Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww

19.05.2009 · IWW-Abrufnummer 091698

Bundesgerichtshof: Beschluss vom 20.11.2008 – I ZB 20/06

Der Gläubiger kann Nachbesserung einer eidesstattlichen Versicherung hinsichtlich einer Forderung verlangen, sofern deren Pfändbarkeit nicht völlig ausgeschlossen und das Nachbesserungsverlangen damit nicht als mutwillig oder schikanös anzusehen ist.


Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat

am 20. November 2008

durch

den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bornkamm und

die Richter Pokrant, Prof. Dr. Büscher, Dr. Schaffert und Dr. Koch

beschlossen:

Tenor:

Auf die Rechtsbeschwerde der Gläubigerin wird der Beschluss der 5. Zivilkammer des Landgerichts Tübingen vom 25. Januar 2006 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Beschwerdegericht zurückverwiesen.

Der Gegenstandswert der Rechtsbeschwerde wird auf 1.000 EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Gläubigerin betreibt aus einem Vollstreckungsbescheid die Zwangsvollstreckung gegen die Schuldnerin, die am 27. Januar 2005 die eidesstattliche Versicherung abgegeben hat. In ihrem Vermögensverzeichnis hat sie unter anderem angegeben, sie gewähre zwei - am 12. September 1990 und am 4. September 1991 geborenen - Kindern Naturalunterhalt. Weiterhin hat sie angegeben, sie beziehe wöchentliches Arbeitslosengeld in Höhe von 201,53 EUR sowie Kindergeld in Höhe von monatlich 308 EUR. Die Frage nach Konten hat sie verneint und angegeben, dass das Arbeitslosengeld auf das Konto ihres Sohnes bezahlt werde.

Die Gläubigerin hat geltend gemacht, dass die Schuldnerin ihr Vermögensverzeichnis dahingehend zu ergänzen habe, dass sie das Konto ihres Sohnes, die Anschrift des Sohnes sowie den Vertretungsberechtigten mitteilen müsse. Der Gerichtsvollzieher hat es abgelehnt, die Schuldnerin zur Nachbesserung zu laden.

Die hiergegen erhobene Erinnerung der Gläubigerin hat das Amtsgericht zurückgewiesen. Das Landgericht hat die sofortige Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts zurückgewiesen.

Mit der - vom Beschwerdegericht zugelassenen - Rechtsbeschwerde verfolgt die Gläubigerin ihren Nachbesserungsauftrag weiter.

II.

Das Beschwerdegericht hat die Schuldnerin zwar für verpflichtet angesehen, den Namen und die Anschrift ihres Sohnes anzugeben. Dieser Anspruch sei jedoch nicht durchsetzbar. Denn es stehe aufgrund früherer eidesstattlicher Versicherungen fest, dass die Schuldnerin kein pfändbares Vermögen habe. Eine Pfändung müsse daher nach § 765a ZPO eingestellt werden. Die Pfändung eines Girokontos, auf das nur unpfändbare Leistungen überwiesen würden, stelle eine mit den guten Sitten nicht zu vereinbarende Härte dar.

III.

Die gegen diese Beurteilung gerichtete Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Zu Unrecht hat der Gerichtsvollzieher den Auftrag der Gläubigerin zur Einholung einer Nachbesserungserklärung abgelehnt.

1.

Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO).

2.

