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03.11.2009 · IWW-Abrufnummer 093544

Oberlandesgericht München: Urteil vom 04.06.2009 – 1 U 3200/08

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


1 U 3200/08

Tenor

I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Traunstein vom 16.04.2008, Az. 3 O 2127/04, wird zurückgewiesen.

II. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags abwenden, sofern nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Die Revision wird zugelassen.

Gründe

Die am 09.11.2000 geborene Klägerin verlangt Schmerzensgeld und Feststellung der Schadensersatzpflicht wegen behaupteter fehlerhafter ärztlicher Behandlung durch die Beklagten. Sie macht Aufklärungsversäumnisse sowie ein nicht den Regeln der Kunst entsprechendes Vorgehen im Zusammenhang mit einer Leistenhernienoperation geltend.

Am 27.11.2000 diagnostizierte der Beklagte zu 1), der als leitender Belegarzt im Kreiskrankenhaus N. tätig war, bei der Klägerin eine rechtsseitige Leistenhernie, weswegen er die Klägerin am 01.12.2000 im Kreiskrankenhaus N. operierte. Der Beklagte zu 2) war während der Operation der verantwortliche Anästhesist.

Der Beklagte zu 2) führte am 29.11.2000 mit dem Vater der Klägerin ein Telefonat über den anstehenden Eingriff, dessen Inhalt streitig ist. Am Morgen des 01.12.2000 unterzeichneten die Eltern der Klägerin ein Einwilligungsformular (Anlage B 5).

Bei der Operation kam es zu atemwegsbezogenen Komplikationen. Die Sauerstoffsättigung fiel ab, es kam zu einer Kreislaufdestabilisierung und Pulsabfall. Zunächst wurde die Klägerin mit einer Larynxmaske beatmet, dann erfolgte eine Intubation. Es wurde auch eine Herzdruckmassage durchgeführt. Die Klägerin erwachte nach Beendigung der Operation nicht aus der Narkose und musste auf die Intensivstation des Kinderkrankenhauses L. verlegt werden. Sie verblieb dort bis 03.01.2001. Infolge des Narkosezwischenfalls hat die Klägerin eine schwere zentralmotorische Störung erlitten, die insbesondere die Fein- und Grobmotorik, die Koordinations- und Artikulationsfähigkeit der Klägerin beeinträchtigt (spastische Tetraparese mit Linksbetonung und dystoner Komponente; Strabismus convergens). Ergänzend wird bezüglich des Gesundheitszustandes der Klägerin auf den Arztbrief des Klinikums der Universität M. vom 04.03.2002 (Anlage K 1), den Entwicklungsbericht vom 30.06.2008, die Berichte der Orthopädischen Klinik M.(Anlagen zu Bl. 288 d.A.) und die logopädische Stellungnahme der Praxis T. (Anlage zu Bl. 291 d.A.) Bezug genommen.

Vertreten durch ihre Eltern hat die Klägerin in 1. Instanz geltend gemacht, dass die Eltern nicht wirksam in die Operation eingewilligt hätten. Sie hätten von den Beklagten darüber informiert werden müssen, dass bei einem Neugeborenen wegen der noch instabilen Atmungsorgane ein hohes Operationsrisiko bestehe. Den Eltern sei nicht gesagt worden, zu welch schwerwiegenden dauerhaften Schäden der Eingriff führen könne. Da die Operation zum damaligen Zeitpunkt nicht zwingend geboten gewesen sei, hätten die Beklagten den Eltern den Rat erteilen müssen, mit dem Eingriff zu warten, bis das Neugeborene stabiler sei. Auch sei den Eltern verschwiegen worden, dass das Klinikum N. nicht über eine Kinderintensivstation verfüge. Wären die Eltern richtig informiert gewesen, hätten sie die Operation nicht, zumindest nicht zu diesem Zeitpunkt und nicht in dieser Klinik, durchführen lassen. Das Telefonat des Beklagten zu 2) vom 29.11.2000 stelle kein ausreichendes Aufklärungsgespräch dar, zumal mit der Mutter der Klägerin nicht gesprochen worden sei. Auch die Aufklärung durch den Beklagten zu 1) sei mangelhaft, zumal das diesbezügliche Formular nicht vorgelegt werden könne.

Zudem seien bei der Operation Fehler gemacht worden. Der Beklagte zu 2) habe nicht die nötige Erfahrung für eine Anästhesie einer Neugeborenen gehabt. Fehlerhaft sei die Hinzuziehung eines zweiten Anästhesiearztes unterblieben. Auch die Qualifikation der Assistenzschwester sei unzureichend gewesen. Das Operationsteam sei den auftretenden Komplikationen nicht gewachsen gewesen und habe zahlreiche Fehler gemacht. Bei den ersten Auffälligkeiten hätte die Operation abgebrochen werden müssen, stattdessen habe der Beklagte zu 1) weiteroperiert. Es seien unvertretbar hohe Dosen an Narkosemitteln verabreicht worden. Wärmeprotektive Maßnahmen seien unterlassen worden. Der Einsatz der Larynxmaske sei fehlerhaft gewesen, ein zu großer Tubus sei verwendet worden und die Klägerin sei mit zu hohem Druck beatmet worden. Dies alles habe zu der Schädigung der Klägerin geführt. Die Dokumentation sei lückenhaft und unzureichend. Man hätte das Kind früher nach L. verlegen müssen. Soweit die gerichtlichen Sachverständigen das Vorgehen der Beklagten als fachgerecht beurteilten, sei dies Folge kollegialer Voreingenommenheit.
Bei Beachtung der erforderlichen ärztlichen Sorgfalt wäre es nicht zu der schwerwiegenden Gesundheitsbeeinträchtigung der Klägerin gekommen. Die schwere Behinderung der Klägerin rechtfertige ein Schmerzensgeld von mindestens 40.000 € sowie eine monatliche Rente. Weitere Schäden seien nicht absehbar.

Die Klägerin hat in 1. Instanz beantragt,

1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin ein angemessenes Schmerzensgeld zu zahlen, dessen Höhe in das pflichtgemäße Ermessen des Gerichts gestellt wird, mindestens jedoch € 40.000,00 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Klagezustellung.

2. an die Klägerin ab Klagezustellung eine monatliche Schmerzensgeldrente zu zahlen, deren Höhe ebenfalls in das pflichtgemäße Ermessen des Gerichts gestellt wird, mindestens jedoch € 100,00 monatlich nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 15. des jeweiligen Fälligkeitsmonats zu zahlen.

3. festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin den zukünftigen immateriellen Schaden sowie allen vergangenen und künftigen materiellen Schaden zu ersetzen, der ihr aus der fehlerhaften ärztlichen Behandlung vom 01.12.2000 entstanden ist, derzeit entsteht und in Zukunft noch entstehen wird, soweit diese Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger übergegangen sind oder übergehen werden,

Die Beklagten haben Klageabweisung beantragt.

Die Beklagten haben in 1. Instanz vorgetragen, sowohl die chirurgische als auch die anästhesiologische Aufklärung seien ordnungsgemäß gewesen. Der Eingriff sei dringlich gewesen, da die Gefahr bestanden habe, dass die Klägerin durch Einklemmung einen Eierstock verliere. Bei der Untersuchung der Klägerin habe der Beklagte zu 1) eine passager eingeklemmte Leistenhernie mit einer Einklemmung des Eierstocks festgestellt. Der Beklagte zu 1) habe daraufhin die Eltern am 27.11.2000 über die Art der durchzuführenden Operation, die Notwendigkeit des Eingriffs und das Risiko des Ovarverlustes aufgeklärt. Der (chirurgische) Aufklärungsbogen sei mitgegeben worden und habe von den Eltern unterzeichnet bei der Operation vorgelegen. Im Zuge der Überweisung der Klägerin an das Klinikum L. sei dieser Bogen allerdings verloren gegangen. Da das Klinikum N. über den notwendigen Facharztstandard verfügt habe, habe keine Veranlassung bestanden, die Eltern über die konkrete Ausstattung der Klinik zu informieren oder ihnen von dem Eingriff in dieser Klinik abzuraten. Bei einer weiteren Untersuchung der Klägerin am 29.11.2000 durch Dr. N. sei die Narkose- und Operationsfähigkeit der Klägerin festgestellt worden. Der Beklagte zu 2) sei seit Jahren Facharzt für Anästhesie mit großer Erfahrung auf dem Gebiet der Kleinkinder- und Säuglingsanästhesie. In dem am 29.11.2000 durchgeführten Telefonat habe der Beklagte zu 2) entsprechend seiner Dokumentation über die Anästhesie umfassend informiert und aufgeklärt.
Ausdrücklich sei darauf hingewiesen worden, dass es u.a. zu Herzrhythmusschwierigkeiten, Atemstörungen, Querschnitt und lebensbedrohlichen Komplikationen kommen könne. Nochmals habe der Beklagte zu 2) am Morgen vor der Operation mit den Eltern gesprochen und sich nach etwaigen Unklarheiten oder Fragen erkundigt.

Bei der Operation selbst sei in jeder Hinsicht fachgerecht gehandelt worden. Der Beklagte zu 1) habe fachgerecht auf Anordnung des Beklagten zu 2) eine Herzdruckmassage bei der Klägerin durchgeführt, nachdem bei der Beatmung Schwierigkeiten aufgetreten seien. Die Anästhesieschwester sei eine anästhesiologisch ausgebildete Fachkraft gewesen. Eine Kontraindikation für den Einsatz von Larynxmasken bei Neugeborenen gebe es nicht, auch ansonsten sei das Vorgehen fehlerfrei gewesen. Die Dokumentation sei ebenfalls nicht zu beanstanden, zeitnah habe der Beklagte zu 2) noch einen ausführlichen Zusatzbericht erstellt. Nach der Stabilisierung der Klägerin habe der Eingriff fortgesetzt und problemlos zu Ende geführt werden können. Die eingetretenen Atemwegsprobleme seien schicksalhaft gewesen, das gesamte Vorgehen hierauf habe dem Facharztstandard entsprochen, wie die vom Haftpflichtversicherer erholten Fachgutachten der Universität M. (Anlage B 4 und B 6) untermauern würden.

Das Landgericht hat nach informatorischer Anhörung des Vaters der Klägerin und der beiden Beklagten (Bl. 60 ff d.A.), Erholung zweier Gutachten des Sachverständigen für Anästhesiologie Prof. Dr. F. (Bl. 100, Bl. 142 d.A.), eines Gutachtens des Chirurgen Dr. Sch. (Bl. 199 d.A.) sowie mündlicher Anhörung beider Sachverständiger (Bl. 163 ff, Bl. 317 ff d.A) mit Endurteil vom 16.04.2008 die Klage abgewiesen. Das Landgericht führte aus, die Klägerin habe den Nachweis nicht erbringen können, dass die Operation ohne wirksame Einwilligung durchgeführt worden sei. Die Operation sei dringlich gewesen, somit hätten die Eltern der Klägerin nicht auf die Möglichkeit eines Zuwartens hingewiesen werden müssen. Eine Aufklärungspflicht hinsichtlich anderer besser ausgestatteter Krankenhäuser gebe es nicht. Auch der Nachweis für ein fehlerhaftes Handeln der Beklagten im Zusammenhang mit der durchgeführten Operation sei nicht erbracht. Ergänzend wird hinsichtlich der Einzelheiten auf das angefochtene Urteil Bezug genommen (Bl. 243/255 d.A.).

Im Wege der Berufung verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.

Die Klägerin rügt, das Landgericht habe sich nicht hinreichend mit den Einwänden gegen die Unbefangenheit der Sachverständigen auseinander gesetzt. Wesentliche Fakten seien überhaupt nicht oder nicht in der erforderlichen Konsequenz beachtet worden. Unabdingbar sei selbst nach den gerichtlichen Gutachten die Anwesenheit einer weiteren Anästhesie-Fachperson gewesen. Die eingesetzte Schwester habe hierfür nicht die nötige Qualifikation gehabt. Der Beklagte zu 1) hätte mangels eigener Erfahrung nicht eingreifen dürfen, als es zu Schwierigkeiten bei der Narkose gekommen sei. Ausweislich des Anästhesieprotokolls sei es zu Auffälligkeiten gekommen, die nur durch Behandlungsfehler erklärbar seien. Der Beklagte zu 2) habe pflichtwidrig unterlassen, hohe Blutdruckwerte zu dokumentieren. Die Werte würden auf eine nicht fachgerechte Herzdruckmassage hindeuten, außerdem müsse sich das Unterlassen der Dokumentation beweisrechtlich zugunsten der Klägerin auswirken. Ebenfalls pflichtwidrig seien Beatmungsdrucke und Sauerstoffsättigungswerte nicht festgehalten worden. Die Schlussfolgerung des Sachverständigen, wonach die anästhesiologische Behandlung fachgerecht gewesen sei, sei damit nicht nachvollziehbar. Grob fehlerhaft seien außerdem die wärmeprotektiven Maßnahmen nicht eingehalten worden. Eine diesbezügliche Dokumentation sei zwingend erforderlich. Weiterhin hätte angesichts der perpetuierenden Probleme bei der Anästhesie der Hautschnitt nicht gelegt werden dürfen, zumindest jedoch die Operation im weiteren Verlauf abgebrochen werden müssen. Wäre dies der Fall gewesen, wäre die Schädigung der Klägerin nicht eingetreten oder jedenfalls geringer ausgefallen.

