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16.11.2007 · IWW-Abrufnummer 073497

Oberlandesgericht Koblenz: Beschluss vom 14.06.2007 – 2 Ws 300/07

§ 48 Abs. 5 RVG gilt auch für den im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordneten Rechtsanwalt und erfasst die vor der Beiordnung entstandenen Gebührentatbestände.


Geschäftsnummer: 2 Ws 300/07
9 Qs 46/07 LG Koblenz
2010 Js 41887104 - StA Koblenz

OLG Koblenz

BESCHLUSS

In der Strafsache XXX

w e g e n gefährlicher Körperverletzung
hier: weitere Beschwerde des Bezirksrevisors bei dem Landgericht

Koblenz gegen den Beschluss des Landgerichts Koblenz vom 14. Mai 2007 hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Koblenz durch die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht sowie die Richter am Oberlandesgericht und am 14. Juni 2007 beschlossen:

Die weitere Beschwerde des Bezirksrevisors gegen den Beschluss der 9. Strafkammer des Landgerichts Koblenz vom 14. Mai 2007 wird als unbegründet verworfen.

Gründe:

In dem Ermittlungsverfahren gegen den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung zeigte Rechtsanwalt F. am 12. Juli 2004 (BI. 18 d.A.) die Vertretung des Nebenklägers an. Nach der Eröffnung des Hauptverfahrens und der Zulassung der Nebenklage beantragte er mit Schreiben vom 4. April 2005 (BI. 73 d.A.), dem Nebenkläger als Rechtsanwalt beigeordnet zu werden und am 16. Januar 2006 (BI. 96 d.A.) die Gewährung von Prozesskostenhilfe. Am 20. Januar 2006 (BI. 102 d.A.) bewilligte das Amtsgericht dem Nebenkläger Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt F.. Das Strafverfahren wurde in der Hauptverhandlung vom 1. September 2006 (BI. 154 d.A.) gemäß § 153a Abs. 1 StPO vorläufig eingestellt.

Der Nebenklägervertreter beantragte am 4. September 2006 (BI. 163 d.A.), Gebühren und Auslagen in Gesamthöhe von 898,47 € festzusetzen. Er machte unter anderem die Grundgebühr (Nr. 4100 W RVG) und die Verfahrensgebühr (Nr. 4104 W RVG) für das Ermittlungsverfahren geltend. Durch Beschluss vom 27. September 2006 (BI. 164b d.A.) setzte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle die dem Verfahrensbevollmächtigten des Nebenklägers zu zahlende Vergütung auf 580 € fest. Unberücksichtigt blieben die Grundgebühr und die Verfahrensgebühr für das Ermittlungsverfahren sowie die geltend gemachten Kopiekosten und der anteilige Mehrwertsteuerbetrag, da diese Gebührenansprüche bzw. Auslagen bereits vor der Beiordnung entstanden seien. Die gegen diesen Beschluss eingelegte Erinnerung des Nebenklägervertreters wurde durch Beschluss des Amtsgerichts Koblenz vom 26. März 2007 (BI. 193 d.A.) zurückgewiesen. Auf seine Beschwerde hob das Landgericht Koblenz durch den angefochtenen Beschluss (BI. 209b d.A.) die amtsgerichtliche Entscheidung auf und setzte die dem Nebenklägervertreter zu zahlende Vergütung auf 898,47 € fest. Zur Begründung führte die Strafkammer aus, dass der Nebenklägervertreter gemäß § 48 RVG einen Anspruch auf Vergütung auch desjenigen Teils seiner Tätigkeit habe, die vor dem Zeitpunkt seiner Bestellung bzw. Beiordnung erfolgt sei. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtsfrage ließ es die weitere Beschwerde zu.

Gegen diesen Beschluss hat der Vertreter der Landeskasse fristgerecht weitere Beschwerde (BI. 211 d.A.) eingelegt und beantragt, unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses die amtsgerichtliche Entscheidung wieder herzustellen. Die Grundund Verfahrensgebühr sowie die Kopiekosten seien vor er Bewilligung der Prozesskostenhilfe angefallen. Prozesskostenhilfe könne grundsätzlich nicht rückwirkend bewilligt werden. Das Landgericht hat durch Beschluss vom 30. Mai 2007 (BI. 232 d.A.) der weiteren Beschwerde nicht abgeholfen.

1.

Die weitere Beschwerde ist gem. §§ 33 Abs. 6 S. 1, 56 Abs. 2 S. 1 RVG statthaft, denn das Landgericht hat sie wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung anstehenden Fragen zugelassen. Sie wurde auch ordnungsgemäß, insbesondere innerhalb der Frist der §§ 33 Abs. 3 S. 3, Abs. 6 S. 4, 56 Abs. 2 S. 1 RVG eingelegt.

2.

