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19.03.2008 · IWW-Abrufnummer 080923

Bundesfinanzhof: Urteil vom 21.09.1989 – V R 99/85

1. Das unternehmerische Wagnis, nichts oder wenig zu verdienen, kennzeichnet nicht nur den sog. Eigenhändler, sondern auch denjenigen, der lediglich Vermittlungsleistungen erbringt. Vermittlungsleistungen sind daher nicht bereits deshalb ausgeschlossen, weil die Höhe der Provision nicht von vorneherein fest vereinbart ist, sondern sich auf den Unterschied zwischen dem vom Gebrauchtwagenhändler erzielten Verkaufspreis und dem mit den Gebrauchtwagenverkäufern vereinbarten Mindestverkaufspreis beschränkt. Der Annahme von Vermittlungsleistungen steht es grundsätzlich auch nicht entgegen, wenn der Händler auf eigene Kosten Pflege- und Instandsetzungsarbeiten an den Gebrauchtwagen ausführt und die Gebrauchtwagenverkäufer hierüber nicht informiert.



2. Ein sog. Eigengeschäft liegt jedoch vor, wenn der Gebrauchtwagenhändler und nicht der Gebrauchtwagenverkäufer das Risiko des vermittelten Geschäfts trägt. Hiervon ist auszugehen, wenn der Gebrauchtwagen beim Verkauf des Neuwagens gegen sofortige und endgültige Anrechnung des für den Gebrauchtwagen vereinbarten Mindestverkaufspreises in Zahlung genommen wird.



3. Für ein sog. Eigengeschäft des Händlers spricht es,


- wenn sich der Mindestverkaufspreis weniger am Zeitwert des Gebrauchtwagens, sondern mehr an der Möglichkeit orientiert, für das Neufahrzeug einen Rabatt einzuräumen,


- wenn der Händler von vorneherein in Kauf nimmt, daß sich infolge der voraussichtlich anfallenden Kosten für die von ihm übernommenen Pflege- und Instandsetzungsarbeiten ein sog. Minusgeschäft ergibt.


BFH

Urteil vom 21.09.1989

V R 99/85

Tatbestand

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) handelt mit Kraftfahrzeugen; er ist Vertragshändler eines Autoherstellers. Überwiegend im Rahmen des Neuwagengeschäftes hat er gebrauchte Kraftfahrzeuge seiner Kunden übernommen, die unter Anrechnung auf den Neuwagenpreis weiterveräußert worden sind. Der Umsatzsteuer hierwegen unterwarf der Kläger lediglich die Provisionserlöse.

Aufgrund einer Außenprüfung beurteilte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) die Verkäufe der Gebrauchtwagen als sog. Eigengeschäfte des Klägers. Zwar habe der Kläger in fremdem Namen gehandelt, es fehle jedoch an dem weiteren Erfordernis des Handelns für fremde Rechnung, da abweichend vom Inhalt des Vermittlungsauftrages Name und Anschrift des Gebrauchtwagenkäufers dem Auftraggeber nicht mitgeteilt und durchgeführte Instandsetzungs- und Pflegearbeiten im weitesten Sinn in keinem Fall gesondert abgerechnet worden seien. Dementsprechend unterwarf das FA durch Änderungsbescheide vom 6. August 1981 die gesamten Einnahmen aus der Veräußerung der Gebrauchtwagen als Lieferungsentgelte der Umsatzsteuer.

Mit der nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage vertrat der Kläger die Auffassung, daß die Agenturverkäufe ordnungsgemäß als solche, d.h. erkennbar als Fremdgeschäfte im Namen und für Rechnung der jeweiligen Auftraggeber, durchgeführt worden seien.

Das Finanzgericht (FG) hat die Klage als unbegründet abgewiesen. Es kam wie das FA zu dem Ergebnis, daß die Veräußerung der Gebrauchtwagen nicht für Rechnung der Auftraggeber erfolgt sei.

