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14.08.2009 · IWW-Abrufnummer 092633

Kammergericht Berlin: Urteil vom 30.04.2009 – 12 U 241/07

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Kammergericht

Im Namen des Volkes

Geschäftsnummer: 12 U 241/07
8 O 325/07 Landgericht Berlin

verkündet am : 30.04.2009

In dem Rechtsstreit XXX

hat der 12. Zivilsenat des Kammergerichts auf die mündliche Verhandlung vom 23.04.2009 durch den Richter am Kammergericht Dr.XXX als Einzelrichter für R e c h t erkannt:

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 5. Dezember 2007 verkündete Urteil des Landgerichts Berlin - 8 O 325/07 - abgeändert: Die Klage wird abgewiesen.

Die Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

A.

Die Klägerin macht nach Rückabwicklung eines Autokaufvertrages wegen Mangelhaftigkeit des erworbenen Fahrzeuges Ansprüche wegen Nutzungsausfallentschädigung (6.384,00 EUR) sowie aufgewendeter Versicherungskosten, Kfz-Steuer sowie Zulassungskosten (zusammen 917,45 EUR) geltend.

Das Landgericht hat der Klage mit Urteil vom 5. Dezember 2007 in Höhe von 3.017,45 EUR nebst anteiligen Zinsen stattgegeben (2.100,- EUR Nutzungsausfallentschädigung, 917,45 EUR weitere Forderungen) und sie im Übrigen zurückgewiesen. Wegen der Einzelheiten - auch zum erstinstanzlichen Vorbringen - wird auf das Urteil Bezug genommen.

Beide Parteien greifen das Urteil (der Klägerin am 13. Dezember 2007 und der Beklagten am 10. Dezember 2007 zugestellt) mit der Berufung an.

Mit ihrer am 20. Dezember 2007 bei Gericht eingegangenen und nach entsprechender Fristverlängerung am 25. Februar 2008 begründeten Berufung wendet sich die Beklagte gegen ihre Verurteilung insgesamt.

Sie rügt, das Landgericht habe zu Unrecht angenommen, sie habe mangels hinreichender Aufklärung die Veräußerung eines mangelhaften Fahrzeuges zu vertreten, greift die vom Landgericht vorgenommene Schätzung des Zeitraums für den Nutzungsausfallschaden an und wendet ein, die Beklagte habe gegen ihre Schadensminderungspflicht verstoßen.

Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung des am 5. Dezember 2007 verkündeten Urteils des Landgerichts Berlin die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Gegenstand der am 7. Januar 2008 bei Gericht eingegangenen und nach entsprechender Fristverlängerung am 13. März 2008 begründeten Berufung der Klägerin ist der erstinstanzlich abgewiesene Teil der Klageforderung wegen Nutzungsausfallentschädigung.

Die Klägerin greift die Feststellungen des Landgerichts zum eingeschränkten Nutzungswillen an, auf denen die teilweise Klageabweisung beruht. Das Landgericht habe es pflichtwidrig unterlassen, darauf hinzuweisen, dass es den Vortrag zum Nutzungswillen als unzureichend angesehen habe. Tatsächlich habe sie durchgängig ein Fahrzeug nutzen wollen.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, weitere 4.284,00 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 4. Mai 2007 an sie zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Das Vorbringen der Beklagten zur Berufungsbegründung ergibt sich aus ihren Schriftsätzen vom 25. Februar 2008, 16. Juni 2008, 14. August 2008, 12. Januar 2009 und vom 18. Februar 2009.

Wegen des Klägervorbringens in der Berufungsinstanz wird auf die Schriftsätze vom 13. März 2008, 3. Juli 2008, 30. Juli 2008, 5. Februar 2009 sowie vom 23. April 2009 verwiesen.

Der Senat hat die Sache mit Beschluss vom 2. Januar 2009 dem Einzelrichter übertragen, § 526 Abs. 1 ZPO.

B.

