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22.02.2010 · IWW-Abrufnummer 100616

Verwaltungsgericht Oldenburg: Beschluss vom 19.01.2010 – 7 B 3383/09

Ist Grundlage der Anordnung der Führung eines Fahrtenbuches ein Abstandsverstoß durch einen letztlich nicht zu ermittelnden Fahrer gewesen, bestehen aber erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit und damit die Verwertbarkeit der durch das Messsystem gewonnenen Daten, fehlt es an einem tatbestandsmäßigen Anknüpfungspunkt für die Auferlegung des Fahrtenbuchs.


Beschluss
1. Die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin vom 29. Dezember 2009 (Az.: 7 A 3381/09) wird wiederhergestellt.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.
2. Der Streitwert wird auf 1 200,00 Euro festgesetzt.
Gründe
1.
Der nach § 80 Absatz 5 Satz 1 VwGO zu beurteilende Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der am 29. Dezember 2009 fristgerecht erhobenen Klage (Az.: 7 A 3247/09) der Antragstellerin, mit der sie sich gegen die durch den Bescheid der Antragsgegnerin vom 9. Dezember 2009 verfügte Anordnung wendet, für die Dauer von sechs Monaten ein Fahrtenbuch für das von ihr gehaltene Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen …. zu führen, ist begründet.
Nach § 80 Absatz 1 Satz 1 VwGO hat eine Klage grundsätzlich aufschiebende Wirkung. Diese entfällt jedoch, wenn die Behörde – wie hier – gemäß § 80 Absatz 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO die sofortige Vollziehung ihrer Verfügung im öffentlichen Interesse angeordnet hat.
Für den Erfolg eines Antrages nach § 80 Absatz 5 Satz 1 VwGO ist entscheidend, ob das private Interesse eines Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seiner Klage höher als das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsaktes zu bewerten ist. Bei dieser Interessenabwägung sind mit der im vorläufigen Verfahren gebotenen Zurückhaltung auch die Aussichten des Begehrens im Hauptsacheverfahren zu berücksichtigen. Bei einer offensichtlich Erfolg versprechenden Klage überwiegt das Suspensivinteresse des Betroffenen das öffentliche Vollzugsinteresse. Der Antrag ist dagegen in aller Regel unbegründet, wenn der Antragsteller im Verfahren zur Hauptsache voraussichtlich keinen Erfolg haben wird, insbesondere wenn die angegriffene Verfügung offensichtlich rechtmäßig ist. Die angegriffene Verfügung der Antragsgegnerin dürfte im Hauptsacheverfahren keinen Bestand haben, weil sie voraussichtlich zu Unrecht die Fahrtenbuchanordnung verfügt hat.
Diese Verfügung ist in materieller Hinsicht zu beanstanden. Die Voraussetzungen des § 31a StVZO für die Anordnung der Führung eines Fahrtenbuches sind nicht erfüllt. Nach dieser Vorschrift kann die Behörde gegenüber einem Fahrzeughalter für ein oder mehrere auf ihn zugelassene oder künftig zuzulassende Fahrzeuge die Führung eines Fahrtenbuchs anordnen, wenn die Feststellung des Fahrzeugführers nach einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften nicht möglich war (zu den Voraussetzungen im Einzelnen vgl. jeweils mit weiteren Nachweisen z.B. Kammerbeschlüsse vom 23. Dezember 2008 – 7 B 3216/08 –, vom 9. März 2009 – 7 B 682/09 –, und vom 26. November 2009 – 7 B 3014/09 –). Die Vorschrift verknüpft mithin die Verhängung der Maßnahme als Rechtsfolge mit dem Vorliegen der Voraussetzung „wenn die Feststellung des Fahrzeugführers nach einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften nicht möglich war“. Auf das Vorliegen dieser Voraussetzung kommt es hier aber nicht an. Denn wenn der Fahrer des von der Antragstellerin gehaltenen Fahrzeugs hinsichtlich der hier durch die Antragsgegnerin geltend gemachten Unterschreitung des gebotenen Mindestabstands zum vorausfahrenden Fahrzeug festgestanden hätte, wäre die Ahndung dieser konkreten Abstandsunterschreitung wegen Verfassungswidrigkeit der Messmethode nicht ahndungsfähig gewesen (vgl. Beschluss des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 27. November 2009 – Ss Bs 186/09 –, über juris). Die Vorschrift ist danach nicht anwendbar. Eine andere Rechtsgrundlage, auf die der angegriffene Bescheid gegebenenfalls gestützt werden könnte, ist nicht ersichtlich.
