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06.11.2009 · IWW-Abrufnummer 092285

Landessozialgericht Berlin-Brandenburg: Urteil vom 10.06.2009 – L 1 KR 615/07

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


L 1 KR 615/07

Das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 9. Oktober 2007 wird geändert. Es wird festgestellt, dass die Beigeladene zu 2) ab dem 1. Dezember 1992 in ihrer Beschäftigung beim Beigeladenen zu 3) der Rentenversicherungspflicht unterliegt. Die Berufung der Beigeladenen zu 2) und zu 3) werden zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Im Streit steht, ob die Beigeladene zu 2) aufgrund ihrer Tätigkeit für den Beigeladenen zu 3) seit dem 1. Dezember 1992 der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung unterliegt.

Die Beigeladene zu 2) und 3) sind seit 1972 miteinander verheiratet. Zwischen ihnen ist Gütergemeinschaft im Sinne der §§ 1415 ff. Bürgerliches Gesetzbuch vereinbart.

Der Beigeladene zu 3) ist Inhaber des E institut J e. K. in W. Die Beigeladene zu 2) arbeitete dort von Anfang an seit 1. Dezember 1992 auf der Grundlage des am 26. November 1992 geschlossenen Arbeitsvertrages, für dessen genauen Inhalt auf die Kopie im Verwaltungsvorgang der Klägerin (Blatt 50 bis 52) verwiesen wird. Die Beigeladene zu 2) erhielt von Anfang an Prokura. Sie verfügt über die für das Unternehmen erforderlichen fachlichen Qualifikationen und leistet die Programmier- und Bildungsarbeit. Der Beigeladene zu 3) ist für Vertrieb, das Marketing und die Zukunftsorientierung zuständig. Durch mehrere Bürgschaftsverträge hatte und hat sich die Beigeladene zu 2) Dritten gegenüber verpflichtet, für die Erfüllung von Verbindlichkeiten des Unternehmens einzustehen. Im April 1995 lösten die Beigeladenen mit dem Verkauf eines Hauses in W für über 1 Mio. DM Darlehensverpflichtungen unter anderem für das E institut J und solche des Beigeladenen zu 3) persönlich, sowie der Eheleute persönlich ab und verwendeten auch Gelder zum Ausgleich von Forderungen gegen eine J und P GmbH in Konkurs. Die S kasse W entließ die Beigeladene zu 2) mit Schreiben vom 4. Januar 2001 aus den Verpflichtungen einer Bürgschaft über 110.000,00 DM für das E institut J. Aktuell gibt es noch seit dem Jahre 1994 eine Bürgschaft in Höhe von 235.000,00 DM, eine weitere Bürgschaft über 75.000,00 DM sowie eine Zweckerklärung für Grundschulden zur Sicherung der Geschäftsverbindung auf dem im gemeinsamen Eigentum der Beigeladenen zu 2) und 3) stehenden Grundstücke Rstraße in W und H Straße in W.

Der Beigeladene zu 3) reichte im November 2005 bei der Beklagten zu 1) einen ausgefüllten "Feststellungsbogen zur versicherungsrechtlichen Beurteilung eines Beschäftigungsverhältnisses zwischen Angehörigen" ein. Darin sind u. a. die Fragen, ob der mitarbeitende Angehörige in dem Betrieb wie eine fremde Arbeitskraft eingegliedert sei und die Tätigkeit tatsächlich ausübe, ob ohne die Mitarbeit eine andere Arbeitskraft eingestellt werden müsse, ob der mitarbeitende Angehörige an Weisungen des Betriebsinhabers über die Ausführung der Arbeit gebunden und das Weisungsrecht tatsächlich ausgeübt werde, bejaht, ebenso wie die, ob der mitarbeitende Angehörige seine Tätigkeit frei bestimmen und gestalten dürfe mit dem Zusatz "Ja soweit das im Rahmen der Tätigkeit auch in anderen Firmen üblich ist". Die Frage "wirkt der mitarbeitende Angehörige bei der Führung des Betriebes - z. B. aufgrund besonderer Fachkenntnisse – mit?" ist bejaht, die "ist die Mitarbeit - aufgrund familienhafter Rücksichtnahme - durch ein gleichberechtigtes Nebeneinander zum Betriebsinhaber geprägt?" ist verneint. Bei Arbeitsunfähigkeit werde ein Arbeitsentgelt fortbezahlt, vom Arbeitsentgelt werde Lohnsteuer entrichtet, es werde als Betriebsausgabe gebucht. Der Angehörige übe neben der zu beurteilenden Beschäftigung keine selbständige/freiberufliche Tätigkeit aus. Ergänzend führte der Beigeladene zu 3) aus, die Beigeladene zu 2) habe sich bei strittigen Punkten oder bei der Vergabe von Prioritäten seinen Weisungen gefügt. Sie sei durch ihre fachliche Qualifikation seit der Firmengründung verantwortlich für den technischen Teil des Unternehmens, wobei wichtige Entscheidungen immer mit ihm abgestimmt würden. Seine Frau kümmere sich schon immer mit hohem Arbeitsaufwand um die Belange der Firma. 60 bis 70 Stunden wöchentliche Arbeitszeit seien keine Ausnahme. Er habe sie zu keiner Zeit hierzu verpflichtet.

