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20.08.2008 · IWW-Abrufnummer 082656

Oberlandesgericht Koblenz: Beschluss vom 04.05.2007 – 4 U 155/07

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Geschäftsnummer:4 U 155/07
1 HK O 165/06 LG Koblenz

OBERLANDESGERICHT KOBLENZ

BESCHLUSS

in dem Verfahren der einstweiligen Verfügung XXX

Der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichtes Koblenz hat durch XXX am 11.07.2007 einstimmig beschlossen:

1.) Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichtes Koblenz vom 16.01.2007 wird gemäß § 522 Abs. 2 S. 1 ZPO zurückgewiesen.

2.) Die Berufungsklägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3.) Der Wert des Berufungsverfahrens wird auf 15.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe:

1.
Die Voraussetzungen für eine Zurückweisung der Berufung nach § 522 Abs. 2 S. 1 ZPO sind gegeben.

a)
Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichtes.

b)
Die Berufung hat auch keine Aussicht auf Erfolg. Auf die fehlende Erfolgsaussicht hat der Senat mit Verfügung vom 04. Mai 2007 hingewiesen und der Berufungsklägerin Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.

Die von Ihr nach gewährter Fristverlängerung mit Schriftsatz vom 18.06.2007 abgegebene Stellungnahme gibt zu einer abweichenden Beurteilung keinen Anlass. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat auf den Hinweis Bezug.

Soweit die Berufungsklägerin eine Entscheidung „als Richtschnur für ihr zukünftiges weiteres Verhalten“ begehrt, ist darauf hinzuweisen, dass das Berufungsverfahren allein der Fehlerkontrolle und –beseitigung, nicht aber der Beratung der Klägerin im Hinblick auf ihre weitere Tätigkeit dient.

Soweit die Beklagte einwendet, dass der Tenor des erstinstanzlichen Urteils zu weit gefasst sei, vermag dies den Senat nicht zu überzeugen. Nicht nur die zugrunde liegenden Informationen zur Nutzung des Moduls, sondern auch das Modul selbst stellt in seiner Funktionalität den dargelegten Verstoß dar, so dass die Entscheidung des Landgerichtes, die Integration des Moduls in Zusammenhang mit einem Bestellformular und/oder einem Begleitschreiben und/oder sonstigen Schriftstücken in denen eine Versandapotheke genannt ist und die zur Weitergabe an den Patienten bestimmt sind, zu untersagen, nicht zu beanstanden ist.

Zunächst wird nicht hinreichend anerkannt, dass es dem Arzt nach § 34 Abs. 5 MBO auch verwehrt ist, generell den Patienten an Versandapotheken zu verweisen. Es kann insoweit auf die Ausführungen in dem angegriffenen Urteil Bezug genommen werden. Diesen generellen Verweis fördert aber bereits das Modul als solches. Hierin liegt auch sein tieferer Sinn. Eine andere Funktionalität wurde jedenfalls nicht nachvollziehbar dargelegt.

Die Beklagte übersieht dann, dass bei dem Ausdrucken des Bestellscheins bzw. des Begleitschreibens das Modul zwingend die Angabe einer konkreten Versandapotheke erfordert. Damit geht das Programm selbst und nicht nur die begleitenden Informationsbestandteile über das hinaus, was bei der Erstellung eines Rezeptes erfolgt. Allein dies stellt eine Anstiftung zu einem Verstoß gegen § 34 Abs. 5 MBO dar. Die Behauptung, das Modul berücksichtige „auf allen Ebenen die Unabhängigkeit und Entscheidungsfreiheit des Arztes“ (S. 2 der Berufungsbegründung) ist vor diesem Hintergrund unzutreffend. Inwieweit die Beklagte bereit ist, diese Funktionalität aufzulösen, kann dahin stehen. Im Verfahren hat sich insoweit keine andere Sachlage ergeben, da sie die Auflösung nicht konkret darlegt. Es ist nicht Aufgabe eines Gerichtsverfahrens, mit der Beklagten eine möglicherweise zulässige Form des Moduls zu entwickeln. Ungeachtet dessen wäre das Modul von dem Tenor des erstinstanzlichen Urteils auch nicht mehr erfasst, wenn in den Schriftstücken eine Versandapotheke nicht mehr genannt wird.