Die Rügen der Klägerin zur Aufklärung habe das Landgericht weitgehend unbeachtet gelassen. Verfahrensfehlerhaft sei nur der Vater, nicht jedoch die Mutter zur Frage der Aufklärung gehört worden. Über die anästhesiologischen Risiken seien die Eltern der Klägerin nicht informiert worden, insbesondere sei ihnen nicht gesagt worden, dass es bei einem noch relativ instabilen Säugling schnell zu schwersten lebenslänglichen Dauerschäden kommen könne. Auch im übrigen sei sowohl die chirurgische als auch die anästhesiologische Aufklärung unzureichend gewesen, da nicht beide Elternteile aufgeklärt worden seien. So habe der Beklagte zu 1) am 27.11.2000 nur mit der Mutter gesprochen, der Vater habe vor dem Behandlungszimmer warten müssen. Nicht hinreichend gewürdigt worden sei vom Landgericht außerdem, dass das Formular über die chirurgische Aufklärung nicht vorgelegt werden könne. Die Unterschriften auf dem Bogen zur Anästhesieaufklärung hätten die Eltern unmittelbar vor der Operation geleistet, ein - zu diesem Zeitpunkt ohnehin verspätetes - Aufklärungsgespräch habe nicht stattgefunden. Das zuvor vom Beklagten zu 2) geführte Telefonat mit dem Vater der Klägerin genüge ebenfalls nicht den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Aufklärung, zumal das Risiko der Querschnittslähmung - das sich verwirklicht habe - nicht angesprochen worden sei.
Zudem hätten die Risiken in einem persönlichen Gespräch mit beiden Elternteilen erläutert werden müssen. Die Eltern der Klägerin hätten die nicht dringliche Operation bei umfassender Aufklärung später in einer besser ausgestatteten Klinik durchführen lassen, wo es nicht zu den Komplikationen gekommen wäre bzw. besser darauf hätte reagiert werden können.

Die Klägerin beantragt unter entsprechender Abänderung des Urteils des Landgerichts Traunstein vom 16.04.2008 - 3 O 2127/08 -,

1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin ein angemessenes Schmerzensgeld zu zahlen, dessen Höhe in das pflichtgemäße Ermessen des Gerichts gestellt wird, mindestens jedoch € 40.000,00 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Klagezustellung,

2. an die Klägerin ab Klagezustellung eine monatliche Schmerzensgeldrente zu zahlen, deren Höhe ebenfalls in das pflichtgemäße Ermessen des Gerichts gestellt wird, mindestens jedoch € 100,00 monatlich nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 15. des jeweiligen Fälligkeitsmonats zu zahlen,

3. festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin den zukünftigen immateriellen Schaden sowie allen vergangenen und künftigen materiellen Schaden zu ersetzen, der ihr aus der fehlerhaften ärztlichen Behandlung vom 01.12.2000 entstanden ist, derzeit entsteht und in Zukunft noch entstehen wird, soweit diese Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger übergegangen sind oder übergehen werden,

sowie Zulassung der Revision, falls der Senat eine ordnungsgemäße Aufklärung bejahen sollte.

Die Beklagten beantragen unter Bezugnahme auf das erstinstanzliche Vorbringen und das erstinstanzliche Urteil Zurückweisung der Berufung.

Sie tragen vor, dass der Vorwurf eines behandlungsfehlerhaften Vorgehens der Beklagten durch die erstinstanzliche Beweisaufnahme widerlegt sei. Eindeutig und überzeugend hätten die gerichtlichen Gutachter ein in jeder Hinsicht fachgerechtes Vorgehen festgestellt. Der Vorwurf der Befangenheit der Sachverständigen sei - wie in 1. Instanz festgestellt - unbegründet und auch in der Berufungsbegründung ohne Substanz. Soweit die Klägerin inhaltliche Kritik an den Gutachten vorbringe, sei diese nicht stichhaltig. Die Anästhesie-Schwester sei eine anästhesiologisch ausgebildete, erfahrene examinierte Pflegekraft gewesen. Der bedauerliche Zustand der Klägerin sei Folge eines schicksalhaften Verlaufs des Eingriffs, auf die aufgetretenen Probleme sei sach- und fachgerecht reagiert worden.
Dass der langjährig in der Erwachsenen- und Kinderchirurgie erfahrene Beklagte zu 1) befugt gewesen sei, die Herzdruckmassage durchzuführen, stehe außer Zweifel. Auch habe der Sachverständige Defizite der Dokumentation ausdrücklich verneint. Die weiteren Vorwürfe der Klägerin seien fachlich ebenfalls nicht haltbar. Der Beklagte zu 2) habe völlig zu Recht einen bestimmten Wert der Blutdruckmessung als gerätebedingte Artefaktmessung interpretiert. Dies sei aus anästhesiologischer Sicht schlüssig und korrekt. Der Beatmungsdruck werde gefühlt, eine Pflicht zur Dokumentation bestehe nicht. Das Pulsoxymeter zeige bei ungenügender Pulswelle keine Werte an, so dass einzelne Werte nicht abgelesen und niedergelegt hätten werden können. Die ergänzenden Bemerkungen zum Protokoll habe der Beklagte zu 2) zeitnah noch im Dezember 2000 erstellt. Absolut unzutreffend sei der Vorwurf, man habe wärmeprotektive Maßnahmen unterlassen. Die notwendigen Vorkehrungen seien selbstverständlich erfolgt, für diese Routinemaßnahmen bestehe keine Dokumentationspflicht. Eine Notwendigkeit zum Abbruch des Eingriffs habe nicht bestanden, zudem fehle es an dem nötigen Kausalzusammenhang.

