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18.12.2009 · IWW-Abrufnummer 094111

Oberlandesgericht Hamm: Beschluss vom 11.08.2009 – 15 Wx 115/09

1) Der vollstreckungsfreie Miterbe ist zur Antragstellung nach § 2227 Abs. 1 BGB mit dem Ziel der Entlassung des Testamentsvollstreckers befugt, der sein Amt lediglich für einen mit der Testamentsvollstreckung beschwerten Miterben ausübt.



2) Ein wichtiger Grund im Sinne des § 2227 Abs. 1 BGB kann sich in dieser Konstellation nur daraus ergeben, dass der Testamentsvollstrecker durch konkrete Pflichtwidrigkeiten bei der Verwaltung oder Auseinandersetzung des Nachlasses die Rechte des vollstreckungsfreien Miterben gefährdet.


OBERLANDESGERICHT HAMM BESCHLUSS
15 Wx 115/09 OLG Hamm

In der Nachlasssache

hat der 15. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 11.08.2009 auf die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1) vom 04.05.2009 gegen den Beschluss der 4. Zivilkammer des Landgerichts Siegen vom 17.03.2009 durch den

beschlossen:

Tenor:

Der angefochtene Beschluss und der Beschluss des Amtsgerichts vom 12.11.2008 werden mit Ausnahme der Wertfestsetzung aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung auch über eine Anordnung der Erstattung außergerichtlicher Kosten des Verfahrens der ersten und der weiteren Beschwerde an das Amtsgericht zurückverwiesen.

Der Gegenstandswert für das Verfahren der weiteren Beschwerde wird auf 3.000 € festgesetzt.

Gründe:

I.

Durch Verfügung vom 23.05.2002 errichtete die Erblasserin zusammen mit ihrem vorverstorbenen Ehemann ein gemeinschaftliches privatschriftliches Testament, durch welches sich die Ehegatten gegenseitig zu uneingeschränkten Alleinerben und als Schlusserben ihre beiden Söhne zu 3/5-Anteil - Beteiligter zu 1) - bzw. 2/5-Anteil - Beteiligter zu 2) - einsetzten. Der Beteiligte zu 2) wurde als nicht befreiter Vorerbe berufen, auf den Nacherbfall wurden die Kinder des Beteiligten zu 1) eingesetzt. Hinsichtlich der Vorerbschaft des Beteiligten zu 2) ordneten die Erblasserin und ihr Ehemann Testamentsvollstreckung an. Zum Testamentsvollstrecker bestimmten sie Rechtsanwalt F aus T2.

Nach dem Tod ihres Mannes errichtete die Erblasserin am 02.11.2003 ein maschinenschriftliches Testament, durch welches sie zum einen die Erbanteile der Beteiligten änderte und zum anderen den Beteiligten zu 3) als Testamentsvollstrecker bestimmte.

Nach dem Tod der Erblasserin lehnte Rechtsanwalt F das Amt des Testamentsvollstreckers ab.

Mit Beschluss vom 11.07.2007 hat das Amtsgericht gem. § 2200 Abs. 1 BGB Rechtsanwalt T aus T2 zum Testamentsvollstrecker ernannt. Auf die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde des Beteiligten zu 2) hat das Landgericht am 27.08.2007 den Beschluss des Amtsgerichts teilweise abgeändert und den Beteiligten zu 3) als Testamentsvollstecker ernannt. Hiergegen hat der Beteiligte zu 1) sofortige weitere Beschwerde eingelegt, die der Senat durch Beschluss vom 22.01.2008 als unzulässig verworfen hat.

Am 21.04.2008 hat der Beteiligte zu 3) zu Protokoll der Geschäftsstelle des Amtsgerichts erklärt, dass er das Amt als Testamentsvollstrecker annehme. Daraufhin hat das Amtsgericht dem Beteiligten zu 3) am 30.05.2008 ein Testamentsvollstreckerzeugnis erteilt, das ihn als Testamentsvollstrecker über den Erbteil des Beteiligten zu 2) ausweist.

