Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww

30.05.2008 · IWW-Abrufnummer 080364

Finanzgericht Rheinland-Pfalz: Urteil vom 18.12.2007 – 2 K 2214/07

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


FINANZGERICHT RHEINLAND-PFALZ

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

2 K 2214/07
In dem Finanzrechtsstreit XXX

wegen Einkommensteuer 2006, Lohnsteuer 2006

hat das Finanzgericht Rheinland-Pfalz - 2. Senat - aufgrund mündlicher Verhandlung vom 18. Dezember 2007 durch

XXX

für Recht erkannt:

I. Der Einkommensteuerbescheid 2006 vom 21. Juni 2007 in der Fassung der hierzu ergangenen Einspruchsentscheidung vom 24. August 2007 wird dahin geändert, dass unter Ansatz der Einkünfte des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit von 0,00 € die Einkommensteuer mit 0,00 € festgesetzt wird.

II. Die Kosten des Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.

III. Das Urteil ist wegen der vom Beklagten zu tragenden Kos-ten zugunsten des Klägers vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in der Höhe der noch festzusetzenden Kosten abwenden, sofern nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.

IV. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Streitig ist, ob es sich bei empfangenen Leistungen aus einer Gruppenunfallversicherung um Arbeitslohn des Klägers handelt.

Der allein stehende, 1965 geborene Kläger war als Schuhtechniker bei einer Schuhfabrik (im Folgenden: Arbeitgeberin) im Inland angestellt. Zur Produktionsüberwachung war er von seiner Arbeitgeberin zu deren Niederlassung nach Ungarn entsandt worden. Auf dem Weg zur dortigen Arbeitsstätte mit dem Pkw erlitt er am 09. Oktober 1999 in Ungarn einen Verkehrsunfall. Dabei zog er sich schwere Hirnquetschungen zu und ist seitdem Vollinvalide. Er bezieht eine Sozialversicherungsrente von derzeit monatlich 866,04 € (brutto); der Grad seiner Behinderung wurde durch Bescheid vom 14. Oktober 2003 mit 50 % festgestellt (zuvor: 60 % mit dem Merkzeichen G).

Die Arbeitgeberin hatte im Rahmen einer Gruppenversicherung auch für den Kläger eine Unfallversicherung „gegen die wirtschaftlichen Folgen körperlicher Unfälle“ im Rahmen der Allgemeinen Unfallversicherungsbedingungen (AUB 88) abgeschlossen, die „Unfälle in der ganzen Welt“, im beruflichen wie auch im Privatbereich, umfasst.

Im Jahr 2003 zahlte die Versicherung an die Arbeitgeberin als Versicherungsnehmerin (VN) wegen des Unfalls einen Betrag von 76.694,00 €, den diese lediglich mit 51.129,00 € an den Kläger nach Abzug von Lohnsteuer, Zuschlagsteuern und Sozialabgaben als Arbeitslohn im März 2003 überwies. Da nach dem Doppelbesteuerungsabkommen mit Ungarn das Besteuerungsrecht für den Kläger im Jahr 2003 dem Land Ungarn zustand, erstattete das Finanzamt die im Jahr 2003 einbehaltene Lohnsteuer sowie die Zuschlagsteuern dem Kläger. Insoweit wird der Kläger in Ungarn zur Steuer herangezogen.

Am 20. Dezember 2006 übergab die Arbeitgeberin dem Kläger einen Verrechnungsscheck über 11.605,87 € als Teil des verbleibenden Restbetrags der Versicherungsleistung (= 25.564,80 €; vgl. Klageschrift zum Arbeitsgericht K vom 21. Dezember 2006, Bl. 6, 9 ESt-Akte). U.a. wegen des verbleibenden Betrags von 13.958,93 € erhob der Kläger Klage vor dem Arbeitsgericht K. Hier kam es am 25. Januar 2007 zu einem Zwischenvergleich u.a. dahin, dass dem Kläger eine Entgeltsbescheinigung (für 2006) zur Vorlage beim Finanzamt zu erteilen sei. Hierin bescheinigt die Arbeitgeberin für das Streitjahr 2006 dem Kläger einen Bruttoarbeitslohn von 25.564,80 € unter Abzug von diesbezüglichen Lohnsteuern, Zuschlagsteuern und Sozialabgaben (Bl. 5 ESt-Akte). Dementsprechend veranlagte das Finanzamt mit Bescheid vom 21. Juni 2007 für 2006 (Bl. 71 ESt-Akte).

Mit seinem hiergegen eingelegten Einspruch machte der Kläger geltend, dass die Versicherungsleistung kein Lohnersatz darstelle, sondern Entschädigung für die körperliche Beeinträchtigung sei und den immateriellen Schaden ausgleiche. Im Übrigen habe wegen des Unfalls ein unmittelbarer Anspruch gegenüber der Arbeitgeberin nach §§ 104, 8 Abs. 2 Nr. 1 - 4 SGB VII sowie aus Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA) bestanden.