Mit der Revision rügt der Kläger Verletzung materiellen Rechts. Er beantragt unter Aufhebung der Vorentscheidung, der Einspruchsentscheidung vom 19. Januar 1982 und der geänderten Umsatzsteuerbescheide für 1976 bis 1979 vom 6. August 1981 die Umsatzsteuer um folgende Beträge herabzusetzen:

Für 1976 um 21 737,65 DM,
für 1977 um 30 043,20 DM,
für 1978 um 34 763,04 DM und
für 1979 um 45 817,06 DM.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Die Vorentscheidung beruht auf einer Verletzung von § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1, § 3 Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1967/1973, weil das FG die Voraussetzungen verkannt hat, nach denen zu entscheiden ist, ob der Kläger die Verkäufe der Gebrauchtwagen für die Verkäufer als deren Lieferungen lediglich vermittelt und dementsprechend (gegenüber den Verkäufern) nur Vermittlungsleistungen erbracht hat oder ob der Kläger selbst die Gebrauchtwagen an die Abnehmer geliefert hat.

1. Das FG ist zwar davon ausgegangen, daß der Kläger beim Abschluß der Kaufverträge mit den Abnehmern der Gebrauchtwagen erkennbar im Namen der Gebrauchtwagenverkäufer gehandelt hat (§ 164 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB -), es hat aber Vermittlungsleistungen des Klägers deshalb verneint, weil er nicht auch für fremde Rechnung gehandelt habe. Das Handeln für fremde Rechnung sei dadurch gekennzeichnet, daß geschäftliches Risiko und wirtschaftlicher Erfolg des Umsatzes unmittelbar den Auftraggeber träfen und der Kraftfahrzeughändler als Vermittler nur im Rahmen des zwischen ihm und dem jeweiligen Auftraggeber bestehenden Auftragsverhältnisses handle; im Streitfall seien die sog. Agenturgeschäfte insgesamt so durchgeführt worden, daß für die Auftraggeber kein unternehmerisches bzw. zumindest unternehmerähnliches Interesse mehr verblieben sei.

Der erkennende Senat folgt dem nicht. Insbesondere genügt es für die Beurteilung der Umsätze des Klägers als Lieferungen nicht, daß darauf abgestellt wird, ob für den Auftraggeber ein unternehmerisches Interesse verbleibe, das vom FG deshalb verneint wurde, weil die Gebrauchtwagenverkäufer im Fall eines Verkaufs lediglich den vereinbarten Mindestverkaufspreis erhielten. Zur Begründung seiner Auffassung hat sich das FG u.a. auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 24. August 1961 V 98/59 U ( BFHE 73, 620 , BStBl III 1961, 492 ) berufen. Nach dem dort zur Beurteilung stehenden Sachverhalt war zwischen den Gebrauchtwagenverkäufern und dem Zwischenhändler vereinbart, daß der Zwischenhändler als Provision den Unterschied zwischen dem Verkaufspreis und dem mit dem Gebrauchtwagenverkäufer vereinbarten Mindestverkaufspreis erhalte, so daß der Gebrauchtwagenverkäufer stets nur den Mindestverkaufspreis erhielt. Der BFH begründete seine Entscheidung, daß der Zwischenhändler keine Vermittlungsleistungen erbracht habe, sondern sog. Eigenhändler sei, damit, daß er wirtschaftlich gesehen die Funktion eines Eigenhändlers übernommen habe. Indem er das wirtschaftliche Ergebnis aus dem Verkauf bestimme und sich im wesentlichen selbst zuleite, trete er im Innenverhältnis praktisch in das Geschäft zwischen Verkäufer und Käufer ein. Er trage das Wagnis, nichts oder wenig zu verdienen, wenn er den Gebrauchtwagen nur zum ,,Mindestverkaufspreis" oder wenig darüber verkaufe. Der Unterschied zwischen dem vom Zwischenhändler erzielten Verkaufspreis und dem Mindestverkaufspreis sei seinem Wesen nach nicht Provision, sondern Rohgewinn. Es widerspreche dem Wesen einer Provision, daß sie in ihrer Höhe nicht vereinbart, sondern einseitig vom Provisionsempfänger festgesetzt werde. Ein Handeln für fremde Rechnung i.S. des § 5 Abs. 3 UStG 1953 (nunmehr § 10 Abs. 1 Satz 4 UStG 1967/1973) liege in einem derartigen Fall nicht vor.