I. Die Berufung der Beklagten ist erfolgreich.

1. Der Klägerin steht entgegen der Auffassung des Landgerichts kein Geldersatz in Form einer abstrakt berechneten Nutzungsausfallentschädigung für die Nichtnutzung des von ihr bei der Beklagten erworbenen und später zurückgegebenen Pkw Honda Jazz in der Zeit ab Vorliegen des Privatgutachtens des Sachverständigenzentrums Berlin bis zum Erwerb eines Ersatzfahrzeuges zu (8. Dezember 2005 bis zum 24. April 2006), also auch nicht für den vom Landgericht nach § 287 Abs. 1 ZPO auf 60 Tage begrenzten Teil dieses Zeitraums.

a) Zwar hat das Landgericht rechtsfehlerfrei unter Hinweis auf die §§ 437 Nr. 3, 280 Abs. 1, 276 Abs. 1, 2 BGB ein haftungsbegründendes Verschulden der Beklagten am Abschluss des Vertrages über ein mangelhaftes Fahrzeug bejaht.

Die Beklagte war angesichts der ihr vorliegenden Informationen über die Vorgeschichte des Fahrzeuges gehalten, das Fahrzeug vor der Weiterveräußerung näher zu überprüfen. Mit dem Landgericht ist davon auszugehen, dass sie bei dieser Überprüfung die im Vorprozess über die Rückabwicklung (Landgericht Berlin - 37 O 36/06) sachverständig festgestellten erheblichen Mängel mit Verkehrsgefährdung bemerkt hätte und das Fahrzeug infolgedessen nicht in diesem Zustand weiterveräußert worden wäre (UA Seite 5 ff.).

Erfolglos verweist die Beklagte auf den von ihr eingeholten Zustandsbericht des FSP-Schaden- und Wertgutachterdienstes GmbH, nach dem das Fahrzeug nur an der Karosserie Mängel ohne Beeinflussung der Betriebs- und Verkehrssicherheit aufgewiesen haben soll, ansonsten aber in Ordnung gewesen sein soll. Dieser Bericht kann die Beklagte deshalb nicht entlasten, weil er erst am 13. April 2005 und damit nach Abschluss des Kaufvertrages vom 11. April 2005 gefertigt worden ist. Die vom Landgericht richtig dargestellten Überprüfungspflichten vor Vertragsabschluss sind dadurch nicht rückwirkend entfallen, die Beklagte ist nicht entlastet.

b) Zu Recht hat das Landgericht zudem jedenfalls für den von ihm geschätzten Zeitraum von 60 Tagen einen für eine Nutzungsausfallentschädigung erforderlichen Nutzungswillen der Klägerin bejaht.

c) Ein Anspruch der Klägerin scheitert auch nicht an einem Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht nach § 254 Abs. 2 BGB: Es ist - einen Ersatzanspruch unterstellt - weder vorgetragen noch ersichtlich, was die Klägerin zur Vermeidung eines Schadens der Beklagten hätte tun können oder sollen.

d) Aus Rechtsgründen kann die Klägerin jedoch keinen abstrakt berechneten Schadensersatz für entgangene Nutzungen des Fahrzeuges für entgangene Gebrauchsvorteile für die Zeit ab Beendigung der Nutzung des gekauften Pkw bis zur Rückabwicklung des Vertrages verlangen.

Eine vertragliche Vereinbarung zum pauschalen Ersatz derartiger Nutzungsmöglichkeiten haben die Parteien nicht getroffen. Im Kaufvertrag vom 11. April 2005 ist von derartigen Ansprüchen keine Rede. Die Ansprüche lassen sich auch nicht aus dem Gesetz ableiten. Es ist entgegen der Rechtsprechung des BGH (Urteil vom 28. November 2007 - VIII ZR 16/07 -, NJW 2008, 911) sowie einiger Oberlandesgerichte nicht gerechtfertigt, dem Käufer eines Fahrzeuges nach Rücktritt vom Kaufvertrag im Rahmen seines Schadensersatzanspruches Ersatz für zwischenzeitlich entstandenen Nutzungsausfall zuzusprechen. Dies hat das Landgericht jedoch getan.

(1) Der erkennende Richter kann sich dem vom BGH gewählten schadensrechtlichen Ansatz für die Begründung eines Anspruchs des Käufers auf Nutzungsausfallentschädigung nicht anschließen.

