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01.09.2008 · IWW-Abrufnummer 082678

Landgericht Bielefeld: Urteil vom 14.08.2008 – 8 O 303/03


Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu voll-streckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand
Die Klägerin macht Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall geltend, der sich am 4.3.2003 in M. ereignete.

Der Beklagte zu 2) war Fahrer und Halter eines am Unfall beteiligten Fahrzeuges, das bei der Beklagten zu 1) haftpflichtversichert ist. Die Klägerin war Eigentümerin und Führerin des am Unfall beteiligten Fahrzeuges Mercedes Benz ,500 E / E60 AMG', das zum Unfallzeitpunkt mit dem amtlichen Kurzzeitkennzeichen XXX versehen war. Die Klägerin hatte dieses Fahrzeug kurz vor dem Unfall erworben.

Der Unfall ereignete sich auf der L. Strasse in Minden. Die Klägerin, die sich auf dem Heimweg befand, nachdem sie ihren Bruder N. D. zuvor in die Stadt gefahren hatte, befuhr die L. Strasse in Fahrtrichtung L.. Als sie die Einfahrt zum dort befindlichen Restaurant ,MG Donaids' passieren wollte, bog der Beklagte zu 2) mit seinem Pkw aus dieser Einfahrt kommend auf die bevorrechtigte L. Strasse ein. Dort kam es zu einer Kollision der Fahrzeuge. Der Beklagte zu 2) fuhr der Klägerin bei dem Zusammenstoss in die Beifahrerseite ihres Fahrzeuges. Die hinzugezogene Polizei verwarnte den Beklagten zu 2) gebührenpflichtig.

Die Klägerin ließ ihr Fahrzeug durch den Sachverständigen H. V. am 5.3.2003 besichtigen. Dieser ermittelte in seinem Gutachten vom 6.3.2003 Reparaturkosten in Höhe von 8.514,09 € netto und einen Wiederbeschaffungswert von 13.750 € brutto. Wegen der Einzelheiten wird auf das der Klageschrift als Anlage beigefügte Gutachten (Blatt 4-13 der Akte) verwiesen. Der Sachverständige V. stellte der Klägerin einen Betrag von 651,57 € in Rechnung. Die Klägerin trat ihren diesbezüglichen (vermeintlichen) Ersatzanspruch gegen die Beklagten zunächst am 7.3.2003 an den Sachverständigen V. ab, der ihn am 18.62003 wiederum an die Klägerin zurück abtrat.

Mit Schreiben vom 13.3.2003 forderte die Klägerin die Beklagte zu 1) zur Regulierung der Schäden bis zum 20.3.2003 auf. In der Folge veräußerte die Klägerin das Unfallfahrzeug unrepariert zu einem Preis von 2.500 € an einen Im- und Export-Händler in K.. Die Beklagte zu 1) lehnte einen Ausgleich der Schäden ab und meldete vorprozessual Bedenken bezüglich der Höhe der ermittelten Reparaturkosten an. Zu einer von der Beklagten zu 1) geforderten Nachbesichtigung des klägerischen Fahrzeuges kam es nach der Veräußerung des Fahrzeuges durch die Klägerin nicht mehr.