Mit Schriftsatz seines Verfahrensbevollmächtigten vom 04.08.2008 hat der Beteiligte zu 1) beantragt, den Beteiligten zu 3) als Testamentsvollstrecker zu entlassen, und das Amtsgericht darum gebeten, einen anderen Testamentsvollstrecker auszuwählen. Die Beteiligten zu 2) und 3) sind dem Antrag entgegengetreten.

Durch Beschluss vom 12.11.2008 hat das Amtsgericht Siegen den Antrag auf Entlassung des Testamentsvollstreckers zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass der Beteiligte zu 1) nicht antragsberechtigt sei.

Gegen diesen Beschluss des Amtsgerichts hat der Beteiligte zu 1) mit Schriftsatz seines Verfahrensbevollmächtigten vom 02.12.2008 Beschwerde eingelegt. Durch Beschluss vom 17.03.2009 hat das Landgericht Siegen die Beschwerde als unzulässig verworfen und zur Begründung ausgeführt, dem Beteiligten zu 1) stehe weder eine Beschwerdebefugnis noch das Recht zu, gem. § 2227 Abs. 1 BGB die Entlassung des Testamentsvollstreckers zu beantragen, da sein Erbteil nicht der Testamentsvollstreckung unterliege. Hiergegen wendet sich der Beteiligte zu 1) mit seiner weiteren Beschwerde, die er mit Schriftsatz seines Verfahrensbevollmächtigten vom 04.05.2009 eingelegt hat.

II.

Die weitere Beschwerde ist nach den §§ 27, 29 FGG statthaft sowie formgerecht eingelegt worden. Die Beschwerdebefugnis des Beteiligten zu 1) für die weitere Beschwerde ergibt sich bereits daraus, dass seine Erstbeschwerde ohne Erfolg geblieben ist.

In der Sache ist die weitere Beschwerde begründet, da die Entscheidung des Landgerichts auf einer Verletzung des Rechts beruht (§ 27 Abs. 1 FGG). Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung der Entscheidungen beider Vorinstanzen und zur Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht.

Entgegen der Ansicht des Landgerichts war die erste Beschwerde des Beteiligten zu 1) zulässig, insbesondere war der Beteiligte zu 1) beschwerdebefugt. Bei dem Entlassungsverfahren nach § 2227 BGB handelt es sich um ein Antragsverfahren (Keidel/Schmidt, FG, 15. Aufl., § 12, Rz. 10). Wird der Antrag - wie hier - nur aus verfahrensrechtlichen Gründen zurückgewiesen, genügt für die Beschwerdeberechtigung in Antragssachen die darin begründete formelle Beschwer (Keidel/Kahl, FG, 15. Aufl., § 20, Rz. 50 m.w.N.).