Mit Bescheid vom 14. Dezember 2005 stellte die Beklagte zu 1) gegenüber dem Beigeladenen zu 3) fest, dass im Falle der Beigeladenen zu 2) eine Versicherungspflicht nicht bestehe. Sie sei als Ehegattin des Firmeninhabers in die Führung des Betriebes eingebunden und könne die Tätigkeit frei bestimmen und gestalten. Sie habe in erheblichem Umfange Bürgschaften für das Unternehmen übernommen. Die Entscheidung ergehe ab 1. September 2001, da ab diesem Zeitpunkt eine Meldung zu ihr vorliege.

Mit Schreiben vom 21. Dezember 2005 beantragte der Beigeladene zu 3) auch bei der Beklagten zu 2) die Rückerstattung von geleisteten Beiträgen. Diese entschied mit Schreiben vom 9. Februar 2006, dass der Entscheidung der Beklagten zu 1) zu Grunde liegenden Verhältnisse auch auf den Zeitraum vom 1. Dezember 1992 bis 31. August 2001 übertragbar seien und deshalb festgestellt werde, dass Versicherungspflicht zur gesetzlichen Renten- und Arbeitslosenversicherung ab 1. Dezember 1992 bis 31. August 2001 definitiv nicht bestanden habe.

Die Klägerin erhielt von beiden Bescheiden Kenntnis, indem die Beklagte zu 2) mit Schreiben vom 9. Februar 2006 bei ihr einen Rückzahlungsantrag einreichte. Mit Schreiben vom 10. Mai 2006 (Eingang 19. Mai 2006) teilte die Klägerin der Beklagten zu 1) mit, die Auffassung, es liege selbständige Tätigkeit vor, nicht zu teilen. Sie bat um Aufhebung des Bescheides vom 14. Dezember 2005. Weiter bat sie die Beklagte zu 2) mit Schreiben vom 12. Mai 2006 unter Bezugnahme auf dasjenige an die Beklagte zu 1) um erneute Prüfung. Die Beklagte zu 2) teilte der Klägerin mit Schreiben vom 13. Juni 2006 mit, den Bescheid vom 9. Februar 2006 nicht aufzuheben.

Am 27. Juni 2006 hat die Klägerin Klagen gegen die beiden Beklagten beim Sozialgericht Berlin erhoben. Zur Begründung ihrer Auffassung, die Beigeladene zu 2) sei abhängig Beschäftigte, hat sie auf die steuerliche Behandlung der Tätigkeit, den Arbeitsvertrag und die aus ihrer Sicht bestehender Weisungsgebundenheit und den Urlaubsanspruch hingewiesen. Auch spreche gegen das Vorliegen einer selbständigen Tätigkeit, dass kein echtes Unternehmerrisiko bestehe. Die Übernahme von Bürgschaften und Darlehen sei zwar ein entgegenstehendes Indiz, das jedoch nicht entscheidend sei.

Die Klagen sind mit Beschluss vom 30. August 2006 verbunden worden.

