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06.11.2009 · IWW-Abrufnummer 093500

Landessozialgericht Bayern: Urteil vom 24.04.2009 – L 4 KR 80/08

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


L 4 KR 80/08
Auf die Berufung der Beklagten und der Beigeladenen zu 1) wird das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 7. Dezember 2007 in Ziffer I aufgehoben und die Klage vollständig abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten noch darüber, ob die 1954 geborene Klägerin in der Zeit vom 01.01.2000 im Betrieb ihres Ehemannes, dem Beigeladenen zu 3), mit dem sie seit dem 22.09.1973 verheiratet ist, beschäftigt war und ist.
Dieser betreibt seit 01.01.1978 als gelernter Bäckermeister eine Einzelhandelsfirma, nämlich die vom Vater übernommene Bäckerei. Der Betrieb arbeitet mit Fremdkapital und ist auf mehrere Filialen vergrößert worden. Die Klägerin war in der Bäckerei schon seit 1973 beschäftigt und war von ihrem Ehemann vom 01.01.1978 bis 01.01.1981 als stille Gesellschafterin mit einem Anteil von 20 v.H. des Jahresgewinns beteiligt. Nach ihren Angaben ist sie seit 01.04.1990 (Versicherungsbeginn bei der Beklagten) mit der Leitung der Buchhaltung, Verkauf und Einkauf betraut. Ein schriftlicher Arbeitsvertrag sei nicht geschlossen worden. Das vereinbarte Monatsentgelt, als Ehegattengehalt niedriger als ortsüblich, werde - wie auch das Weihnachtsgeld - auf ein eigenes Konto gezahlt. Eine Handlungsvollmacht sei schriftlich erteilt und werde wie die Kontovollmacht auch ausgeübt.
In den Neunzigerjahren ist die Klägerin von der örtlichen Sparkasse für eine Reihe von Darlehen an die Firma ihres Mannes, über deren Bedienung bzw. Ablösung nichts näher bekannt geworden ist, mit in die Haftung einbezogen worden. Von Beginn an wurde Lohnsteuer abgeführt und die Entlohnung als Betriebsausgabe vom Finanzamt unbeanstandet anerkannt. Auch die Klägerin selbst hat in dieser Zeit gegenüber dem Finanzamt verbindlich erklärt, abhängig in der Firma ihres Mannes beschäftigt zu sein.
Nach Abschluss eines Honorarvertrages mit der Firma P., Gesellschaft für Consulting, wandte sich diese am 26.04.2005 namens der Klägerin an die Beklagte und beantragte, die Überprüfung der Sozialversicherungspflicht in allen Versicherungszweigen für die Zeit ab 01.04.1990. Die Klägerin habe ihre Arbeit seit dieser Zeit nicht als Arbeitnehmerin, sondern als gleichberechtigtes Familienmitglied in dem Betrieb ausgeübt und sei dort weisungsfrei leitend tätig gewesen. Diesen Überlegungen folgte die Beklagte nicht und bestätigte im Bescheid vom 13.05.2005 und Widerspruchsbescheid vom 14.09.2005 die bislang gemeldete Beschäftigung als sozialversicherungspflichtige Arbeitnehmerin.
Mit ihrer Klage vom 13.10.2005 hat die Klägerin ihr Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren wiederholt und erneut die bisherige Beurteilung ihrer Beschäftigungsform in Abrede gestellt.
Das Sozialgericht Landshut hat darauf mit Urteil vom 07.12.2007 der Klage für die Zeit ab 01.01.2000 stattgegeben und festgestellt, dass die Klägerin ab diesem Zeitpunkt nicht mehr der Versicherungspflicht in der Sozialversicherung unterlegen sei. Der Zeitpunkt ergebe sich daraus, dass die ursprüngliche stille Beteiligung 1981 in ein Darlehen umgewandelt worden sei, dessen Darlehenssumme von ca. 50.000,00 DM dann am 31.12.1990 im Wege der Schenkung an die Bäckerei nicht mehr beansprucht werde.
Für die Zeit davor hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Am 25.03.2008 bzw. 14.04.2008 haben die Beklagte und die Beigeladene Deutsche Rentenversicherung Bund (DRV Bund) Berufung gegen das jeweils am 17.03.2007 zugestellte Urteil eingelegt. Die Beklagte trägt dazu vor, dass die vom Sozialgericht als wesentlich angesehene Schenkung nirgendwo dokumentiert sei und sie ggf. aber auch keinerlei Rechte an der Firma dadurch erworben habe. Die Klägerin erfülle auch für die Zeit danach alle Kriterien einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung. Die beigeladene DRV Bund hält ebenfalls die Auflösung des Darlehens und die daraus gezogenen Schlüsse des Sozialgerichts für nicht nachvollziehbar. Der Betrieb einer Bäckerei und Konditorei sei ein zulassungspflichtiges Handwerk, dessen selbständiger Betrieb einer Personengesellschaft einen entsprechenden Eintrag in die Handwerksrolle vorschreibe. Über Jahre hinweg sei ein Beschäftigungsverhältnis in sozialversicherungs- und steuerrechtlicher Sicht geführt worden, die arbeitsvertragstypischen Regelungen wie Gehaltsfortzahlung im Krankenfall, regelmäßiges Arbeitsentgelt auf eigenes Konto, Zahlung von Lohnsteuer könne nicht unberücksichtigt bleiben. Allein die leitende Funktion der Klägerin im ehelichen Betrieb mache sie nicht zur Unternehmerin. Dabei beruft sich die Beigeladene auf das Urteil des erkennenden Senats vom 18.10.2007 L 4 KR 79/06 und weitere Rechtsprechung des BSG bzw. der Untergerichte.