Der Senat kann ferner der Auffassung des Landgerichts nicht folgen, dem Beteiligten zu 1) stehe als vollstreckungsfreier Miterbe ein Antragsrecht mit dem Ziel der gerichtlichen Entlassung des Testamentsvollstreckers nicht zu. Die Entscheidung des Landgerichts kann sich allerdings auf eine in Rechtsprechung und Literatur verbreitet vertretene Auffassung stützen, die dem vollstreckungsfreien Miterben ein solches Antragsrecht insbesondere deshalb versagt, weil seine Rechtsstellung im Rahmen der Verwaltung und Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft durch die Testamentsvollstreckung über einen anderen Erbanteil nicht unmittelbar verändert werde (OLG Köln NJW-RR 1987, 1098; OLG München FGPrax 2005, 267 = NJW-RR 2006, 14; Palandt/Edenhofer, BGB, 68. Aufl., § 2227, Rz. 8; Beck'scher Online-Kommentar zum BGB, § 2227, Rz. 4). Die überzeugenderen Gründe sprechen nach Ansicht des Senats für die gegenteilige Auffassung, die auch dem vollstreckungsfreien Miterben ein Antragsrecht nach § 2227 Abs. 1 BGB zubilligt (BGH ZEV 1997, 116, 116 f.; OLG Celle OLGR 2005, 112; Erman/Schmidt, BGB, 12. Aufl., § 2227, Rz. 9; Reimann ZEV 2006, 32; Muscheler AcP 197. Band (1997), 226, 239 Fn. 41; Zimmermann, Die Testamentsvollstreckung, Rz. 805; Winkler, Der Testamentsvollstrecker, 19. Aufl., Rz. 799). Nach Auffassung des Senats darf der Begriff des materiell Beteiligten, dem nach § 2227 Abs. 1 BGB ein Antragsrecht zusteht, nicht zu eng verstanden werden. Nach gefestigter Auffassung ist danach antragsberechtigt jeder, dessen Rechte und Pflichten durch die Regelung der Angelegenheit unmittelbar betroffen werden können und der daher ein rechtliches Interesse an der Testamentsvollstreckung hat (KG FGPrax 2002, 74). In diesem Rahmen wird etwa auch dem Pflichtteilsberechtigten im Hinblick auf die von ihm geltend gemachte unentziehbare Mindestbeteiligung am Nachlass ein eigenes Antragsrecht zuerkannt (BayObLGZ 1997, 1 = FamRZ 1997, 905; KG a.a.O.). Dann kann aber die Antragsbefugnis des vollstreckungsfreien Miterben, dem im Vergleich zu einem Pflichtteilsberechtigten eine weitergehende Rechtsstellung in Form seiner dinglichen Mitberechtigung am Nachlass zusteht, nicht anders beurteilt werden. Bis zur Auseinandersetzung des Nachlasses bezieht sich die Verwaltung des Erbteilstestamentsvollstreckers auf den gesamten Nachlass (BGH a.a.O.). Dementsprechend werden die rechtlichen Interessen des vollstreckungsfreien Miterben durch die Art und Weise, in der der Testamentsvollstrecker sein Amt ausübt, betroffen. In dieser Beurteilung liegt kein Widerspruch zu der Entscheidung des Senats vom 22.01.2008, durch die er dem Beteiligten zu 1) die Beschwerdebefugnis zur Anfechtung der Ermessensentscheidung über die Auswahl der Person des Testamentsvollstreckers im Rahmen der Entscheidung des Nachlassgerichts nach § 2200 Abs. 1 BGB versagt hat. Denn der vollstreckungsfreie Miterbe hat keinen Anspruch darauf, dass seine persönlichen Interessen bei der erstmaligen Auswahl der Person des Testamentsvollstreckers für den anderen Erbanteil berücksichtigt werden. Dies schließt jedoch keineswegs aus, dass seine rechtlichen Interessen durch die Art und Weise der Ausübung des Testamentsvollstreckeramtes betroffen werden können. Nur soweit in dieser Hinsicht seine eigenen rechtlichen Interessen nachteilig betroffen werden, kann sich aus der Art der Ausübung des Testamentsvollstreckeramtes ein wichtiger Grund im Sinne des § 2227 Abs. 1 BGB ergeben, der auf den Antrag des vollstreckungsfreien Miterben zur Entlassung des Testamentsvollstreckers führen kann (siehe dazu nachstehend).

So zu entscheiden sieht sich der Senat nicht nach § 28 Abs. 2 FGG im Hinblick auf die oben herangezogenen, auf weitere Beschwerde ergangenen Entscheidungen des OLG Köln und des OLG München gehindert. Denn eine Vorlagepflicht nach dieser Vorschrift besteht nicht, wenn sich der Senat - wie geschehen - in der Rechtsfrage einer Entscheidung des BGH anschließen will, die ihrerseits nicht notwendig in einem Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit ergangen sein muss (BayObLGZ 1986, 253, 259; OLG München FGPrax 2005, 104, 105).