Die Antragstellerin könnte allerdings grundsätzlich nicht von Vorneherein mit Erfolg geltend machen, eine Zuwiderhandlung im Sinne von § 31a StVO habe nicht oder nicht so wie von der Behörde zu Grunde gelegt stattgefunden – sofern sie einen Verstoß im verwaltungsgerichtlichen Verfahren bestreitet, zwingt dies das Gericht grundsätzlich nicht, nähere Ermittlungen dazu anzustellen, ob sich der behauptete Verkehrsverstoß wirklich ereignet hat. Zum einen: Bestreitet der Halter eines Fahrzeuges, der ein Fahrtenbuch führen soll, dass sich ein Verkehrsverstoß ereignet hat, so muss er nach Einstellung des Ordnungswidrigkeitenverfahrens im Verwaltungs- oder Verwaltungsgerichtsverfahren substantiierte Angaben machen, die seine Schilderung plausibel erscheinen lassen ( Nds. OVG, Beschluss vom 14. Juni 1999 – 12 M 2491/99 –, NZV 1999, 486 f.). Eine pauschale Behauptung etwa der Art, die Messung sei falsch gewesen, ist daher unbeachtlich. Zum anderen: Das Gericht verweist grundsätzlich darauf, dass es bereits im Bußgeldverfahren hinreichend Gelegenheit gegeben hätte, sich gegen den Vorwurf eines Verkehrsverstoßes zu wenden und dort die Details substantiiert anzugreifen. Nach Einstellung des Bußgeldverfahrens ist bei dieser Konstellation eine etwaige Ermittlungstätigkeit des Verwaltungsgerichtes, z. B. nach § 86 VwGO, grundsätzlich nicht geboten ( Beschluss vom 28. April 2009 – 7 B 1187/09 – mit OVG, Beschluss vom 23. Juni 2009 – 12 ME 107/09 –). Es ist der Antragsgegnerin im vorliegenden Verfahren auch zu Gute zu halten, dass sie sich sinngemäß auf diese Erwägungen stützt, die in Einklang mit der ständigen Rechtsprechung in der Kammer stehen. Auf diese Grundsätze kommt es hier aber nicht an, weil die Verfassungswidrigkeit der Methode überwiegend wahrscheinlich ist, mit der die geltend gemachte Abstandsunterschreitung feststellbar gewesen sein soll. In den Fällen, in denen das Kraftfahrzeug auch an Dritte weitergegeben wird, hilft das Fahrtenbuch auch dem Halter bei der Überwachung der Fahrzeugbenutzer (Gerichtsbescheid vom 18. Oktober 2007 – 7 A 1240/07 – m.w.N.); das Fahrtenbuch bezweckt insoweit, dass die Benutzung des Fahrzeugs in der gebotenen Weise überwacht wird, und den Fahrzeughalter zur künftigen Mitwirkung bei der Feststellung des Fahrzeugführers im Falle eines erneuten Verkehrsverstoßes anzuhalten; ein „erneuter“ Verstoß kann aber hier nicht drohen, weil der Anlassverstoß nicht ahndungsfähig war; damit fehlt es am Anlass für die Gefahrenabwehr.
Außerdem liegt mit der geltend gemachten Abstandsunterschreitung zugleich kein Verstoß vor, der im Sinne von § 31a StVZO hinreichend gravierend wäre. Im Einzelnen: In seinem o.a. Beschluss vom 27. November 2009 hatte das Oberlandesgerichts Oldenburg wörtlich festgehalten:
„…
Mit Bußgeldbescheid des Landkreises Osnabrück vom 04.06.2009 war dem Betroffenen zur Last gelegt worden, am 19.02.2009 um 12.14 Uhr in R.…auf der BAB 1 in Höhe des Kilometers 202,852 in Fahrtrichtung M.… als Führer des Pkws … bei einer Geschwindigkeit von 119 km/h den erforderlichen Abstand von 59,5 m zum vorausfahrenden Fahrzeug nicht eingehalten zu haben. Der Abstand habe vielmehr lediglich 17 m und damit weniger als 3/10 des halben Tachowertes betragen.