Geeignete, der erforderlichen Abgrenzung zwischen Lieferungen und sonstigen Leistungen genügende Kriterien ergeben sich aus diesen Rechtsausführungen nicht; denn das unternehmerische Wagnis, nichts oder wenig zu verdienen, kennzeichnet nicht nur den sog. Eigenhändler, sondern auch denjenigen, der lediglich Vermittlungsleistungen erbringt. Das Handeln ,,für Rechnung eines anderen" (§ 10 Abs. 1 Satz 4 UStG 1967/1973), also für fremde Rechnung, schließt ein eigenes Interesse an dem Geschäft, nämlich in bezug auf die zu erzielende Provision, nicht aus. Ein Handeln für fremde Rechnung liegt aber nicht vor, wenn die Zwischenperson und nicht der Auftraggeber das Risiko des vermittelten Geschäfts trägt. Das ist der Fall, wenn der Zwischenperson, entsprechend den Voraussetzungen für die Annahme einer Lieferung, Substanz, Wert und Ertrag der Gebrauchtwagen von den Verkäufern übertragen worden ist. Dementsprechend hat der erkennende Senat im Urteil vom 20. Februar 1986 V R 133/75 ( BFH/NV 1986, 311 ) ausgeführt, daß dem Tatbestandsmerkmal des § 10 Abs. 1 Satz 4 UStG 1967/1973 (§ 5 Abs. 3 UStG 1953) ,,für Rechnung eines anderen" keine selbständige umsatzsteuerbegründende oder den Steuertatbestand ausschließende Bedeutung zukomme. Vielmehr setze diese Vorschrift voraus, daß derjenige, der sog. durchlaufende Posten vereinnahme und verausgabe, selbst insoweit keine Leistung erbracht habe. Ob dies zutreffe, lasse sich nur nach den umsatzsteuerrechtlichen Leistungsbeziehungen beantworten.

2. Für die Bestimmung der Leistungsbeziehungen folgt das Umsatzsteuerrecht grundsätzlich dem Zivilrecht. Entsprechend der Regelung des § 164 Abs. 1 BGB ist demnach bei einem Handeln im Namen des Vertretenen umsatzsteuerrechtlich die dem Leistungsempfänger erbrachte Leistung grundsätzlich dem Vertretenen zuzurechnen. Das gilt jedoch nicht, wenn durch das Handeln in fremdem Namen lediglich verdeckt wird, daß der Vertreter und nicht der Vertretene die Leistung erbringt (Urteile in BFH/NV 1986, 311 , und vom 25. Juni 1987 V R 78/79 , BFHE 150, 205 , BStBl II 1987, 657 ).