Die Beklagte zu 1) hat ausgeführt, nach mehreren Telefonaten, bei welchen ihr bestätigt worden sei, dass die Beigeladene zu 2) nicht wie ein Arbeitnehmer beim Beigeladenen zu 3) tätig sei, sei auf Versicherungsfreiheit erkannt worden, weil die Beigeladene zu 2) dem Unternehmen ein Darlehen zur Verfügung gestellt habe und Art, Ort und Weise der Arbeit frei bestimmen könne.

Die Beigeladene zu 2) hat - als Vertreterin des Beigeladenen zu 3) – auf ihre Bürgschaftsverpflichtungen und die Schuldentilgung zu Gunsten des Unternehmens hingewiesen, ferner auf die vereinbarte Gütergemeinschaft. Im Falle einer Insolvenz des Ehemannes hafte dieser mit seinem Privatvermögen und sei dann künftig von ihrem Geld abhängig, sofern davon nach Inanspruchnahme als Bürgin noch etwas übrig sei. Sie erwirtschafte den größten Teil des Umsatzes des Unternehmens. Werde sie krank, werde die Firma in Konkurs gehen. Sie sei aufgrund ihrer mittlerweile 35jährige Berufserfahrung im Bereich Organisation, Programmierung, Schulung und Projektmanagement nicht ersetzbar. Es sei unmöglich, eine äquivalente Ersatzarbeitskraft zu ihrem Gehalt zu bekommen. In ihrem Arbeitsgebiet entscheide sie alleine. Sie arbeite die Verträge aus, führe die Kundengespräche und die Vertragsverhandlungen und unterschreibe alleine. Sie schließe auch die Verträge selbst ab. Die Arbeitszeit zur Erledigung der Arbeiten bestimme sie selbst. Sie habe ferner seit Firmengründung maximal ein bis zwei Wochen Urlaub pro Jahr genommen. Ihr und ihrem Mann sei durchaus bewusst, dass mit einer anderen Unternehmensrechtsform die tatsächlichen wirtschaftlichen Risiken anders abgebildet würden. Sie hätten sich aber in der Vergangenheit mit diesem Thema nicht weiter beschäftigt. Auch der Beigeladene zu 3) hat erklärt, ohne seine Frau müsste er seinen Betrieb einstellen. Die Angaben im Verwaltungsverfahren habe er gemacht, weil er nicht habe zugeben wollen, dass eigentlich seine Frau alles mache. Er sei nur die Vorzeigefigur. Der Fragebogen der Beklagten habe ihm nicht die Möglichkeit gegeben, die Situation in seiner Firma so zu schildern, wie sie sei.

