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14.02.2008 · IWW-Abrufnummer 080485

Finanzgericht Niedersachsen: Urteil vom 17.01.2008 – 10 K 103/07

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


NIEDERSÄCHSISCHES FINANZGERICHT

URTEIL

vom 17.01.2008

Az.: 10 K 103/07

Einkommensteuer 2006

Die Abschaffung der Abzugsfähigkeit privater Steuerberatungskosten ist nicht verfassungswidrig

Revision zugelassen – Az. des BFH noch nicht bekannt


Tatbestand

Streitig ist der Abzug von Steuerberatungskosten in 2006 für die Erstellung einer Einkommensteuererklärung für 2005 nach dem zum 1.1.2006 durch das Gesetz zum Einstieg in ein steuerliches Sofortprogramm vom 22.12.2005 (BGBl. I 2005, 3682; BStBl. I 2006, 79) aufgehobenen § 10 Abs. 1 Nr. 6 EStG.

Die Klägerin machte in ihrer Einkommensteuererklärung für das Jahr 2006 neben Steuerberatungskosten für die Ermittlung von Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit sowie für die Ermittlung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung Steuerberatungskosten für die Erstellung ihrer Einkommensteuererklärung 2005 in Höhe von 94,57 Euro geltend. Sowohl die Erstellung der Einkommensteuererklärung als auch die Zahlung des Honorars erfolgten in 2006. Das beklagte Finanzamt (FA) versagte den Abzug der Steuerberaterkosten für die Erstellung der Einkommensteuererklärung mit der Begründung, dass es sich bei diesen Steuerberatungskosten weder um Betriebsausgaben noch um Werbungskosten handele. Sie seien aufgrund der Aufhebung der Vorschrift des § 10 Abs. 1 Nr. 6 EStG ab 2006 nicht mehr abzugsfähig.

Mit ihrer Sprungklage, welcher das FA zugestimmt hat, verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.

Ihrer Ansicht nach ist die Aufhebung der Vorschrift des § 10 Abs. 1 Nr. 6 EStG ab 2006 mit dem Grundgesetz unvereinbar. Durch die Aufhebung werde der allgemeine Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG verletzt. Gesellschafter einer Personengesellschaft würden hinsichtlich der Übertragung der Ergebnisse der Gewinnermittlung in die Steuerformulare der Erklärung zur gesonderten und einheitlichen Feststellung von Besteuerungsgrundlagen gegenüber der Rechtslage bei Kapitalgesellschaften ungerechtfertigt benachteiligt. Außerdem habe das Steuerrecht seit der Gründung der Bundesrepublik Deutschland eine permanente Verkomplizierung erfahren, die auf allen demokratischen Ebenen sowie in der Fachliteratur beklagt werde. Ungeachtet dessen, dass das Steuerrecht unübersichtlich, kompliziert und schwer verständlich sei, seien Verstöße gegen steuerliche Pflichten strafbewehrt. Der Steuerpflichtige sei deshalb, wolle er das Risiko strafrechtlich relevanten Handelns oder einer Haftungsinanspruchnahme vermeiden, auf die Inanspruchnahme der Beratung durch Fachleute angewiesen. Die dafür aufzuwendenden Teile seines Einkommens seien seiner Dispositionsfreiheit entzogen. Dies werde beispielsweise im Fall des Eintritts eines Erbfalls deutlich, der durch den Steuerpflichtigen nicht beeinflussbar sei. Der Erbe sei auf entsprechende Aufforderung des Finanzamtes hin verpflichtet, eine Erbschaftsteuererklärung abzugeben. Auch das Eigentum an Grundvermögen verpflichte zur Abgabe einer „Erklärung zur Feststellung des Einheitswerts“ des Grundvermögens. Im übrigen sei jeder Steuerpflichtige, der Einkünfte habe, zur Abgabe einer jährlichen Einkommensteuererklärung verpflichtet.

Vom Steuerpflichtigen zu verlangen, dass er die erforderlichen Kenntnisse zur Erfüllung seiner steuerlichen Pflichten selbst erwerbe, verstieße einerseits gegen den Grundsatz der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) des Steuerpflichtigen selbst und andererseits wäre es ein unverhältnismäßiger Eingriff in das Grundrecht der Berufs- und Gewerbefreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) der rechts- und steuerberatenden Berufe.

Die Klägerin beantragt,
Aufwendungen für Steuerberaterhonorare zur Erstellung der Einkommensteuererklärung 2005 i.H.v. 94, 57 Euro im Veranlagungszeitraum 2006 als Sonderausgaben abzuziehen.

Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Die Besorgnis der Verfassungswidrigkeit der Streichung des § 10 Abs. 1 Nr. 6 EStG werde nicht geteilt.

Die Klägerin und der Beklagte haben auf eine mündliche Verhandlung verzichtet.

Entscheidungsgründe

Die nach § 45 Abs. 1 FGO ohne Vorverfahren zulässige Sprungklage, über die der Senat aufgrund der Einwilligung der Beteiligten nach § 90 Abs. 2 FGO ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist unbegründet. Zu Recht hat das FA die Abzugsfähigkeit der geltend gemachten Steuerberatungskosten in Höhe von 94,57 Euro für die Erstellung der Einkommensteuererklärung 2005 abgelehnt.

1. Die geltend gemachten Steuerberatungskosten für die Erstellung der Einkommensteuererklärung 2005 sind als Kosten der privaten Lebensführung nach § 12 Nr. 1 EStG nicht abzugsfähig. Die Vorschrift des § 10 Abs. 1 Nr. 6 EStG, wonach Steuerberatungskosten, die weder Betriebsausgaben noch Werbungskosten sind, als Sonderausgaben abzugsfähig sind, ist durch das Gesetz zum Einstieg in ein steuerliches Sofortprogramm vom 22.12.2005 (BGBl. I 2005, 3682; BStBl. I 2006, 79) zum 01.01.2006 aufgehoben worden (§ 52 Abs. 1 Satz 1 EStG in der Fassung des vorgenannten Gesetzes). Nach neuer Rechtslage sind Steuerberatungskosten nur noch zu berücksichtigen, wenn sie Betriebsausgaben oder Werbungskosten darstellen. Voraussetzung für einen Abzug ist daher, dass die Aufwendungen bei der Ermittlung der Einkünfte anfallen (vgl. BFH-Urteil vom 18. November 1965, BStBl III 1966, 190). Das Ausfüllen der Steuererklärung oder die Beratung in Tarif- und Veranlagungsfragen gehören nicht zur Einkunftsermittlung. Die hierauf entfallenden Kosten sowie Aufwendungen stellen vielmehr Kosten der privaten Lebensführung dar (vgl. BFH-Urteil vom 12. Juli 1989, BStBl II 1989, 967).

2. Die von der Klägerin geltend gemachten Steuerberatungskosten sind auch nicht deswegen nach § 10 Abs. 1 Nr. 6 EStG als Sonderausgaben abzugsfähig, weil die von der Klägerin in 2006 aufgewandten Kosten wirtschaftlich noch dem Veranlagungszeitraum 2005 zuzuordnen sind, für den die Einkommensteuererklärung erstellt wurde. Für die Abziehbarkeit von Steuerberatungskosten ist nach der Anwendungsregelung des § 52 Abs. 1 Satz 1 EStG in der Fassung des Gesetzes zum Einstieg in ein steuerliches Sofortprogramm entscheidend, dass der Zahlungszeitpunkt vor dem 01.01.2006 liegt (vgl. Kulosa in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, § 10 Anm. 221; Tausch/Plenker DB 2006, 8, 11; Drenseck, DB 2006 Beil. 2, 3). Nicht zu überzeugen vermag demgegenüber die Gegenansicht, wonach auf die wirtschaftliche Zuordnung der Steuerberatungskosten abzustellen ist und der Sonderausgabenabzug für Steuerberatungskosten, die einem Veranlagungszeitraum vor 2006 zuzuordnen sind, deshalb auch dann noch zuzulassen ist, wenn die Zahlung im Veranlagungszeitraum 2006 oder später abfließt (vgl. Bauschatz in Korn, EStG, § 10 Rz. 213.1; für den Fall, dass die Steuerberatungsleistung noch im Jahr 2005 erbracht ist auch Melchior, DStR 2006, 12, 13). Auch im Rahmen der Anwendungsregelung des § 52 Abs. 1 Satz 1 EStG ist das Abflussprinzip nach § 11 Abs. 2 Satz 1 EStG zu berücksichtigen, mit der Folge dass es für die Aufhebung der Abzugsmöglichkeit ab dem 01.01.2006 maßgebend auf den Zeitpunkt des Abflusses der Aufwendungen ankommt.