Insoweit laufen auch die Ausführungen der Beklagten zur Möglichkeit der Einzelfallentscheidung durch den Arzt ins Leere. Zwar mag die Beklagte durch Änderungen im Zugang zu dem Modul eine freie Entscheidung ohne Beeinflussung entgegen dem Sinn und Zweck von § 34 Abs. 5 MBO ermöglichen. Der Arzt ist aber rein tatsächlich in seiner Entscheidung, orientiert am Interesse des Patienten, gerade nicht frei. So mögen Gründe darstellbar sein, die die Inanspruchnahme einer Versandapotheke als solches begründen. Es ist aber kaum vorstellbar, dass es medizinisch zwingend erscheint, eine ganz bestimmte Versandapotheke zu kontaktieren. Genau dies sieht aber das Programm vor. Auch ist der Arzt nach dem unstreitigen Vortrag nicht gezwungen und auch nicht in der Lage die begleitenden Schriftstücke entsprechend der individuellen Begründung für den Vorteil der Nutzung einer Versandapotheke für den Patienten zu verändern.

Dabei bleibt es unerheblich, dass der Arzt nicht gezwungen ist, ein Begleitschreiben auszudrucken. Selbst wenn sich nicht erschließt, welche Funktion das Modul dann noch erfüllt, ist entscheidend, dass nach dem eigenen Vortrag der Beklagten, der Arzt gezwungen ist, seinem Patienten die nähere Funktionsweise eine Versandapotheke zu erklären, wenn er diese empfiehlt. Dann wird er rein faktisch aber immer auf die EDV-Unterstützung zurückgreifen. Diese führt ihn dann wieder zur zwingenden Angabe einer konkreten Versandapotheke, ohne hinreichende Begründung der Erforderlichkeit von deren Inanspruchnahme im Einzelfall.

Die einstweilige Verfügung verbietet im Ergebnis auch nicht das Modul als solches, sondern das Modul in Kombination mit den genannten Schriftstücken und dem Hinweis auf eine konkrete Versandapotheke.

Abschließend darf darauf hingewiesen werden, dass die Beklagte zwar eine Unterlassungserklärung hinsichtlich des Hinweis auf die Bonus/Malus-Regelung abgegeben hat, dass Informationsmodul im Übrigen aber noch integriert ist, so dass an den diesbezüglichen Hinweisen des Senates festzuhalten ist. Inwieweit die Beklagte auch hier zu weitergehenden Veränderungen bereit ist, kann dahinstehen.

2.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus den §§ 97 Abs. 1 ZPO.

3.
Der Streitwert des Berufungsverfahrens war entsprechend der Streitwertfestsetzung in erster Instanz nach dem Interesse der Verfügungsklägerin zu bestimmen.

4 U 155/07
1 HK O 165/06 LG Koblenz

Verfügung:

In pp.

beabsichtigt der Senat, die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Vorsitzenden der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Koblenz vom 16.1.2007 gemäß § 522 Abs. 2 S. 1 ZPO durch Beschluss zurückzuweisen. Das Berufungsvorbringen der Beklagten ist nicht geeignet, zu einer Abänderung des erstinstanzlichen Urteils zu führen.

Das Landgericht hat der Verfügungsklägerin zu Recht den geltend gemachten Unterlassungsanspruch aus §§ 3, 4 Nr. 11 UWG i. V. m. den dem § 34 Abs. 5 MBO entsprechenden Regelungen der ärztlichen Berufsordnungen zuerkannt. Die von der Verfügungsklägerin beanstandete Integration des Programmmoduls „Versandapotheke“ hat das Landgericht zutreffend als wettbewerbswidrig gewertet, weil die Verfügungsbeklagte damit die Ärzte zu standeswidrigem Verhalten zu bestimmen sucht. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung Bezug.

a) Mit der Integration des beanstandeten Softwaremoduls stiftet die Verfügungsbeklagte die Ärzte dazu an, gegen das in § 34 Abs. 5 MBO, der in die landesärztlichen Berufsordnungen Eingang gefunden hat, normierte Verbot der Verweisung an bestimmte Apotheken zu verstoßen.