(a) Die Neuregelung des § 325 BGB, nach der das Recht, bei einem gegenseitigen Vertrag Schadensersatz zu verlangen, durch den Rücktritt nicht ausgeschlossen wird, wirft die Frage auf, wie sich das am negativen Interesse orientierte Rücktrittsfolgenrecht mit dem auf das positive Interesse gerichteten vertraglichen Schadensersatzanspruch vereinbaren lässt und was in diesem Zusammenhang für die gezogenen oder pflichtwidrig nicht gezogenen Nutzungen gilt, die das Rücktrittsfolgenrecht dem Rücktrittsgläubiger, bei einem Fahrzeugkauf also dem Verkäufer, zuweist (§§ 346 Abs. 1 und 2, 347 Abs. 1 Satz 2 BGB).

(b) Der BGH hat diese Frage in der vorgenannten Entscheidung, in dem Ersatz von Mietwagenkosten nach Rücktritt vom Kauf eines gebrauchten Pkw verlangt wurde, jüngst dahin beantwortet, die gesetzgeberische Grundentscheidung für einen Anspruch auf Ersatz des Erfüllungsschadens neben dem Rücktrittsrecht führe dazu, dass auch der Nutzungsausfallschaden zum Erfüllungsschaden gehöre.

In diesem Fall - so der BGH - verbleibe trotz der am negativen Interesse orientierten Rückgabe des gekauften Fahrzeuges gegen Erstattung des geleisteten Kaufpreises abzüglich einer Nutzungsausfallentschädigung für den Verkäufer ein Schaden in Form zwischenzeitlich entgangener Nutzungsmöglichkeiten. Die Einordnung dieses Ausfalls als ersatzfähiger Schaden des Käufers werde nicht dadurch berührt, dass nach dem Rücktrittsrecht (§§ 346, 347 BGB) die zurückgetretene Partei Wertersatz für gezogene Nutzungen und für pflichtwidrig nicht gezogene Nutzungen zu leisten habe. Allerdings seien in die schadensersatzrechtliche Betrachtung die vermögensmäßigen Folgen des Rücktritts einzubeziehen.

Im Ergebnis führt diese Auslegung dazu, dass die gesetzlichen Regelungen über das Rücktrittsfolgenrecht durch eine schadensrechtliche Betrachtung "überspielt" und die gesetzlichen Anordnungen des Rücktrittsfolgenrechts durch die Schadensberechnung "korrigiert" werden (Soergel/Gsell, BGB, 13. Aufl. 2005, § 325 BGB, Rn. 3; dies., NJW 2008, 912 [913]). Dem Rücktrittsrecht kommt in einem zweistufigen Verfahren im Wesentlichen noch die Funktion zu, die nach dem Vertrag ausgetauschten Leistungen zu stornieren, um so den Boden für eine schadensersatzrechtliche Prüfung am Maßstab der von den Parteien vertraglich festgelegten Äquivalenz dieser Leistungen zu bereiten.

(c) Das begegnet in mehrfacher Hinsicht Bedenken.

