechtsgebietEStGVorschriftenEStG 35a

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