Der Einspruch hatte keinen Erfolg (Einspruchsentscheidung vom 24. August 2007, Bl. 83 ESt-Akte).

Das Finanzamt vertrat unter Berufung auf das im Anschluss an das BFH-Urteil vom 16. April 1999 - VI R 60/96 (BStBl. II 2000, 406) ergangene BMF-Schreiben vom 17. Juli 2000 - IV C 5 - S 2332 - 67/00 - (hier: 4.1.1) die Meinung, dass es sich um steuerpflichtigen Arbeitslohn handele. Der Versicherungsschutz sei als Gegenleistung zur geleisteten Arbeit, zumindest aber mit Rücksicht auf das Dienstverhältnis, gewährt worden. Die Arbeitgeberin sei weder gesetzlich noch deshalb zum Schadenersatz wegen des Unfalls verpflichtet gewesen, weil ihr keine schuldhafte Verletzung ihrer arbeitsvertraglichen Fürsorgepflicht vorzuwerfen sei.

Mit der vorliegenden Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Er verbleibt bei sei-ner Auffassung, dass die Versicherungsleistung als Schadenersatz nicht steuerbar sei.

Der Kläger beantragt,
den Einkommensteuerbescheid 2006 vom 21. Juni 2007 in der Fassung der hierzu ergangenen Einspruchsentscheidung vom 24. August 2007 dahin zu ändern, dass bei Ansatz der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit mit 0,00 € die Einkommensteuer mit 0,00 € angesetzt wird,
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen,
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.

Er verbleibt bei seiner Meinung.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist begründet.

Hinsichtlich des als Arbeitslohn des Klägers (auch) für 2006 erfassten Teilbetrags von 13.958,93 € ergibt sich dies bereits aus dem Umstand, dass es unbeschadet der aufgrund des arbeitsgerichtlichen Zwischenvergleichs vom 25. Januar 2007 dem Kläger erteilten Lohnsteuerbescheinigung 2006 offensichtlich an einem entsprechenden Geldzufluss noch im Jahr 2006 mangelt. Arbeitslohn, der nicht als laufender Arbeitslohn gezahlt wird („sonstige Bezüge“, um die es sich hier nur handeln könnte), wird gem. §§ 11 Abs. 1 S. 4, 38 a Abs. 1 S. 3 EStG in dem Kalenderjahr bezogen (und als Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit der Besteuerung zugeführt), in dem er dem Arbeitnehmer zufließt. Da die arbeitsgerichtliche Klage auf (u.a.) Zahlung des noch nicht an den Kläger gezahlten Restbetrags über 13.958,93 € vom 21. Dezember 2006 datiert, also kurz vor dem Jahreswechsel, und der Zwischenvergleich am 25. Januar 2007 geschlossen wurde, geht das Gericht von einem Zufluss des vorgenannten Betrags erst im Jahr 2007, also außerhalb des hier maßgeblichen Besteuerungszeitraum, aus. Dies hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung auch bestätigt.

Abgesehen hiervon stellt allerdings dieser Geldzufluss wie auch der per Verrechnungsscheck am 20. Dezember 2006 gezahlte Betrag von 11.605,87 € entgegen finanzamtlicher Auffassung keinen steuerbaren Vorgang dar; insbesondere handelt es sich nicht um Arbeitslohn i.S.d. §§ 19 Abs. 1 Nr. 1 EStG, 2 LStDV.

Zu den als „Arbeitslohn“ zu qualifizierenden Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit können - wie den Tatbestandsmerkmalen „für eine Beschäftigung“ in § 19 Abs. 1 Nr. 1 EStG und „aus dem Dienstverhältnis zufließen“ in § 2 Abs. 1 LStDV zu entnehmen ist - nämlich nur die Wertzugänge gehören, die Entlohnungscharakter für geleistete oder noch zu leistende Arbeit haben (BFH-Urteil vom 20. September 1996 - VI R 57/95, BStBl. II 1997, 144, m.w.N.). Die Zuwendung des Arbeitgebers (oder eines Dritten) muss sich bei objektiver Betrachtung für den Arbeitnehmer als Frucht seiner Arbeitsleistung erweisen (auch: R 70 Abs. 1 S. 1 LStR). Allein der Umstand, dass eine Leistung des Arbeitgebers tatsächlich oder rechtlich im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis steht, reicht zur Bejahung der Gegenleistung „für“ („do, ut des“) die Erbringung von Arbeitsleistung, das Zurverfügungstellen der individuellen Arbeitskraft (vgl. BFH-Urteile vom 26. Juli 2006 - VI R 49/02, BStBl. II 2006, 917; 5. September 2006 - VI R 49/05, BFH/NV 2007, 217, jeweils mit weiteren Nachweisen) allein ebenso wenig aus wie etwa der Umstand, dass die Beitragszahlungen für die Unfallgruppenversicherung oder Schadenersatzleistungen des Arbeitgebers bei diesem Betriebsausgaben darstellen. Ein diesbezügliches Korrespondenzprinzip gibt es nämlich nicht.