Infolge der Regelung des § 325 BGB, der keine eigenständige materielle Regelung über Voraussetzungen und Inhalt des Schadensersatzanspruchs trifft, stehen Rücktrittsrecht und Schadensersatzrecht im Gesetz gleichwertig nebeneinander, was nahelegt, bei ihrer Auslegung ein Ergebnis praktischer Konkordanz anzustreben, also beiden Regelungssystemen zu größtmöglicher Geltung zu verhelfen (vgl. Faust, JZ 2008, 471 [474]). Letztlich verfolgt auch der BGH dieses Ziel, indem er zwar einerseits einen Schadensersatzanspruch für den Fall annimmt, dass der Käufer vom Vertrag zurückgetreten ist, den Kaufpreis gegen Rückgabe der mangelhaften Kaufsache zurückerhalten hat und für die bis zur Rückgabe gezogenen Nutzungen Wertersatz geleistet hat (a.a.O. Rn. 10), andererseits die vermögensmäßigen Folgen des Rücktritts bei der schadensrechtlichen Betrachtung einbeziehen will (a.a.O., Rn. 15). Dabei begründet er die Ausgangsentscheidung zu Gunsten einer schadensrechtlichen Perspektive ausschließlich mit der aus § 325 BGB abgeleiteten Reichweite des positiven Interesses, das eben generell auch den Nutzungsausfallschaden umfasse. Das erscheint nicht überzeugend. Mit gleichem Recht ermöglicht das einschränkungslose Nebeneinander beider Regelungen ein Gesetzesverständnis, nach dem das im Schadensersatzrecht generell umfassende positive Interesse durch die Rücktrittsregelungen zum Nutzungsausfall für diesen Fall eingeschränkt wird und Ersatzansprüche des Rücktrittsgläubigers im Hinblick auf kongruente Regelungen zu dessen Herausgabe- und Ersatzpflicht ausgeschlossen sind (für eine abschließende Regelung durch das Rücktrittsrecht Staudinger/Otto, Neubearbeitung 2004, § 325 BGB, Rn. 28; a.A. Soergel/Gsell, a.a.O., § 325 BGB, Rn. 42; dies. JZ 2004, 643 [644]).

Für dieses Verständnis - Schadensersatz nur, soweit nicht das Rücktrittsrecht eigene Regelungen enthält - sprechen nicht nur die "Proportionen" der gesetzlichen Regelungen, also der Umstand, dass eine detaillierte Rücktrittsfolgenregelung dem knappen Hinweis in § 325 BGB gegenübersteht, Schadensersatzforderungen seien durch den Rücktritt nicht ausgeschlossen.

Hierfür spricht auch die Regelung des § 281 Abs. 5 BGB. Verlangt der Schuldner Schadensersatz statt der Leistung wegen nicht oder nicht wie geschuldet erbrachter Leistung ("großer Schadensersatz"), so ist der Schuldner zur Rückforderung des Geleisteten nach den §§ 346 bis 348 BGB berechtigt. Damit gelten in diesem Fall, der auch nach Auffassung des BGH dem Rücktritt mit
gleichzeitigem Schadensersatzverlangen vergleichbar ist, ebenfalls die Regelungen zur Nutzungsentschädigung (vgl. Staudinger/Otto, a.a.O., § 281 BGB, Rn. E 4; Prütting/Wegen/ Weinreich/Schmidt-Kessel, BGB, 4. Aufl. 2009, § 281 BGB, Rn. 32: "Mögliche Gegenansprüche des Schuldners auf Rückabwicklung bereits erbrachter (Teil-)Leistungen werden nicht in die Schadensberechnung einbezogen, sie richten sich vielmehr wegen des Verweises in § 281 V nach Rücktrittsfolgenrecht, §§ 346 - 348. Auch hier zeigt sich, dass Liquidation einer Leistungspflicht durch Schadensersatz statt der Leistung und Rücktritt + Schadensersatz funktional vergleichbar sind"; Jauernig/Stadler, BGB, 12. Aufl. 2007, § 282 BGB, Rn. 32; Reinking/Eggert, Der Autokauf, 10. Aufl. 2009, Rn. 1874).

Zu Recht weist Faust (a.a.O., Seite 474, unter Bezug auf die Gesetzesbegründung) auf die Unvereinbarkeit der BGH-Lösung mit dieser Regelung hin: Würde das Gesetz in derartigen Fällen von einer schadensrechtlichen Lösung ausgehen, und bildete die Anwendung des Rücktrittsrechts dabei nur eine verfahrensmäßige Zwischenstation, wäre die gesetzliche Verweisung auf das Rücktrittsrecht nicht nur überflüssig, sondern unzutreffend, weil irreführend (vgl. zu den Grenzen der Auslegung einer Verweisungsnorm auf das Rücktrittsrecht bei klarem Wortlaut BGH, NJW 2009, 427, Rn. 20).

