Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww

06.02.2009 · IWW-Abrufnummer 090326

Finanzgericht Rheinland-Pfalz: Urteil vom 16.12.2008 – 2 K 2084/08

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Verkündet am: 16.12.2008

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

2 K 2084/08

In dem Finanzrechtsstreit XXX

wegen Steuerberatungssachen (§33Abs.1Nr.3FGO)
hat das Finanzgericht Rheinland-Pfalz - 2. Senat - aufgrund mündlicher Verhandlung vom 16. Dezember 2008 durch XXX

für Recht erkannt:
I. Der Widerrufsbescheid vom 4. Juli 2008 wird aufgehoben.

II. Die Kosten des Verfahrens werden der Beklagten auferlegt.

III. Das Urteil ist wegen der von der Beklagten zu tragenden Kosten vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Streitig ist der Widerruf der Bestellung des Klägers als Steuerberater wegen Vermögensverfalls.

Der am 5. Juli 1953 geborene Kläger ist seit 1983 verheiratet. Die Eheleute haben einen am 17. Mai 1988 geborenen Sohn (D), eine am 16. August 1989 geborene Tochter (A) sowie ein weiteres, 1985 geborenes Kind (J). Zwei Kinder stehen in Berufsausbildung und sind unterhaltsberechtigt.

Der Kläger war in Einzelpraxis seit dem 17. Oktober 1986 mit beruflicher Niederlassung zunächst in 57642 A freiberuflich tätig. Mit Fax vom 26. Januar 2005 teilte er der Beklagten mit, dass das Finanzamt A (Finanzamt) wegen Steuerforderungen gegen ihn eine Pfändung von Mandantenforderungen ausgebracht habe. Anlässlich einer Besprechung bei der Beklagten am 4. Februar 2005 schilderte er die Situation; es soll um eine Steuernachzahlung von 70.000,00 € gegangen sein. Das Finanzamt schikaniere ihn.

Mit Vertrag vom 22. Februar 2005 veräußerte der Kläger seinen ½-Miteigentumsanteil an einem bankfinanzierten 5-Familienhaus in A, B-Straße, an den anderen Miteigentümer (Dr. H.) für 207.570,53 € (= ½ der Darlehensvaluta inkl. Zins und Tilgungsrückstand) mit Wirkung zum 1. März 2005 (Vertrag, Bl. 207 ff., im Folgenden jeweils: Widerrufsordner). Der Kaufpreis sollte durch privative Schuldübernahme (§ 414 BGB) des Erwerbers erbracht werden. Zusätzlich trat der Kläger gem. § 2 Nr. 5 b des Übertragungsvertrages seine zur Sicherheit gestellten Ansprüche aus Lebensversicherungen in Höhe von „ca.“ 39.000,00 € an den Erwerber ab. Der Schuldübernahme stimmte die X-Bank als Inhaberin der in Abteilung 3 des Grundbuches eingetragenen Buchgrundschuld in Höhe von 460.162,89 € nicht zu (Schreiben vom 25. April 2005, Bl. 226). Sie bezifferte in diesem Schreiben ihren Anspruch zum 1. März 2005 auf insgesamt 486.324,53 €.

Zum 1. März 2005 veräußerte der Kläger seinen Mandantenstamm bzw. seine Steuerberatungspraxis in A für 90.000,00 € an einen Berufskollegen (Wirtschaftsprüfer/Steuerberater H). Ab 15. Juni 2005 will der Kläger als „freier Mitarbeiter“ bei der Firma R Steuerberatungsgesellschaft mbH in T (im Folgenden: GmbH) tätig sein. Zum 1. Januar 2006 wurde er neben Steuerberater/Rechtsbeistand R, der im ca. 160 km von T entfernten A, A-Straße, eine Einzelkanzlei als Steuerberater betreibt, als weiterer alleinvertretungsberechtigter, von der Beschränkung des § 181 BGB befreiten Geschäftsführer bestellt. Ein schriftlicher Vertrag über die Tätigkeit des Klägers in Trier soll nicht existieren (vgl. Bl. 3 des ersten Berichts des Insolvenzverwalters vom 1. Juni 2006, Bl. 101).

