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05.10.2009 · IWW-Abrufnummer 092286

Hessisches Landessozialgericht: Urteil vom 28.08.2008 – L 1 KR 251/06

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


L 1 KR 251/06

Die Berufung der Beklagten wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass Satz 1 des Tenors des Urteils des Sozialgerichts Fulda vom 10. August 2006 wie folgt gefasst wird:

Unter Aufhebung des Bescheids der Beklagten vom 10. Juni 2002 in der Fassung der Widerspruchsbescheide vom 6. Mai 2003 und 1. September 2003 wird die Beklagte verurteilt festzustellen, dass die Beigeladenen zu 1. bis 17. bei der Klägerin nicht als abhängig Beschäftigte tätig gewesen sind.

Die Beklagte hat auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beigeladenen bei der Klägerin in sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen standen.

Die Klägerin ist ein Dienstleistungsunternehmen im Automobil- und Motorradüberführungsbereich. Die Beigeladenen waren in den Jahren 1998 bis 2003 für die Klägerin während verschieden langer Zeiträume (6 bis 24 Monate) und in unterschiedlicher Frequenz (im Durchschnitt ca. sechsmal pro Monat) als Fahrzeugüberführer ("Lieferanten") tätig.

Zwischen der Klägerin und den Beigeladenen wurden gleichlautende Lieferantenverträge abgeschlossen. Danach war das Auftragsvolumen flexibel und richtete sich nach dem jeweiligen Bedarf der Klägerin. Die Aufträge sollten kurzfristig angefragt und dann per Fax übermittelt werden. Die Beigeladenen konnten selbst bestimmen, an welchen Tagen sie Aufträge für die Klägerin durchführten und jederzeit einen Tag vor Durchführung Aufträge ablehnen (§ 3). Die Rechnungserteilung erfolgte auf Stundensatzbasis nach Maßgabe einer für jeden Auftrag gesondert zu ermittelnden Stundenpauschale. Diese Pauschale beruhte auf einer Computerkalkulation der Klägerin unter Berücksichtigung spezifischer Erfahrungswerte, basierend u. a. auf Fahrtstrecke, üblichem Verkehrsaufkommen, Entfernung und Wartezeiten. Der Stundenlohn betrug zwischen 13 EUR und 16 EUR (§ 4).

Nach § 5 der Lieferantenverträge waren zudem die Betriebs-Richtlinien wesentlicher Vertragsbestandteil. Danach wurden Wartestunden beim Kunden, Stauzeiten etc. bei der Berechnung gesondert berücksichtigt (17.1 – 17.3) und die entstandenen Auslagen (An- und Abfahrt, Tanken, Autowäsche etc.) den Beigeladenen erstattet (13.19). Ferner hatten sich die Beigeladenen ein Handy zu beschaffen. Die Grundgebühr von 20 DM wurde von der Klägerin übernommen. Die Hot-Line-Gespräche waren kostenlos (7.1). Ferner wurden die Fahrzeugüberführer mit Fahrermappen ausgestattet, die u. a. Anfahrtsdatenbank, Wegebeschreibung, Überführungs- und Tagesprotokoll, Tankkarte zum bargeldlosen Tanken, Bahncard-Visa, Autoatlas, Fahrerausweis und 200 DM zur sofortigen Liquidität enthielten (7.2). Es bestand ein absolutes Verbot, fremde Personen mitzunehmen (8.2). Auch waren die Fahrzeuge personengebunden entsprechend der namentlichen Benennung zu überführen. Jegliche Übertragung an andere Personen war strikt untersagt (8.3). Die Fahrzeuge waren nach der unmittelbaren Übernahme auf direktem Weg zum Bestimmungsort des Auftrages zu fahren (8.4).

Nach Beendigung der Vertragsverhältnisse mit den Beigeladenen schloss die Klägerin keine weiteren Lieferantenverträge mehr ab. Die Klägerin beschäftigt seitdem ausschließlich festangestellte Arbeitnehmer.