Gegen die vom BGH gefundene Auslegung spricht ferner, dass sie dem Gesetz bezüglich der Nutzungsentschädigung einen Inhalt beimisst, der zu einer selbstwidersprüchlichen "doloagit"-Situation der Beteiligten führt. Zwar hatte der BGH im entschiedenen Fall keine Veranlassung, sich im Einzelnen mit der Schadensberechnung im Hinblick auf gezahlte Nutzungsentschädigung des Käufers zu befassen, weil die Forderung von einem weiteren berücksichtigungspflichtigen Schaden überlagert wurde. Allerdings deutet die knappe Formulierung in Rn. 10 an, dass der Käufer und Rücktrittsgläubiger offenbar - sofern er die Kaufsache trotz Mangels genutzt hat - zunächst eine Nutzungsentschädigung an den Verkäufer und Rücktrittsschuldner zu zahlen haben soll, sodann aber einen gegenläufigen Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung geltend machen kann (vgl. zur Art der Berechnung und möglichen Aufrechnungslagen Staudinger/Kaiser, BGB, Neubearbeitung 2004, Vorbem. § 346 BGB, Rn. 78; Dauner-Lieb/Heidel/Ring/BGB, § 325 BGB, Rn. 5, Faust, a.a.O., Seite 474, weist auf Schwierigkeiten hin, sofern im Rahmen des Rücktrittsrecht Nutzungsausfallersatz zu leisten ist, ein gegenläufiger Schadensersatzverhältnis jedoch nur eingeschränkt besteht). Das Entstehen derartiger widersprüchlicher Ersatzanspruchszuweisungen spricht gegen die schadensrechtliche Auslegung und dafür, die rücktrittsrechtliche Lösung als abschließend anzusehen.

Ohne Bedeutung für diese Erwägungen zur Auslegung ist die Frage, ob es rechtspolitisch erstrebenswert ist, auch bei Rücktritt oder großem Schadensersatz einen Anspruch auf Ersatz eines Nutzungsausfallschadens zuzubilligen. Diese Frage hat der Gesetzgeber zu entscheiden. Der erkennende Richter kann abweichend vom BGH dem Gesetz gegenwärtig eine positive Antwort darauf nicht entnehmen.

(d) Auch aus den Entscheidungen des OLG Koblenz (NJW-RR 2007, 1291) sowie des OLG Düsseldorf (Beschluss vom 28. Januar 2008 - I-1 U 151/07), die einen Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung bejaht haben, ergeben sich keine neuen Argumente. Das OLG Celle (NJW-RR 2008, 1635) hat seine entsprechende Auffassung im Wesentlichen auf das vorgenannte Urteil des BGH gestützt.

(2) Selbst bei Annahme der vom BGH verlangten primär schadensrechtlichen Betrachtung ist - aus schadensrechtlichen Gründen - ein Nutzungsausfall bei Rücktritt vom Kaufvertrag nicht ersatzfähig.

(a) Die Ersatzfähigkeit von Nutzungsausfall als Vermögensschaden beruht auf der Voraussetzung, dass Schäden nicht nur durch den Vergleich der Substanzwerte vor und nach dem schädigenden Ereignis zu erfassen sind, sondern dass eine wertende Betrachtung der Beeinträchtigung des auf dem Substanzwert beruhenden Nutzungswert geboten ist.

Nach § 253 BGB kann wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, Entschädigung in Geld nur in den durch das Gesetz bestimmten Fällen gefordert werden. Eine ausdrückliche generelle Regelung zur Ersatzfähigkeit entgangener Gebrauchsvorteile von Sachen enthält das Gesetz nicht. Der BGH hat allerdings im Wege der Auslegung den Rechtsbegriff "Vermögensschaden" so weiterentwickelt, dass unter besonderen Bedingungen die entgangene Gebrauchsmöglichkeit einen ersatzfähigen Vermögensschaden darstellt. Ausgehend von dem Gedanken, dass "in einer am Vermögensbestand ausgerichteten Differenzrechnung der zeitweise Verlust des Eigengebrauchs einer Sache selbst nicht ausgewiesen ist", hat der BGH ausgeführt, die Differenzmethode als wertneutrale Rechenoperation enthebe nicht davon, am Schutzzweck der Haftung und an der Ausgleichsfunktion des Schadensersatzes die in die Differenzbilanz einzusetzenden Rechnungsposten wertend zu bestimmen (BGH, NJW 1987, 50, Rn. 26).

