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25.07.2008 · IWW-Abrufnummer 081890

Finanzgericht Niedersachsen: Urteil vom 06.12.2007 – 16 K 226/05

Einkünfte gem. § 22 Nr. 3 EStG bei gegenseitiger Vermittlung von Lebensversicherungen und Weiterleitung der Versicherungsprovision an die vermittelte Person.


Finanzgericht Niedersachsen

16 K 226/05

Tatbestand:

Streitig ist die Frage, ob der Kläger sonstige Einkünfte nach § 22 Nr. 3 EStG erzielt hat und ob ihm im Zusammenhang mit diesen Einkünften Werbungskosten entstanden sind.

Die Kläger sind verheiratet und werden zur Einkommensteuer zusammen veranlagt. Der Kläger ist Steuerberater von Beruf.

Der Kläger beteiligte sich zusammen mit drei anderen Gesellschaftern (W, M, B) an der ... GmbH & Co KG in Salzwedel. Die zur Finanzierung der Investitionskosten aufgenommenen Darlehen sollten über eine Lebensversicherung getilgt werden.

Um die vom Gerling-Konzern als Versicherer gezahlte Vermittlungsprovision selbst zu erhalten, benannten sich die Gesellschafter gegenüber dem Gerling-Konzern gegenseitig bzw. ihre Ehegatten als Vermittler. Im einzelnen benannte Herr B den Kläger, der Kläger Herrn W, Frau W Herrn M und Frau M wiederum Herrn B als Vermittler. Die Vermittler verpflichteten sich weiterhin jeweils gegenüber dem jeweiligen Versicherungsnehmer, die Provision bis auf einen Betrag von 450,- DM an den Versicherungsnehmer weiterzuleiten. Die Vereinbarungen zwischen den Versicherungsnehmern und den Vermittlern sind nicht gleichzeitig, sondern nach und nach geschlossen worden.

Der Kläger - wie auch die übrigen Vermittler - hat mit dem Gerling-Konzern eine Vertragsvereinbarung für Einmalvermittlungen abgeschlossen. Diese sieht vor, dass er 35 Tausendstel der vermittelten Wertsumme als Provision erhält. Die Vereinbarung enthält folgenden Text:

"Ich versichere hiermit, dass es sich bei den eingereichten Geschäften um meine persönliche Werbung handelt und ich die Versteuerung beim Finanzamt selbst vornehme."

Der Gerling-Konzern zahlte aufgrund dieser Vereinbarungen an die Vermittler folgende Beträge aus, die diese überwiegend an die Versicherungsnehmer weiterleiteten:

Vermittler|Vermittlungsprovision|Weitergeleitet an|weitergeleiteter Betrag
K|27.411,- DM|B|26.911,- DM
B|42.090,- DM|M|41.640,- DM
M|27.420,- DM|W|26.970,- DM
W|39.946,- DM|K|39.496,- DM

Die im Jahre 1997 beim Beklagten eingereichte Einkommensteuererklärung 1995 enthielt keinerlei Hinweis auf diesen Sachverhalt. Der Beklagte veranlagte die Kläger mit Einkommensteuerbescheid 1995 vom 29. Dezember 1997 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. In den Jahren 1998 und 2000 änderte der Beklagte den Bescheid aus für dieses Verfahren nicht erheblichen Gründen.

Im Jahre 2002 erhielt der Beklagte eine Kontrollmitteilung über die vom Gerling-Konzern gezahlten Versicherungsprovisionen. Er änderte daraufhin den Einkommensteuerbescheid 1995 mit Datum vom 23. Dezember 2002 gem. § 164 Abs. 2 AO und erfasste die vom Gerling-Konzern gezahlte Provisionen mit einem Betrag von 27.411,- DM als sonstige Einkünfte gem. § 22 Nr. 3 EStG.

Der dagegen gerichtete Einspruch hatte keinen Erfolg.

Die Kläger sind der Auffassung, dass die weitergeleiteten Geldbeträge als Werbungskosten abgezogen werden müssten. Ohne die Zusage, die Vermittlungsprovision an Herrn B weiterzuleiten, hätte der Kläger von Herrn B den Vermittlungsauftrag nicht erhalten. Insofern stellten die Zahlungen Aufwendungen zur Erlangung der Vermittlungsprovision und damit Werbungskosten dar; es handele sich nicht allein um einen Vermögensabfluss auf der Vermögensebene. Die verbleibende Differenz von 450,- DM liege unterhalb der Freigrenze von 500,- DM. Da der Kläger keine steuerpflichtigen Einkünfte erzielt habe, liege auch keine leichtfertige Steuerverkürzung vor, so dass im Zeitpunkt des Ergehens des Änderungsbescheides bereits Festsetzungsverjährung eingetreten gewesen sei.