Dem Auftrag der Gläubigerin zur Einholung einer Nachbesserungserklärung fehlt nicht das Rechtsschutzbedürfnis. Das Rechtsschutzbedürfnis des Gläubigers für Maßnahmen im Verfahren der eidesstattlichen Versicherung kann in Ausnahmefällen fehlen, wenn die Vermögenslosigkeit des Schuldners von vornherein feststeht (BGH, Beschl. v. 19.5.2004 - IXa ZB 14/04, NJW 2004, 2905; vgl. auch BVerfGE 61, 126, 134). Solche gesicherten Umstände liegen im Streitfall nicht vor. Die Pflicht des Schuldners zur Vermögensoffenbarung erfasst nach ihrem Zweck nicht nur Forderungen, deren Pfändbarkeit von vornherein zweifelsfrei feststeht. Hiergegen spricht schon, dass nach § 807 Abs. 2 Satz 2 ZPO von der Offenbarungspflicht nur offensichtlich unpfändbare Sachen ausgenommen sind. Eine vergleichbare Regelung für unpfändbare Forderungen besteht nicht. Grundsätzlich sind auch unpfändbare Gegenstände anzugeben; denn die Beurteilung der Unpfändbarkeit liegt nicht beim Schuldner (vgl. Stein/Jonas/Münzberg, ZPO, 22. Aufl., § 807 Rdn. 28). Es reicht deshalb aus, dass die Pfändbarkeit jedenfalls nicht völlig ausgeschlossen erscheint und das Nachbesserungsverlangen damit nicht als mutwillig oder schikanös anzusehen ist.

a)

Im Streitfall ist das Nachbesserungsverlangen nicht mutwillig. Die Schuldnerin hat gegen ihren Sohn, dem ihr Arbeitslosengeld als Treuhänder überwiesen wird, einen Anspruch auf Auszahlung. Diese Forderung ist grundsätzlich pfändbar (vgl. Schuschke in Schuschke/Walker, Vollstreckung und Vorläufiger Rechtsschutz, 4. Aufl., § 829 ZPO Rdn. 15). Es greift weder der Pfändungsschutz für Sozialleistungen noch der Kontopfändungsschutz ein.

b)

Arbeitslosengeld ist gemäß § 54 Abs. 4 SGB I wie Arbeitseinkommen pfändbar (vgl. BGH, Beschl. v. 12.12.2003 - IXa ZB 207/03, NJW-RR 2004, 1439, 1440; Musielak/Becker, ZPO, 6. Aufl., § 850i Rdn. 23). Es gelten daher die Regelungen zu den Pfändungsfreigrenzen nach § 850c ZPO und zum notwendigen Lebensunterhalt nach § 850f Abs. 1 lit. a ZPO. Allerdings geht der Pfändungsschutz mit der Überweisung auf das von der Schuldnerin angegebene Konto unter. Denn damit erlischt der Anspruch der Schuldnerin auf die Sozialleistungen durch Erfüllung (vgl. BGH, Urt. v. 22.3.2005 - XI ZR 286/04, NJW 2005, 1863 zum Arbeitseinkommen; OLG Frankfurt OLG-Rep 2000, 39, 40).

c)

Der Kontopfändungsschutz nach § 55 Abs. 1 und 4 SGB I greift nicht ein. Danach ist jegliche Sozialgeldleistung, die auf ein Giro- oder Sparkonto des Berechtigten bei einem Geldinstitut überwiesen wird, für die Dauer von sieben Tagen unpfändbar. Im Streitfall geht es jedoch nicht um die Pfändung des Kontos des Sohnes der Schuldnerin, sondern nur um die Pfändung des Anspruchs der Schuldnerin gegen ihren Sohn auf Auszahlung. Der Kontopfändungsschutz gilt außerdem nur für Konten des Schuldners. Wird die Leistung auf ein Drittkonto überwiesen, greift der Schutz nicht ein, selbst wenn der Berechtigte Bankvollmacht hat (vgl. Musielak/Becker aaO § 850i Rdn. 28; Zöller/Stöber, ZPO, 27. Aufl., § 850i Rdn. 49; Kessal-Wulf in Schuschke/Walker aaO § 850k Rdn. 3). Anhaltspunkte dafür, dass das Konto des Sohnes in Wahrheit als echtes Fremdkonto der Schuldnerin anzusehen ist, bestehen nicht (vgl. dazu BGH, Urt. v. 12.10.1987 - II ZR 98/87, NJW 1988, 709). Auch eine entsprechende Anwendung des § 850k ZPO kommt nicht in Betracht (vgl. BGH, Beschl. v. 4.7.2007 - VII ZB 15/07, NJW 2007, 2703 Tz. 13).

d)

Allerdings kann Vollstreckungsschutz nach § 765a ZPO gewährt werden, wenn ein Gläubiger den dem Schuldner zustehenden Auszahlungsanspruch gegen einen Drittschuldner pfändet, auf dessen Konto dem Schuldner zustehende Sozialleistungen eingehen (BGH NJW 2007, 2703 Tz. 10). Dies wird im vorliegenden Fall jedoch erst in Betracht zu ziehen sein, wenn ein Pfändungs- und Überweisungsbeschluss ergeht, der den Auszahlungsanspruch der Schuldnerin gegen ihren Sohn zum Gegenstand hat. Voraussetzung ist zudem ein entsprechender Antrag der Schuldnerin (vgl. BVerfGE 61, 126, 137).