Im Rahmen dieser wertenden Bestimmung hat er hervorgehoben, häufig läge der Wert eines Vermögensgegenstandes eher im Nutzungswert als im Substanzwert: „Eine auf den Ausgleich von Vermögensschäden ausgerichtete Differenzrechnung kann nicht außer Acht lassen, daß Wesen und Bedeutung des Vermögens sich nicht in dessen Bestand - dem ‘Haben’ - erschöpfen, sondern daß sie auch die im Vermögen verkörperten Möglichkeiten für den Vermögensträger umfassen, es zur Verwirklichung seiner Lebensziele zu nutzen [...]. Diese funktionale Zuweisung ist im vermögenswerten Recht mitgeschützt" (vgl. BGH, a.a.O.; vgl. auch Palandt/Heinrichs, BGB, 68. Aufl. 2009, Vorb v § 249 BGB, Rn. 11 ff., 20 ff. m.w.N.).

Auf dieser Grundlage hat der BGH für den Bereich der eigenwirtschaftlichen Nutzung bestimmter Güter des Geschädigten, darunter Kraftfahrzeuge, den vorübergehenden Verlust der Nutzungsmöglichkeit bei entsprechendem Nutzungswillen und Nutzungsmöglichkeit als abstrakt ersatzfähigen Vermögensschaden angesehen, und zwar unabhängig davon, auf welche haftungsbegründende Norm die Schadensersatzpflicht gestützt wird (BGH, NJW 1983, 2139; vgl. auch die Rechtsprechungsübersicht bei MünchKommBGB/Oetker, 5. Aufl. 2007, § 249 BGB, Rn. 60 ff. m.w.N.).

(b) Die durch § 325 BGB eröffnete Kombination von Rücktritt und Schadensersatzverlangen führt zu einer Trennung der nach dieser Rechtsprechung vorausgesetzten Verbindung von Sach- und Nutzungswert beim Geschädigten und entzieht so der dargestellten schadensrechtlichen Auslegung nach altem Recht für diese Fallkonstellation ihre Rechtfertigung. Bei der gebotenen wertenden Betrachtung kann nicht außer Acht bleiben, dass im Rahmen des Rücktritts der anfängliche Zustand wieder hergestellt werden soll, der Schuldner und Käufer also nicht nur seinen Kaufpreis zurückerhalten soll, sondern nach § 347 Abs. 1 BGB einen Anspruch auf Ersatz für solche möglichen Nutzungen hat, die der Gläubiger und Verkäufer nach den Regeln einer ordnungsmäßigen Wirtschaft hätte ziehen können und müssen. Damit findet sich im Gesetz eine Regelung, die den Käufer dafür entschädigt, dass er das an den Verkäufer Geleistete bis zur Rückabwicklung nicht nutzen konnte. Für eine Auslegung des Begriffes "Vermögensschaden", die trotz Rückführung der Leistung nebst Begleitansprüchen bezüglich Nutzungen eigenständig an den Nutzungswert der Sache anknüpft, ist aus Sicht des erkennenden Richters kein Raum. Nicht überzeugend ist der Hinweis von Reinking/Eggert (Der Autokauf, 10. Aufl. 2009, Rn. 1872), der entgangene Gebrauchsvorteil büße seinen "fragwürdigen, aber anerkannten Charakter als Schadenposten nicht dadurch ein, dass der Käufer Rückzahlung des Kaufpreises beanspruchen" könne: Er lässt die Gründe, die zur Akzeptanz als ersatzfähige Schadensposition geführt haben, außer Betracht.

Der Hinweis auf die vom BGH zitierte Rechtsprechung zum Nutzungsausfall im Rahmen der Lieferung einer mangelhaften Sache nach altem Recht führt - zumal unter der Geltung des bereits genannten § 281 Abs. 5 BGB - nicht zu einer anderen Beurteilung, denn keine der Entscheidungen bezieht sich auf einen Fall, in dem neben dem Schadensersatz die wechselseitigen Leistungen zurückzuführen waren, also Sach- und Nutzungswert verschiedenen Personen zustanden.