Das Messergebnis, auf welches der Erlass des Bußgeldbescheides zurückzuführen war und welches als maßgebliches Beweismittel für die Überführung in Betracht gekommen wäre, wurde durch ein Verkehrskontrollsystem VKS 3.0 der Firma V.… ermittelt. Ausweislich der mit der Rechtsbeschwerde nicht angegriffenen amtsgerichtlichen Feststellungen werden bei Anwendung dieses Meßsystems in der Regel mindestens zwei Videoaufzeichnungen vorgenommen, nämlich eine sog. Tatvideoaufzeichnung, mit welcher die Abstands und Geschwindigkeitsmessung durchgeführt wird, sowie eine Fahrervideoaufzeichnung, welche der Identifikation der Fahrer und der Kennzeichenerfassung dient. Messung und Auswertung werden dergestalt gehandhabt, dass der auflaufende Verkehr in einem bestimmten Fahrbahnabschnitt mit einer Videokamera von einem festen, mindestens drei Meter über der Fahrbahnoberfläche liegenden Kamerastand aufgenommen wird. Während der Aufnahme wird das Videosignal kodiert. Der Kodierer zählt in dem Videosignal die einzelnen Videobilder (Voll und Halbbilder). Der zeitliche Abstand von zwei aufeinander folgenden Videobildern beträgt 1/50 Sekunden. Die Auswertung des so kodierten Videobandes wird mittels eines Computersystems durchgeführt. Bei der so gestalteten Verkehrsüberwachung wird eine durchgängige Aufnahme des fließenden Verkehrs in der Weise angefertigt, dass jeweils die auf der Überholspur befindlichen Fahrzeuge mit Kennzeichen erfasst werden und die Fahrer identifizierbar erkennbar sind.
Unter Bezugnahme auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 11.08.2009 (2 BvR 941/08 ) hat das Amtsgericht diese Art der Messung mit Rücksicht auf das Fehlen einer gesetzlichen Grundlage in Niedersachsen als verfassungswidrigen Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung angesehen. Weiterhin ist es zu dem Schluss gelangt, dass der Verwertung des rechtswidrig erlangten Messergebnisses ein Beweisverwertungsverbot entgegenstehe. Mit der Messung sei automatisch und unvermeidbar die Aufnahme einer unüberschaubaren Vielzahl von Personen verbunden, welche sich rechtskonform verhielten und über deren persönliche Information dem Staat ein Erfassungsrecht nicht ohne Gesetz zustehe. Dieser mit dem Messverfahren verknüpfte ungerechtfertigte Eingriff in die grundgesetzlich geschützten Rechte einer Vielzahl von Verkehrsteilnehmern führe dazu, dass dem Verfahren per se eine Verfassungswidrigkeit innewohne. Die daraus gezogenen Beweismittel könnten auf ordnungsgemäßem Wege nicht mit gleicher Sicherheit erlangt werden. Für eine Differenzierung nach jeweiligen Einzelfällen der Verstöße sei bei einer derartigen Vorgehensweise kein Raum.
Da andere Beweismittel nicht zur Verfügung stehen, hat das Amtsgericht den Betroffenen im Beschlusswege freigesprochen.

Das Amtsgericht hat die ihm obliegende Aufklärungspflicht nicht verletzt, da es zutreffenderweise von Vorliegen eines Beweisverwertungsverbotes ausgegangen ist. Die Aufzeichnung individueller Verkehrsvorgänge durch fest installierte Videoaufzeichnungsanlagen ist, jedenfalls wenn sie unter den vorliegend anzutreffenden Bedingungen erfolgt, mit einem Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG in seiner Ausprägung als Recht auf informationelle Selbstbestimmung verbunden, wie das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 11.08.2009 ausgeführt hat. Die Aufzeichnung des Bildmaterials führt zur technischen Fixierung der beobachteten Vorgänge, die später zu Beweiszwecken abgerufen, aufbereitet und ausgewertet
werden können, wobei eine Identifizierung von Fahrer und Fahrzeug beabsichtigt und technisch möglich ist. Derartige Eingriffe in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung sind unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes im überwiegenden Allgemeininteresse zulässig, wenn hierfür eine gesetzliche Grundlage vorliegt. Eine solche Ermächtigungsgrundlage existiert nicht, wie auch die Rechtsbeschwerde nicht in Zweifel zieht.