Das Rechtsmittel hat in der Sache keinen Erfolg. Der angefochtene Beschluss entspricht der Sach- und Rechtslage. Das Beschwerdevorbringen rechtfertigt keine andere Beurteilung.

a) § 397a Abs. 2 StPO verweist, soweit dem Nebenkläger Prozesskostenhilfe unter gleichzeitiger Beiordnung eines Rechtsanwalts bewilligt wird, auf die Vorschriften über die zivilprozessualen Prozesskostenhilfevorschriften (§§ 114 ff. ZPO). Danach ist eine rückwirkende Bewilligung von Prozesskostenhilfe nur im eingeschränkten Umfang zulässig. Rückwirkung kann das Gericht dem Beschluss frühestens auf den Zeitpunkt beilegen, in dem ihm der Antrag samt den erforderlichen Erklärungen und Unterlagen vorlag (vgl. BGH NJW 1985, 921). Im Zweifel ist stillschweigende Rückwirkung auf den Zeitpunkt anzunehmen, zu dem Prozesskostenhilfe frühestens hätte bewilligt werden können (BGH NJW-RR 1998, 442). Dies gilt auch für die nachträgliche Bewilligung von Prozesskostenhilfe nach - selbst rechtskräftiger - Beendigung der Instanz (vgl. Thomas/Putzo, ZPO, 28. Aufl. § 119 Rdnr. 3).

b) Diese Grundsätze finden, soweit es sich um die nachträgliche Bewilligung von Prozesskostenhilfe im obigen Sinne handelt, auch im Rahmen des § 397a Abs. 2 StPO Anwendung (vgl. BGH NJVV 1985, 921; OLG Hamm ivStZ-RR 2003, 335; OLG Köln NStZ-RR 2000, 285). In Strafsachen weicht aber im Übrigen die zeitliche Geltung einer Beiordnung oder Bestellung des Anwalts erheblich von diesen allgemeinen Grundsätzen ab.

Nach § 48 Abs. 5 S. 1 RVG wirkt das öffentlich-rechtliche Schuldverhältnis zwischen dem bestellten oder beigeordneten Rechtsanwalt und der anordnenden Körperschaft in erster Instanz ungeachtet des Zeitpunkts der Begründung bis zum Beginn des Verfahrens zurück (Schnapp in Schneider/Wolf, RVG, 3. Auf. § 48 Rdnr. 62; Hartmann, Kostengesetze, 37. Aufl. § 48 RVG Rdnr. 99). Das bedeutet, dass alle Tätigkeiten des Anwalts erfasst werden, soweit diese gegenständlich unter die Beiordnung oder Bestellung fallen (vgl. Mathias in Bischof/Jungbauer//Bräuer/Curkovic/Mathias/Uher; RVG, 2. Aufl. § 48 Rdnr. 37). Die Rückwirkung erstreckt sich bei einer Bestellung oder Beiordnung in Strafsachen auch auf das vorausgegangene Ermittlungsverfahren (vgl. GoebeI/Gottwald, RVG, § 48 Rdnr. 34). Hat der Rechtsanwalt bei Beschlussfassung des Gerichts Gebührentatbestände erfüllt, entsteht der Vergütungsanspruch gegen die Staatskasse (Schnapp a.a.O.). Der Rechtsanwalt hat also Anspruch auf Zahlung der Vergütung aus der Staatskasse, unabhängig davon, ob er bis zur Anklageerhebung als Wahlverteidiger tätig wird und in welchem Verfahrensabschnitt der ersten Instanz ihn das Gericht als Pflichtverteidiger bestellt oder im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordnet hat. Dadurch wird verhindert, dass dem zunächst als Wahlverteidiger tätigen Rechtsanwalt nur wegen des späteren Zeitpunkts seiner Beiordnung oder Bestellung nicht seine gesamte Tätigkeit aus der Staatskasse vergütet wird (vgl. OLG Köln NJW 2003, 2038 zum inhaltsgleichen § 97 Abs. 3 BRAGO; Hartung in Hartung/Römermann/Schons, Praxiskommentar zum RVG, § 48 Rdnr. 79).

Auf den im Wege der Prozesskostenhilfe nach § 397a Abs. 1 StPO beigeordneten Rechtsanwalt findet § 48 Abs. 5 S. 1 RVG entsprechende Anwendung (§§ 53 Abs. 1, 52 Abs. 1 RVG). Der Nebenkfägervertreter erhält daher alle auch für den Wahlverteidiger vorgesehenen Gebühren nach W 4100 ff., insbesondere die Vorverfahrensgebühr nach W 4100, 4104 (vgl. Hartmann a.a.0. § 53 Rdnr. 5).

c) Da der Nebenklägervertreter bereits im Ermittlungsverfahren tätig war, kann er für seine Tätigkeit eine Grund- und eine Verfahrensgebühr in Höhe von 132 € bzw. 112 € verlangen sowie auch die insoweit entstandenen Kopiekosten sowie seine Aufwendungen für Fotokopien (W 7000 RVG) zzgl. 16 % Mehrwertsteuer. Das Landgericht hat daher zu Recht die aus der Landeskasse zu zahlende Vergütung auf insgesamt 898,47 € festgesetzt.

Eine Kostenentscheidung ist im Hinblick auf § 56 Abs. 2 S. 2 RVG nicht veranlasst.

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