2.

Der danach zulässige Nachbesserungsauftrag ist auch begründet. Der Gläubiger kann Nachbesserung verlangen, wenn der Schuldner ein äußerlich erkennbar unvollständiges, ungenaues oder widersprüchliches Verzeichnis vorgelegt hat (vgl. BGH, Beschl. v. 19.5.2004 - IXa ZB 297/03, NJW 2004, 2979, 2980). Die Schuldnerin hat hier ein unvollständiges Verzeichnis vorgelegt. Sie wäre verpflichtet gewesen, den Namen, die Anschrift und den Vertretungsberechtigten ihres Sohnes anzugeben.

a)

Der Zweck der in den §§ 807, 899 ff. ZPO getroffenen Regelung liegt darin, dem Gläubiger Kenntnis von denjenigen Vermögensstücken zu verschaffen, die möglicherweise seinem Zugriff im Wege der Zwangsvollstreckung unterliegen (BVerfGE 61, 126, 136; BGH NJW 2004, 2979, 2980) . Damit wird dem öffentlichen Interesse daran Rechnung getragen, dem Vollstreckungsgläubiger, dem der Staat als Inhaber des Zwangsmonopols die Selbsthilfe verbietet, die Verwirklichung seines Anspruchs und als Voraussetzung dafür die mit der Offenlegung bezweckte Feststellung der pfändbaren Vermögensgegenstände zu ermöglichen (BVerfGE 61, 126, 136; BGH NJW 2004, 2979, 2980) .

b)

Forderungen hat der Schuldner demgemäß so zu bezeichnen, dass dem Gläubiger deren Pfändung möglich ist. Zu nennen sind Name und Anschrift des (Dritt-)Schuldners sowie die Höhe der Forderung (BGH, Beschl. v. 19.5.2004 - IXa ZB 224/03, NJW 2004, 2452, 2453).

c)

Der Anspruch der Schuldnerin gegen ihren Sohn auf Auszahlung des treuhänderisch entgegengenommenen Arbeitslosengeldes ist zu offenbaren. Denn die Forderung ist grundsätzlich pfändbar. Die Schuldnerin hat bislang nur die Höhe des Anspruchs angegeben, die den erhaltenen Sozialleistungen entspricht. Sie ist verpflichtet, auch die Anschrift und einen eventuellen Vertretungsberechtigten des Sohnes anzugeben.

d)

Die Schuldnerin muss hingegen nicht das Konto benennen, auf das die Leistungen überwiesen werden. Für diese Angabe besteht kein erkennbares Vollstreckungsinteresse der Gläubigerin. Denn es geht nicht um die Pfändung des Auszahlungsanspruches des Drittschuldners gegenüber der Bank, sondern um die Pfändung des Rückerstattungsanspruchs der Schuldnerin gegen den Drittschuldner.

IV.

Der angefochtene Beschluss ist daher auf die Rechtsbeschwerde der Gläubigerin aufzuheben. Die Sache ist zur erneuten Entscheidung an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen.

RechtsgebieteSGB I, ZPOVorschriftenSGB I § 55 Abs. 1, SGB I § 55 Abs. 4, ZPO § 765a, ZPO § 807 Abs. 2

Sprechen Sie uns an!

Kundenservice
Max-Planck-Str. 7/9
97082 Würzburg
Tel. 0931 4170-472
kontakt@iww.de

Garantierte Erreichbarkeit

Montag - Donnerstag: 8 - 17 Uhr
Freitag: 8 - 16 Uhr