a) Eine derartige Beurteilung wäre im Streitfall gerechtfertigt, wenn der Kläger die Gebrauchtwagen beim Verkauf der Neuwagen gegen sofortige und endgültige Anrechnung der vereinbarten Mindestverkaufspreise in Zahlung genommen hätte; die Verkäufe der Gebrauchtwagen wären dem Kläger als Lieferungen (sog. Eigengeschäfte) zuzurechnen (vgl. Urteile in BFH/NV 1986, 311 ; in BFHE 150, 205 , BStBl II 1987, 657 ; vom 29. September 1987 X R 13/81, BFHE 151, 469 , BStBl II 1988, 153 , und vom 27. Juli 1988 X R 40/82, BFHE 154, 264, BStBl II 1988, 1017). Eine Beurteilung als sog. Eigengeschäfte des Klägers könnte sich im Streitfall insbesondere ergeben, wenn durch tatsächliche Feststellungen belegt ist, daß, wie das FG angedeutet hat, ohne Rücksicht auf den späteren tatsächlichen Erlös im wirtschaftlichen Ergebnis der vereinbarte Mindestverkaufspreis als Zahlung für das Neufahrzeug angerechnet worden wäre. Für sog. Eigengeschäfte spräche es auch, wenn sich der Mindestverkaufspreis weniger am Zeitwert des Gebrauchtfahrzeugs, sondern mehr an der Möglichkeit orientiert hätte, für das Neufahrzeug einen Rabatt einzuräumen, denn hieraus würde erkennbar, daß dem Gebrauchtwagenverkäufer nicht an der Vermittlung des Verkaufs, sondern daran gelegen war, das Fahrzeug endgültig ,,loszuwerden".

b) Grundsätzlich ohne Bedeutung ist es, daß der Kläger auf eigene Kosten Pflege- und Instandsetzungsarbeiten an den Gebrauchtwagen ausgeführt hat und die Verkäufer hierüber auch nicht informiert hat. Entsprechend den Ausführungen im Urteil in BFHE 151, 469 , BStBl II 1988, 153 unter 4. ergibt sich aus einer derartigen Sachverhaltsgestaltung grundsätzlich nichts für die Entscheidung, ob die Gebrauchtwagenverkäufer dem Kläger endgültig die Verfügungsmacht über die Gebrauchtwagen verschafft haben. Etwas anderes könnte allerdings in Frage kommen, wenn von vornherein in Kauf genommen würde, daß sich infolge der möglicherweise anfallenden Kosten für die Pflege- und Instandsetzungsarbeiten ein Minusgeschäft im Sinne des Urteils in BFHE 150, 205 , BStBl II 1987, 657 ergeben könnte, d.h. der Kläger den vereinbarten Mindestverkaufspreis auf den Kaufpreis der Neuwagen anrechnen werde, ohne Rücksicht darauf, ob der Kläger unter Einbeziehung der aufzuwendenden Kosten für die Pflege- und Instandsetzungsarbeiten einen diesem Mindestverkaufspreis entsprechenden Erlös für die Gebrauchtwagen werde erzielen können.

c) Im Hinblick auf die vom FG erwähnten, aber nicht näher geprüften Agenturgeschäfte über Gebrauchtwagen, die ohne Zusammenhang mit dem Verkauf von Neuwagen abgewickelt worden sind, weist der erkennende Senat darauf hin, daß auch in derartigen Fällen sog. Eigengeschäfte in Betracht kommen können, nämlich dann, wenn aufgrund einer Gesamtwürdigung des Verkaufsgeschäftes auf einen die Kündigung - es sei denn aus wichtigem Grund - ausschließenden Bindungswillen der Vertragsparteien geschlossen werden kann. Der Senat bezieht sich insoweit auf die Ausführungen im Urteil in BFHE 154, 264, BStBl II 1988, 1017 unter 5. Die vom FG vorgenommene pauschale Gleichstellung mit den Fällen der Agenturgeschäfte im Zusammenhang mit dem Verkauf von Neuwagen ist nicht vertretbar.

3. Die tatsächlichen Feststellungen des FG reichen für eine Entscheidung nach den unter 2. dargestellten Rechtsgrundsätzen nicht aus. Das FG wird bei der erneuten Verhandlung die erforderlichen tatsächlichen Feststellungen zu treffen und in seiner Entscheidung die dargestellten Rechtsgrundsätze zu berücksichtigen haben.

RechtsgebieteUStG, BGBVorschriftenUStG 1967/1973 § 1 Abs. 1 Nr. 1 S. 1, § 3 Abs. 1, 8, § 10 Abs. 1 S. 4; BGB § 164 Abs. 1

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