Mit Schreiben vom 22. Juli 2005 übermittelte die Steuerberaterkammer D der Beklagten ein Schreiben der Y-Ersatzkasse, wonach der Kläger als Arbeitgeber in der Zeit vom 1. Oktober 2004 bis zum 30. Juni 2005 mit Sozialversicherungsbeiträgen in Höhe von 6.842,52 € im Rückstand sei. Hierzu von der Beklagten angesprochen, teilte er unter einer Adresse in T (R-Straße, T) mit, dass Ratenzahlung vereinbart worden sei. Nach telefonischer Mitteilung der Ersatzkasse soll die erste Ratenzahlung nicht eingegangen sein; es liefen Vollstreckungsmaßnahmen. Die Beklagte ermittelte daraufhin, dass der Kläger mittlerweile in D (Anschrift wie im Rubrum) als wohnhaft gemeldet war.

Unter dem 2. August 2005 teilte die OFD der Beklagten mit, dass der Kläger bereits seit Juni 2003 wegen steuerlicher Rückstände in Beitreibung sei; zum 19. Juli 2005 betrügen seine steuerlichen Rückstände 116.649,00 € (davon an Säumniszuschlägen: 8.039,00 €). U.a. handelte es sich um Lohnsteuern für den Zeitraum Oktober 2004 bis März 2005, Einkommensteuer 2001 bis 2003 sowie Vorauszahlung zur Einkommensteuer bis zum 2. Quartal 2005 und Umsatzsteuer seit 1999. Ein am 23. November 2004 durchgeführter Vollstreckungsversuch des Vollziehungsbeamten sei fruchtlos verlaufen. Aus der Praxisveräußerung habe das Finanzamt per Forderungspfändung 30.000,00 € erhalten. Hierzu hat der Insolvenzverwalter in seinem ersten Bericht festgehalten, dass der Praxiserwerber den Kaufvertrag wegen arglistiger Täuschung mit Schreiben vom 27. Januar 2006 angefochten habe. Angeblich soll ein Großteil der Mandate nicht existent gewesen sein, andere Mandanten hätten das Mandat bereits gekündigt gehabt. Der Erwerber sei nicht bereit, die Restzahlung von 60.000,00 € zu erbringen; 30.000,00 € habe das Finanzamt gepfändet und auch erhalten. Die OFD teilte ferner mit, dass der Kläger seine Ansprüche aus seiner Tätigkeit bei der GmbH an die Sparkasse abgetreten habe (Mittelung der OFD bzw. des Finanzamts, Bl. 34 ff.).

Am 15. September 2005 beantragte das Finanzamt wegen steuerlicher Rückstände von 129.952,47 € beim Amtsgericht B Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Klägers (11 IN ...1/05). Dieser gab am 4. November 2005 vor dem Amtsgericht W unter dem Aktenzeichen: 12 M ...1/05 die eidesstattliche Versicherung ab. Am 15. Dezember 2005 beantragte er gleichfalls beim Amtsgericht B unter dem Aktenzeichen: 11 IN ...2/05 die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen. Diese erfolgte – nach antragsgemäßer Verweisung – durch das Amtsgericht T unter dem Aktenzeichen: 23 IN ...1/06 am 10. Februar 2006.

Auf wiederholte Anfrage der Beklagten, auch wegen des bei ihr rückständigen Kammerbeitrags in Höhe von 393,00 €, teilte der Kläger unter dem 20. Dezember 2005 mit, dass sich seine berufliche Niederlassung derzeit in T befinde. Dem Finanzamt, dessen Forderungen durch den Verkaufserlös seiner Praxis abgedeckt seien, gehe es nicht um Zahlungen, sondern ausschließlich um seine Person.

