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06.11.2009 · IWW-Abrufnummer 091247

Landessozialgericht Bayern: Urteil vom 11.12.2008 – L 4 KR 340/06

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


L 4 KR 340/06
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 06. September 2006 in dessen Ziffer III aufgehoben.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist, ob der Kläger seit 01.01.1995 bei seinem Vater in einem sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis steht.
Der 1970 geborene Kläger hat am 11.04.1994 die Abschlussprüfung als Diplom-Ingenieur (FH) im Studiengang Elektrotechnik/Nachrichtentechnik abgelegt. Sein Vater betreibt die Einzelfirma A. Transporte Baustoffe. Der Kläger ist dort seit 01.01.1995 nach seinen Angaben als Juniorchef mit den Tätigkeiten Verwaltung, Einkauf, Verkauf, Personalleitung beschäftigt. Nach den Angaben im Feststellungsbogen bezieht er ein regelmäßiges monatliches Arbeitsentgelt von 6.250,00 EUR. Die Tätigkeit werde nicht aufgrund einer arbeitsvertraglichen Vereinbarung ausgeübt. Ohne die Mitarbeit des Klägers hätte eine andere Arbeitskraft eingestellt werden müssen. Weiter wurde im Feststellungsbogen angegeben, dass der Kläger an Anweisungen des Betriebsinhabers über die Ausführung der Arbeit nicht gebunden sei. Der Kläger habe seine Tätigkeit frei bestimmen und gestalten können. Die Mitarbeit sei durch ein gleichberechtigtes Nebeneinander zum Betriebsinhaber geprägt gewesen. Es habe ein Urlaubsanspruch nach betrieblichen Erfordernissen bestanden. Im Falle der Arbeitsunfähigkeit wurde eine Fortzahlung des Arbeitsentgelts von mindestens sechs Wochen vereinbart. Aufgrund hoher Verantwortung und weil Familiengehalt, sei übertarifliches Arbeitsentgelt gezahlt worden. Die Frage, ob der Kläger als mitarbeitender Angehöriger an dem Betrieb beteiligt gewesen sei, beantwortete dieser mit nein und gab an "Sohn". Am 10.02.2000 wurde im Registergericht W. Prokura für den Kläger zur Eintragung angemeldet. Bereits am 03.03.1994 war dem Kläger sowie seiner Mutter und seiner Schwester Bankvollmacht erteilt worden. Der Vater des Klägers und Beigeladene zu 1) bestätigte, dass die Handlungsvollmacht in der Praxis auch definitiv ausgeübt werde.
Am 14.12.2004 beantragte die Firma P. namens des Klägers die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung seiner Tätigkeit als mitarbeitender Sohn. Er gab an, aus unternehmerischen Aspekten habe er in der Firma eine Privateinlage von 30.000,00 DM getätigt. Laut Kontoauszug erfolgte dies bereits am 31.03.1998.
Die Beklagte hat mit Bescheid vom 03.03.2005 festgestellt, dass es sich beim Beschäftigungsverhältnis des Klägers um eine sozialversicherungspflichtige Tätigkeit handele. Mit dem am 31.03.2005 bei der Beklagten eingegangenen Widerspruch machte der Bevollmächtigte des Klägers geltend, im Ergebnis sprächen sämtliche maßgeblichen Kriterien für eine versicherungs- und beitragsfreie Tätigkeit, hinter denen insbesondere die Entrichtung von Lohnsteuern auf das Gehalt und dessen bisherige Verbuchung als Betriebsausgabe deutlich in den Hintergrund träten. Es sei zu unterstellen, dass diese zuletzt genannten Kriterien allein auf die in der Vergangenheit bestehende Unkenntnis der Beteiligten von der Möglichkeit einer im sozialversicherungsrechtlichen Sinn selbständigen Tätigkeit im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses zurückzuführen seien. Die Beklagte hat den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 02.11.2005 zurückgewiesen.
Zur Begründung der hiergegen am 02.12.2005 beim Sozialgericht Regensburg eingegangenen Klage trugen die Bevollmächtigten des Klägers vor, der Vater des Klägers habe sich den operativen Arbeiten im Unternehmen gewidmet, der Kläger um die im Wesentlichen dem kaufmännischen Bereich zuzuordnenden Angelegenheiten. Der Kläger sei nicht im Sinne der Rechtsprechung in einen Betrieb eingegliedert, die betrieblichen Aufgaben seien in familientypischer Manier gleichberechtigt nebeneinander ausnahmslos arbeitsteilig gestaltet worden. Seine Einlage von 30.000,00 DM betrage etwa die Hälfte des Jahresbruttoeinkommens, daher fehle es hier an dem für ein Beschäftigungsverhältnis typischen Interessengegensatz zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Kläger und Beigeladener zu 1) seien davon ausgegangen, dass für einen jeden Arbeitnehmer, gleich, ob Fremdbeschäftigter oder Familienangehöriger, ausnahmslos Sozialversicherungsbeiträge abzuführen seien. Die Beklagte dürfe sich nicht weigern, diese in Unkenntnis der tatsächlichen Rechtslage bezahlten Beiträge zu erstatten.