3. Die Klägerin wird durch die Abschaffung des Sonderausgabenabzugs der privaten Steuerberatungskosten nicht in ihren Grundrechten verletzt.

a) Die Abschaffung des Sonderausgabenabzugs von privaten Steuerberatungskosten verletzt die Klägerin nicht in ihrem Recht aus Art. 3 Abs. 1 GG.

aa) Nach der Rechtsprechung des BVerfG ergibt sich im Einkommensteuerrecht für den Gesetzgeber aus dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes –GG--) das Gebot, die Steuerlast an der finanziellen Leistungsfähigkeit auszurichten, die nach dem objektiven und subjektiven Nettoprinzip zu bemessen ist (vgl. m.w.N. BverfG-Beschluss vom 21.06.2006 2 BvL 2/99, BVerfGE 116, 164, NJW 2006, 2757). Für den Bereich des subjektiven Nettoprinzips gebieten Art. 3 Abs. 1 sowie Art. 1 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 1 GG, das Existenzminimum des Steuerpflichtigen und seiner unterhaltsberechtigten Familie von der Einkommensteuer zu verschonen (vgl. BVerfG-Beschlüsse vom 4.12.2002 2 BvR 400/98 u.a., BVerfGE 107, 27, BStBl II 2003, 534, und vom 16.04. 2005 2 BvL 7/00, BVerfGE 112, 268, BFH/NV 2005, Beilage 4, 356, jeweils m.w.N.).

In seinen Entscheidungen in BVerfGE 107, 27, BStBl II 2003, 534 und in BVerfGE 112, 268, BFH/NV 2005, Beilage 4, 356 hat das BVerfG erstmals ausgeführt, für die steuerliche Berücksichtigung von Aufwendungen komme es nicht nur auf deren berufliche oder private Veranlassung an, sondern auch auf die Unterscheidung zwischen freier bzw. beliebiger Einkommensverwendung und dem Vorliegen von „zwangsläufigem, pflichtbestimmten Aufwand“. Auch wenn Aufwendungen ganz oder teilweise der Sphäre der allgemeinen (privaten) Lebensführung zuzuordnen seien, müsse der Gesetzgeber die unterschiedlichen Gründe für den Aufwand „im Lichte betroffener Grundrechte differenzierend würdigen“.

bb) Private Steuerberatungskosten zählen nicht zum zwangsläufigen, pflichtbestimmten Aufwand im Sinne der soeben zitierten Rechtsprechung des BVerfG.

(1) Zwar wird in der Literatur und sinngemäß auch von der Klägerin die Ansicht vertreten, dass im Rahmen des subjektiven Nettoprinzips auch die privaten Steuerberatungskosten zum Abzug zugelassen werden müssten, weil Steuerlaien die Verantwortung für ihre Steuererklärung nicht tragen könnten. Soweit sie sich verpflichtet fühlten, einen Steuerberater einzuschalten, seien die Kosten daher „pflichtbestimmt“ und die Abschaffung des Sonderausgabenabzugs ein Verstoß gegen das subjektive Nettoprinzip (Tipke StuW 2007, 210; ders. Steuerrechtsordnung, Bd. 2, S. 702, ders. StbKongRep 1983, 39, 56). Auch nach anderen Autoren sollen Steuerberatungskosten die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen mindern, weil sie wegen der Komplexität des Steuerrechts unvermeidbar seien (Söhn in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, § 10, Rz. I 2; Korritter, DB 1986, 560). Der Abzug von Steuerberatungskosten sei daher verfassungsrechtlich geboten (Traxel NWBf. 3, 9495; ebenso wohl Strahl KÖSDI 2005, 14900, 14902). Für diese Ansicht lässt sich möglicherweise anführen, dass auch nach der Rechtsprechung des BFH der Sonderausgabenabzug von privaten Steuerberatungskosten nach § 10 Nr. 6 EStG einen gewissen Ausgleich für die Inpflichtnahme bei der Steuererklärung angesichts des komplizierten Steuerrechts und der dadurch entstehenden leistungsmindernden „Zwangsaufwendungen“ gewähren soll (vgl. BFH-EuGH-Vorlage vom 26.05.2004 I R 113/03, BFHE 206, 347). In einem ähnlichen Sinne heißt es in einer anderen BFH-Entscheidung, wegen der Schwierigkeit und Unübersichtlichkeit des Steuerrechts sollten durch § 10 Nr. 6 EStG solche unvermeidbaren Privatausgaben steuermindernd berücksichtigt werden, die dem Steuerpflichtigen dadurch entstehen, dass er zur Erfüllung seiner steuerlichen Pflichten oder zur Wahrung seiner steuerlichen Rechte fremde Hilfe in Anspruch nehme (BFH-Urteil vom 23. Mai 1989 X 6/85, BFHE 157, 512, BStBl II 1989, 865). In einer Stellungnahme der Bundesregierung gegenüber dem EuGH in der Rechtssache C-346/04 „Conijn“ heißt es dementsprechend, private Steuerberatungskosten nach § 10 Nr. 6 EStG könnten aufgrund des komplexen Steuerrechts häufig entstehen und berührten die Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen in entsprechender Weise (zitiert nach den Schlussanträgen des Generalanwalts Philippe Léger in der Rechtssache C-346/04 Textziffer 38).