Die Beklagte zu 1) gab eine Restwertermittlung des Sachverständigen Siegbert E. in Auftrag. Dieser kam in seiner Fahrzeugbewertung vom 15.5.2003 zu einem Wiederbeschaffungswert von 7.300 € brutto (vgl. Blatt 37 der Akte). Weiterhin beauftragte die Beklagte zu 1) den Sachverständigen E. mit der Ermittlung der Reparaturkosten an dem klägerischen Fahrzeug. Dieser stellte in seinem Gutachten vom 15.5.2003, das er anhand der vom Gutachter V. gefertigten Fotos erstellte, Reparaturkosten von 4.576,55 € brutto fest. Auf das der Klageerwiderung als Anlage B6 beigefügte Gutachten wird Bezug genommen (Blatt 40-46 der Akte). Die Klägerin behauptet, sämtliche geltend gemachten Schäden an ihrem Fahrzeug seien durch den streitgegenständlichen Unfall am 4.3.2003 in Minden verursacht worden. Das Fahrzeug habe vor diesem Unfall keine ihr bekannten Vorschäden aufgewiesen. Bei dem Kauf des Fahrzeuges ein bis zwei Tage vor dem Unfall seien ihr bei der Besichtigung keinerlei Schäden aufgefallen. Sie habe außer dem streitgegenständlichen Unfall auch keinerlei Berührungen oder Unfälle mit dem Fahrzeug erlitten. Es seien an der Beifahrerseite keine Schäden vorhanden, die auf verschiedene Unfälle hinweisen und in verschiedene Richtungen verlaufen würden. Vielmehr sei der gesamte Schaden an der Beifahrerseite im Rahmen des Unfalls am 4.3.2003 entstanden.

Die Klägerin beantragt,
die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin 9.186,11 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 21.3.2003 zu zahlen.

Die Beklagten beantragen,
die Klage abzuweisen.

Die Beklagten bestreiten, dass die geltend gemachten Schäden an dem klägerischen Fahrzeug aus dem Unfallgeschehen herrühren. Sie behaupten, die an dem Fahrzeug der Klägerin festgestellten Schäden könnten in keinem Falle durch den angeblichen Geschehensablauf entstanden sein. Die Klägerin versuche vielmehr auch Vorschäden an dem Fahrzeug einzufordern, die nicht durch das streitgegenständliche Unfallgeschehen entstanden sein könnten. Ihrer Ansicht nach scheidet bereits eine Haftung dem Grunde nach aus, da die Klägerin zum einen nicht den Kausalitätsnachweis erbracht habe und sie zum anderen Vorschäden mit geltend mache.

Wegen des weiteren Vortrages der Parteien wird auf die zur Prozessakte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Erklärungen im Verhandlungstermin am 3.1.2005 Bezug genommen.

Das Gericht hat mit Beweisbeschluss vom 13.8.2003 sowie mit ergänzendem Beschluss vom 26.1.2004 ein schriftliches Gutachten des Sachverständigen Dipl.-Ing. S. eingeholt. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Gutachten vom 4.10.2004 verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Der Klägerin steht aufgrund des Verkehrsunfalls vom 4.3.2003 kein Schadensersatzanspruch gemäß §§ 7 Abs. 1, 18 Abs. 1 StVG, 823 BGB LV.m. § 3 Nr. 1 PflVG (bezüglich der Beklagten zu 1) gegen die Beklagten zu. Eine Haftung scheidet jedenfalls aus, weil nicht bewiesen ist, dass die geltend gemachten Schäden an ihrem Fahrzeug ganz oder teilweise aus dem Unfallgeschehen herrühren.

Es wäre Voraussetzung für einen materiellen Schadensersatzanspruch der Klägerin gegen die Beklagten, dass sie darlegen und beweisen kann, dass durch das Unfallgeschehen der geltend gemachte Schaden an der Beifahrerseite ihres zwischenzeitlich veräußerten Fahrzeuges verursacht worden ist. Diesen ihr obliegenden Beweis hat die Klägerin nicht führen können. Ferner ist auch nicht schlüssig dargetan, dass wenigstens ein bestimmter, genau abgrenzbarer Teil des Schadens auf die Kollision mit dem bei der Beklagten zu 1) versicherten Fahrzeug des Beklagten zu 2) zurückzuführen ist.