Desweiteren habe die Beweisaufnahme ergeben, dass die Eltern in Kenntnis aller relevanten Umstände nach ordnungsgemäßer Aufklärung in den Eingriff eingewilligt hätten. Demnach habe eine adäquate Aufklärung beider Elternteile stattgefunden. Der Hinweis, dass man „ruhig zuwarten könne“ sei nicht gegeben worden, da dies fachlich falsch sei. Die Dokumentation des Beklagten zu 2) belege, dass dieser auf die relevanten Risiken hingewiesen habe. Auch in einem Telefonat könne die nach der Rechtsprechung erforderliche vertrauensvolle Aufklärung durchgeführt werden. In vielen Fällen sei eine andere Vorgehensweise gar nicht möglich, außerdem habe der Berufsverband des Beklagten zu 2) auf dessen Nachfrage keine Bedenken gegen eine telefonische Aufklärung erhoben. Der Beklagte zu 2) habe sich außerdem im Gespräch am 29.11.2000 vergewissert, dass beide Eltern bei der Operation zugegen seien. Am Morgen der Operation sei den Eltern nochmals Gelegenheit zur Nachfrage und zum Verschieben des OP-Termins gegeben worden. Mit der Unterschrift hätten beide Elternteile ihr Einverständnis zum Eingriff bestätigt. Mehr könne von den Beklagten nicht verlangt werden.

Abgesehen davon genüge bei leichteren bis mittleren Eingriffen - wie vorliegend – die Aufklärung eines Elternteils sowie die Bestätigung der Einbeziehung des anderen Elternteils.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien im Berufungsverfahren nimmt der Senat Bezug auf die Schriftsätze der Klägerin vom 23.07.2008 (Bl. 272/281 d. A.), 16.09.2009 (Bl. 288/290 d.A.), 20.09.2008 (Bl. 291/292 d.A.), 05.12.2008 (Bl. 320/322 d.A.) und 14.05.2009 (Bl. 350/353 d.A.), sowie der Beklagten vom 26.11.2008 (Bl. 298/317 d. A.) und vom 27.05.2009 (Bl. 354/356 d. A.).

Der Senat hat die Eltern der Klägerin und die Beklagten persönlich informatorisch gehört, den Sachverständigen Prof. Dr. F. angehört und die Anästhesieschwester E. als Zeugin vernommen. Für das Ergebnis der Beweisaufnahme wird auf die Protokolle der Sitzungen vom 11.12.2008 (Bl. 323/332 d.A.) und 23.04.2009 (Bl. 340/349 d.A.) Bezug genommen.

Die zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet.

Auch nach Durchführung der ergänzenden Beweisaufnahme kann die Klägerin ein fehlerhaftes Vorgehen im Zusammenhang mit der Operation vom 01.12.2000 nicht nachweisen. Nach dem Ergebnis der Anhörung der Parteien und unter Berücksichtigung des im Original vorliegenden Aufklärungsbogens über die Anästhesie ist der Senat des weiteren davon überzeugt, dass die Beklagten vor der Operation eine ordnungsgemäße Aufklärung durchgeführt und die Eltern der Klägerin rechtswirksam in den Eingriff eingewilligt haben. Ansprüche der Klägerin gegen die Beklagten wegen Verletzung der vertraglichen Pflichten aus dem Arztvertrag bzw. unerlaubter Handlung (§§ 823, 847 BGB) scheiden damit aus.

I.

Fehler bei der Durchführung der Operation konnten aufgrund der Beweisaufnahme nicht festgestellt werden. Auf die diesbezüglichen zutreffenden Ausführungen im landgerichtlichen Urteil wird Bezug genommen. Auch das Vorbringen der Klägerin in der Berufung rechtfertigt keine andere Beurteilung.

Hinreichende Anhaltspunkte, die Bedenken gegen die Unvoreingenommenheit der gerichtlichen Gutachter begründen könnten, liegen nicht vor. Weder bestehen Hinweise auf eine persönliche Nähe der Gutachter zu den Beklagten (oder deren Prozessbevollmächtigten) noch auf eine einseitige, nicht mehr fachlich und objektiv begründete Bewertung der Vorgehensweise bei der Operation. Die Klägerin hat in der Berufung auch nicht näher dargelegt, welche Fakten die Sachverständigen zu Unrecht zugrunde gelegt haben sollen, ebenso wenig hat sie konkrete fachliche Argumente vorgebracht, die Zweifel an der Richtigkeit der gutachterlichen Stellungnahmen der Sachverständigen Prof. Dr. F. und Dr. Sch. wecken. In weiten Teilen hat sie lediglich ihre von den Gutachtern abweichenden Standpunkte zu einzelnen Streitfragen wiederholt. Für die Beauftragung anderer Sachverständiger zur Überprüfung der erstinstanzlich erholten Gutachten hatte der Senat keine Veranlassung. Soweit die Berufungsbegründung Unklarheiten oder Lücken der erstinstanzlichen Beweisaufnahme aufgezeigt hat, ist der Senat den Einwänden der Klägerin durch Vernehmung der Zeugin E. und Anhörung des Sachverständigen Prof. Dr. F. nachgegangen.

1. Der Vorwurf der Klägerin, wonach bei der Operation kein hinreichend qualifiziertes Personal eingesetzt worden sei, ist nicht begründet. Dass der Beklagte zu 2) über die notwendige Ausbildung und praktische Erfahrung verfügte, bei der damals dreieinhalb Wochen alte Klägerin eine Anästhesie durchzuführen - wie vom Landgericht festgestellt - wurde in der Berufung nicht mehr in Frage gestellt, ebenso wenig, dass die Anwesenheit eines zweiten Anästhesiefacharztes nicht notwendig war. Zutreffend hat die Klägerin allerdings gerügt, dass nach dem anästhesiologischen Gutachten eine zweite Anästhesiefachkraft (neben dem Beklagten zu 2) bei der Operation eingesetzt werden musste, und dass die strittige Frage der Qualifikation der assistierenden Schwester in erster Instanz nicht geklärt worden ist.

Der Senat hat diesen Punkt aufgeklärt und sowohl die Zeugin Hedwig E. als die damals bei der Operation tätigen Schwester vernommen, als auch den Sachverständigen Prof. Dr. F. dazu befragt, ob die Qualifikation der Zeugin aus anästhesiologischer Sicht ausreichend war.