Das SG hat mit Urteil vom 9. Oktober 2007 den Bescheid der Beklagten zu 1) vom 14. Dezember 2005 aufgehoben, soweit diese entschieden hat, dass die Beigeladene zu 2) ab dem 1. September 2001 in ihrer Tätigkeit für den Beigeladenen zu 3) nicht nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) versicherungspflichtig sei bzw. entsprechend dem Bescheid der Beklagten zu 2) vom 9. Februar 2006 hinsichtlich des Zeitraumes 1. Dezember 1992 bis zum 31. August 2001. Im Übrigen - soweit nämlich die Klägerin beantragt hat festzustellen, dass die Beigeladene in den entsprechenden Zeiträumen der Rentenversicherungspflicht unterlegen habe - hat es die Klage abgewiesen. Die Anfechtungsklage sei zulässig. Eines Vorverfahrens habe es gemäß § 78 Abs. 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) nicht bedurft. Die Klage sei innerhalb eines Jahres nach § 66 Abs. 2 Satz 1 SGG erhoben worden. Die normale Monatsfrist des § 87 Abs. 1 Satz 1 SGG habe gemäß § 66 Abs. 1 SGG nicht zu laufen begonnen, weil die Beklagten ihr keine Rechtsbehelfsbelehrung erteilt hätten. Die Klägerin sei auch beschwert (Bezugnahme auf Bundessozialgericht -BSG, SozR 3-2400 § 28 h SGB IV Nr. 9). Die Anfechtungsklage sei auch begründet. Die Beklagten hätten zu Unrecht festgestellt, dass die Beigeladene zu 2) in ihrer Tätigkeit für den Beigeladenen zu 3) seit dem 1. Dezember 1992 nicht abhängig beschäftigt sei und demzufolge nicht der Versicherungspflicht nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI unterliege. Es überwögen hier die Merkmale einer abhängigen Beschäftigung. Die Beigeladene zu 2) habe zwar ein unmittelbar eigenes Interesse am wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens, weil Gütergemeinschaft vereinbart sei und sie 25 % des Jahresgewinnes, der 40.000,00 DM überschreite, erhalte und sie mittels Bürgschaftsvertrag Dritten gegenüber verpflichtet sei. Einem Unternehmerrisiko sei sie dennoch nicht ausgesetzt. Ein solches trage nur derjenige, der eigenes Kapital einsetze zur Erzielung eines im Zeitpunkt des Einsatzes ungewissen Unternehmererfolges oder bei dem der Erfolg des Einsatzes der Arbeitskraft ungewiss sei (Bezugnahme auf BSG, Urteil vom 27. März 1980 - 12 RK 26/79). Die Beigeladene zu 2) setze kein eigenes Kapital ein. Auch sei der Erfolg ihrer Tätigkeit für sie nicht ungewiss, denn sie beziehe ein garantiertes monatliches Gehalt. Sie leiste auch fremdbestimmte Dienste und sei wie eine fremde Arbeitskraft in das Unternehmen eingegliedert. Ohne ihre Mithilfe müsste eine fremde Arbeitskraft eingestellt werden. Sie bediene sich der Materialien des Unternehmens. Sie erledige ihre Arbeiten zwar weitgehend weisungsfrei und bestimme die Arbeitszeit selbst, jedoch füge sie sich den Weisungen des Beigeladenen zu 3). Soweit dieser in der mündlichen Verhandlung anderes behauptet habe, sei dies unglaubhaft. Im Vorverfahren habe er noch das Gegenteil behauptet. Der von ihm für seinen Sinneswandel angegebene Grund sei nicht nachvollziehbar. Denn in seinem Antwortschreiben an die Beklagte vom 27. November 2005 sei er nicht durch vorformulierte Fragen in seiner Möglichkeit gehindert gewesen, die tatsächlichen Verhältnisse zu schildern. Dass er zu stolz gewesen sein solle, der Beklagten zu 1) gegenüber einzuräumen, wie die Verhältnisse tatsächlich seien, sei auch unwahrscheinlich, weil er dem Gericht gegenüber diesen Stolz nicht gezeigt habe. Indizien für eine abhängige Beschäftigung seien schließlich die übereinstimmenden Angaben, dass die Tätigkeit nicht aufgrund familienhafter Rücksichtnahme geprägt sei sowie der Anspruch der Beigeladenen zu 2) auf Lohnfortzahlung und Urlaub sowie der Umstand der Lohnsteuerabführung und der Verbuchung des Arbeitsentgelt als Betriebsausgabe.

Die Feststellungsklage sei hingegen unzulässig. Ein Feststellungsinteresse fehle, wenn wie hier bereits im Rahmen einer Anfechtungsklage über die Sach- und Rechtsfragen zu entscheiden sei, welche den begehrten Feststellungen zugrunde lägen, und kein weitergehendes Feststellungsinteresse bestehe (Bezugnahme auf BSG SozR 1500 § 55 SGG Nr. 22).

Gegen dieses Urteil haben die Klägerin sowie die Beigeladene zu 2) und der Beigeladene zu 3) rechtzeitig Berufung eingelegt.