Das Sozialgericht hat nach Beiziehung der Betriebsprüfungsakten der LVA Niederbayern-Oberpfalz sowie der Akten des Finanzamts W. die Beteiligten im Termin zur mündlichen Verhandlung am 06.09.2006 angehört. Hierbei erklärte der Kläger, 1997, 1998 habe die Firma auf sein Betreiben ein weiteres Unternehmen übernommen und in der Folge neue Felder (Abfalltransporte) erschlossen.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 06.09.2006 abgewiesen. Unstreitig sei der Kläger zum Eintrittszeitpunkt in die Firma des Beigeladenen zu 1) als abhängig Beschäftigter gesehen worden. Der Kläger erhalte nach wie vor ein Festgehalt, wenn auch ein sehr hohes. Dies spreche nicht zwangsläufig für die Stellung als Betriebsinhaber, da auch leitende Angestellte einen großen Verantwortungsbereich aufwiesen sowie ein hohes Gehalt bezögen und trotzdem abhängig beschäftigt seien. Ein Unternehmerrisiko trage der Kläger nicht. Auch die lange Arbeitszeit mache den Kläger nicht zum Mitunternehmer. Die Ausführungen des Klägers, er habe nicht gewusst, dass er auch als Betriebsinhaber gelten könnte, seien völlig lebensfremd. Es handele sich beim Kläger immerhin um einen studierten Diplom-Ingenieur, der unter Zuhilfenahme des Steuerberaters hätte leicht erkennen können, welche Gestaltungsmöglichkeiten es für seinen Einsatz im Betrieb des Beigeladenen zu 1) geben könnte. Mitte der 90-er Jahre sei intensiv in den Betrieben sowie in der Öffentlichkeit über Scheinselbständigkeit diskutiert worden. Es sei deshalb abwegig, dass erst die Consultingfirma P. den Kläger auf den Gedanken habe bringen können, er sei als Selbständiger im Betrieb des Beigeladenen zu 1) tätig gewesen. Im Übrigen hätte der Kläger als frisch von der Fachhochschule Gekommener ab 1995 gar nicht das Rüstzeug gehabt, selbständiger Betriebsinhaber zu sein. Auch bis jetzt hätten weder der Kläger noch sein Vater das Beschäftigungsverhältnis trotz zunehmender Verantwortung des Klägers im Betrieb geändert.
Weil der Kläger in der mündlichen Verhandlung auf die völlige Aussichtslosigkeit der Klage hingewiesen worden sei, sei angemessen, ihm gemäß § 192 SGG Verschuldenskosten von 500,00 EUR aufzuerlegen.
Zur Begründung der hiergegen am 10.11.2006 eingegangenen Berufung wiederholt der Kläger sein bisheriges Vorbringen und hält die Auferlegung von Verfahrenskosten für unangemessen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 06.09.2006 und den zugrunde liegenden Bescheid der Beklagten vom 03.03.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.11.2005 aufzuheben und festzustellen, dass er im Rahmen seiner Tätigkeit bei der Firma A. seit dem 01.01.1995 nicht der Versicherungspflicht unterliegt.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das Urteil des Sozialgerichts für zutreffend.
Die Beigeladenen zu 2) und 3) schließen sich dem Antrag der Beklagten an.
Im Übrigen wird zur weiteren Darstellung des Sachverhalts auf den Inhalt der beigezogenen Akten der Beklagten sowie der Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 11.12.2008 weist der Vertreter der Beigeladenen zu 3) auf das bestandskräftige Ergebnis der Betriebsprüfung vom 13.05.2005 hin.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§ 151 SGG), die nicht der Zulassung nach § 144 SGG bedarf, ist zulässig, erweist sich aber als unbegründet. Die Entscheidung des Sozialgerichts ist in der Hauptsache nicht zu beanstanden. Der Kläger steht seit 01.01.1995 in einem sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis bei dem Beigeladenen zu 1).