Der Fall unterscheide sich von jenem, über den der 16. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts durch Urteil vom 8. Juni 2004 16 K 253/03 entschieden hat, dadurch, dass dort nicht nachgewiesen worden sei, dass der Vermittlungsauftrag nur gegen die Verpflichtung, das Entgelt weiterzuleiten, erteilt worden sei und es sich bei der behaupteten Vereinbarung zudem um eine steuerlich nicht anzuerkennende Abrede zwischen nahen Angehörigen gehandelt habe.

Die Kläger beantragen,

Unter Abänderung des Einkommensteuerbescheides 1995 vom 23. Dezember 2002 und der Einspruchsentscheidung vom 19. April 2005 die Einkommensteuer 1995 auf den Betrag herabzusetzen, der sich unter Berücksichtigung eines zu versteuernden Einkommens von 101.404,- DM ergibt.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte ist der Auffassung, dass nach der mit dem Gerling-Konzern abgeschlossenen Vereinbarung der Kläger als derjenige anzusehen sei, der die Einkünfte erzielt habe. Die Weiterleitung betreffe die Ebene der Vermögensverwendung und stelle keine Werbungskosten dar, weil die Provisionszahlung vom Gerling-Konzern auch dann gezahlt worden wäre, wenn der Kläger nichts weitergeleitet hätte. Da es hier nur um eine einmalige Vermittlung gehe, hätte sich der Kläger durch die Weiterleitung auch nicht künftige Einnahmen gesichert. Zu beachten sei auch, dass an der Vereinbarung vier Personen beteiligt gewesen seien und letztendlich jeder von den Provisionszahlungen profitiert habe.

Die Festsetzungsfrist sei im Zeitpunkt der Änderung des Bescheides auch noch nicht abgelaufen gewesen, weil eine leichtfertige Steuerverkürzung vorgelegen habe. Die Festsetzungsfrist habe 5 Jahre betragen,

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet.

Der Kläger hat im Zusammenhang mit den Vermittlungen von Versicherungsnehmern an den Gerling-Konzern sonstige Einkünfte nach § 22 Nr. 3 EStG erzielt.

Sonstige Einkünfte sind nach dieser Rechtsnorm Einkünfte aus Leistungen, soweit sie weder zu anderen Einkunftsarten noch zu den Einkünften im Sinne des § 22 Nr. 3 Nr. 1, 1 a, 2 oder 4 EStG gehören, z.B. Einkünfte aus gelegentlichen Vermittlungen. Unter Leistung versteht die Rechtsprechung jedes Tun, Dulden oder Unterlassen, das Gegenstand eines entgeltlichen Vertrages sein kann und das eine Gegenleistung auslöst (BFH Urteil vom 21. September 2004 IX R 13/02, BStBl. II 2005, 44). Die gelegentliche Vermittlung einer Versicherung stellt - wie sich aus der beispielhaften Nennung im Gesetzeswortlaut des § 22 Nr. 3 EStG ergibt - eine solche Leistung dar.

Entgegen der Auffassung des Beklagten würde die Vermittlung des Versicherungsvertrages zwischen Herrn B und dem Beklagten für sich allein allerdings noch nicht zu steuerpflichtigen Einkünften führen. Denn entgegen der Meinung des Beklagten stellt der an Herrn B gezahlte Betrag von 26.911,- DM abzugsfähige Werbungskosten dar. Werbungskosten sind nach der Legaldefinition des § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen. Kennzeichnend für Werbungskosten ist ein Veranlassungszusammenhang zwischen den Aufwendungen und den steuerpflichtigen Einnahmen; eine auf Einnahmeerzielung bezogene Veranlassung liegt vor, wenn objektiv ein Zusammenhang mit der auf Einnahmeerzielung gerichteten Tätigkeit besteht und die Aufwendungen subjektiv zur Förderung dieser steuerlich relevanten Tätigkeit gemacht werden (BFH Urteil vom 28. November 1980 VI R 193/77, BStBl. II 1981, 368). Eine kausale Beziehung dergestalt, dass sich die Aufwendung in einer konkreten Erhöhung der Einnahmen niedergeschlagen haben muss, setzt der Werbungskostenbegriff in der Ausprägung, wie er durch die Rechtsprechung des BFH gefunden hat, indes nicht voraus.

Im Streitfall hat der Kläger unwidersprochen vorgetragen, dass er von Herrn B nicht als Vermittler benannt worden wäre, wenn er ihm nicht zugesagt hätte, den größten Teil der Aufwendungen an ihn weiterzuleiten. Damit besteht ein Veranlassungszusammenhang zwischen der Erzielung des Vermittlungsentgelts und der Zahlung an Herrn B. Dass der Gerling-Konzern die Provision auch dann an den Kläger ausgezahlt hätte, wenn dieser sie für sich vollständig einbehalten hätte (d.h. vertragsbrüchig geworden wäre), steht der Annahme eines Veranlassungszusammenhangs zwischen Einnahme und Ausgabe nicht entgegen.