Die Klägerin ist der Auffassung, dass das SG bei seiner Klageabweisung von der Rechtsprechung des BSG abweiche (Bezugnahme auf Urteil vom 1. Juli 1999 - B 12 KR 2/99 R - SozR 3-2490 § 28 h SGB IV Nr. 9). In einem vergleichbaren Fall habe das BSG ausgeführt, dass das Instanzgericht mit der Aufhebung des angefochtenen Bescheides zulässigerweise auch die Feststellung der Rentenversicherungspflicht verbunden habe. Für sie sei nicht ausreichend, dass durch die Aufhebung der angefochtenen Bescheide der ursprüngliche Zustand wiederhergestellt werde. Dieser habe nämlich in der bloßen Beitragszahlung von Pflichtbeiträgen bestanden, ohne dass dem ein die Rentenversicherungspflicht feststellender Verwaltungsakt zugrunde gelegen habe. Dass die Beigeladene zu 2) ca. 100.000,00 DM in die Firma gesteckt habe, sei eine neue Behauptung, die weder konkretisiert noch nachgewiesen sei. Ihr Unternehmerrisiko erhöhe sich nicht durch den Umstand, dass die Beigeladene zu 2) in der Vergangenheit einmal aus ihrem Privatvermögen Schulden ihres Ehemannes als Unternehmer beglichen habe.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 9. Oktober 2007 abzuändern und festzustellen, dass die Versicherte A J ab dem 1. Dezember 1992 der Rentenversicherungspflicht unterliege und ferner die Berufung der Beigeladenen zu 2) und des Beigeladenen zu 3) zurückzuweisen.

Die Beklagten stellen keinen Antrag.

Die Beigeladenen zu 2) und 3) beantragen der Sache nach,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 9. Oktober 2007 aufzuheben und die Klage abzuweisen, ferner, die Berufung der Klägerin zu 1) zurückzuweisen.

Sie führen aus, dass das SG zu Unrecht ein Unternehmerrisiko verneint habe. Die Beigeladene zu 2) bürge nicht nur für das Unternehmen, sondern habe erhebliche finanzielle Mittel von ca. 100.000,00 DM eingebracht.