Mit Schreiben vom 10. Januar 2001 beantragte die Klägerin bei der Beklagten gemäß § 7 a Viertes Buch Sozialgesetzbuch - Gemeinsame Vorschriften der Sozialversicherung (SGB IV) die Feststellung darüber, ob die Beigeladenen in ihrer Eigenschaft als Fahrzeugüberführer im Sinne des § 7 SGB IV bei ihr beschäftigt seien. Die Beklagte hörte die Klägerin sowie die Beigeladenen zur beabsichtigten Feststellung von abhängigen Beschäftigungsverhältnissen an. Die Beigeladenen, die sich hierauf gegenüber der Beklagten äußerten, vertraten übereinstimmend die Auffassung, selbstständig für die Klägerin tätig zu sein. Der Beigeladene zu 1) verwies zudem auf das von ihm betriebene Taxiunternehmen, der Beigeladene zu 2) teilte mit, für eine Vielzahl von Arbeitgebern tätig zu sein und der Beigeladene zu 3) gab an, eine eigene Firma zu betreiben und für viele andere Kunden tätig zu sein. Der Beigeladene zu 7) führte aus, die AOK B. habe ihm mit Bescheid vom 10. Juni 1999 bescheinigt, im Hinblick auf seine verschiedenen Auftraggeber selbstständig tätig zu sein. Hierauf habe die Beklagte es abgelehnt, über seinen Antrag nach § 7 a SGB IV zu entscheiden. Die Beigeladene zu 8) verwies auf ihre anderen Auftraggeber und gab an, dass auch T. J. für die Klägerin Aufträge erledige. Der Beigeladene zu 10) führte aus, dass er nach Erhalt eines Arbeitsvertrags der Klägerin gegenüber erklärt habe, selbstständig arbeiten zu wollen. Die Beigeladene zu 12) verwies auf ihr Kleingewerbe, der Beigeladene zu 13) gab an, selbstständiger EDV-Unternehmer zu sein und der Beigeladene zu 14) führte aus, seit 2001 freiberuflich als Heilpraktiker zu arbeiten. Der Beigeladene zu 16) teilte mit, als Flugbegleiter vollzeitbeschäftigt zu sein und der Beigeladene zu 17) gab an, er studiere und sei als Promotor für drei weitere Firmen tätig.

Mit Bescheid vom 10. Juni 2002 stellte die Beklagte gegenüber der Klägerin fest, dass die Beigeladenen zu 1) bis 17) sozialversicherungspflichtige Beschäftigungen ausübten. Sie seien in die Arbeitsorganisation der Klägerin eingebunden. Diese erteile einseitig im Wege des Direktionsrechts Weisungen, die Zeit, Dauer und Ort der zu beurteilenden Tätigkeit sowie Art und Weise der Durchführung beträfen. Bei Gesamtwürdigung aller relevanten Tatsachen überwögen die Merkmale für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis. Gegenüber den Beigeladenen erließ die Beklagte ebenfalls unter dem 10. Juni 2002 Bescheide, in denen sie die Versicherungspflicht feststellte. Die hiergegen von den Beigeladenen zu 1) – 3), 7), 13) und 14) erhobenen Widersprüche wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheiden vom 6. Mai 2003 zurück.

Den Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte hinsichtlich der Beigeladenen zu 1) bis 16) mit Widerspruchsbescheid vom 6. Mai 2003 und hinsichtlich des Beigeladenen zu 17) mit Widerspruchsbescheid vom 1. September 2003 zurück.

Gegen den Bescheid vom 10. Juni 2002 in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 6. Mai 2003 und 1. September 2003 hat die Klägerin am 28. Mai 2003 (S 4/2 RA 397/03) bzw. 10. September 2003 (S 4/2 RA 682/03) Klage beim Sozialgericht Fulda (SG) erhoben. Mit Beschluss vom 10. August 2006 hat das SG die beiden Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.