Die Entscheidung BGH NJW 1978, 2241 betrifft erkennbar einen Fall, in dem der Kläger das Fahrzeug behalten hat, denn Gegenstand der Forderungen waren außer Nutzungsentgang Reparaturkosten sowie Wertminderung; letztlich hat der BGH Nutzungsausfall auf deliktischer Grundlage für berechtigt gehalten. Im Fall BGH NJW 1980, 1950 ging es um Nutzungsausfall als Mangelschaden in Abgrenzung zu einem Mangelfolgeschaden im Werkvertragsrecht. Gegenstand der Entscheidung NJW 1983, 2139 war ein Verzugsschadensersatz auf Nutzungsausfall.

Soweit ersichtlich, hat der BGH zu § 463 BGB a.F. keinen Fall entschieden, in dem einem Fahrzeugkäufer im Rahmen des "großen Schadensersatzes" Nutzungsausfallentschädigung zugesprochen worden ist (vgl. Reinking/Eggert, Der Autokauf, 7. Aufl. 2000, Rn. 1996; vgl. aber die Entscheidungen OLG Hamm, BB 1980, 962, und OLG Frankfurt, NZV 1993, 190 mit Anmerkung von Eggert, der auf die Kompensationswirkung von Zinsen auf den zurückzuerstattenden Kaufpreis hinweist; gegen den Ersatz entgangener Gebrauchsvorteile beim großen Schadensersatz OLG Düsseldorf, OLGR Düsseldorf 1995, 84).

2. Die Berufung der Beklagten ist auch erfolgreich, soweit sie sich gegen die Verurteilung zur Zahlung von Schadensersatz für Auslagen betreffend Haftpflicht- und Kaskoversicherung vom 8. Dezember 2005 bis zum 20. April 2007 in Höhe von 720,12 EUR, KfZ-Steuer für die Zeit vom 1. Januar 2006 bis zum 20. Juli 2007 in Höhe von 122,30 EUR sowie Zulassungskosten in Höhe von 75,00 EUR richtet.

Bezüglich der Versicherungskosten und der KfZ-Steuer muss sich die Klägerin ein haftungsausschließendes Mitverschulden anrechnen lassen, § 254 Abs. 1 und 2 BGB. In erster Linie hätte es der Klägerin im Interesse der Schadensminderung oblegen, das Fahrzeug abzumelden, nachdem sie sich endgültig entschlossen hatte, es nicht mehr zu nutzen, sondern es zurückzugeben. Wenn sie aber - wie das Landgericht auf Seite 7 UA ausgeführt hat - das Fahrzeug nicht abgemeldet hat, weil sie darauf angewiesen war, den nicht betriebssicheren Wagen auf öffentlichem Straßenland abzustellen, wäre sie aufgrund ihrer Pflicht zur Schadensminderung gehalten gewesen, das der Beklagten mitzuteilen, damit diese zur Vermeidung eines sich immer weiter entwickelnden Schadens die Möglichkeit gehabt hätte, der Klägerin eine andere Abstellmöglichkeit zu verschaffen. Ernsthafte Zweifel, dass diese das getan hätte, bestehen nicht.

Die Anmeldekosten für das Interimsfahrzeug sind als "Sowiesokosten" nicht ersatzfähig. Die Klägerin hätte diesen Betrag auch bei Anmeldung eines neuen, nach Rückabwicklung des Ursprungsvertrages erworbenen Fahrzeuges aufwenden müssen. Ob der Klägerin ein Schaden durch die Anmeldung des streitgegenständlichen Fahrzeuges entstanden ist, ist nicht Gegenstand des Rechtsstreits.

II. Die auf Zahlung weitergehender Nutzungsausfallentschädigung gerichtete Berufung der Klägerin ist aus den zu I. erläuterten Gründen erfolglos.

III. Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 97 BGB, §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

IV. Die Revision wird zugelassen, § 543 Abs. 2 ZPO.

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