Auf die von den Beteiligten eingereichten Schriftsätze wird ergänzend Bezug genommen. Die Verwaltungsvorgänge der Klägerin und der Beklagten lagen vor und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte entscheiden, obwohl für die Beigeladenen zu 2) und 3) niemand zur mündlichen Verhandlung erschienen ist. Sie sind in der Ladung auf die Möglichkeit hingewiesen worden, dass bei Ausbleiben nach Lage der Akte entschieden werden kann, §§ 153 Abs. 1, 110 Abs. 1 S. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Sie sind ordnungsgemäß geladen worden. Zur Überzeugung des Senats haben ihre Bevollmächtigten, an welche gemäß § 73 Abs. 6 S. 5 SGG die Ladung zu adressieren war, das Ladungsschreiben samt Hinweisen auch erhalten, obwohl diese anderes behaupten und das Empfangsbekenntnis nicht zurückgesandt haben: Eine förmliche Ladung sieht das SGG nicht vor, § 63 Abs. 1 S. 2 SGG. Der Senat hält es für ausgeschlossen, dass das Ladungsschreiben die Kanzlei der Prozessbevollmächtigten nicht erreicht hat. Dies folgt zu seiner Überzeugung aus dem Umstand, dass die Bevollmächtigten bereits mit Faxschreiben vom 10. Februar 2009 vorgebracht haben, die am 19. Januar 2009 durch die Geschäftsstelle des Senats ausgeführte Ladung zum Termin zur mündlichen Verhandlung am 13. Februar 2009 erst am 9. Februar 2009 erhalten zu haben. Die anderen Beteiligten ausweislich der Empfangsbekenntnisse haben die Ladungen am 21. bzw. 22. Januar 2009 erhalten. Lediglich die Beigeladene zu 1) bestätigte einen Erhalt erst am 6. Februar 2009. Allerdings ist diese erst noch intern von Düsseldorf nach Wuppertal weitergereicht worden. Die sachbearbeitende Rechtsanwältin der Bevollmächtigten der Beigeladenen zu 2) und 3) hat in diesem Zusammenhang dem Senatsvorsitzenden in einem Telefonat am 11. Februar 2009 auf die Frage hin, wie sie sich dies erkläre, sinngemäß mitgeteilt, es müsse sich wohl um ein Büroversehen handeln. Der Termin war daraufhin aufgehoben worden, den anderen Beteiligten sind dadurch teilweise Reisestornierungskosten entstanden. Die Ladungen, die immer den Hinweis nach § 110 Abs. 1 SGG enthalten, zum Termin am 10. Juni 2009, 12.00 Uhr sind von der Geschäftsstelle des Senats am 13. Mai 2009 vorgenommen worden. Die Empfangsbekenntnisse der übrigen Bevollmächtigten bestätigen den Empfang zwischen dem 15. und dem 25. Mai 2009. Dass die Ladung speziell die Bevollmächtigten der Beigeladenen zu 2) und 3) erneut zu spät bzw. sogar überhaupt nicht erreicht haben soll, hält der Senat für ausgeschlossen. Er geht vielmehr davon aus, dass entweder die Eingangspost in der Kanzlei nicht zuverlässig genug den einzelnen Verfahren zugeordnet wird, oder hält es auch nicht für ausgeschlossen, dass die Behauptung, die Ladung nicht erhalten zu haben, bewusst der Wahrheit zuwider abgegeben worden ist: Die Bevollmächtigten haben nicht vorgebracht, dass es bei ihnen auch ansonsten zu Unregelmäßigkeiten bei der Postzustellung kommt. Die Kanzleimitarbeiterin der Bevollmächtigten, Frau HM hat in ihrer eidesstattlichen Versicherung vom 9. Juni 2009 schriftlich bekundet, sie bearbeite die Eingangspost. Sie könne bestätigen, dass "eine Ladung in der Sache ab dem 13.05.2009 hier nicht eingegangen" sei. Die sachbearbeitende Rechtsanwältin hat hingegen –im teilweisem Widerspruch zur Aussage der Mitarbeiterin- an Eides statt ausgeführt, es käme vor, dass sie selbst die Briefe öffne. Nicht ausgeschlossen erscheint deshalb auch, dass auch die anderen Rechtsanwälte der Kanzlei gelegentlich selbst die Post bearbeiten. Die Glaubhaftigkeit der Erklärung der Kanzleikraft M wird auch dadurch erschüttert, dass sie den Verlauf des Telefonats mit dem Richter am Landessozialgericht M nicht richtig wiedergegeben hat. Dieser hat sich nämlich im Verlaufe des Telefonates gerade nicht geäußert, eine Verlegung komme definitiv nicht in Betracht, sondern dass er den Vorgang nochmals mit den Berufsrichterkollegen besprechen wolle, weil ihm angesichts des Telefonats doch Zweifel gekommen seien, ob ohne weiteres vom Zugang der Ladung ausgegangen werden könne. Aus Sicht des Senats folgt schließlich auch aus dem Befangenheitsgesuch gegen den Richter am Landessozialgericht M, welches der Senat ohne den abgelehnten Richter unmittelbar vor der mündlichen Verhandlung als unbegründet zurückgewiesen hat, als unangemessene Reaktion auf einen objektiv im Raum stehenden Vorwurf ein gewisses Indiz für eine Unglaubhaftigkeit der Einlassungen der Klägerbevollmächtigten.

Die Berufungen der Beigeladenen zu 2) und 3) haben keinen Erfolg. Das SG hat der Klage auf Aufhebung der streitgegenständlichen Bescheide zu Recht stattgegeben.

Zur Zulässigkeit der Anfechtungsklage verweist der Senat zunächst auf die zutreffenden Ausführungen im angegriffenen Urteil (§ 153 Abs. 2 SGG).

Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, unterliegen in der Rentenversicherung der Versicherungs- bzw. Beitragspflicht (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch, 6. Buch -SGB VI) Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ist § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV. Danach ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (zur Verfassungsmäßigkeit dieser Abgrenzung Bundesverfassungsgericht, Kammerbeschluss vom 20. Mai 1996 – 1 BvR 21/96SozR 3-2400 § 7 Nr. 11). Maßgebend ist stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung. Das Gesamtbild bestimmt sich nach den tatsächlichen Verhältnissen. Tatsächliche Verhältnisse in diesem Sinne sind die rechtlich relevanten Umstände, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben. Ob eine "Beschäftigung" vorliegt, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, sowie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die sich hieraus ergebende Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung gehen der nur formellen Vereinbarung vor. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht (BSG-Urteile vom 8. 08. 1990, 11 RAr 77/89, SozR 3-2400 § 7 Nr. 4 Seite 14 und vom 8.12.1994, 11 RAr 49/94, SozR 3-4100 § 168 Nr. 18 Seite 45) (so insgesamt weitgehend wörtlich BSG, Urteil vom 25. Januar 2006 – B 12 KR 0/04 R – Juris). Auf dieser Grundlage ist beispielsweise zu beurteilen, ob ein Vertreter einer juristischen Person zu dieser gleichzeitig in einem Beschäftigungsverhältnis steht (so für GmbH-Geschäftsführer BSG, a.a.O.).