Beide Berufungsführer beantragen,
das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 07.12.2007 abzuändern und die Klage vollständig abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Argumentation der Berufungsführer wie auch die des erkennenden Senats im zitierten Urteil verkenne die Wirklichkeit, insbesondere die Unkenntnis mitarbeitender Familienangehöriger über die tatsächliche Rechtslage hinsichtlich ihrer oftmals fälschlich angenommenen Sozialversicherungspflicht.
Im Übrigen wird zur weiteren Darstellung des Sachverhalts auf den Inhalt der Gerichtsakten und den der beigezogenen Akten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegten Berufungen, bei denen es nur noch um die Zeit ab 01.01.2000 geht, sind zulässig und in der Sache begründet.
Der Berufung zu Grunde liegt eine zulässige Feststellungsklage gemäß § 55 SGG. Obwohl die Klägerin nach ihren Angaben noch keinen Antrag auf Beitragserstattung gestellt hat, unterstellt der Senat der Klägerin ein ausreichendes Rechtsschutzinteresse für die vorweggenommene Klärung ihres Versichertenstatus auch in der noch streitigen Zeit und nicht lediglich den unzulässigen Streit um ein Element innerhalb des Beitragserstattungsverfahrens.
In der Sache selbst ist die Berufung auch begründet, denn die vom Sozialgericht getroffene Feststellung ist für die Zeit nach 1999 unzutreffend, so dass das Urteil abzuändern und die Klage gänzlich abzuweisen ist. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten geben die Rechtslage bezüglich des sozialversicherungsrechtlichen Status der Klägerin in der Vergangenheit richtig wieder.
Der Senat sieht in der jahrelang geübten und von allen Beteiligten akzeptierten Einschätzung der klägerischen Tätigkeit keine so schwerwiegenden Mängel, die es erforderlich machen, rückwirkend diesen Status zu verändern im Hinblick auf eine mögliche Beitragserstattung, die dann die gesicherte Anwartschaft der Klägerin auf eine Versorgung im Alter oder im Falle der Invalidität entfallen ließe bzw. erheblich einschränken würde.
Die somit gebotene kritische Beurteilung der klägerischen Tätigkeit im Betrieb ihres Ehemannes hat anhand des hier maßgeblichen § 7 SGB IV in seiner seit 01.01.2000 geltenden Fassung zu erfolgen. Danach ist eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung anzunehmen, wenn eine nicht selbständige Arbeit, vorrangig in einem Arbeitsverhältnis, vorliegt. Das ist der Fall, wenn ein Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies anzunehmen, wenn der Betroffene in den fremden Betriebsablauf eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitsgebers unterliegt. Dies wiederum kann variieren und sich je nach Stellung des Betreffenden in einem weiten Rahmen bewegen. Schließlich manifestiert sich die Arbeitnehmereigenschaft auch im Fehlen eines unmittelbaren Geschäftsrisikos und in der Regel im Fehlen einer eigenen Betriebsstätte. Die Verfügungsmöglichkeit über die Arbeitskraft liegt beim Arbeitgeber. Fehlt dies alles, ist grundsätzlich von einer selbständigen Tätigkeit auszugehen, sofern diese Merkmale nicht durch andere stärker in den Vordergrund tretende arbeitnehmertypischen überlagert werden. Finden sich in der Berufsgestaltung Elemente, die für eine Unternehmereigenschaft sprechen und andere, die auf eine Arbeitnehmertätigkeit hinweisen, richtet sich die Eingruppierung danach, welche Merkmale im Einzelfall überwiegen und schließlich das Gesamtbild der Arbeitverrichtung ausmachen (vgl. dazu BSG vom 24.01.2007 - B 12 KR 31/06 R, abgedruckt in Die Beiträge Beilage 07, 212, 215). Liegt ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis im Sinn des § 7 Abs.1 SGB IV vor, folgt daraus die Versicherungspflicht bzw. Beitragspflicht in den verschiedenen Zweigen der Sozialversicherung (§ 1 Satz 1 Nr.1 SGB VI bezüglich der Rentenversicherung, § 25 Abs.1 SGB III und deren Vorläufervorschrift § 168 Abs.1 AFG für die Arbeitslosenversicherung, § 5 Abs.1 Nr.1 SGB V für die Krankenversicherung, § 20 Abs.1 Nr.1 SGB IX für die Pflegeversicherung). Die von der Klägerin gegenüber der Einzugstelle und dem Finanzamt jahrelang angegebene Stellung in der Bäckerei ihres Ehemannes will sie nicht mehr gelten lassen, sondern anders gewertet wissen. Maßgeblich für diesen Sinneswandel sieht die Klägerin in ihrer herausragenden Stellung in der Firma ihres Ehemannes und im Verzicht eines aus einer Gewinnbeteiligung herrührenden, nicht näher bezifferten Darlehens, welches für die Expansion des 1978 übernommenen Betriebes beachtlich gewesen sein soll. Diese beiden für eine unternehmerische Stellung sprechenden Umstände haben aber hinter den anderen arbeitnehmereigentlichen Umständen zurückzutreten.