Aufgrund des schriftlichen Gutachtens des vom Gericht beauftragten Sachverständigen S. vom 4.10.2004 steht für das Gericht fest, dass die Klägerin in einem erheblichen Umfang auch solche Schäden geltend gemacht hat, die erwiesenermaßen nicht aus dem Unfall vom 4.3.2003 stammen. Der Sachverständige hat in seinem Gutachten eindeutig festgestellt, dass es aus technischer Sicht nicht möglich ist, die Schäden an der Beifahrerseite des klägerischen Fahrzeuges insgesamt auf das angebliche Unfallgeschehen zurückzuführen. Auch wenn der Sachverständige S. die Begutachtung nicht anhand einer Nachbesichtigung, sondern anhand der gefertigten Lichtbilder des Sachverständigen V. durchführen musste, hat das Gericht keine Bedenken, seinen sorgfältigen und überzeugenden Ausführungen zu folgen. Der Sachverständige hat festgestellt, dass sich an dem Fahrzeug der Klägerin zwei unterschiedliche Schadensrichtungen und zwei völlig unterschiedliche verursachende Schadensteile bestimmen lassen. Der Sachverständige führt aus, dass der Schaden an der Beifahrerseite zwar bei oberflächlicher Betrachtung in sich geschlossen wirke, bei genauerer Betrachtung aber verschiedene Schäden deutlich würden und nicht alle Schäden auf ein einziges Schadensereignis zurückzuführen sein können. Denn die Schäden würden zum einen keine Verbindung und zum anderen eine andere Schadensrichtung aufweisen. Im hinteren Bereich der hinteren Tür sei ein fast punktueller Anstoß zu erkennen, wobei dieser Schaden keine Verbindung zu den übrigen Schäden am hinteren Radlauf aufweise. Dieser Schaden sei mit einer Schadensrichtung von hinten nach vorne entstanden. Dagegen weise der Schaden am hinteren Radlauf einen Schadensverlauf von vorne nach hinten, also in umgekehrter Richtung auf. Der Schaden am Radlauf habe auch ein eher flächiges Schadensbild, welches einem Anstoß gegen ein festes Hindernis bei einem zu engem Umfahren entspreche. Der Sachverständige konnte damit seine Schlussfolgerung auf verschiedene, für die technische Beurteilung maßgebliche Kriterien stützen. Angesichts dieses eindeutigen Beweisergebnisses aufgrund der Begutachtung des Sachverständigen steht für das Gericht fest, dass die Beschädigungen an der Beifahrerseite zum mindestens erheblichen Teil nicht auf den Unfall vom 4.3.2003 zurückgeführt werden können. Im Hinblick darauf war auch eine Vernehmung des von der Klägerin für das Fehlen anderer Schäden benannten Zeugen N. D. nicht notwendig. Selbst wenn dieser bestätigen würde, dass ihm an dem Fahrzeug vor dem streitgegenständlichen Unfall keine Schäden aufgefallen seien, würde eine solche Aussage die eindeutigen Feststellungen des Sachverständigen nicht in Zweifel ziehen. Denn nach dem eigenen Vorbringen der Klägerin war der Zeuge bei dem Unfall selbst nicht dabei. Vielmehr hatte sie ihn bereits vor dem Unfall in der Stadt abgesetzt und sie befand sich auf dem Heimweg. Soweit die Schäden aber nicht aus einem einzigen Unfallgeschehen herrühren können, könnten die Schäden ohne weiteres vor oder nach dem streitgegenständlichen Unfallgeschehen eingetreten sein, ohne dass dies der Zeuge D. hätte bemerken müssen. Auch dem Antrag der Klägerin auf Einholung eines Obergutachtens war nicht zu entsprechen. Eine neue Begutachtung setzt nach § 412 Abs. 1 ZPO voraus, dass das Gericht das Gutachten für ungenügend erachtet. Die Hinzuziehung eines weiteren Sachverständigen kommt insofern nur ausnahmsweise in Betracht und setzt grobe Mängel des erstatteten Gutachtens, besonders schwierige Fragen, Zweifel an der Sachkunde des Sachverständigen oder überlegene Forschungsmittel eines anderen Sachverständigen voraus (vgl. Baumbach-Hartmann, 62. Auflage, § 412, Rz. 4). Diese Voraussetzungen liegen hier nach vor. Es handelte sich weder um eine besonders schwierige Frage noch bestehen Bedenken gegen die Sachkunde und die Methodik des erfahrenen Sachverständigen S., der in einer Vielzahl von Verfahren entsprechende Gutachten. anfertigt: Das Gutachten ist auch sorgfältig erstellt und begründet worden. Die Klägerin hat dagegen keinerlei konkrete Mängel im angegriffenen Gutachten aufgezeigt, sondern nur allgemein vorgetragen, dass die Feststellungen des Sachverständigen S. unzutreffend seien.