Im Klageverfahren hat die Klägerin die Auffassung vertreten, die Beigeladenen hätten bei ihr in keinem versicherungspflichtigen Versicherungsverhältnis gestanden. Das Auftragsvolumen sei flexibel gewesen. Es habe keine Mindestübernahme von Fahrten gegeben. Die Beigeladenen hätten selbst bestimmen können, an welchen Tagen sie Aufträge für die Klägerin durchführten. Sie seien nicht in den Betrieb eingegliedert gewesen. Alle nötigen Gegenstände für die Durchführung der Aufträge seien – mit Ausnahme der Fahrzeuge - von den Beigeladenen gestellt worden. Sie hätten ein Unternehmerrisiko getragen (Haftung für das Fahrzeug, Kapitaleinsatz in Form von Faxgerät, Handy, Navigationssystem sowie Freisprechanlage, Benzinkosten, Risiko bei Insolvenz der Klägerin, kein Lohn bei Krankheit, Entlohnung nur für geleistete Dienste). Es sei unbedeutend, dass die persönliche Leistungserbringung die Regel gewesen sei, da die Beigeladenen die Überführungen jedenfalls nicht persönlich hätten durchführen müssen. In der Auftragsdurchführung hätten jedenfalls völlige Freiheit und keine umfassenden Berichtspflichten bestanden. Die Rechnungserstellung seitens der Beigeladenen sei mit Ausweisung der Mehrwertsteuer erfolgt. In der mündlichen Verhandlung vor dem SG hat die Klägerin ferner angegeben, dass sie die Kosten für An- und Abfahrt, die im Zusammenhang mit der Überführungstätigkeit gestanden haben, übernommen habe. Alle Beigeladenen seien noch anderen Tätigkeiten nachgegangen, was auch Voraussetzung für einen Lieferantenvertrag mit der Klägerin gewesen sei. So hätten vor Vertragsabschluss immer die Gewerbescheine vorgelegt werden müssen. Die Betriebs-Richtlinien seien in erster Linie für die festangestellten Mitarbeiter erstellt worden.

Mit Urteil vom 10. August 2006 hat das Sozialgericht Fulda den Bescheid vom 10. Juni 2002 in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 6. Mai 2003 und 1. September 2003 aufgehoben und der Beklagten die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen auferlegt. Gegen eine abhängige Beschäftigung spreche, dass die Beigeladenen für mehrere Auftraggeber tätig werden konnten und Aufträge ablehnen sowie eigene Arbeitnehmer einsetzen durften. Insoweit habe keine Eingliederung in die Arbeitsorganisation der Klägerin stattgefunden und freie Verfügbarkeit über die eigene Arbeitskraft bestanden. Für eine abhängige Beschäftigung spreche hingegen insbesondere das fehlende Unternehmerrisiko. Insgesamt sei zur Überzeugung des Gerichts nicht erwiesen, dass die Beigeladenen als Fahrzeugüberführer sozialversicherungspflichtig beschäftigt gewesen seien. Die Feststellungslast trage die Beklagte, die sich auf die Versicherungspflicht berufe.

Die Beklagte hat gegen dieses ihr am 9. Oktober 2006 zugestellte Urteil am 18. Oktober 2006 beim Hessischen Landessozialgericht Berufung eingelegt.

Sie ist der Auffassung, dass zwischen der Klägerin und den Beigeladenen kein Dauerrechtsverhältnis, sondern lediglich kurzfristige Vertragsverhältnisse bestanden hätten. Daher habe selbstverständlich Entschließungsfreiheit bestanden, Aufträge nach Belieben abzulehnen und neue Vertragsbeziehungen zu begründen. Innerhalb des abgeschlossenen Vertrages sei der jeweilige Beigeladene hingegen gebunden gewesen und habe seine Arbeitskraft im vereinbarten Umfang dem Betrieb der Klägerin zur Verfügung stellen müssen. Eine unternehmerische Gestaltungsfreiheit habe nicht bestanden. Die Beigeladenen seien vielmehr als Aushilfskräfte zu sehen, die in Fällen personeller Engpässe der Klägerin Fahrzeugüberführungen übernommen hätten. Die Beklagte verweist ferner auf die Betriebs-Richtlinien, die auch die Beigeladenen zu beachten gehabt hätten. Dass die Beigeladenen für mehrere Auftraggeber tätig sein durften und teilweise auch waren, sei nicht ausschlaggebend, da im Rahmen des Statusfeststellungsverfahrens jedes Auftragsverhältnis gesondert zu prüfen sei. Schließlich hätten die Beigeladenen aufgrund der Vergütung auf Stundensatzbasis und pauschaler Computerkalkulation der Klägerin keine Möglichkeit zur freien Preiskalkulation gehabt, wie sie für Selbstständige üblich sei.