Weist eine Tätigkeit Merkmale auf, die sowohl auf Abhängigkeit als auch auf Selbständigkeit hinweisen, so ist entscheidend, welche Merkmale überwiegen (BSG, Urteil vom 23.06.1994 - 12 RK 72/92 - NJW 1994, 2974, 2975) und der Arbeitsleistung das Gepräge geben (BSG, Beschluss vom 23.02.1995 - 12 BK 98/94 -). Auch die Grenze zwischen einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis mit Entgeltzahlung und einer nichtversicherungspflichtigen Mitarbeit aufgrund einer familienhaften Zusammengehörigkeit ist unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalles zu ziehen. Es ist eine Würdigung der Gesamtumstände erforderlich, ob ein Beschäftigungsverhältnis zwischen den Angehörigen ernsthaft und eindeutig gewollt, entsprechend vereinbart und in der Wirklichkeit auch vollzogen wurde (BSG, Urteil vom 17. Dezember 2002 - B 7 AL 34/02 R - USK 2002 - 42). Auch hier gilt, dass nicht die Vereinbarungen der Beteiligten, sondern die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben (BSG SozR 2200 § 1227 Nrn. 4 und 8). Nach der Rechtssprechung des BSG, der der Senat folgt, ist bei Fremdgeschäftsführern einer GmbH regelmäßig eine abhängige Beschäftigung anzunehmen und nur in begrenzten Einzelfällen hiervon abzusehen. Ein solcher Ausnahmefall kann bei Familienunternehmen vorliegen, wenn die familiäre Verbundenheit der beteiligten Familienmitglieder zwischen ihnen ein Gefühl erhöhter Verantwortung schafft, die zum Beispiel dadurch zum Ausdruck kommt, dass die Höhe der Bezüge von der Ertragslage des Unternehmens abhängig gemacht wird oder wenn es aufgrund der familienhaften Rücksichtnahme an der Ausübung eines Direktionsrechts völlig mangelt. Hiervon ist insbesondere bei demjenigen auszugehen, der - obwohl nicht maßgeblich am Unternehmenskapital beteiligt - aufgrund der verwandtschaftlichen Beziehungen faktisch wie ein Alleininhaber die Geschäfte des Unternehmens nach eigenem Gutdünken führt (vgl. BSG U. v. 8.12.1987 -7 Rar 25/86 BB 1989,72; U. v. 14.12.1999 -B 2 U 48/98 R USK 9975).

Bei der Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall ist das SG zutreffend von einem Beschäftigungsverhältnis im Sinne des § 7 Abs. 1 SGB IV ausgegangen. Auf dessen Darlegungen wird wiederum nach § 153 Abs. 2 SGG Bezug genommen.

Für abhängige Beschäftigung spricht hier, dass die Klägerin eine regelmäßige Bezahlung unabhängig von der Ertragslage des Betriebes erhalten hat. Auch hatte sie keine eigene Betriebsstätte und konnte nicht über die eigene Arbeitskraft frei verfügen.

Es war auch nach ihrem Vortrag beziehungsweise und dem ihres Ehemannes nicht so, dass die Klägerin nach eigenem Gutdünken wie eine Alleingeschäftsführerin auftreten kann. Sie leitet zwar – der eigenen Bezeichnung als Prokuristin entsprechend – große Teile des Unternehmens selbständig und mit Vollmacht nach außen. Im Innenverhältnis ist aber alleine der Beigeladene zu 3) als Kaufmann jedenfalls kraft Eintragung zur Führung der Geschäfte der Handelsfirma berechtigt und verpflichtet, auch wenn er sich vornehmlich auf das Repräsentieren beschränken sollte. Daran ändert sich auch dadurch nichts, dass die Beigeladene zu 2) de facto Geld in das Unternehmen eingebracht hat, bürgt und Sicherheitengeberin ist. Es handelt sich nicht um eine Gesellschaft. Sie hat Schulden des Ehemannes als Privatperson bedient und tritt insoweit als Sicherheitengeberin auf. Dass die Eheleute über die Jahre hin alle Geschäftsangelegenheiten einvernehmlich regeln ist nach vorgenannten Grundsätzen nicht entscheidend. Ganz allgemein kann ein ständiges und bestehendes Einvernehmen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht den Status als abhängig Beschäftigter aufheben.