Zur Insolvenztabelle wurden insgesamt 1.043.187,24 € angemeldet, davon 497.097,59 € von der X-Bank (Tabelle, Bl. 80). Nicht bestritten wurden 1.013.187,24 €; zum 4. Juli 2006 verringerten sich diese auf 864.253,00 € (vgl. zweiten Bericht des Insolvenzverwalters, Bl. 122, 127) und zum 14. August 2007 auf 748.103,00 € (vgl. Schlussbericht des Insolvenzverwalters, Bl. 177, 178).

Nach dem ersten Bericht des Insolvenzverwalters vom 1. Juni 2006 (Bl. 99, 101) soll der Kläger nach der nicht schriftlich fixierten Tätigkeitsvereinbarung mit der GmbH als deren „freier Mitarbeiter“ mit 28 % der von ihm getätigten Umsätzen beteiligt sein. Da der Kläger aber seit November 2005 monatlich exakt den Betrag von 10.775,86 € „erarbeitet“ und monatlich exakt 3.500,00 € erhalten habe, geht der Insolvenzverwalter von einer nichtselbständigen Tätigkeit des Klägers aus; nach seiner Einschätzung soll die Lohnsteuer- und Sozialversicherungspflicht verschleiert werden.

Mit dem Kläger hatte der Insolvenzverwalter seinerzeit vereinbart, dass diesem von seinem „Honoraranspruch“ monatlich 2.000,00 € gem. § 36 InsO pfändungsfrei belassen wird.

Am 29. Mai 2007 erging durch das Amtsgericht K unter dem Aktenzeichen: 2050 Js ...1/07 gegen den Kläger ein – rechtskräftig gewordener – Strafbefehl über eine Geldstrafe von 5.400,00 € (90 Tagessätze a´ 60,00 €) wegen versuchter Hinterziehung von 35.588,00 € an Einkommensteuer 2002 am 2. Februar 2004 zu Gunsten einer dritten Person (es handelt sich um den damaligen Miteigentümer Dr. H); der Kläger hatte insoweit eine falsche Gewinnermittlung eingereicht. Eingeleitet gewesen war auch ein Strafverfahren wegen Verdachts der Umsatzsteuerhinterziehung für Januar bis Juni 2004.

Nach dem Schlussbericht des Insolvenzverwalters vom 14. August 2007 ist der Kläger gehalten, monatlich 300,00 € an die Insolvenzmasse abzuführen, was auch geschieht. Der Aktivmasse von 10.171,28 € stünden festgestellte Verbindlichkeiten von 748.103,00 € gegenüber; die freie Masse belaufe sich auf 3.236,87 €.

In der Berufsaufsicht bei der Beklagten befand sich der Kläger bereits seit August 2005, seit März 2006 auch wegen des möglichen Widerrufs seiner Bestellung als Steuerberater wegen Vermögensverfalls.

Hinsichtlich seiner Tätigkeit bei der Steuerberatungs- GmbH in T legte der Kläger eine unter dem 3. Januar 2008 von ihm selbst unterzeichneten Erklärung der GmbH vor (Bl. 220), wonach er keine eigenen Mandate übernehme; alle Mandanten stünden in vertraglicher Beziehung ausschließlich zur GmbH. Mit finanziellen Angelegenheiten sei der Kläger nicht befasst. Die gesamte Kanzlei werde von Steuerberater R geleitet und alle anfallenden Arbeiten von ihm überwacht. Die Bestellung als Geschäftsführer sei aus Zweckmäßigkeitsgründen erfolgt. Der Kläger erhalte eine monatliche Vergütung von 3.500,-- €, die sich mittlerweile auf 3.800,--€ erhöht habe; für deren Versteuerung habe er selbst zu sorgen.