Hiernach muss als gesichert zugrundegelegt werden, dass die Klägerin versucht hat, Altschäden oder zumindest solche Schäden mitabzurechnen, die aus einem anderen Unfallereignis stammen müssen. Der Geschädigte verliert seinen Schadensersatzanspruch aber insgesamt, wenn sich herausstellt, dass das Fahrzeug weitere, nicht kompatible Schäden aufweist, der Geschädigte dies aber in Abrede stellt, um auch diese ersetzt zu erhalten (KG, DAR 2001, 172; OLG Köln, r+s 1998, 191; OLG Köln, VersR 1999, 865, 866). Anders als im Regelfall des normalen Zusammenstosses zweier schadensfreier Fahrzeuge besteht in diesem Fall keine Beweislage im Sinne des ersten Anscheins für die Verursachung der einzelnen Beschädigungen durch den Zusammenprall (vgl. OLG Köln, r+s 1998, 191). Der demnach der Klägerin obliegende Voll beweis kompatibler Schäden ist ihr nicht gelungen. Eine Verursachung einzelner der geltend gemachten Schäden durch das in Rede stehende Unfallereignis erscheint zwar nicht von vornherein ausgeschlossen. Ist jedoch davon auszugehen, dass nicht sämtliche Schäden, die das Fahrzeug aufweist, auf das Unfallereignis zurückzuführen sind, und macht der Geschädigte zu den nicht kompatiblen Schäden keine Angaben oder bestreitet er das Vorliegen weiterer Schäden, so ist ihm auch für diejenigen Schäden, die dem Unfallereignis unter Umständen zugeordnet werden könnten, kein Ersatz zu leisten. Denn es lässt sich insoweit nicht ausschließen, dass sämtliche Schäden durch ein anderes Ereignis verursacht worden sind und/oder dass bereits erhebliche Vorschäden vorhanden waren (OLG Köln, VersR 1999, 865, 866). Hier betreffen die geltend gemachten Schäden, die aus verschiedenen Schadensereignissen herrühren, allesamt die Beifahrerseite des klägerischen Fahrzeuges. Die Klägerin hat insoweit mehrere mit dem Unfallgeschehen nicht in Einklang zu bringende Schäden geltend gemacht. Dabei kann auch nicht ohne weiteres festgestellt werden, welche Schäden auf dieses Unfallereignis zurückzuführen sind. Die Klägerin hätte durch einen substantiierten Sachvortrag die verschiedenen Schäden und ihren Ursachen angeben müssen.

Auf dieser Grundlage hätte gegebenenfalls sachverständig geklärt werden können, welche Schäden nur dem hier im Verfahren gegenständlichen Unfall zugeordnet
werden können und inwieweit diese in konkretisierbarem Umfang die Kosten einer ohnehin notwendigen Reparatur erhöht hätten. Das hat die Klägerin aber weder in der schriftlichen Stellungnahme zu dem Gutachten des Sachverständigen S. noch im Termin zur mündlichen Verhandlung - trotz entsprechenden Befragens durch das Gericht - getan. Da nach dem unzureichenden Vortrag der Klägerin die Feststellung, weiche Schäden gegebenenfalls dem Unfall vom 4.3.2003 zugeordnet werden könnten, nicht möglich ist, entfällt eine Ersatzpflicht insgesamt.

Da die Klage somit erfolglos bleibt, sind die Kosten des Rechtsstreits gemäß § 91 Abs. 1 ZPO der Klägerin aufzuerlegen. Die Entscheidung hinsichtlich der
vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 S. 1 und 2 ZPO.

Rechtsgebiete§§ 7 Abs. 1, 18 StVG § 823 BGB § 3 Nr. 1 PflVG

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