Weitere Indizien für eine abhängige Arbeitnehmereigenschaft sind schließlich die tatsächlich ausgeübte Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und der Umstand, dass die Klägerin einen ansonsten anzustellenden Arbeitnehmer ersetzt hat. Auch ein normaler Angestellter, der sich wie die Beigeladene zu 2) engagiert, wäre faktisch für ein Unternehmen unersetzbar. Die Gewinnbeteiligung ist kein Indiz für Selbständigkeit, da es dies auch bei Arbeitnehmern gibt. Sie relativiert den Einwand der Beigeladenen zu 2), ihr Gehalt sei unangemessen niedrig Das gewisse Unternehmerrisiko, das durch eine Bürgschaftsverpflichtung und Mitstellung von Grundschuldsicherungen geprägt ist, ist demgegenüber nicht so gewichtig, dass die Merkmale für eine abhängige Beschäftigung nicht mehr überwögen.

Die Berufung der Klägerin hat Erfolg. Das Feststellungsbegehren stellt sich als zulässige Feststellungsklage nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG dar (ebenso bereits Urteil des Senats vom 13.03.2009 –L 1 KR 555/07-): § 55 SGG bestimmt im Gegensatz zu § 43 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung und § 41 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung nicht ausdrücklich, dass eine Feststellung nicht begehrt werden kann, soweit der Kläger seine Rechte durch eine Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder dies hätte können. Soweit der so genannte Subsidiaritätsgrundsatz ungeachtet dessen auch im sozialgerichtlichen Verfahren Anwendung findet, handelt es sich um eine Ausprägung des allgemeinen Feststellungs- bzw. Rechtsschutzbedürfnisses. An einem solchen fehlt es, wenn es eine effektivere Klagemöglichkeit gibt oder das Feststellungsurteil den Rechtsstreit noch nicht abschließend erledigen könnte (vgl. BSG, Urteil vom 5. Oktober 2006 - B 10 LW 4/05 R - mit weiteren Nachweisen). Hier führt die Anfechtungsklage nur zur Aufhebung der eine Versicherungspflicht verneinenden Bescheide der Beklagten. Die Klägerin hat zu Recht darauf hingewiesen, dass damit nicht umgekehrt die Rentenversicherungspflicht festgestellt wird. Die Beklagten könnten sich der Klägerin gegenüber rein formal auf den Standpunkt stellen, dass zwar die die Beigeladenen aus deren Sicht begünstigenden Bescheide der Beklagten als Einzugsstellen aufgehoben worden seien, die dieser Entscheidung zu Grunde liegenden Erwägungen jedoch falsch und unverbindlich seien. Eine Verpflichtungsklage auf Erlass entsprechender Bescheide gegen die Einzugsstellen wäre weiter kein einfacherer Weg als die Feststellungsklage (ebenso BSG, Urteil vom 1. September 2005 - B 3 KR 3/04 R -).

Die Kostenentscheidung richtet sich für das zweitinstanzliche Verfahren nach § 193 SGG. § 197 a Abs. 1 Satz 1 SGG ist in diesem Rechtszug nicht einschlägig, weil die Beigeladene zu 2) als Berufungsklägerin als Versicherte zum Personenkreis des § 183 Satz 1 SGG gehört. Die Entscheidung entspricht dem Ergebnis in der Sache.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil Gründe nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG nicht vorliegen.

RechtsgebieteSGG, SGB 4, SGB 6Vorschriften§ 63 Abs 1 S 2 SGG, § 110 Abs 1 S 2 SGG, § 110 Abs 1 S 5 SGG, § 7 Abs 1 SGB 4, § 1 Abs 1 Nr 1 SGB 6

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