Ob der Arzt - wie die Verfügungsklägerin annimmt - irgendeinen finanziellen Vorteil erhält, wenn er das Modul nutzt und der Patient mit dem ihm überlassenen Bestellschein Arzneimittel bei einer Versandapotheke bestellt, kann dahinstehen. Entscheidend ist - wie das Landgericht hervorgehoben hat -, dass das Modul den Ärzten, die es benutzen, Informationen anbietet, die sie von der Empfehlung einer Versandapotheke überzeugen sollen. So wird in dem nach Aufrufen des Programms erscheinenden Informationsfenster auf „positive Rückmeldungen aus der Ärzteschaft über die Zusammenarbeit mit Versandapotheken“ hingewiesen. Weiter wird hervorgehoben, dass bei Versandapotheken aufgrund des in der Regel erheblich größeren Sortiments und des Umstands, dass der Patient nicht vor Ort sei, „eine höhere Sicherheit an ‚Abgabeidentität’ und - in Kooperation mit Krankenkassen und Ärztenetzwerken erprobt - falls möglich kostengünstigerer Substitution“ bestehe. Als möglicher Vorteil wird angegeben, dass die „Bonus-Malus-Falle“ nicht zuschnappe. In den über den Button „mehr Info“ aufrufbaren weiteren Informationen über z„Wege aus der Substitutionsfalle“ wird auf seit dem 31.5.2006 den Ärzten drohende „massive wirtschaftliche Schäden durch die Bonus-Malus-Regelung des AVWG“ hingewiesen. Selbst wenn die Verfügungsbeklagte diese Hinweise auf die „Substitutionsfalle“ entsprechend ihrer der Berufungsbegründung beigefügten Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung vom 12.3.2007 unterlässt, werden dem Nutzer des Moduls durch den einleitenden Hinweis die Vorteile der Empfehlung von Versandapotheken eindringlich vor Augen geführt. Diese Intention kommt auch zum Ausdruck in der Erläuterung „ALBIS in WINDOWS - Programmänderungen 8.30“, in der es auf S. 25 unten heißt: „Konnten wir Sie vom Nutzen der Versandapotheke überzeugen, …“.

Mit der Integration der Software wird von dem Arzt ein Handeln erwartet, das entgegen den Anforderungen des § 34 Abs. 5 MBO die Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles nicht mehr gewährleistet. Der Arzt soll seinen Patienten die Bestellung der verordneten Medikamente bei einer Versandapotheke empfehlen, unabhängig davon, ob dies im Einzelfall unter Berücksichtigung der medizinischen Belange der Patienten oder der wirtschaftlichen Interessen der Krankenkassen geboten ist.

Dabei ist das Landgericht zutreffend davon ausgegangen, dass das Verbot der Verweisung an „bestimmte Apotheken“ in § 34 Abs. 5 MBO nicht nur die Empfehlung namentlich benannter Apotheken betrifft, sondern den Ärzten auch untersagt, den Patienten an bestimmte Gruppen von Apotheken - hier Versandapotheken - zu verweisen. Anders als in dem Fall, der dem den Parteien bekannten Urteil des Senats vom 14.02.2006 (4 U 1680/05) zugrunde lag, ist in dem Programm der Verfügungsbeklagten keine bestimmte Versandapotheke vorgegeben. Vielmehr muss der Arzt, der das streitgegenständliche Modul „Versandapotheke“ nutzt, aus der ihm präsentierten Listen von über 50 verschiedenen Versandapotheken eine Apotheke auswählen und in das Auswahlfenster aufnehmen. Jedenfalls muss sich der Arzt für eine Apotheke entscheiden, die dann in das für den Patienten bestimmt Begleitschreiben aufgenommen wird. Nach der Erläuterung „ALBIS in WINDOWS - Programmänderungen 8.30“ (S. 28 oben) wird zwar dem Arzt anheim gestellt, nach seiner Wahl neue Versandapotheken anzulegen. Er wird aber darauf hingewiesen, dass der Name der Apotheke nicht leer bleiben dürfe. Spätestens mit der Aufnahme einer Versandapotheke in das Auswahlfenster hat sich der Arzt auf eine bestimmte Apotheke festgelegt, an die er den Patienten verweisen will. Der Einwand der Verfügungsbeklagten, das Programm erfordere nicht, während des Verordnungsvorgangs das Begleitschreiben auszudrucken oder die entsprechende Funktionalität zu öffnen, verfängt nicht. Auch wenn der Arzt dem Patienten nicht unbedingt ein Begleitschreiben aushändigen muss, wird ihm durch diese in dem Modul vorgegebene Option der Ausdruck eines an eine bestimmte Versandapotheke adressierten Begleitschreibens und dessen Aushändigung an die Patienten nahegelegt. Damit wird insbesondere Patienten, die sich mit der Beschaffung ihrer Medikamente bei Versandapotheken schwer tun oder damit noch keine Erfahrungen haben, die Bestellung bei einer Versandapotheke erleichtert. Welchen anderen Sinn diese Funktion haben soll, hat die Verfügungsbeklagte nicht erklärt.