Entscheidend ist vielmehr, ob sich die Zuwendung im weitesten Sinne als Frucht der Ar-beitsleistung des Arbeitnehmers darstellt. Im Streitfall verneint dies der Senat.

Der dem Kläger von der Gruppenunfallversicherung über seine Arbeitgeberin zugekommene Schadenersatz stellt sich nämlich auch im weitesten Sinne nicht als steuerpflichtiger Arbeitslohn, als Gegenleistung für das Zurverfügungstellen der Arbeitskraft dar. Es handelt sich entsprechend § 7 Abs. 1 AUB 88 („dauernde Beeinträchtigung der körperlichen oder geistigen Leistungsfähigkeit“) bzw. II der Vorschrift („Übergangsleistung“) vielmehr um einen materiellen Ausgleich für den hier vorliegenden Personenschaden. Die Versicherungsleistung diente nicht als Lohnersatz dem Zweck, Einnahmeausfälle des Klägers aus seinem Arbeitsverhältnis zu erstatten (in diesem Sinne auch: Urteile der Finanzgerichte Rheinland-Pfalz vom 28. September 2006 - 1 K 1854/05, 17. April 2007 - 2 K 2519/05 betreffend eine Betriebsunterbrechungsversicherung; Schleswig-Holstein vom 19. Juni 2002 - I 1339/97 und Hessen vom 21. September 2004 - 10 K 3682/03; a.A.: Finanzgericht Köln vom 24. November 2004 - 12 K 5350/01). Einnahmeausfälle werden über das Entgeltfortzahlungsgesetz bzw. - bei einem Betriebsunfall - über die Verletz-tenrente der gesetzlichen Unfallversicherung abgedeckt.

Zwar stand die Ausübung der Rechte aus der Gruppenunfallversicherung gem. § 12 AUB 88 ausschließlich der Arbeitgeberin des Klägers als VN zu; der Kläger war jedoch als Ver-sicherter materieller Träger des Rechtsanspruchs gegenüber dem Versicherer (§§ 179 Abs. 2, 75 Abs. 1 S. 1 VVG). Die Arbeitgeberin hat insoweit lediglich die Stellung einer „Durchgangsperson“ (vgl. BFH-Urteil vom 16. April 1999 in BStBl. II 2000, 406 unter Hinweis u.a. auf Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts). Dies so wie der Umstand, dass die Versicherung auch Unfälle des Klägers im privaten Bereich wegen Körperschäden abdeckte, unterstreicht die hier vertretene Auffassung, dass die Versicherungsleistung nicht als Arbeitslohn i.S.d. § 19 Abs. 1 Nr. 1 EStG anzusehen ist.

Zwar hat der BFH in seiner vorgenannten Entscheidung betreffend die Qualifikation bzw. den Zufluss der Beitragsleistungen des Arbeitgebers zur Gruppenunfallversicherung ausgeführt, dass insoweit zwar noch kein Lohnzufluss beim Arbeitnehmer vorliege, dass aber die Leistungen der Versicherung im Schadensfall zu Arbeitslohn führen könnten. Einen etwaigen Lohnzufluss könnten dann aber außergewöhnliche Belastungen im Fall eines Unfalls im privaten Bereich bzw. Werbungskosten bei einem Dienstunfall gegenüber ste-hen. Der BFH hat in diesem Zusammenhang aber auch betont, dass letztlich nur solche Leistungen aus der Versicherung besteuert werden, die Lohnersatz darstellten.

Bei einem Sachschaden wie beispielsweise der Zerstörung eines Pkw auf beruflicher Fahrt oder der nicht erstatteten Arztkosten könnten messbare Werbungskosten dem Zufluss der Entschädigungsleistung gegen gerechnet werden. Bei einem Körperschaden - wie hier - ist eine derartige Berechnung aber nicht möglich und auch nicht angezeigt.
Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung auch deshalb zugelassen, weil gegen die Urteile der Finanzgericht Rheinland-Pfalz vom 28. September 2006, Köln vom 24. November 2004 sowie Hessen vom 21. September 2004 Revisionen beim BFH anhängig sind (VI R 66/06, VI R 9/05 und VI R 20/05).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO; der Ausspruch über deren vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10 und 711 ZPO.

Rechtsmittelbelehrung XXX

RechtsgebietEStGVorschriften§ 19 Abs. 1 Nr. 1 EStG

Sprechen Sie uns an!

Kundenservice
Max-Planck-Str. 7/9
97082 Würzburg
Tel. 0931 4170-472
kontakt@iww.de

Garantierte Erreichbarkeit

Montag - Donnerstag: 8 - 17 Uhr
Freitag: 8 - 16 Uhr