Mit der Klägerin kann davon ausgegangen werden, dass sie entsprechend ihren Einlassungen in der Firma weitgehende Freiheiten hat, Entscheidungen von erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung zu treffen. Das entlässt sie aber nicht aus ihren Verpflichtungen und verleiht ihr auch keine rechtlichen Befugnisse innerhalb der Firma. Es kann nicht darüber hinweggesehen werden, dass bereits 1981 die damals bestehende Beteiligungsform an der Firma rückgängig gemacht wurde. Seitdem und auch noch 1999 ist trotz des offensichtlichen Engagements der Klägerin in der Firma keinerlei rechtlicher Schritt gemacht worden, um den klägerischen Status weg von der abhängigen Beschäftigung hin zur Selbständigkeit zu festigen. Dass die Klägerin als Ehefrau des Chefs innerhalb der Firma eine andere Stellung einnimmt als eine nicht familiäre Arbeitnehmerin, liegt auf der Hand.
Als der Gesetzgeber zum 01.01.1967 durch Art.1 des 2. Rentenversicherungsänderungsgesetzes vom 23.12.1966 (Bundesgesetzblatt I S.445) die bis dahin bestehende Versicherungsfreiheit von Ehegatten nach § 1228 Abs.1 Nr.1 RVO aufhob, beabsichtigte er, die mitarbeitenden Ehefrauen sozialversicherungsrechtlich besser zu schützen wohl wissend um die Abgrenzungsschwierigkeiten, die zuvor der Gesetzgeber als maßgeblich erachtet hatte, um ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis unter Eheleuten auszuschließen. Diese gesetzgeberische Intention kann nunmehr nicht nachträglich von der Klägerin unterlaufen werden, indem sie für sich beansprucht, gewissermaßen nach altem Recht behandelt zu werden. Vielmehr hat sie all über die Jahre hinweg sich als Arbeitnehmerin entlohnen und behandeln und hat offensichtlich auch bei Betriebsprüfungen keinerlei Zweifel an ihrem Versicherungsstatus erkennen lassen.
Wie der Senat schon in einer Reihe von Urteilen (z.B. vom 23.10.2008 - L 4 KR 155/07) ausgeführt hat, ist aus der Tatsache der Mithaftung der Ehefrau für Darlehen, die an den Betrieb gewährt werden, nichts Außergewöhnliches zu sehen, sondern entspricht der banküblichen Praxis bei einer Darlehenshingabe an verheiratete Unternehmer. Auch der angebliche Verzicht eines imaginären Darlehens, hervorgegangen aus der vormaligen stillen Beteiligung, widerlegt die Beschäftigteneigenschaft nicht. Dass die Klägerin ein persönliches und wirtschaftliches Interesse am Wohlergehen der Bäckerei hat, leuchtet ein. Berücksichtigt man, dass ursprünglich dieses sog. Darlehen aus einer nicht mehr bekannten Abmachung aus dem Jahre 1964 stammt, also zu einem Zeitpunkt, als die Klägerin gerade zehn Jahre alt war, müssen diese Vorgänge und die sich daraus ergebende Entwicklung bei der sozialversicherungsrechtlichen Beurteilung hinten anstehen.
Immer unterstellt, die Klägerin hätte der Firma 50 TDM zukommen lassen und das wäre auch ordnungsgemäß verbucht worden, würde dieser Vorgang es nicht rechtfertigen, den Status der Klägerin zum 01.01.2000 anders als zuvor einzuschätzen.
Was die angebliche Unkenntnis des Unternehmers bzw. des Arbeitgebers und die von ihm mit der Buchführung Beauftragte angeht, verlangt der Gesetzgeber von Ihnen die Gesetzeskenntnis, die sich zu verschaffen ausreichende Hilfen geboten werden (§ 28a SGB IV i.V. mit den Normen der DEÜV und § 15 SGB I).
Insgesamt bleibt festzuhalten, dass die Klägerin auch nach dem Jahre 2000 nicht den Status erlangt hat, der ihre Mitarbeit im Betrieb des Ehegatten zu der einer selbständigen Mitunternehmerin wandeln würde, hier bleibt es den Eheleuten unbenommen, durch tatsächliche Hereinnahme der Klägerin in die Firma die gewünschte Änderung herbeizuführen.
Angesichts des Verfahrensausgangs besteht kein Anlass, der Klägerin ihre notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten, zumal ihr solche auf Grund der Honorarvereinbarung vom 30.03.2005 auch nicht entstanden sein dürften (§ 193 SGG).
Gründe, die Revision nach § 160 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.

RechtsgebietSGB IVVorschriften§ 7 SGB IV

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