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06.08.2009 · IWW-Abrufnummer 092619

Bundesfinanzhof: Urteil vom 23.04.2009 – V R 84/07

1. Die Anforderungen an den nach § 6 Abs. 4 UStG i.V.m. §§ 8 ff. UStDV beizubringenden Belegnachweis können nicht durch die Finanzverwaltung um weitere Voraussetzungen, wie z.B. das Erfordernis, die Bevollmächtigung eines für den Abnehmer handelnden Beauftragten belegmäßig nachzuweisen, verschärft werden.



2. Der vom Unternehmer beigebrachte Belegnachweis unterliegt der Nachprüfung durch die Finanzverwaltung. Im Rahmen dieser Prüfung ist nach den allgemeinen Beweisregeln und -grundsätzen zu entscheiden, ob eine vom Vertreter des Abnehmers behauptete Bevollmächtigung besteht. Dabei bestimmt sich die Person des Abnehmers einer Ausfuhrlieferung nach dem der Ausfuhrlieferung zugrunde liegenden Rechtsverhältnis.


Gründe:

I.

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine KG, betreibt ein Juweliergeschäft. In den Streitjahren 1996 und 1998 erwarb K von der Klägerin Armbanduhren im erheblichen Umfang und gab dabei an, als Stellvertreter für den im Drittlandsgebiet ansässigen F zu handeln. Die Klägerin hatte zu F keinen unmittelbaren Kontakt. Der Klägerin lag auch keine für K erteilte Vollmacht vor. Sie erstellte über die von ihr gelieferten Uhren Ausfuhr- und Abnehmerbescheinigungen für Umsatzsteuerzwecke bei Ausfuhren im außergemeinschaftlichen Reiseverkehr gemäß § 17 der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung (UStDV), nach denen F der Abnehmer der Lieferungen war. F führte die Uhren nach Erhalt von K teils über den Flughafen Paris-Charles de Gaulle, teils über die Hauptzollämter Krefeld und Düsseldorf aus, wobei die Ausfuhr- und Abnehmerbescheinigungen vom französischen oder vom deutschen Zoll abgestempelt wurden. Bei der jeweils nächsten Einreise "nach Europa" gab F Uhren und Ausfuhrpapiere an K zurück. K veräußerte die Uhren auf Uhrenbörsen und händigte die Ausfuhrbescheinigungen an die Klägerin aus. Die Klägerin behandelte die Umsätze zunächst als steuerpflichtig und behielt die Umsatzsteuer ein. Nach Aushändigung der jeweiligen Ausfuhrbescheinigung erstattete sie die Umsatzsteuer an K und machte für die Umsätze in ihren Umsatzsteuererklärungen die Steuerfreiheit für Ausfuhrlieferungen geltend.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) ging im Anschluss an ein steuerstrafrechtliches Ermittlungsverfahren gegen K davon aus, dass die Klägerin keine steuerfreien Ausfuhrlieferungen erbracht habe, und änderte die für die Streitjahre bestehenden Umsatzsteuerfestsetzungen durch die Bescheide vom 21. Februar 2002. Der Einspruch hatte keinen Erfolg.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt, da die Ausfuhrlieferungen steuerfrei seien. Aus den Ausfuhrbescheinigungen ergebe sich unstreitig, dass F als Abnehmer die von der Klägerin erworbenen Uhren in das Drittlandsgebiet befördert habe. Bei F handele es sich um einen ausländischen Abnehmer, dessen Wohnsitz sich nach den Angaben in seinem Reisepass im Drittlandsgebiet befunden habe.

Das Urteil des FG ist in "Entscheidungen der Finanzgerichte" 2008, 1240 veröffentlicht.