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Fulda vom 10. August 2006 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,
über das Urteil des Sozialgerichts Fulda vom 10. August 2006 hinaus die Beklagte zu verurteilen, festzustellen, dass die Beigeladenen zu 1) bis 17) bei der Klägerin nicht als abhängig Beschäftigte tätig gewesen sind und die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angegriffene Urteil für zutreffend. In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat sie ergänzend angegeben, dass in der streitgegenständlichen Zeit die Mehrzahl der Auftraggeber die Fahrzeuge jeweils auf ihre Unternehmen zugelassen und versichert hätten. Die Frage der Haftung für Schäden der überführten Fahrzeuge habe deshalb in den Vertragsverhältnissen mit den Lieferanten keine praktische Rolle gespielt. Von den seltenen Unfallschäden seien die Beigeladenen zudem nicht betroffen gewesen. Die Beigeladenen seien Teil eines Pools gewesen, mit welchem die Nachfragespitzen bewältigt werden sollten.

Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt. Die Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung ihr Einverständnis zum Feststellungsantrag der Klägerin erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der beigezogenen Akten der Klägerin sowie der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten ist zulässig, aber unbegründet. Zu Recht hat das Sozialgericht den Bescheid vom 10. Juni 2002 in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 6. Mai 2003 und 1. September 2003 aufgehoben. Die Beklagte ist in dem von der Klägerin eingeleiteten Statusfeststellungsverfahren (§ 7 a SGB IV) aufgrund einer Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalls (§ 7 a Abs. 2 SGB IV) rechtsfehlerhaft zu dem Ergebnis gelangt, dass die Beigeladenen in abhängigen Beschäftigungsverhältnissen zur Klägerin gestanden haben.

Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ist § 7 Abs. 1 SGB IV. Danach ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in dem Betrieb eingegliedert ist und er dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit insbesondere durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (zur Verfassungsmäßigkeit der Abgrenzung zwischen abhängiger Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit vgl. Bundesverfassungsgericht, Kammerbeschluss vom 20. Mai 1996 1 BvR 21/96SozR 3-2400 § 7 Nr. 11). Maßgebend ist stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung (vgl. BSG, Urteil vom 28. Mai 2008 - B 12 KR 13/07 R – juris, m.w.N.).

Bei Würdigung des Gesamtbildes der Tätigkeiten der Beigeladenen ist davon auszugehen, dass diese bei der Klägerin in ihrer Tätigkeit als Fahrzeugüberführer nicht abhängig beschäftigt waren.

Ausgangspunkt der Prüfung ist zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt und sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung geht jedoch der formellen Vereinbarung regelmäßig vor. Daher gilt, dass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von den Vereinbarungen abweichen. Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung danach so, wie sie praktiziert wird, und die praktizierte Beziehung so, wie sie rechtlich zulässig ist (vgl. BSG, Urteil vom 28. Mai 2008, a.a.O.; Urteil vom 24. Januar 2007, B 12 KR 31/06 R, SozR 4-2400 § 7 Nr. 7; Urteil vom 25. Januar 2006, B 12 KR 30/04 R, Die Beiträge, Beilage 2006, 149 jeweils m.w.N.).

Aufgrund der zwischen der Klägerin und den beigeladenen Fahrzeugüberführern geschlossenen Verträge ist die Überführungstätigkeit der Beigeladenen als selbstständige Tätigkeit zu bewerten. Nach den Lieferantenverträgen traf die Klägerin keine Beschäftigungspflicht und die Fahrzeugüberführer keine Pflicht, bestimmte Fahrten für die Klägerin zu übernehmen. Den Beigeladenen wurden kein Urlaubs- oder Weihnachtsgeld und keine Über- oder Mehrarbeits- sowie Sonntagszuschläge gewährt. Auch haben sie weder Lohnfortzahlung im Krankheitsfall noch bezahlten Urlaub erhalten. Den Beigeladenen oblag die selbstständige Rechnungsstellung. Sie unterlagen ferner Vertragsstrafen, soweit sie rechtswidrig und schuldhaft wesentliche Vertragspflichten verletzten.