Es finden sich allerdings auch Entscheidungen des BFH, welche die Formulierungen vom Vorliegen leistungsmindernder „Zwangsaufwendungen“ bzw. unvermeidbarer Privatausgaben im Zusammenhang mit dem Sonderausgabenabzug nach § 10 Nr. 6 EStG nicht verwen-den (vgl. BFH-Urteile vom 12. Juli 1989, X R 35/86, BFHE 157, 559, BStBl II 1989, 967; vom 20. September 2989 X R 43/86, BFHE 158, 356, BStBl II 1990, 20; vom 10. März 1999 XI R 86/95, BFHE 188, 302, BStBl II 1999, 522).

Auch will zu der vom BFH in der EuGH-Vorlageentscheidung I R 113/03 gewählten Formulierung von den privaten Steuerberatungskosten als leistungsmindernden „Zwangsaufwendun-gen“ nicht recht passen, dass der steuerlichen Abzugsfähigkeit nach § 10 Nr. 6 EStG nach Ansicht des Gerichts in der selben Entscheidung in erster Linie Lenkungs- und Subventionszwecke zugrundeliegen sollen. Entweder der Sonderausgabenabzug von privaten Steuerberatungskosten ist vom (subjektiven) Nettoprinzip geboten; dann kann es sich bei § 10 Nr. 6 EStG nicht um eine Norm mit Lenkungs- und Subventionszweck gehandelt haben, denn die Abzugsfähigkeit entspräche dem Leistungsfähigkeitsprinzip. Oder es handelte sich bei § 10 Nr. 6 EStG um eine Norm, die nicht der Verwirklichung des Leistungsfähigkeitsprinzips diente, sondern Lenkungs- und Subventionszweck hatte; dann kann es sich bei den privaten Steuerberatungskosten jedoch nicht um leistungsmindernde Zwangsaufwendungen handeln.

(2) Nach Ansicht des erkennenden Senats mag zwar in vielen Fällen aufgrund der Komplexität des Steuerrechts für Steuerpflichtige ein wirtschaftlicher Druck bestehen, Steuerberatungsdienstleistungen in Anspruch zu nehmen, die zu privaten Steuerberatungskosten führen. Dies rechtfertigt es aber nicht, private Steuerberatungskosten als pflichtbestimmte Zwangsaufwendungen oder unvermeidbare Privatausgaben zu qualifizieren, welche aufgrund des subjektiven Nettoprinzips vom Gesetzgeber zwingend zum Abzug als Sonderausgaben zuzulassen sind. Nach § 80 AO besteht für einen Beteiligten im Steuerverwaltungsverfahren lediglich die Möglichkeit, sich durch einen Bevollmächtigen vertreten lassen, aber kein Vertretungszwang. Entscheidet er sich für die Hilfe eines Beraters, so trifft er eine freie Entscheidung mit der Folge, dass die daraus resultierenden Kosten als disponibel anzusehen sind (vgl. Kulosa in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, § 10 Rz. 220; Wüllenkemper, Rückfluss von Aufwendungen im Ertragsteuerrecht, 1987, 136). Tatsächlich entscheidet sich eine Vielzahl von Steuerpflichtigen denn auch gegen die Inanspruchnahme externer professioneller Hilfe und erledigt ihre Steuererklärungen selbst.
Die auch von der Klägerin beklagte Unübersichtlichkeit des Steuerrechts betrifft außerdem vor allem den Bereich der Einkunftsermittlung, in dem die Abziehbarkeit von Steuerberatungskosten als Betriebsausgaben bzw. Werbungskosten weiterhin gewährleistet ist. Bei den von der Klägerin geltend gemachten Kosten handelt es sich jedoch um solche, welche im Zusammenhang mit dem Übertragen der Ergebnisse aus der jeweiligen Einkunftsermittlung in die entsprechende Anlage zur Einkommensteuererklärung und das übrige Ausfüllen der Einkommensteuererklärung entfallen. Eine übermäßige Kompliziertheit des Steuerrechts in diesem Bereich ist von der Klägerin nicht dargetan worden und sie ist umso weniger ersichtlich, als nach § 89 AO die Finanzbehörde den Steuerpflichtigen zur Beratung und Auskunft verpflichtet ist. Die Finanzbehörde soll nach § 89 S. 1 AO die Abgabe von Erklärungen, die Stellung von Anträgen oder Berichtigung von Erklärungen oder Anträgen anregen, wenn diese offensichtlich nur versehentlich oder aus Unkenntnis unterblieben oder unrichtig abgegeben oder gestellt worden sind. Nach Satz 2 der zitierten Vorschrift erteilt die Finanzbehörde zudem, soweit erforderlich, Auskunft über die den Beteiligten im Verwaltungsverfahren zustehenden Rechte und die ihnen obliegenden Pflichten.