Auf diesbezügliche Anfrage ließ das Finanzamt T am 11. März 2008 die zur Insolvenztabelle angemeldeten steuerlichen Rückstände des Klägers durch die OFD mit 51.131,05 € zzgl. Säumniszuschläge von 19.545,00 € und neue (Umsatzsteuer-) Forderungen aus den Jahren 2006 und 2007 mit 5.157,26 € zzgl. Säumniszuschläge von 176,50 € mitteilen (Bl. 234). Das Finanzamt T habe beim Amtsgericht T den Antrag auf Versagung der (angekündigten) Restschuldbefreiung gestellt. Tatsächlich geschah dies mit Schreiben vom 30. August 2007 und 14. Januar 2008 (Bl. 246, 268 Ins- Akte 23 IN ...1/06). Er wurde mit Schreiben vom 14. April 2008 zurückgenommen, da der Kläger die von der Umsatzsteuersonderprüfung ermittelten Steuerbeträge an die Finanzkasse entrichtet gehabt habe (Bl. 289 Ins- Akte).

Das Finanzamt A teilte unter dem 12. März 2008 angemeldete Abgabenrückstände von 71.062,24 €, im Übrigen von 7.269,60 € mit. Die Besteuerungsgrundlagen für 2005 hätten mangels Abgabe von einer Einkommensteuererklärung geschätzt werden müssen.

Mit Beschluss vom 23. April 2008 hob das Amtsgericht T nach Vollzug der Schlussverteilung das Insolvenzverfahren gem. § 200 InsO unter Ankündigung der vom Kläger beantragten Restschuldbefreiung auf (Bl. 261 Widerrufsordner und Bl. 291 Ins- Akte).

Entsprechend einem Beschluss ihres Vorstands bereits vom 13. Juli 2006 widerrief die Beklagte mit Bescheid vom 4. Juli 2008 die Bestellung des Klägers als Steuerberater wegen Vermögensverfalls (Bl. 280). Der Kläger habe die gesetzlichen Vermutungstatbestände des § 46 Abs. 2 Nr. 4 Steuerberatungsgesetz –StBerG- weder des Vermögensverfalls noch der Gefährdung von Mandanteninteressen widerlegt. Da die klägerischen Verbindlichkeiten rd. 750.000,00 € betrügen, sei bei monatlichen Bruttoeinnahmen von 3.500,00 € nicht absehbar, ob und ggfs. wann mit einer Konsolidierung der klägerischen Finanzlage zu rechnen sei. Die Vermögensverhältnisse seien auch nicht durch die bloße Ankündigung der Restschuldbefreiung als geordnet zu betrachten. Da der Kläger alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer der GmbH sei, habe er trotz des Schreibens der Steuerberaterkammer vom 8. Juni 2006 (Bl. 117) bis zum Widerruf seiner Bestellung nicht substantiiert den Nachweis erbracht, dass Mandanteninteressen nicht gefährdet seien. Allein aus dem Umstand, dass der Kläger in Geschäftspapieren als Geschäftsführer aufgeführt sei, sein Mitgeschäftsführer R eine eigene Einzelsteuerberatungskanzlei in A unterhalte, ergebe sich, dass eine Überwachung der beruflichen Tätigkeit des Klägers in T nicht möglich sei. Die der Beklagten eingereichte Bestätigung über die berufliche Tätigkeit vom 3. Januar 2008 sei vom Kläger allein, und nicht vom Mitgeschäftsführer R unterschrieben worden. Sie sei als Nachweis ungeeignet. Zu Lasten des Klägers gehe, dass er sich in eigenen Steuerangelegenheiten als unzuverlässig erwiesen habe. Dies zeigten allein die steuerlichen Rückstände wie auch der Umstand, dass er seit dem Jahr 2003 keine Umsatz– und seit dem Jahr 2004 keine Einkommensteuererklärungen mehr abgegeben habe. Darüber hinaus habe er als Arbeitgeber keine Sozialversicherungsbeiträge abgeführt. Auch sei er wegen versuchter Steuerhinterziehung zu Gunsten eines Dritten rechtskräftig verurteilt worden.