Die Zeugin E. hat glaubwürdig darüber berichtet, dass sie seit 1998 als examinierte Krankenschwester im Krankenhaus tätig war, und ab Mai 1998 in der Anästhesie mitgearbeitet hat, wobei sie von erfahrenen Schwestern eingelernt worden ist und sowohl in der Kinder- als auch der Erwachsenenchirurgie eingesetzt war. Der Sachverständige Prof. Dr. F. hat – ausgehend von den protokollierten Angaben der Zeugin - Schwester Hedwig als ausreichend qualifiziert für die Teilnahme an der Operation der Klägerin beurteilt und dies überzeugend begründet.
Er legte dar, dass es zwar eine Fachausbildung zur Anästhesiekrankenschwester gebe, jedoch auch eine Krankenschwester mit abgeschlossener Krankenhausausbildung und Erfahrung in der Erwachsenen- oder Kinderanästhesie für die streitgegenständliche Operation herangezogen werden dürfe. Üblicherweise dauere die Einarbeitung in der Anästhesie für eine Schwester 6 - 8 Wochen, danach sei es üblich, dass die Schwester allein assistiere. Die Narkose bei einem Neugeborenen sei wegen der geringen Sauerstoffreserven und der Kleinheit der oberen Atemwege schwieriger und aufwändiger als bei Säuglingen, ein Narkosezwischenfall sei jedoch extrem selten und trete bei einem dreieinhalb Wochen alten Kind statistisch nicht häufiger auf, als bei einem Säugling mit drei Monaten. Die Unterscheidung zwischen Neugeborenen und Säugling spiele in der Anästhesie keine wesentliche Rolle, sondern sei für die allgemeine Pädiatrie von Bedeutung. Eine ausgebildete Krankenschwester, die - wie die Zeugin E. – über eine mehr als einjährige Erfahrung in der Anästhesie verfüge, habe in der Regel die nötigen Kenntnisse und Praxis für die Assistenz bei der Operation eines Neugeborenen oder Säuglings. Der Senat hat auf der Grundlage der sachverständigen Ausführungen keinen Zweifel daran, dass bei der Operation eine Anästhesieschwester mit der nötigen Qualifikation assistiert hat.

2. Im Hinblick auf den Vorwurf etwaiger Behandlungsfehler und Dokumentationsversäumnisse hat sich der Senat von Prof. Dr. F. nochmals den gesamten Verlauf der Operation fachlich erläutern lassen. Auch die Kritikpunkte der Klägerin zur Dokumentation wurden mit dem Sachverständigen erörtert.

Der Sachverständige blieb bei seiner erstinstanzlichen Einschätzung, dass das Notfallmanagement der Beklagten fachgerecht war und dass auch die Dokumentation keine Fehler oder pflichtwidrige Lücken erkennen lässt. Er hielt es insbesondere für vertretbar, dass der Beklagte zu 2) einen sehr hohen Blutdruckwert von 230 mmHG angesichts einer ausgeprägten etCO2 -Erniedrigung als nicht glaubhaft interpretierte. Auch hinsichtlich des nicht im einzelnen festgehaltenen Beatmungsdruckes und der fehlenden Sauerstoffsättigungswerte im Zeitraum zwischen 7.45 und 7.53 h bestätigte der Sachverständige die Position der Beklagten, wonach hieraus weder Versäumnisse noch eine Pflichtwidrigkeit abgeleitet werden könnten. Insgesamt hielt der Gutachter das gesamte Vorgehen (Einsatz Larynxmaske, Tubuswahl, Medikation, Beatmungsdruck, Abfolge der einzelnen Maßnahmen) während der Operation für ordnungsgemäß und erklärte, er wäre nicht anders vorgegangen. Der Vorwurf der Klägerin, der Beklagte zu 1) sei nicht hinreichend qualifiziert für eine Herzdruckmassage gewesen, die Dokumentation weise auf eine fehlerhafte Ausübung der Maßnahme hin, hat sich ebenfalls nicht bestätigt. Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass auch nicht nachvollziehbar ist, weshalb der Beklagte zu 1) als ein seit Jahren im Bereich der Erwachsenen- und Kinderchirurgie tätiger und erfahrener Arzt fachlich nicht hinreichend qualifiziert für eine Herzdruckmassage bei der Klägerin gewesen sein sollte, mag es sich bei ihr auch zum damaligen Zeitpunkt um ein dreieinhalb Wochen altes Neugeborenes gehandelt haben. Zur Einhaltung der gebotenen wärmeprotektiven Maßnahmen wurde Prof. Dr. F. im übrigen bereits erstinstanzlich ausführlich befragt. Eine Dokumentationspflicht für solche Maßnahmen hat der Sachverständige bei beiden mündlichen Befragungen verneint, so dass das Fehlen entsprechender Vermerke keine Beweiserleichterungen zugunsten der Klägerin nach sich ziehen kann. Anhaltspunkte für diesbezügliche Versäumnisse ergaben sich nicht.

3. Ausführlich hat der Senat schließlich den Sachverständigen Prof. Dr. F.dazu befragt, ob mit der Operation wegen der auftretenden anästhesiologischen Probleme nicht hätte begonnen werden dürfen und/oder ob die Operation hätte abgebrochen werden müssen.

Kritisch beurteilte der Sachverständige den Zeitpunkt des Hautschnittes. Zwar wertete er das Vorgehen nicht als fehlerhaft, meinte aber, dass ein Abwarten nicht geschadet hätte und dass er angesichts der aufgetretenen Atemwegsstörungen mit der Operation erst später begonnen hätte. Jedenfalls aber wurde - so der Sachverständige überzeugend - der Verlauf durch den Hautschnitt nicht in negativer Weise beeinflusst, da der Eingriff zeitgerecht wegen der Atemprobleme und der aufgetretenen Instabilität der Klägerin unterbrochen und alle gebotenen Notfallmaßnahmen zur Wiederherstellung einer suffizienten Sauerstoffsättigung und Stabilisierung der Klägerin ergriffen wurden. Dass die Klägerin sich in einem anderen, insbesondere einem besseren Gesundheitszustand befände, wenn der Hautschnitt nicht um 7.38 h gelegt worden wäre, ist damit nicht feststellbar.

Die Fortsetzung der Operation, nachdem die Atemwegsprobleme unter Kontrolle waren und der Zustand der Klägerin stabil war, hielt Prof. Dr. F. für fachlich fehlerfrei, zumal es sich bei der streitgegenständlichen Operation (auch bei Neugeborenen) chirurgisch um einen geringen Eingriff handelt. Für einen sofortigen Abbruch der Operation bestand nach den Ausführungen des Gutachters keine medizinische Notwendigkeit.

4. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass der Senat auf der Grundlage der überzeugenden gutachterlichen Stellungnahmen keine Behandlungs- und/oder Dokumentationsfehler bei der streitgegenständlichen Operation erkennen kann. Die Atemwegsprobleme der Klägerin während der Operation traten unvorhergesehen auf. Die Beklagten haben fachgerecht auf die Problematik reagiert und die notwendigen Maßnahmen ordnungsgemäß durchgeführt. Die eingetretenen gesundheitlichen Beeinträchtigungen sind nicht Folge eines Behandlungsfehlers, sondern einer schicksalhaften Komplikation bei der Narkose.

II.

Auch die klägerische Rüge der unzureichenden Aufklärung ist unbegründet. Die Beklagten haben den ihnen obliegenden Nachweis einer ordnungsgemäßen Aufklärung - insoweit ist das Landgericht von einer nicht zutreffenden Beweislastverteilung ausgegangen - zur Überzeugung des Senats erbracht.

Die ärztliche Aufklärung soll es dem Patienten ermöglichen, Art, Bedeutung, Ablauf und mögliche Folgen des Eingriffs zu verstehen. Er soll zu einer informierten Risikoabwägung in der Lage sein. Zum Zwecke der Wahrung seines Selbstbestimmungsrechts muss dem Patienten ein zutreffender allgemeiner Eindruck von der Schwere des Eingriffs und der Art der Belastungen vermittelt werden, die für seine körperliche Integrität und seine Lebensführung möglicherweise zu befürchten sind. Gegenstand der Risikoaufklärung sind generell alle behandlungstypischen Risiken, deren Kenntnis beim Laien nicht vorausgesetzt werden kann, die aber für die Entscheidung des Patienten über die Zustimmung zur Behandlung ernsthaft ins Gewicht fallen (Geiß/Greiner aaO, Rn. C 49). Auch über ein gegenüber dem Hauptrisiko weniger schweres Risiko ist aufzuklären, wenn dieses dem Eingriff spezifisch anhaftet, es für den Laien überraschend ist und durch die Verwirklichung des Risikos die Lebensführung des Patienten schwer belastet würde (BGH BGHZ 126, 386, 389; Senat, Urteil vom 12. Dezember 1989 - VI ZR 83/89 - VersR 1990, 522, 523).

Ein ärztlicher Heileingriff bei einem minderjährigen Kind, das nicht selbst die Einsichtsfähigkeit und Urteilskraft über Bedeutung und Tragweite der Behandlung besitzt, bedarf der Einwilligung des Sorgeberechtigten. Die elterliche Sorge steht gemäß § 1627 BGB beiden Eltern gemeinsam zu. Grundsätzlich müssen somit beide Elternteile dem Eingriff zustimmen. Allerdings ist es möglich, dass ein Elternteil den anderen bevollmächtigt, für ihn mit zu entscheiden; dann bedarf es nur der Aufklärung des so ermächtigten Elternteils. Im Allgemeinen kann der Arzt davon ausgehen, dass der mit dem Kind bei ihm erschienene Elternteil ermächtigt ist, die Einwilligung in die ärztliche Behandlung für den abwesenden Elternteil mit zu erteilen, wenn es sich um einen Routineeingriff bei leichteren Erkrankungen bzw. Verletzungen handelt und dem Arzt keine entgegenstehenden Umstände bekannt sind. Bei erheblichen Erkrankungen oder Verletzungen mit nicht unbedeutenden Risiken ist grundsätzlich eine Nachfrage bei dem erschienen Elternteil erforderlich, wobei der Arzt in der Regel auf dessen Auskunft vertrauen darf. Handelt es sich um eine schwierige und weitreichende Entscheidung, kann sich der Arzt nicht ohne weiteres darauf verlassen, dass der erschienene Elternteil von dem anderen ermächtigt ist, auch in dessen Namen zuzustimmen. Vor solchen Entschlüssen hat der Arzt den nicht erschienenen Ehepartner grundsätzlich mit zu beteiligen (BGH NJW 1988, 2946 ff; BGH NJW 2000, 1784 ff).

Ausgehend von diesen Grundsätzen beurteilt der Senat die Aufklärung vorliegend wie folgt:

1. Chirurgische Aufklärung

a) Die Anhörung aller Verfahrensbeteiligter hat zum Ablauf des Aufklärungsgesprächs mit dem Beklagten zu 1) zur Überzeugung des Senats folgenden Sachverhalt ergeben:

Am 27.11.2000 waren die Eltern der Klägerin in der Praxis des Beklagten zu 1). Mit der Mutter der Klägerin, die bereits durch den Kinderarzt vorinformiert war, besprach der Beklagte zu 1) im Behandlungszimmer die Indikation und die Art des Eingriffs. Zur Dringlichkeit erläuterte er ihr, dass der Bruch möglichst umgehend in der nächsten Zeit operiert werden solle und dass beim Zuwarten die Gefahr der Brucheinklemmung und des Darmverschlusses bestehe. Der Beklagte zu 1) bezeichnete die Operation als relativ einfachen Eingriff.

Der Vater der Klägerin war zwar am 27.11.2000 in der Praxis anwesend, er begleitete seine Frau jedoch nicht in das Behandlungszimmer. Er erhielt ein Aufklärungsformular über die geplante Operation, das inhaltlich dem Exemplar entsprach, das von Beklagtenseite im Prozess vorgelegt wurde. Der Vater füllte das Formular aus und erklärte durch seine Unterschrift die Einwilligung zum Eingriff.

Nicht geklärt werden konnte, weshalb der Vater der Klägerin nicht mit in das Behandlungszimmer kam. Der Senat geht im übrigen davon aus, dass auch die Mutter der Klägerin das vom Beklagten zu 1) verwendete Formular unterzeichnet hat. Zwar wusste die Mutter der Klägerin nicht mehr, ob sie eine Unterschrift geleistet hat, auch konnte das Dokument nach Rückübersendung der Patientenunterlagen vom Krankenhaus Landshut nicht mehr aufgefunden werden. Wie der Beklagte zu 1) bekundete, wird jedoch am Operationstag das Vorliegen der Einwilligungserklärung der Eltern überprüft.