Diese vertraglichen Abreden sprechen als starke Indizien für das Vorliegen einer selbstständigen Tätigkeit. Denn das (wirtschaftliche) Ergebnis der Gestaltung ihrer Überführungstätigkeit für die Klägerin traf die Beigeladenen danach unmittelbar selbst (s. a. Bay. LSG, Urteil vom 17.11.2006 – L 5 KR 293/05 – juris).

Demgegenüber ist dem für eine abhängige Beschäftigung sprechenden Indiz, dass sich die Beigeladenen an die Weisungen der Klägerin zu halten hatten, nur wenig Gewicht beizumessen. Dass gewisse "Eckpunkte" des jeweiligen Auftrags, wie Zeitpunkt und Zielort der Durchführung von der Klägerin vorgegeben worden sind, ist ohne entscheidende Bedeutung. Allein aus der verringerten Autonomie der Fahrzeugüberführer bei der Durchführung der einzelnen Einsätze kann nicht auf eine Weisungsgebundenheit im geforderten Sinne und damit auf eine persönliche Abhängigkeit von der Klägerin geschlossen werden (vgl. BSG, Urteil vom 28. Mai 2008, a.a.O., m.w.N.). Denn diese Weisungen ergeben sich nahezu zwingend aus der Art der Aufträge. So waren insbesondere Überführungsort und -zeitpunkt von dem jeweiligen Kunden abhängig. Darüber hinaus blieben den Beigeladenen bei der Ausführung der Überführungsfahrten gewisse Freiheiten. So war diesen der Übernahme- bzw. Abgabetermin nur tagesgenau, nicht aber minutengenau vorgegeben (s. a. Bay. LSG, Urteil vom 17.11.2006, a.a.O.).

Auch die tatsächliche Umsetzung der vertraglichen Vereinbarung rechtfertigt nach Auffassung des Senats die Annahme, dass die Beigeladenen bei der Klägerin nicht abhängig beschäftigt waren. Die praktizierten Rechtsbeziehungen standen zu den vertraglichen Vereinbarungen nicht im Widerspruch.

Die Beigeladenen waren auch nicht wie Beschäftigte in den Betrieb der Klägerin eingegliedert. Abzustellen ist hierbei auf die Verhältnisse, die nach Annahme des jeweiligen Einzelauftrags auf der Grundlage des Lieferantenvertrags bestanden. Die Beigeladenen hielten sich nicht in den Betriebsräumen der Klägerin auf. Ihre Einsätze waren auch nicht durch einseitig aufgestellte Dienstpläne geregelt. Die Klägerin konnte daher – anders als bei ihren festangestellten Beschäftigten – gegenüber den Beigeladenen nicht innerhalb eines bestimmten zeitlichen Rahmens über deren Arbeitskraft frei verfügen. Diese waren vielmehr in völlig unterschiedlichem zeitlichem Umfang für die Klägerin tätig. Ausweislich der von der Klägerin vorgelegten Abrechnungsunterlagen betrug die Einsatzfrequenz der einzelnen Beigeladenen zwischen keinem und maximal 17 Einsätzen pro Monat. Diese unterschiedliche "Auslastung" der Beigeladenen resultierte insbesondere aus deren Tätigkeiten für andere Auftraggeber.

Auch wenn man davon ausgeht, dass im Rahmen der Lieferantenverträge jeweils einzelne kurze Vertragsverhältnisse begründet worden sind, kann hieraus nicht geschlossen werden, dass die Beigeladenen in abhängigen Beschäftigungsverhältnissen mit der Klägerin gestanden haben. Aus einer Aneinanderreihung kurzfristiger Vertragsverhältnisse kann rechtlich lediglich gefolgert werden, dass ein Dauerrechtsverhältnis nicht vorliegt, sondern einzelne Rechtsverhältnisse bestanden und die Fahrzeugüberführer nach Beendigung eines einzelnen Auftrags nicht verpflichtet waren, einen neuen Auftrag anzunehmen. Danach entschieden Beigeladene und Klägerin stets erneut, ob sie eine weitere Vertragsbeziehung begründen wollten. Allein aus der für derartige unständige Beschäftigungen charakteristischen geringen zeitlichen Beanspruchung durch die einzelnen Aufträge und der willkürlichen Auftragsfolge ist keine abhängige Beschäftigung zu folgern. Erforderlich ist stets eine Bewertung der einzelnen Arbeitseinsätze am Maßstab der von der Rechtsprechung für die Abgrenzung zwischen selbstständiger Tätigkeit und abhängiger Beschäftigung entwickelten Grundsätze. Danach erweisen sich die einzelnen Arbeitseinsätze der beigeladenen Fahrzeugüberführer nicht als (unständige) abhängige Beschäftigungsverhältnisse, sondern als (unständige) selbstständige Tätigkeiten (vgl. BSG, Urteil vom 28. Mai 2008, a.a.O.).