Der Entlassungsantrag des Beteiligten zu 1) ist danach als zulässig zu behandeln. Da eine sachliche Prüfung des Antrags noch nicht stattgefunden hat, musste der Senat die Sache an eine der Tatsacheninstanzen zurückverweisen. Denn im Rechtsbeschwerdeverfahren können keine tatsächlichen Ermittlungen (§ 12 FGG) durchgeführt werden. Dabei hat der Senat von dem ihm zustehenden Ermessen dahin Gebrauch gemacht, die Sache an das Amtsgericht zurückzuverweisen, weil die erforderlichen tatsächlichen Ermittlungen tunlichst im Verfahren erster Instanz durchgeführt werden sollen.

Für die Sachentscheidung wird es entsprechend den obigen Ausführungen darauf ankommen, ob die rechtlichen Interessen des Beteiligten zu 1) bei der Verwaltung oder der Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft durch ein pflichtwidriges Verhalten des Beteiligten zu 3) nachhaltig gefährdet werden. Der Maßstab des wichtigen Grundes muss in dieser Weise aus der Beeinträchtigung dem Beteiligten zu 1) persönlich zustehender Rechte beschränkt werden. Nicht berücksichtigungsfähig sind daher die Rechte von Nacherben und Vermächtnisnehmern. Da der Beteiligte zu 3) die Interessen des Beteiligten zu 2) als des allein mit der Testamentsvollstreckung beschwerten Miterben wahrzunehmen hat, können die nach dem Vorbringen der Beteiligten zwischen ihnen bestehenden Interessengegensätze und Spannungen allein nicht für die Bejahung eines wichtigen Grundes ausreichen. Insofern ist hier eine andere Beurteilung geboten, als sie im Einzelfall im Verhältnis zwischen dem Testamentsvollstrecker und dem mit der Vollstreckung beschwerten Erben angebracht sein kann. Das Entlassungsverfahren kann auch kein Instrument sein, Druck mit dem Ziel der Herbeiführung einer Erbauseinandersetzung auszuüben, die der Beteiligte zu 1) bislang mit dem Miterben-Testamentsvollstrecker nicht hat erzielen können. Denn über die Art und Weise einer Erbauseinandersetzung muss notfalls in einem Zivilprozess zwischen den Beteiligten entschieden werden. Dies gilt auch insoweit, als der Beteiligte zu 1) den Anspruch auf eine Teilerbauseinandersetzung über Bankguthaben erhebt. Ein wichtiger Grund kommt deshalb nur bei konkreten Pflichtwidrigkeiten des Testamentsvollstreckers bei der Verwaltung und Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft in Betracht. Zu dem Pflichtenkreis des Testamentsvollstreckers gehört es etwa auch, konkrete Vorschläge des Beteiligten zu 1) für eine Auseinandersetzung in angemessener Zeit sachlich zu beantworten. Dem Beteiligten zu 1) muss Gelegenheit gegeben werden, unter diesen Gesichtspunkten sein tatsächliches Vorbringen zu ordnen und zu konkretisieren.

Mit der erneuten Sachentscheidung hat der Senat dem Amtsgericht auch die Entscheidung über die Anordnung der Erstattung der im Verfahren der ersten und der weiteren Beschwerde entstandenen außergerichtlichen Kosten übertragen, die nach Maßgabe des § 13 a Abs. 1 Satz 1 FGG zu treffen ist.

Die Festsetzung des Gegenstandswertes für das Verfahren der weiteren Beschwerde beruht auf den §§ 131 Abs. 2, 30 Abs. 1 und 2 KostO. Sie folgt der unbeanstandet gebliebenen Festsetzung durch das Landgericht.

RechtsgebietBGBVorschriftenBGB § 2227 Abs. 1

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