Die Messdaten, deren Verwertung in Rede steht, wurden mithin unter Verstoß gegen ein Beweiserhebungsverbot gewonnen. Ein solches zieht nach allgemeiner Auffassung im strafprozessualen Bereich nicht zwangsläufig ein Verwertungsverbot nach sich. Diese schwerwiegende verfahrensrechtliche Folge wird vielmehr nur in Ausnahmefällen als gerechtfertigt angesehen. Ein Beweisverwertungsverbot wird lediglich anerkannt, wenn dahingehende ausdrückliche gesetzliche Vorschriften bestehen oder wichtige übergeordnete Gründe dis gebieten. Ob letzteres der Fall ist, bestimmt sich jeweils nach den Umständen des Einzelfalles. In die in diesem Zusammenhang vorzunehmende Abwägung zwischen dem Interesse des Staates und der Allgemeinheit an der Verwertung aller in Betracht kommenden Beweismittel zum Zwecke der Aufklärung von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten einerseits, den durch das Erhebungsverbot geschützten Individualinteressen andererseits sind insbesondere die Art des Erhebungsverbotes, das Gewicht des in Frage stehenden Verfahrensverstoßes und die Bedeutung der im Übrigen betroffenen Rechtsgüter einzustellen.
Vorliegend stellt sich der Verfahrensverstoß als schwerwiegend dar. Die angewandte Messmethode ist mit einem systematisch angelegten Eingriff in die Grundrechte einer Vielzahl von Personen verbunden. Sie war bereits konzeptionell so angelegt, dass sie mit einer über die herkömmlichen, anlassbezogen eingesetzten Abstands und Geschwindigkeitsmessverfahren weit hinausgehenden Gefahr einer Grundrechtsbeeinträchtigung einherging. Die Schwere des Eingriffs wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass er für den einzelnen Verkehrsteilnehmer nur bedingt wahrnehmbar ist, vielmehr bestätigt die mit einer Dauervideoüberwachung verbundene relative Heimlichkeit des Eingriffs dessen Schweregrad (vgl. hierzu Niehaus DAR 2009, 632, 635). Dass den einzelnen Polizeibeamten als Anwender kein persönlicher Verschuldensvorwurf treffen mag ist insoweit ebenso wenig von durchgreifender Bedeutung wie der Umstand, dass die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts auf ministerieller Ebene zum Anlass genommen wurde, die rechtswidrige Verfahrensweise einzustellen.
Die Verkehrsverstöße, zu deren Ahndung das Messverfahren eingesetzt wird – auch der im vorliegenden Fall in Rede stehende Verstoß – sind in der Regel nur von untergeordneter Bedeutung. Zwar trifft es zu, dass Abstandsunterschreitungen, insbesondere bei starker Verkehrsdichte und hohen Geschwindigkeiten, gefahrträchtig sind und nachhaltiger Verfolgung bedürfen, doch handelt es sich ungeachtet dessen jedenfalls im vorliegenden Falle um eine Ordnungswidrigkeit, welche dem unteren bis mittleren Schweregrad der Verkehrsordnungswidrigkeiten zuzuordnen ist und deren Verfolgung sich im konkreten Fall nicht als derart vordringlich darstellt, dass schwerwiegende Grundrechtseingriffe hinzunehmen wären.
Die Frage, ob der Verkehrsverstoß auch bei hypothetisch rechtmäßigem Ermittlungsverlauf hätte gewonnen werden können, kann nicht ausschlaggebend sein. Der Umstand, dass die meisten Verkehrsverstöße auch in ordnungsgemäßer Weise durch den Einsatz entsprechender technischer Mittel nachgewiesen werden können, kann nicht zur Folge haben, dass Verfahrensverstößen in diesem Bereich, welche gerade damit einhergehen, dass mit hoher Streubreite der rechtlich geschützte Bereich einer Vielzahl von Verkehrsteilnehmern berührt ist, eine mindere Bedeutung zugemessen wird. …“
Es ist davon auszugehen, dass Messgeräte, -methode, -technik, -verfahren im zuvor bezeichneten Verfahren und im vorliegenden Verfahren identisch sind. Die rechtliche Bewertung in bußgeldrechtlicher Hinsicht dürfte voraussichtlich ebenfalls identisch sein. Die Antragsgegnerin räumt dies möglicherweise in ihrem Schriftsatz vom 11. Januar 2009 wohl auch ein, wenn sie (dort, Seite 3 unten) zum „vom Autobahnpolizeikommissariat A. verwendeten Aufzeichnungsverfahren“ Stellung nimmt.