Die Feststellungen des Senats beruhen ansonsten weitgehend auf den übereinstimmenden Schilderungen der Eltern der Klägerin und des Beklagten zu 1). Hinsichtlich des Inhalts des Aufklärungsgesprächs hält der Senat die Angaben des Beklagten zu 1) für glaubhaft, die Mutter der Klägerin konnte sich an Details des Gesprächs nicht mehr erinnern. Zudem spricht der Vermerk im Befundbogen vom 01.12.2000 dafür, dass der Beklagte zu 1) am 27.11.2000 ein Aufklärungsgespräch geführt hat. Dass der Vater der Klägerin das Aufklärungsformular erhalten, ausgefüllt und unterzeichnet hat, hat er selbst bekundet, insoweit ist unschädlich, dass das Formular als solches nicht mehr auffindbar ist. Zu der Frage, weshalb der Vater der Klägerin seine Frau nicht in das Behandlungszimmer begleitet hat, obwohl er in der Praxis anwesend war, konnte sich der Senat keine Überzeugung bilden. Der Erklärung des Vaters der Klägerin, ihm sei von der Sprechstundenhilfe gesagt worden, es dürfe nur ein Elternteil in das Behandlungszimmer, hat der Beklagte zu 1) glaubhaft widersprochen. Er gab an, dass er selbstverständlich mit beiden Elternteilen spreche, wenn beide anwesend seien. Einen plausiblen, nachvollziehbaren Grund, weshalb eine Sprechstundenhilfe einem Elternteil sagen sollte, dass er nicht anwesend sein dürfe bei der Beratung durch den Arzt, kann der Senat nicht erkennen. Möglicherweise blieb der Vater der Klägerin im Wartezimmer, um sich zwischenzeitlich die übergebenen Unterlagen durchzulesen und auszufüllen.

b) Inhaltlich ist die Aufklärung des Beklagten zu 1) zutreffend und vollständig. Beide Sachverständige haben übereinstimmend bestätigt, dass es sich bei der Leistenhernienoperation bei Mädchen, auch wenn diese neugeboren sind, um einen einfachen Eingriff handelt. Wie bereits das Landgericht ausgeführt hat, war der Beklagte zu 1) auch nicht gehalten, den Eltern der Klägerin eine zeitliche Verschiebung des Eingriffs zu empfehlen. Die Operation war objektiv dringlich, ein Abwarten barg ganz erhebliche Risiken für die Klägerin, zudem reduzierten sich die - ohnehin selten auftretenden - Anästhesierisiken bei einer Verschiebung um Wochen oder einige Monate nicht wesentlich. Den Eltern der Klägerin ein Abwarten als Alternative darzustellen, wäre somit ein Fehler gewesen. Dass der Beklagte zu 1) nicht auf die fehlende Kinderintensivstation im Krankenhaus N. hinweisen musste, da die Ausstattung des Krankenhauses N. dem medizinischen Standard entsprach, wurde bereits vom Landgericht zutreffend festgestellt.

Im übrigen ist festzuhalten, dass sich bei der Operation nicht ein chirurgisches, sondern ausschließlich ein anästhesiologisches Risiko verwirklicht hat.

c) Die Aufklärung des Beklagten zu 1) ist nicht deshalb unzureichend, weil er am 27.11.2000 nur mit der Mutter der Klägerin gesprochen hat. Wie dargelegt, handelt es sich bei der Operation aus chirurgischer Sicht nur um einen einfachen Eingriff, so dass eine ausführliche Besprechung der Vorgehensweise und der Risiken mit beiden Elternteilen nicht erforderlich erscheint. Der Vater auch wurde nicht von dem Aufklärungsgespräch abgehalten. Er war in die Aufklärung und Einwilligung insoweit einbezogen, als er das Aufklärungsformular erhalten hat, dieses ausgefüllt und unterzeichnet hat. Beide Elternteile waren demnach ausreichend über die chirurgische Seite des Eingriffs informiert und mit der Operation einverstanden.

2. Anästhesiologische Aufklärung

a) Hinsichtlich der anästhesiologischen Aufklärung geht der Senat aufgrund der Anhörung der Verfahrensbeteiligten und der vorliegenden Unterlagen von folgendem Sachverhalt aus:

Der Beklagte zu 2) hat - was unstreitig ist - am 29.11.2000 mit dem Vater der Klägerin ein Telefonat über die bevorstehende Anästhesie seiner Tochter geführt. Der Vater der Klägerin konnte sich an Details des Gesprächs nicht mehr erinnern, meinte allerdings in 1. Instanz, dass die Gefahr einer Querschnittslähmung nicht angesprochen worden sei, wohl aber lebensbedrohliche Komplikationen. Aufgrund der glaubhaften Angaben des Beklagten zu 2), der sich auf seine handschriftlichen Notizen in dem im Original vorhandenen Formular stützen kann, ist der Senat überzeugt, dass der Beklagte zu 2) neben Fragen zur Anamnese und Empfehlungen zur Operationsvorbereitungen auch die im Formular vermerkten Risiken der Anästhesie angesprochen und diese erläutert hat. Aufgeklärt wurde demnach über Herzkreislaufschock, Herzrhythmusstörungen, Atemstörungen, Beatmungsprobleme wegen der engen Verhältnisse der Atemwege, insbesondere nach Opiatgabe, Krampfanfall, das Risiko einer Querschnittslähmung sowie lebensbedrohliche Komplikationen. Der Senat geht des weiteren davon aus, dass der Beklagte zu 2), der sich wegen der Problematik der rechtzeitigen und ordnungsgemäßen Aufklärung im Jahr 1999 an den Berufsverband Deutscher Anästhesisten gewandt hatte, sich im Gespräch mit dem Vater der Klägerin vergewissert hat, dass die Mutter der Klägerin am Operationstag mitkommt, damit beide Elternteile noch Fragen stellen und die Einwilligung zum Eingriff erklären können.

Wie der Beklagte zu 2) ebenfalls glaubhaft schilderte, hat er beide Eltern am Operationstag nochmals befragt, ob sie noch Fragen haben, was diese verneint haben. Sodann haben beide Elternteile das Formular, auf dem die Operationsrisiken handschriftlich vermerkt waren, unterzeichnet und damit ihre Einwilligung zum Eingriff erteilt.