Mit seiner Revision rügt das FA Verletzung materiellen Rechts. Der Unternehmer müsse nach § 6 Abs. 4 des Umsatzsteuergesetzes 1993 (UStG) nachweisen, dass es sich um einen "außengebietlichen" Abnehmer handele. Dabei komme es auf die allgemeinen Beweisregeln und -grundsätze an. Der Beweis könne z.B. dadurch geführt werden, dass eine Kopie des Reisepasses zu den Büchern genommen werde. Die für die Beurteilung des Wohnorts maßgeblichen Umstände könnten auch auf der Rechnungsdurchschrift vermerkt werden. Der Abnehmer könne den Gegenstand durch einen Beauftragten abholen lassen. Dabei könne es sich auch um einen inländischen Beauftragten handeln. Es müsse aber zweifelsfrei feststehen, wer das Wirtschaftsgut ins Ausland überführt habe. Der Klägerin hätten weder Personaldokumente des K noch solche des F und auch keine von F erteilte Vollmacht vorgelegen. Die Klägerin habe nur über vom Zoll abgestempelte Ausfuhr- und Abnehmerbescheinigungen verfügt. Aus diesen ergebe sich nur, dass die Uhren in das Ausland gelangt seien und der Zollbehörde Grenzübertrittspapiere des F vorlagen. Demgegenüber könne der Nachweis, dass es sich bei F um einen "außengebietlichen" Abnehmer handele, nur durch den Ausfuhrbeleg mit einer Abschrift oder Kopie des Reisepasses etc. geführt werden. Auch die Bevollmächtigung sei schriftlich nachzuweisen.

Das FA beantragt,

das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Könnten entsprechend der Rechtsauffassung des FA die für den Wohnort maßgeblichen Umstände auf der Rechnungsdurchschrift vermerkt werden, sei es ausreichend, wenn sich diese Angaben, wie im Streitfall, aus den Ausfuhr- und Abnehmerbescheinigungen ergeben. Diese belegten, dass die Ausfuhr jeweils durch F erfolgt sei. Eine Bevollmächtigung müsse nicht in Form von Urkunden oder Dokumenten vorliegen.

II.

Die Revision des FA ist im Ergebnis begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung an das FG (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Die Feststellungen des FG erlauben keine abschließende Entscheidung darüber, ob die Lieferungen der Klägerin als Ausfuhrlieferungen nach § 6 UStG steuerfrei sind.

1.

Ausfuhrlieferungen sind nach § 4 Nr. 1 Buchst. a i.V.m. § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 UStG steuerfrei.

a)

Die Steuerfreiheit der Ausfuhrlieferung nach § 4 Nr. 1 Buchst. a i.V.m. § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 UStG setzt voraus, dass der Unternehmer oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das Drittlandsgebiet, ausgenommen Gebiete nach § 1 Abs. 3 UStG, befördert oder versendet hat. Erfolgt die Beförderung oder Versendung durch den Abnehmer, ist die Lieferung nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 1 UStG nur steuerfrei, wenn der Abnehmer seinen Wohnort oder Sitz im Ausland hat und daher ausländischer Abnehmer ist. Gemeinschaftsrechtlich beruht diese Regelung auf Art. 15 Nr. 1 und Nr. 2 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG). Steuerfrei sind danach die Lieferungen von Gegenständen, die durch den Verkäufer oder für dessen Rechnung nach Orten außerhalb der Gemeinschaft versandt oder befördert werden und die Lieferungen von Gegenständen, die durch den nicht im Inland ansässigen Abnehmer oder für dessen Rechnung nach Orten außerhalb der Gemeinschaft versandt oder befördert werden.

b)

Der Unternehmer muss nach § 6 Abs. 4 UStG die Voraussetzungen der steuerfreien Ausfuhrlieferung nachweisen, wobei das Bundesministerium der Finanzen (BMF) mit Zustimmung des Bundesrats durch Rechtsverordnung bestimmen kann, wie der Nachweis zu führen ist. Nach § 8 ff. UStDV hat der Unternehmer einen Ausfuhrnachweis durch Belege zu erbringen sowie nach § 13 UStDV buchmäßige Aufzeichnungen zu führen. Der Unternehmer muss insbesondere nach § 8 Abs. 1 UStDV durch Belege nachweisen, dass er oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das Drittlandsgebiet befördert oder versendet hat. Im Fall der Beförderung durch den Unternehmer oder den Abnehmer muss der Ausfuhrbeleg nach § 9 Abs. 1 UStDV Name und Anschrift des Abnehmers, die handelsübliche Bezeichnung und Menge des ausgeführten Gegenstands, den Ort und den Tag der Ausfuhr und eine Ausfuhrbestätigung der Grenzzollstelle enthalten. Nach § 17 UStDV sind im nichtkommerziellen Reiseverkehr zusätzliche Angaben zu Namen und Anschrift des Abnehmers und eine Bestätigung der Grenzzollstelle, dass die Angaben zu Namen und Anschrift des Abnehmers mit dem vom Beförderer vorgelegten Pass oder Grenzübertrittpapier übereinstimmen, erforderlich.