Mit seiner hiergegen gerichteten Klage führt der Kläger aus, dass das der Beklagten eingereichte Exemplar über die berufliche Tätigkeit für die GmbH deshalb nur seine eigene Unterschrift trage, weil es sich um die für ihn bestimmte Ausfertigung gehandelt habe. Er verweise dieserhalb auf die auch von dem Mitgeschäftsführer R unterzeichnete Ausfertigung, die er in Kopie zu den Gerichtsakten reiche (Bl. 58 PA). Wegen des an Dr. H. übertragenen Miteigentumsanteils am Grundstück in A der damals als Altersvorsorge – wie dies auch Dr. H. getan habe – erworben worden sei, müsse festgehalten werden, dass der Erwerber im Innenverhältnis den Schuldendienst wahrnehmen müsse. Dies sei auch geschehen. Darüber hinaus habe der Kläger durch Abtretung seiner Ansprüche aus drei Lebensversicherungen in Höhe von 39.000,00 € Sicherheiten für die Bank gestellt. Die neue Umsatzsteuerschuld resultiere aus einer Umsatzsteuersonderprüfung, deren Ergebnis noch offen sei. Die Steuerforderung sei beglichen. Die festgestellten Insolvenzforderungen von 858.997,00 € beinhalteten auch die Forderung der X-Bank von 497.784,00 €. Diese würden – wie dargelegt – vom Erwerber bedient. Von seiner derzeitigen monatlichen Vergütung von brutto 3.800,-- € verblieben ihm netto 1370,67 €.

Der Kläger beantragt,
den Widerrufsbescheid vom 4. Juli 2008 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Sie verbleibt bei ihrer Meinung. Die lediglich in Höhe von 50.000,00 € bestritte Forderung der X-Bank könne nicht aus den Verbindlichkeiten herausgerechnet werden, da der Kläger nicht aus der Schuldhaft entlassen worden sei. Die nunmehr vorgelegte, vom Mitgeschäftsführer R auch unterschriebene Bescheinigung über die klägerische Tätigkeit genüge nicht, die durch den Vermögensverfall indizierte Gefährdung von Mandanteninteressen zu entkräften. Der Mitgeschäftsführer R habe den Mittelpunkt seiner Berufstätigkeit in A, das ca. 160 km von T entfernt liege. Die Gesamtwürdigung des klägerischen Verhaltens in der Vergangenheit lasse auf Unzuverlässigkeit schließen. Das mit der Klagebegründung vorgelegte Schreiben der Ersatzkasse (Bl. 63 PA) lasse darauf schließen, dass der Kläger mit seinen diesbezüglichen Ratenzahlungen von monatlich 50,00 € bzw. 75,00 € in Verzug geraten sei. Der zu Gunsten des damaligen Miteigentümers am Grundstück in A bestrafte Versuch der Steuerhinterziehung belege die durch die schlechte Vermögenssituation bedingte fehlende berufliche Unabhängigkeit des Klägers.

Das Gericht hat die Insolvenzakte des Amtsgerichts T – 23 IN ...1/ 06 – beigezogen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist begründet.

Nachdem das Amtsgericht T – Insolvenzgericht – mit Beschluss vom 23. April 2008 – 23 IN ...1/06 – nach Vollzug der Schlussverteilung gem. § 200 Abs. 2 InsO das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Klägers aufgehoben und bereits im Schlusstermin am 30. August 2007 – der damalige Widerspruch des Finanzamts T wurde mit Schreiben vom 14. April 2008 zurückgenommen - gem. § 291 Abs. 1 InsO die beantragte Restschuldbefreiung angekündigt hat, liegt der gesetzliche Vermutungstatbestand des Vermögensverfalls (§ 46 Abs. 2 Nr. 4 Halbsatz 2 Alternative 1 StBerG) nicht mehr vor; unabhängig von der vorgenannten Vermutungsregelung kann das Gericht einen Vermögensverfall im Sinne des § 46 Abs. 2 Nr. 1 Halbsatz 1 Steuerberatungsgesetz hinsichtlich der von der Restschuldbefreiung nicht erfassten Verbindlichkeiten des Klägers nicht feststellen.