Im übrigen ist darauf hinzuweisen, dass den Steuerpflichtigen erst recht kein Zwang trifft, soweit es nicht um die Erfüllung seiner Erklärungspflichten sondern die Geltendmachung seiner Rechte bei Abgabe seiner Steuererklärung geht. Entscheidet er sich - was sein gutes Recht ist - für eine Geltendmachung seiner Rechte gegenüber dem Fiskus, mag es in vielen Fällen so sein, dass die Einholung professioneller externer Hilfe sinnvoll ist. Dies ändert aber nichts daran, dass die Geltendmachung dieser Rechte und somit auch die damit verbundenen Steuerberatungskosten auf einer privaten Disposition des Steuerpflichtigen beruhen. Derartige Aufwendungen sind deshalb mit Aufwendungen des Steuerpflichtigen für sein Existenzminimum und das seiner unterhaltspflichtigen Familie nicht vergleichbar. Ausnahmsweise mag etwas anderes gelten, wenn der Steuerpflichtige ohne die Geltendmachung seiner Rechte im Besteuerungsverfahren Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren. In einem solchen Fall, über den hier nicht zu entscheiden ist, wird nach Aufhebung des § 10 Nr. 6 EStG ein möglicher Abzug der Aufwendungen nach § 33 Abs. 1 EStG als außergewöhnliche Belastungen in Betracht zu ziehen sein.

cc) Es kann offen bleiben, ob die Aufhebung des § 10 Nr. 6 EStG, wie die Klägerin meint, insoweit mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar ist, als Gesellschafter einer Personengesellschaft möglicherweise hinsichtlich der Übertragung der Ergebnisse der Gewinnermittlung in die Steuerformulare der Erklärung zur gesonderten und einheitlichen Feststellung von Besteuerungsgrundlagen gegenüber der Rechtslage bei Kapitalgesellschaften benachteiligt sind. Der Klägerin, die im Streitjahr keine Einkünfte als Gesellschafterin einer Personengesellschaft erzielte, fehlt es insoweit an der subjektiven Betroffenheit für eine Berufung auf Art. 3 Abs. 1 GG (vgl. dazu Osterloh in Sachs, Kommentar zum GG, 3. Aufl., Rz. 85).

b) Die Klägerin ist auch nicht in ihren Rechten aus Art. 2 Abs. 1 GG verletzt. Soweit die Aufhebung des § 10 Nr. 6 EStG in die (wirtschaftliche) Handlungsfreiheit der Klägerin nach Art. 2 Abs. 1 GG eingreift, ist dieser Eingriff gerechtfertigt. Der Gesetzgeber hat den Wegfall des Sonderausgabenabzugs mit der Rechtsvereinfachung, dem Abbau von Ausnahmetatbeständen und der Verbreiterung der Bemessungsgrundlage begründet (FraktE v. 29.11.2005, BTDruchs. 16/105, 4). Es kann offen bleiben, inwieweit das Ziel der Rechtsvereinfachung dabei im Hinblick auf den Fortbestand der Abzugsmöglichkeit von beruflich bzw. betrieblich veranlassten Ausgaben für die Steuerberatung als Werbungskosten bzw. Betriebsausgaben durch die Gesetzesänderung zu erreichen ist. Jedenfalls im Hinblick auf die gesetzgeberischen Ziele der Verbreiterung der Bemessungsgrundlage und des Abbaus von Ausnahmetatbeständen ist die Aufhebung des § 10 Nr. 6 EStG verhältnismäßig.