Die beleg- und buchmäßigen Nachweispflichten beruhen gemeinschaftsrechtlich auf Art. 15 Nr. 1 und Nr. 2 der Richtlinie 77/388/EWG, wonach die Mitgliedstaaten Ausfuhrlieferungen "unter den Bedingungen, die sie zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung der nachstehenden Befreiungen sowie zur Verhütung von Steuerhinterziehungen, Steuerumgehungen und etwaigen Missbräuchen festsetzen", von der Steuer befreien (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 31. Juli 2008 V R 21/06, BFHE 222, 143, BFH/NV 2009, 95, unter II. 2. a).

c)

Liegen die Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 Satz 1 UStG vor und hat der Steuerpflichtige den Buch- und Belegnachweis erbracht, ist für die Steuerbefreiung der Lieferung grundsätzlich unerheblich, ob nach der Beförderung in das Drittlandsgebiet aufgrund der Rückbeförderung in das Gemeinschaftsgebiet Einfuhrumsatzsteuer zu erheben war und ob die Voraussetzungen für eine Steuerfreiheit der Einfuhr nach § 12 der Einfuhrumsatzsteuer-Befreiungsverordnung vorlagen.

2.

Das Urteil des FG verletzt § 6 UStG und war daher aufzuheben. Zwar hat die Klägerin den Beleg- und Buchnachweis erbracht, wie das FG zutreffend entschieden hat. Nicht hinreichend berücksichtigt hat das FG demgegenüber den nur vorläufigen Nachweischarakter der Beleg- und Buchangaben. Sein Urteil war daher aufzuheben.

a)

Nach den Beleg- und Buchangaben der Klägerin war F der Abnehmer der Lieferungen. Die Klägerin hat nach den Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) den Namen und die Anschrift des im Ausland ansässigen F, der die Gegenstände in das Drittlandsgebiet beförderte, als Abnehmer aufgezeichnet (§ 13 Abs. 2 Nr. 1 UStDV). Weiter enthielten auch die Ausfuhrbelege (§ 17 UStDV) den Namen und die Anschrift des F als Abnehmer.

Die Klägerin hat damit nach den Feststellungen des FG die Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStG hinsichtlich der Person des Abnehmers F beleg- und buchmäßig nach § 6 Abs. 4 UStG i.V.m. §§ 8 ff. UStDV nachgewiesen.

b)

Entgegen der Auffassung des FA sind weitergehende belegmäßige Nachweise zur ausländischen Ansässigkeit des Abnehmers oder zum Abschluss der den Lieferungen zugrunde liegenden Kaufverträge durch einen Bevollmächtigten im Rahmen der Nachweispflichten gemäß § 6 Abs. 4 UStG i.V.m. §§ 8 ff. UStDV nicht zu erbringen. Denn der Unternehmer muss seine steuerlichen Verpflichtungen im Voraus kennen (Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften --EuGH-- vom 27. September 2007 C-409/04, Teleos, Slg. 2007, I-7797, BFH/NV Beilage 2008, 25 Rz 48). Die Finanzverwaltung darf daher die Anforderungen in §§ 8 ff. UStDV nicht um weitere Voraussetzungen wie z.B. das Erfordernis, die Bevollmächtigung eines für den Abnehmer handelnden Beauftragten belegmäßig nachzuweisen, erweitern. Dementsprechend kann deshalb die Steuerfreiheit einer Ausfuhrlieferung nicht allein unter Hinweis auf das Fehlen von anderen als den in den §§ 8 ff. UStDV aufgeführten Nachweisen versagt werden.