Nach neuerer Rechtsprechung des BGH (vgl. Entscheidungen vom 18. Oktober 2004 – AnwZ – B – 42/03, unter Nr. 3 und vom 7. Dezember 2004 – AnwZ – B – 40/04, NJW 2005, 511, 1271 sowie vom 16. April 2007 – AnwZ – B – 6/06, ZVI 2007, 619 und 25. Juni 2007 – AnwZ – B – 101/05) entfällt mit Aufhebung des Insolvenzverfahrens und der Ankündigung der Restschuldbefreiung die gesetzliche Vermutung des Vermögensverfalls (bei Rechtsanwälten, um die es hier ging: § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO; gleichlautend mit § 46 Abs. 2 Nr. 4 StBerG). Das Bundesverwaltungsgericht (vgl. Urteil vom 17. August 2005 – 6 C 15/04, unter Nr. 27 am Ende, NJW 2005, 3795) sowie der Bundesfinanzhof vertreten dieselbe Auffassung (vgl. BFH-Entscheidungen vom 14. Februar 2008 – VII B 227/07, am Ende, Juris und vom 23. März 2007 – VII B 290/06, unter Tz. 5, BFH/NV 2007, 1360). Dies folgt daraus, dass nach Ankündigung der Restschuldbefreiung die Vermögensverhältnisse des Schuldners in vergleichbarer Weise als geordnet anzusehen sind, wie dies der Fall wäre, wenn es zu einem angenommenen Schuldenbereinigungsplan (§ 308 InsO), bestätigtem Insolvenzplan (§ 235 InsO) oder einer außergerichtlichen Stundungs-/Tilgungsvereinbarung mit allen Gläubigern der titulierten Forderungen gekommen wäre, die Vollstreckungsmaßnahmen ausschlösse. Denn während der sog. Wohlverhaltensperiode (grundsätzlich 6-jährige Laufzeit der Abtretung nach § 287 Abs. 2 Satz 1 InsO) sind Zwangsvollstreckungsmaßnahmen der Insolvenzgläubiger unzulässig (§ 294 Abs. 1 InsO).

Zwar kann gem. § 300 Abs. 2 InsO nach Ablauf der Wohlverhaltensperiode die Restschuldbefreiung versagt werden, wenn der Schuldner während der Laufzeit die in § 295 InsO aufgeführten Obliegenheiten verletzt hat oder wegen Insolvenzstraftaten rechtskräftig verurteilt wurde. Hierfür sind allerdings im Streitfall derzeit keine Anhaltspunkte ersichtlich. Vielmehr hat sich bereits durch die bloße Ankündigung die spätere Möglichkeit der Restschuldbefreiung im Sinne einer konkreten Aussicht derart verdichtet, dass bereits mit dieser von einer Konsolidierung der wirtschaftlichen Verhältnisse tatsächlich auszugehen ist.

Der Senat hält daher an seiner im Urteil vom 11. Februar 2003 – 2 K 2424/ 02 vertretenen anderslautenden Rechtsauffassung nicht mehr fest.

Abgesehen von den zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 10. Februar 2006 gegen den Kläger begründeten Vermögensansprüchen (Insolvenzforderungen im Sinne des § 38 InsO) – nur diese werden ebenso wie auch nicht angemeldete, aber schon begründete Forderungen von der Restschuldbefreiung erfasst (§ 301 Abs. 1 InsO) und unterfallen dem Vollstreckungsgebot des § 294 Abs. 1 InsO – kann wegen neu entstandener Schulden bis heute kein Vermögensverfall des Klägers festgestellt werden.