Maßstab für die Beurteilung ist § 7 SGB IV und die hierzu ergangene vielfältige Rechtsprechung. Danach ist unter Beschäftigung die nichtselbständige Arbeit, vorrangig in einem Arbeitsverhältnis zu verstehen. Ein solches ist anzunehmen, wenn ein Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies dann gegeben, wenn der Beschäftigte dem Betriebsablauf eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Art und Ort der Ausführung umfassendem Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt, wobei der zugewiesene Verantwortungsbereich sich in einem engen, aber auch in einem weiten Rahmen bewegen kann. Arbeitnehmer tragen keine Geschäftsrisiken und erbringen kein wirtschaftliches Engagement. Sie besitzen keine eigene Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft liegt beim Arbeitgeber. Ist dies alles nicht der Fall, ist von einer selbständigen Tätigkeit auszugehen. Somit hängt die Statusfeststellung davon ab, welche Merkmale im Einzelnen überwiegen, wobei maßgeblich das Gesamtbild der Arbeitsverrichtung ist (vgl. hierzu BSG vom 24.01.2007, B 12 KR 31/06 R, die Beiträge, Beilage 07, 212, 215). Liegt ein Beschäftigungsverhältnis nach § 7 Abs.1 SGB IV vor, zieht dies die Versicherungs- bzw. Beitragspflicht in den verschiedenen Zweigen der Sozialversicherung nach sich (§ 1 Satz 1 Nr.1 SGB VI bezüglich der Rentenversicherung; § 25 Abs.1 SGB III und deren Vorläufervorschrift § 168 Abs.1 AFG für die Arbeitslosenversicherung, § 5 Abs.1 Nr.1 SGB V für die Krankenversicherung und § 20 Abs.1 Nr.1 SGB XI für die Pflegeversicherung). Der Kläger trägt selbst vor, dass sowohl er als auch sein Vater bis zur Antragstellung am 17.12.2004 (bzw. bis zur Kontaktaufnahme mit der Firma P. Gesellschaft für Consulting GmbH) davon ausgegangen sind, dass ein sozialversicherungsrechtliches Beschäftigungsverhältnis bestand. Entsprechend war der Kläger angemeldet, es wurden Beiträge abgeführt. Der Kläger hat zwar die vom Senat geforderten Einkommensteuerbescheide nicht vorgelegt, es ist jedoch davon auszugehen, dass er Einkommen aus abhängiger Beschäftigung versteuert hat. Auch bei den Betriebsprüfungen wurde der Versichertenstatus des Klägers von keiner Seite angezweifelt.
Es sprechen keine rechtlich vernünftigen Gründe dafür, nunmehr rückwirkend in das jahrelang mit Billigung der Beteiligten bestehende Versicherungsverhältnis einzugreifen. Schwerwiegende Fehler, Ungereimtheiten oder Erschleichen eines Versicherungsschutzes sind auszuschließen. Gerade, weil eine solche in die Vergangenheit zielende Umwandlung eines jahrelang aus dem Blickwinkel verschiedenster Beteiligten zutreffenden Rechtszustandes zu solchen Unklarheiten und Unsicherheiten wie hier führt, hat das Bundessozialgericht den einleuchtenden Rechtssatz formuliert, dass die Versicherungsverhältnisse grundsätzlich nicht für die Vergangenheit geändert werden sollten (BSGE 85, 208, 213). Der Gedanke der Kontinuität eines Versicherungslebens, wonach Änderungen darin erst für die Zukunft gelten sollen, ist ein beachtlicher Grundsatz und Grundlage einer soliden Zukunftssicherung, wie sie von der Beigeladenen zu 2) ohne Rücksicht auf konjunkturbestimmte oder andere Gestaltungsmöglichkeiten konstant zu leisten ist (so der Senat in zahlreichen Entscheidungen, etwa L 4 KR 249/07 vom gleichen Tage oder L 4 KR 79/06 vom 18.10.2007). Dass Änderungen für die Vergangenheit schon aus Abgrenzungsschwierigkeiten problematisch sind, zeigt der vorliegende Fall. Im Übrigen weist der Senat auf die zutreffenden Ausführungen des Sozialgerichts im angefochtenen Urteil hin und sieht gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab. Die Kostenfolge ergibt sich aus § 193 SGG und entspricht dem Verfahrensausgang.
Soweit allerdings das Sozialgericht dem Kläger Verschuldenskosten gemäß § 192 Abs.1 Satz 1 im Urteil auferlegt hat, ist diese Entscheidung unangemessen. Es reicht nicht aus, wenn der Richter am Sozialgericht der Auffassung ist, die Rechtsverfolgung sei aussichtslos. Es handelt sich in Streitsachen wie der vorliegenden um komplexe Sachverhalte, deren Überprüfung durch eine weitere Instanz aus den vom Sozialgericht angeführten Gründen nicht verwehrt werden darf.
Gründe, die Revision gemäß § 160 SGG zuzulassen, sind nicht gegeben. Es handelt sich nicht um streitige Rechtsfragen, sondern die Auslegung von Tatsachen.

RechtsgebietSGB IVVorschriften§ 7 SGB IV

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