Die Klägerin wird in ihren Rechten aus Art. 2 Abs. 1 GG auch nicht in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) dadurch verletzt, dass wie oben unter II 2 festgestellt, die Aufhebung des § 10 Abs. 1 Nr. 6 EStG zum 1.1.2006 Anwendung auf die von der Klägerin getätigten Steuerberatungskosten für eine Steuererklärung für das Jahr 2005 findet. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. Beschluss vom 14.05.1986 2 BvL 2/83, BverfGE 72, 200, 241, BStBl. II 1986, 628; BFH-Vorlagebeschluss vom 16.12.2003 IX R 46/02, BStBl. II 2004, 284) bedarf es vor dem Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG einer besonderen Rechtfertigung, wenn der Gesetzgeber die Rechtsfolgen eines der Vergangenheit zugehörigen Verhaltens nachträglich belastend ändert. Der Bürger wird in seinem Vertrauen auf die Verlässlichkeit der Rechtsordnung enttäuscht und in seiner Freiheit erheblich gefährdet, wenn der Gesetzgeber an bereits abgeschlossene Tatbestände im Nachhinein ungünstigere Folgen knüpft als diejenigen, von denen der Bürger bei seinen Dispositionen ausgehen dürfte. Rechtssicherheit und Vertrauensschutz stehen dabei jedoch in einem Spannungsverhältnis zum Demokratieprinzip (Art. 20 Abs. 1 GG). Der demokratisch legitimierte Gesetzgeber kann beachtliche Gründe haben, bestehende Rechtslagen zu än-dern, auch wenn er dabei auf Tatbestände einwirken muss, die sich in der Entwicklung befinden und die im Vertrauen auf eine bestehende günstige Rechtslage geplant wurden. Der Bürger kann deshalb nicht darauf vertrauen, dass der Gesetzgeber Steuervergünstigungen, die er bisher gewährt hat, uneingeschränkt auch für die Zukunft aufrechterhält (BverfG-Beschlüsse vom 7. Juli 1964 2 BvL 22, 23/63, BverfGE 18, 135, 144; in BverfGE 105, 17, 40).

Vorliegend ist von der Klägerin nicht geltend gemacht worden und ist nach Aktenlage auch nicht ersichtlich, dass sie vor Verkündigung des Gesetzes zum Einstieg in ein steuerliches Sofortprogramm am 30.12.2005 über die von ihr erst in 2006 getätigten Aufwendungen im Vertrauen auf den Fortbestand der alten Rechtslage bereits in nicht mehr rückgängig zu machender Weise disponiert hatte zumal die zu entgeltenden Steuerberaterleistungen für die bloße Erstellung der Steuererklärung regelmäßig erst nach Ablauf des Veranlagungszeitraums - hier nach dem 31.12.2005 - erbracht werden, da die Erklärung diesen in seiner Gesamtheit zu umfassen hat. Es kann daher offen bleiben, inwiefern der bisherigen Rechtsprechung des BVerfG zu folgen ist, wonach es grundsätzlich unbedenklich ist, wenn der Gesetzgeber auf gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Sachverhalte und Rechtsbeziehungen für die Zukunft einwirkt ( unechte Rückwirkung; tatbestandliche Rückanknüpfung) (vgl. Beschluss vom 14.05.1986 2 BvL 2/83, BVerfGE 72, 200, 241, BStBl. II 1986, 628; BFH-Vorlageschluss vom 16.1.2003 IX R 46/02, BStBl. II 2004, 284; Pahlke/Koenig, AO, § 4 Rz. 77f.; Drüen in Tipke/Kruse AO/FGO, § 4 AO Rz. 16). Denn auch bei Zugrundelegung eines sog. „dispositionsbezogenen Rückwirkungschutzes“ (vgl. BFH-Vorlageschluss vom 16.12.2003 IX R 46/02, BStBl. II 2004, 284, 293; Drüen in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 4 AO Rz. 16a) könnte die Klägerin sich auf eine unzulässige rückwirkende Aufhebung des § 10 Abs. 1 Nr. 6 EStG nicht berufen.

c) Da die Klägerin nur eigene Grundrechte geltend machen kann, ist im vorliegenden Verfahren nicht zu prüfen, ob die Abschaffung des § 10 Nr. 6 EStG einen unverhältnismäßigen Eingriff in das Grundrecht der Berufs- und Gewerbefreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) der recht- und steuerberatenden Berufe darstellt.

4. Die Revision war nach § 115 Abs. 2 S.1 FGO aufgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zuzulassen.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO

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