In diesem Zusammenhang ist vorweg zu bemerken, dass die wegen Abgabe der eidesstattlichen Versicherung am 4. November 2005 nach § 915 ZPO (wohl) erfolgte Eintragung ins Schuldnerverzeichnis für die dieserhalb entstandene Vermutung des Vermögensverfalls (§ 46 Abs. 2 Nr. 4 Halbsatz 2 Alternative 2 StBerG) durch Ankündigung der Restschuldbefreiung gleichfalls obsolet geworden ist, und zwar unabhängig davon, ob die Eintragung noch besteht (sie wäre nach § 315 a Abs. 1 ZPO mit Ablauf des 31. Dezember 2008 jedenfalls zu löschen). Denn die der eidesstattlichen Versicherung zu Grunde liegende Forderung unterfällt, da vor dem 10. Februar 2006 begründet – als Insolvenzforderung gleichfalls der Restschuldbefreiung.

Im Übrigen hat das Amtsgericht W auf diesbezügliche Anfrage des Gerichts vom 19. November 2008 unter dem 21. November 2008 mitgeteilt, dass keine Eintragung im Schuldnerverzeichnis vorliege.

Vermögensverfall liegt – unbeschadet der hier nicht mehr einschlägigen gesetzlichen Vermutungstatbestände – dann vor, wenn sich der Schuldner in ungeordneten, schlechten finanziellen Verhältnissen befindet, die er in absehbarer Zeit nicht ordnen kann und er außer Stande ist, seinen Verpflichtungen nachzukommen (ständige höchstrichterliche Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Urteil vom 6. Juni 2000 – VII R 68/99, HFR 2000, 741, unter Hinweis u.a. auf die BFH-Entscheidungen vom 22. August 1995 – VII R 63/94, BStBl II 1995, 909 und vom 7. Juli 1998 – VII B 60/98, BFH/NV 1999, 78).

Demgegenüber liegen geordnete wirtschaftliche Verhältnisse vor, wenn die regelmäßigen Ausgaben die regelmäßigen Einnahmen jedenfalls auf Dauer nicht übersteigen. Soweit Schulden vorhanden sind, denen keine realisierbaren Vermögenswerte gegenüberstehen, ist von geordneten finanziellen Verhältnissen (nur) dann auszugehen, wenn der Schuldner diese nach Maßgabe mit den Gläubigern getroffenen Vereinbarungen bedient und die Verbindlichkeiten zudem nach Art und Höhe in Ansehung der gesamten wirtschaftlichen Verhältnisse in einem überschaubaren Zeitraum getilgt werden können (BVerwG vom 17. August 2005, a.a.O. unter Hinweis auf Entscheidungen des BFH und des BGH). Im Streitfall erwirtschaftet der Kläger monatlich 3.500,00 € brutto, von denen er 300,00 € an den vormaligen Insolvenzverwalter, der nunmehr als Treuhänder im Sinne des § 287 Abs. 2 InsO fungiert (vgl. dessen Schreiben vom 2. Mai 2008, Bl. 260 Widerrufsordner), abführt. An laufenden neuen Schulden sind zum 11. März 2008 (Umsatzsteuer-)Schulden beim Finanzamt T von 5.157,26 € zzgl. Säumniszuschläge von 176,50 € aufgeführt (vgl. Bl. 239, 255 Widerrufsordner, wobei das endgültige Ergebnis allerdings noch offen war; hierzu: finanzamtliche Ausführungen: Bl. 235, 251 Widerrufsordner). Beim Finanzamt A sind offensichtlich keine neuen Abgabenrückstände entstanden (Bl. 257 Widerrufsordner). Vollstreckungsmaßnahmen wurden vom Finanzamt T nicht durchgeführt. Die – noch nicht endgültig festgestellten – Forderungen könnten durch (Raten-)Zahlungen in geordneter Weise erfüllt werden.

Da nach alledem nicht von einem Vermögensverfall auszugehen ist, besteht der Widerrufsgrund des § 46 Abs. 2 Nr. 4 StBerG nicht.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO; der Ausspruch über deren vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Rechtsmittelbelehrung XXX

Sprechen Sie uns an!

Kundenservice
Max-Planck-Str. 7/9
97082 Würzburg
Tel. 0931 4170-472
kontakt@iww.de

Garantierte Erreichbarkeit

Montag - Donnerstag: 8 - 17 Uhr
Freitag: 8 - 16 Uhr