c)

Der Steuerpflichtige ist zwar aufgrund eines vollständigen Beleg- und Buchnachweises berechtigt, die Lieferung als steuerfrei zu behandeln. Die aufgrund des Beleg- und Buchnachweises vorliegenden Angaben unterliegen jedoch der Nachprüfung durch die Finanzverwaltung (BFH-Urteile in BFHE 222, 143, unter II. 2. b; vom 14. Dezember 1994 XI R 70/93, BFHE 176, 494, BStBl II 1995, 515, unter II. 2.). Ergibt sich bei einer Überprüfung der Buch- und Belegangaben nach den allgemeinen Beweisregeln und -grundsätzen deren Unrichtigkeit, ist die Ausfuhrlieferung trotz eines formal geführten Nachweises vorbehaltlich besonderer Umstände grundsätzlich steuerpflichtig.

d)

Im Streitfall bestehen hinsichtlich der Person des Abnehmers erhebliche Zweifel an der Richtigkeit der Nachweisangaben. Die Sache war daher an das FG zurückzuverweisen.

Nach den für den Senat bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) holte K die Waren bei der Klägerin als "Beauftragter" des "Abnehmers" F ab, der in der Elfenbeinküste und später in Benin ansässig war, übergab sie F, der sie zunächst in das Drittlandsgebiet beförderte, dann aber nach "Europa" und damit wohl in das Gemeinschaftsgebiet zurückbeförderte und sie an K zurückgab, der sie schließlich veräußerte. Auf der Grundlage dieser Feststellungen ist fraglich, ob das der Lieferung zugrunde liegende Rechtsverhältnis, nach dem sich die Person des Leistungsempfängers und damit die Person des Abnehmers bestimmt (vgl. BFH-Beschluss vom 5. Februar 2004 V B 180/03, BFH/NV 2004, 988, unter II. 2 b zur innergemeinschaftlichen Lieferung), entsprechend den Beleg- und Buchangaben der Klägerin zu dem ihr nicht näher bekannten F oder zu dem gegenüber der Klägerin unmittelbar handelnden K bestand, der die Waren nach ihrer Rückbeförderung in die Gemeinschaft unter Umständen auf eigene Rechnung veräußerte, während F ggf. nur als Gehilfe des K für die Beförderung in das Drittlandsgebiet und die Rückbeförderung in das Gemeinschaftsgebiet zu sorgen hatte. Ist Abnehmer der Lieferungen der ggf. im Inland ansässige K, liegen die Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 Satz 1 UStG nicht vor.

3.

Sollte das FG im zweiten Rechtsgang feststellen, dass K und nicht F Abnehmer der Lieferungen war, ist nicht im Steuerfestsetzungsverfahren zu entscheiden, ob eine Steuerfreiheit aufgrund unrichtiger Abnehmerangaben in Betracht kommt, da die Beurteilung über die für den Unternehmer nicht erkennbare Unrichtigkeit von Abnehmerangaben nach der Rechtsprechung des Senats bei Ausfuhrlieferungen im Billigkeitsverfahren nach § 163 der Abgabenordnung zu erfolgen hat (BFH-Urteil vom 30. Juli 2008 V R 7/03, BFH/NV 2009, 438, unter II. 5.).

In einem etwaigen Billigkeitsverfahren werden die vom EuGH entwickelten Grundsätze zum Vertrauensschutz zu berücksichtigen sein (EuGH-Urteile vom 21. Februar 2008 Rs. C-271/06, Netto Supermarkt, BFH/NV Beilage 2008, 199; Teleos in Slg. 2007, I-7797, BFH/NV 2008, 25).

RechtsgebieteUStG, UStDV, Richtlinie 77/388/EWGVorschriftenUStG § 4 Nr. 1 Buchst. a, UStG § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, UStG § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, UStG § 6 Abs. 4, UStDV §§ 8 ff., Richtlinie 77/388/EWG Art. 15 Nr. 1, Richtlinie 77/388/EWG Art. 15 Nr. 2

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