Allerdings liegt im Streitfall noch eine weitere Leistung im Sinne des § 22 Nr. 3 EStG, und zwar im Verhältnis zwischen dem Kläger und Herrn W vor. Leistung ist insoweit die Verschaffung der Möglichkeit, gegenüber dem Gerling-Konzern als Einmalvermittler eines Versicherungsvertrages aufzutreten und sich damit eine Versicherungsprovision zu verdienen. Für die Einräumung dieser Möglichkeit hat sich der Kläger - ebenso wie Herr B seinerseits im Verhältnis zum Kläger - Herrn W gegenüber ein Entgelt ausbedungen; dieses Entgelt hat Herr W entrichtet. Damit ist die Einräumung einer Verdienstmöglichkeit Gegenstand eines entgeltlichen Vertrags geworden und hat die Zahlung einer Gegenleistung ausgelöst. Da das von Herrn W bezogene Entgelt höher ist als jener Betrag, den der Kläger an Herrn B gezahlt hat und im finanzgerichtlichen Verfahren eine Verböserung ausgeschlossen ist, kommt es zu keiner Änderung der Steuerbemessungsgrundlage.

Verfahrensrechtlich konnte der Beklagte den Einkommensteuerbescheid 1995 im Jahre 2002 noch ändern. Zwar konnte der Beklagte die Änderung nicht - wie im Änderungsbescheid angegeben - auf § 164 Abs. 2 AO stützen. Denn der Vorbehalt der Nachprüfung entfällt, wenn die Festsetzungsfrist abgelaufen ist; § 169 Abs. 2 Satz 2 AO ist insoweit nicht anzuwenden (§ 164 Abs. 4 AO). Die reguläre Festsetzungsfrist des § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO von vier Jahren war aber im Zeitpunkt der Änderung des Bescheides im Jahre 2002 bereits abgelaufen. Die Festsetzungsfrist beginnt im Falle der Einkommensteuer nach § 170 Abs. 2 Nr. 1 AO mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuererklärung eingereicht wird. Damit begann im Streitfall die Festsetzungsfrist mit Ablauf des 31.12.1997 und endete am 31.12.2001, d.h. vor dem Zeitpunkt, in dem die Änderung erfolgte.

Der Beklagte konnte den Bescheid jedoch nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO ändern. Danach sind Steuerbescheide zu ändern, soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer höheren Steuer führen. Im Streitfall enthält die Einkommensteuererklärung der Kläger keinen Hinweis auf die Provisionszahlungen durch den Gerling-Konzern. Der Beklagte hat von dieser zu einer höheren Steuerfestsetzung führenden Tatsache erst im Jahre 2002 und damit nachträglich erfahren. Der Tatbestand des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO lag mithin vor.

Der Änderung stand auch nicht der Eintritt der Festsetzungsverjährung entgegen. Denn die Festsetzungsfrist verlängerte sich gem. § 169 Abs. 2 Satz 2 2. Alternative AO auf 5 Jahre, weil Steuern leichtfertig verkürzt wurden, und endete mithin erst am 31.12.2002, d.h. nach Bekanntgabe des Änderungsbescheides. Eine leichtfertige Steuerverkürzung begeht, wer leichtfertig den Finanzbehörden gegenüber über steuerlich erhebliche Tatsachen unvollständige Angaben macht und dadurch bewirkt, dass Steuern nicht oder nicht in voller Höhe festgesetzt werden (§ 378 Abs. 1 AO i.V.m. § 370 Abs. 1 und 4 AO). Die Kläger haben den Beklagten über die Abreden im Zusammenhang mit den Vermittlungen der Lebensversicherungsverträge nicht unterrichtet. Dies hat bewirkt, dass im Einkommensteuerbescheid der Kläger der Ansatz der Einkünfte nach § 22 Nr. 3 EStG zunächst unterblieben und damit Steuern zu niedrig festgesetzt worden sind. Der Kläger hat insoweit auch leichtfertig gehandelt. In den Abrechnungen des Gerling-Konzerns wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der Vermittler die Vermittlungsprovision zu versteuern hat. Darüber hinaus musste der Kläger als Steuerberater wissen, dass die von ihm gezogene Rechtsfolge für die gewählte Gestaltung - nämlich dass die Weiterleitung der Provisionen im Kreis dazu führt, dass diese im Endergebnis nicht versteuert werden - nicht auf einer gesicherten Rechtsprechung oder Kommentarmeinung beruht und infolgedessen nicht über jeden rechtlichen Zweifel erhaben war. Wenn er dennoch den Sachverhalt dem Beklagten gar nicht erst unterbreitet und diesem dadurch von vornherein die Möglichkeit genommen hat, eigenständig den Sachverhalt zu würdigen, dann hat der Kläger im Hinblick auf die zu niedrige Steuerfestsetzung leichtfertig gehandelt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

RechtsgebieteEStG, AOVorschriftenEStG § 9 Abs. 1 S. 1 EStG § 22 Nr. 3 AO § 173 Abs. 1 Nr. 1

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