Ebenso wenig kommt es darauf an, dass der Patient nicht gezwungen ist, sein Rezept bei der in dem Begleitschreiben angegebenen Versandapotheke einzulösen, und die verordneten Medikamente auch in einer anderen Apotheke erwerben kann. Die Verweisung an eine bestimmte Apotheke ist in § 34 Abs. 5 MBO unabhängig davon verboten, ob der Patient der Empfehlung des Arztes folgt.

b) Sachlich gebotene Gründe für die Empfehlung der Versandapotheken sind nicht gegeben. Sofern kein hinreichender Grund vorliegt, verstößt die Empfehlung einer bestimmten Apotheke grundsätzlich gegen die standesrechtlichen Bestimmungen (§ 34 Abs. 5 MBO). Gerechtfertigt sein kann die Verweisung an eine bestimmte Apotheke durch medizinische Gründe, die sich aus der Erkrankung des Patienten ergeben. Sachliche Gründe sein können auch die Qualität der Versorgung, die Vermeidung von Wegen bei gehbehinderten Patienten (BGH, NJW 2000, 2745, 2547). Auch die Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots gemäß § 12 Abs. 1 SGB V kann für den Arzt einen sachlich gebotenen Grund darstellen, im Zusammenhang mit einer Verordnung eine Empfehlung auszusprechen (vgl. BGH a.a.O.).

Nach der Darstellung der Verfügungsbeklagten steht nicht das Wirtschaftlichkeitsgebot im Vordergrund, sondern vielmehr die Bedrohung der wirtschaftlichen Belange der Ärzteschaft, die durch die Bonus-Malus-Regelung benachteiligt werden. Unter diesem Gesichtspunkt hat das Landgericht der Verfügungsbeklagten die Berufung auf die mit der Substitution verbundenen Gefahren - die sie nochmals in der Berufungsbegründung schildert - zu Recht verwehrt. Eine Ersetzung des verordneten Arzneimittels durch ein wirkstoffgleiches Arzneimittel nach § 129 SGB V ist nur dann möglich, wenn der Arzt sie nicht ausgeschlossen hat. Außerdem hat das Landgericht berücksichtigt, dass das wirtschaftliche Risiko bei einer zugelassenen Substitution dadurch begrenzt ist, dass nach § 4 Abs. 3 S. 1 des Rahmenvertrages über die Arzneimittelversorgung i.V.m. § 129 Abs. 2 SGB V nur ein Ersatz durch die drei preisgünstigsten Arzneimittel gestattet ist. Dass diese Beschränkungen der Substitution in der Praxis regelmäßig missachtet werden, hat die Verfügungsbeklagte nicht glaubhaft gemacht - wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat. Zudem dient das Ziel, unzulässige Substitutionen zu verhindern, allein den wirtschaftlichen Belangen der Ärzte. Deren Interesse, eine zusätzliche Belastung ihrer ohnehin knappen Budgets zu verhindern, ist zwar verständlich, aber kein hinreichender Grund im Sinne von § 34 Abs. 5 MBO. Den Interessen der Patienten oder der Versichertengemeinschaft, die eine Ausnahme vom Verbot der Empfehlung bestimmter Apotheken rechtfertigen können, wird durch die Empfehlung von Versandapotheken nicht Rechnung getragen.

c) Da bereits ein die einstweilige Verfügung rechtfertigender Verstoß gegen § 35 Abs. 5 MBO zu bejahen ist, kann dahinstehen, ob auch ein Verstoß gegen § 3 Abs. 2 MBO darin liegt, dass das Programm der Verfügungsbeklagten den Ausdruck eines Bestellformulars mit den Daten des Patienten und der Adresse einer Versandapotheke ermöglicht.

Die Verfügungsbeklagte erhält Gelegenheit zur Stellungnahme binnen drei Wochen ab Zustellung dieser Verfügung.

RechtsgebieteBerufsordnung der Ärzte, WettbewerbsrechtVorschriften§ 34 Abs. 5 Muster-Berufsordnung

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