b) Inhaltlich hat der Beklagte zu 2) im gebotenen Umfang über die Risiken der Anästhesie aufgeklärt, insbesondere hat er auf die Gefahren hingewiesen, die sich bei der Operation verwirklicht haben (Atemstörungen, Beatmungsprobleme, Herzkreislaufprobleme und Querschnittslähmung). Der Beklagte zu 2) hat die mit der Narkose verbundenen Gefahren weder verharmlost, noch wäre er verpflichtet gewesen, im Hinblick auf das Alter der Klägerin noch deutlicher auf Gefahren hinzuweisen. Nicht zutreffend ist in diesem Zusammenhang die Einschätzung der Klageseite, dass wegen der noch instabilen Atmungsorgane bei einem Neugeborenen ein hohes Operationsrisiko bestehe. Tatsächlich spielt, wie der Sachverständige Prof. Dr. F. überzeugend dargelegt hat, die Reife der Atmungsorgane bei der Narkose keine wesentliche Rolle, da die Spontanatmung durch die Anästhesie gerade ausgeschaltet wird. Im übrigen hat der Gutachter Narkosezwischenfälle sowohl bei einem dreieinhalb Wochen alten Neugeborenen als auch bei wenige Monate alten Säuglingen als extrem selten bezeichnet.
Besonderheiten bestehen nur insoweit, als dass die Sauerstoffreserven bei einem so kleinen Kind geringer sind und die Beatmung wegen der Kleinheit der Atemwege schwieriger sein kann. Zum Inhalt des Aufklärungsgesprächs befragt beurteilte der Sachverständige die Hinweise auf Komplikationen und Risiken als vollständig und zutreffend. Auch der Senat sieht insoweit keine Mängel. Der Beklagte zu 2) hat demnach das Risikospektrum und auch die Wahrscheinlichkeit einer Komplikation zutreffend dargestellt.

c) Der Senat hält es für zulässig, dass der Beklagte zu 2) den Vater der Klägerin in Bezug auf die streitgegenständliche Operation telefonisch aufgeklärt hat. Der BGH verlangt für die Aufklärung ein vertrauensvolles Gespräch zwischen Arzt und Patient (BGH VersR 1985, 361/362). Die Verwendung von Informations- und Merkblättern ist nicht ausgeschlossen, diese sind auch durchaus üblich und für die Beteiligten vorteilhaft, sie vermögen jedoch das Gespräch nicht zu ersetzen. In einem Aufklärungsgespräch kann sich der Arzt davon überzeugen, dass der Patient die Hinweise und Informationen verstanden hat, zudem gibt ein Gespräch die Möglichkeit, auf individuelle Belange des Patienten einzugehen und eventuelle Fragen zu beantworten (BGH NJW 2000, 1784 Rn. 39). Diesen Belangen kann allerdings nicht nur in einem persönlichen Vier-Augen-Gespräch Rechnung getragen werden, auch in einem Telefonat kann sich der Arzt anhand der Reaktion oder durch Nachfrage davon überzeugen, dass der Patient die wesentlichen Punkte verstanden hat. Ein Telefonat bietet ebenso wie ein Gespräch unter Anwesenden die Möglichkeit, individuelle Aspekte anzusprechen und sich unmittelbar durch Fragen und Antworten auszutauschen. Aufgrund der Schilderung beider Parteien ist der Senat davon überzeugt, dass der Vater der Klägerin im Gespräch vom 29.11.2000 hinreichend Gelegenheit hatte, sich zu informieren und dass die Erläuterungen des Beklagten zu 2) für ihn verständlich und ausreichend waren. Soweit die Klägerin schriftsätzlich darauf hinweist, dass ihr Vater beim Gespräch in Eile und auf dem Weg zur Arbeit gewesen sei, hat der Vater dies bei der persönlichen Anhörung so nicht geschildert. Er beschrieb das Gespräch als angenehm und vertrauensvoll, im übrigen geht der Senat anhand des Vermerks des Beklagten zu 2) auf dem Fragebogen davon aus, das das Telefonat 15 Minuten gedauert hat. Von einer eiligen, oberflächlichen und unzureichenden Informationsmöglichkeit kann demnach keine Rede sein.
Zudem hat der Beklagte zu 2) den Eltern am Morgen vor der Operation noch ausdrücklich Gelegenheit zu Fragen gegeben.

Angesichts der Qualität des Eingriffs - die Operation selbst war einfach, die Anästhesie hatte gewisse, durchaus erhebliche, aber insgesamt seltene Risiken - hat der Senat keine rechtlichen Bedenken gegen die Vorgehensweise des Beklagten zu 2). Weder der BGH noch andere Gerichte noch die Literatur haben sich - soweit ersichtlich - bislang gegen die Möglichkeit eines telefonischen Aufklärungsgesprächs ausgesprochen, für das es durchaus ein praktisches Bedürfnis (weite Anreise, Kosten- und Zeitverlust) geben kann. Es mag Eingriffe geben, bei denen wegen ihrer Komplexität, ihres Risikoprofils und der Tragweite eine telefonische Aufklärung unzureichend ist, bei der streitgegenständlichen Operation kann der Senat jedoch keine überzeugenden Argumente gegen die Zulässigkeit eines telefonischen Aufklärungsgesprächs erkennen.

d) Auch die Tatsache, dass der Beklagte zu 2) nur mit dem Vater gesprochen hat, hält der Senat angesichts des im unteren bis allenfalls mittleren Anforderungs- und Risikoprofils liegenden Eingriffs für rechtlich unbedenklich. Der Beklagte zu 2) hat durch seine Nachfragen sichergestellt, dass der Vater nicht allein über die Operation seiner Tochter entscheidet, sondern dass beide Elternteile in die Aufklärung und Einwilligung eingebunden sind, indem er darauf bestanden hat, dass beide vor der Operation anwesend sind. Der Beklagte zu 2) hat beiden Elternteilen nochmals Gelegenheit zu Fragen gegeben, beide haben sodann ihr Einverständnis zur Operation erteilt, indem sie den Anästhesiebogen (einschließlich der handschriftlich vermerkten Risiken) unterzeichneten. Auch hinsichtlich der Anästhesie wurde damit der Nachweis einer ordnungsgemäßen Aufklärung und Einwilligung beider Sorgeberechtigter erbracht.

III.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Da sich die Rechtsprechung bislang nicht mit der Möglichkeit einer telefonischen Aufklärung befasst hat, lässt der Senat gemäß § 543 Abs. 2 ZPO die Revision zur Klärung folgender grundsätzlicher Frage zu:

Genügt eine telefonische Aufklärung über die Risiken einer Anästhesie bei einer ansonsten einfachen Operation zwei Tage vor dem Eingriff den Anforderungen der Rechtsprechung an ein „vertrauensvolles Aufklärungsgespräch zwischen Arzt und Patient“, insbesondere wenn der Arzt unmittelbar vor der Operation nochmals ausdrücklich nachfragt, ob noch Unklarheiten bestehen oder Fragen offen sind?

RechtsgebietBGBVorschriften§ 823 BGB

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