Soweit allerdings die Antragsgegnerin in diesem Schriftsatz Ausführungen zum tatsächlichen Vorliegen des Verkehrsverstoßes macht und dieses (wohl auch hinsichtlich der subjektiven Vorwerfbarkeit) mit dem eigenen „Vortrag der Klägerin“ begründen möchte (dort Seite 1 bis 3), spricht weit Überwiegendes dafür, dass es auf diesen Vortrag voraussichtlich nicht ankommt, da er erst nach Einstellung des Bußgeldverfahrens und nach Eintritt der Verfolgungsverjährung dargetan ist. Ohne diesen Vortrag wäre offenbar allerdings auch nach Auffassung der Antragsgegnerin ein Bußgeldverfahren voraussichtlich nicht durchzuführen gewesen, da die Abstandsmessung als solche nicht verwertbar gewesen wäre.
Voraussetzung für den Erlass einer Anordnung, ein Fahrtenbuch zu führen, ist aber, dass ein Verstoß vorliegt, der nicht geahndet wurde, weil die Fahrerfeststellung unmöglich war, und der hinreichend schwerwiegend war, z.B. zumindest die Eintragung eines Punktes nach sich gezogen hätte.
Hier aber lag in diesem Sinne kein Verstoß vor. Nach der Beweislage während des Laufes der Verfolgungsverjährung hätte auch bei Feststellung des zutreffenden Fahrzeugführers eine Sanktion aus dem Recht der straßenverkehrsrechtlichen Ordnungswidrigkeiten wohl nicht verhängt werden und ein Bußgeldbescheid nicht ergehen dürfen. Damit liegt ein Verstoß, der nur deshalb nicht geahndet werden konnte, weil der Fahrer nicht festgestellt werden konnte, im Sinne von § 31a StVZO nicht vor.
Mithin fehlt es voraussichtlich schon am zugrundeliegenden rechtlichen Anknüpfungspunkt für den Erlass des angegriffenen Bescheids. Soweit die Antragsstellerin – oder ein Dritter – nach Ablauf der Verfolgungsverjährung nach Meinung der Antragsgegnerin Angaben zum Verstoß macht, die die Fahreridentität (und subjektive Vorwerfbarkeit) erhellen, ist ein solches Verhalten, ebenso wie das ausdrückliche Einräumen der Begehung des Verstoßes nicht ungewöhnlich; es führt aber im vorliegenden Verfahren eben nicht dazu, dass nunmehr gleichsam fiktiv doch ein Bußgeld hätte erlassen werden dürfen. Beim hier vorliegenden ‚Verstoß‘ jedenfalls und den fehlenden Einlassungen Betroffener bis zum Eintritt dieser Verjährung liegt kein rechtlicher Anknüpfungspunkt im Sinne von § 31a StVZO vor.
Daher leidet mithin der angegriffene Bescheid der Antragsgegnerin voraussichtlich an einem erheblichen Rechtsfehler i.S.v. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
Rein vorsorglich macht die Kammer allerdings darauf aufmerksam, dass in anderen Bereichen der Gefahrenabwehr im Straßenverkehrsrecht anderes geltend mag, insbesondere bei dem Streit um die Entziehung der Fahrerlaubnis innerhalb des Punktesystem nach § 4 StVG. Letzteres hat die Kammer gerade erst mit ihrem Beschluss vom 13. Januar 2010 – 7 B 3230/09 – festgehalten und dort auf die strikte Bindungswirkung aus § 4 Absatz 3 Satz 2 StVG sowie die Rechtsprechung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts zum Beweisverwertungsverbot hingewiesen (Nds. OVG, Beschluss vom 16. Dezember 2009 – 12 ME 234/09 –).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Absatz 1 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Absatz 3 Nr. 2, 52Absatz 1 GKG und orientiert sich an Nummer 46.13 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit ( NVwZ 2004, 1327 ff.). Der Wert ist abhängig von der Dauer der Fahrtenbuchanordnung und beträgt 400,00 Euro je Monat, so dass bei einer Dauer von hier sechs Monaten ein Wert von 2 400,00 Euro für die Hauptsache und im vorliegenden Eilverfahren nach Ziffer 1.5 des Streitwertkatalogs mit dessen Hälfte anzusetzen ist.

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