Schließlich trugen die Beigeladenen auch in gewissem Umfang ein Unternehmerrisiko. Maßgebliches Kriterium für ein solches Risiko ist es, ob eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft auch mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt wird und damit der Erfolg des Einsatzes der sächlichen oder persönlichen Mittel ungewiss ist (vgl. BSG, Urteil vom 25. Januar 2001, B 12 KR 17/00 R, SozVers 2001, 329, 332; Urteil vom 4. Juni 1998, B 12 KR 5/97 R, a.a.O., S. 36, m.w.N.). Die Beigeladenen trugen zwar nur ein geringes Risiko für eigenes Kapital, da sie außer Handy, Faxgerät, Navigationsgerät und Freisprechanlage kein eigenes Kapital einsetzten. Auch bestand aufgrund der pauschalen Bezahlung nach Stunden für die Beigeladenen nicht das Risiko, dass sie eine unzureichende Preiskalkulation vorgenommen haben. Die Beigeladenen trugen jedoch das Risiko des Ausfalls ihres Hinzuverdienstes, da sie keinen Anspruch auf Beschäftigung und entsprechende Entlohnung hatten. Dieses Risiko war insofern beachtlich, als die Klägerin vorrangig die festangestellten Fahrzeugüberführer auslastete und auf die Beigeladenen lediglich zur Bewältigung der Nachfragespitzen zurückgriff. Die Beigeladenen konnten sich mithin nicht darauf verlassen, dass sie an den Tagen, an denen sie sich für Aufträge seitens der Klägerin zur Verfügung hielten, auch entsprechende Einnahmen erzielen konnten. Darüber hinaus trugen die Beigeladenen ein – wenn auch nur geringes – Unternehmerrisiko, falls sich eine Überführung zeitlich verzögerte, ohne dass dies bei der Berechnung der Pauschale seitens der Klägerin zu berücksichtigen war.

Der Feststellungsantrag der Klägerin ist im Wege der Anschlussberufung zulässig. Diese ist an keine Berufungsfrist gebunden und kann bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung gestellt werden. Auch ist sie zulässig, wenn sie nur zum Zweck der Klageerweiterung erhoben wird (s. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, § 143 Rn. 5b f., ferner § 99 Rn. 12). Gegen Verwaltungsakte, die im Statusfeststellungsverfahren erlassen wurden, ist zudem die kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage zulässig. Entgegen der Ausführungen im angegriffenen Urteil des Sozialgerichts ist nämlich die Aufhebung des Statusfeststellungsbescheides im Wege der Anfechtungsklage für sich allein nicht ausreichend. Denn für die Beteiligten besteht insoweit die Gefahr, dass das Auftragsverhältnis, das Gegenstand der Statusfeststellung war, erneut im Rahmen der turnusmäßigen Betriebsprüfung nach §§ 28 p Abs. 1 und 7 b SGB IV geprüft wird (vgl. Segebrecht/Wissing/Scheer/Wrage, in: jurisPK-SGB IV, § 7 a Rn. 143).

Der Feststellungsantrag der Klägerin ist auch begründet. Die Beklagte ist gemäß § 7 a SGB IV zu der Feststellung verpflichtet, dass die Beigeladenen - wie oben ausgeführt - nicht als abhängig Beschäftigte bei der Klägerin tätig gewesen sind.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Verbindung mit § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Die Beigeladenen haben sich am Verfahren nicht beteiligt. Ihre außergerichtlichen Kosten sind daher nicht erstattungsfähig (§ 197 a Abs. 1 SGG i. V. m. § 162 Abs. 3 VwGO).

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen von § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.

RechtsgebietSGB IVVorschriften§ 7 SGB IV

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