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14.11.2007 · IWW-Abrufnummer 073440

Oberlandesgericht Koblenz: Urteil vom 30.05.2007 – 9 UF 649/06

Zur Auslegung von § 524 Abs. 2 Satz 3 ZPO


§ 524 Abs. 2 Satz 3 ZPO ist nicht einschränkend auszlegen. Daher kann die nach Ablauf der Frist zur Berufungserwiderung eingelegte Anschlussberufung, die wiederkehrende Leistungen zum Gegenstand hat, auch auf vor Schluss der letzten erhandlung erster Instanz eingetretene Tatsachen gestützt werden. Die Voraussetzungen einer Abänderungsklage müssen nicht vorliegen.


OBERLANDESGERICHT KOBLENZ

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

Geschäftsnummer: 9 UF 649/06

Verkündet am 30. Mai 2007

in der Familiensache

Der 9. Zivilsenat - 2. Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Koblenz hat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Bock und die Richterinnen am Oberlandesgericht Peters und Semmelrogge auf die mündliche Verhandlung vom 02. Mai 2007

für Recht erkannt:

Tenor:

Das Versäumnisurteil des Senats vom 28. Februar 2007 wird teilweise aufrechterhalten und das angefochtene Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Daun vom 27. Oktober 2006 auf die Berufung der Klägerin und die Anschlussberufung des Beklagten teilweise abgeändert und insgesamt neu gefasst wie folgt:

...

Gründe:

I.

Die Parteien sind geschiedene Eheleute. Durch Urteil des Senats vom 16. Oktober 2002 - 9 UF 140/02 - wurde der Beklagte verurteilt, der Klägerin monatlich einen Elementarunterhalt in Höhe von 425,00 €, Krankenvorsorgeunterhalt von 112,00 € und Altersvorsorgeunterhalt von 125,00 € zu zahlen. Auf die Abänderungsklage der Klägerin hat das Familiengericht den Beklagten unter Abänderung des vorgenannten Urteils des Senats verurteilt, an die Klägerin ab dem 01. Juni 2005 einen Elementarunterhalt (wobei dieser durch einen offensichtlichen Diktatfehler als Altersvorsorgeunterhalt bezeichnet wurde) in Höhe von monatlich 508,00 € und Krankenvorsorgeunterhalt in Höhe von 126,90 € zu zahlen. Die weitergehende Klage wurde abgewiesen. Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin. Der Beklagte begehrt die Zurückweisung der Berufung, die Abänderung des angefochtenen Urteils und Abweisung der Klage soweit höherer Krankenvorsorgeunterhalt als 112,00 € und höherer Altersvorsorgeunterhalt als 135,00 € zuerkannt wurde sowie die Abänderung des Titels dahingehend, dass die Klägerin ab dem 01. Januar 2007 überhaupt keinen Anspruch auf Zahlung von nachehelichem Ehegattenunterhalt mehr hat.

II.

Die Berufung der Klägerin ist weitgehend begründet, während die Anschlussberufung des Beklagten lediglich begründet ist, soweit das Familiengericht das Urteil des Senats vom 16. Oktober 2002 bereits für die Zeit vom 01. Juni 2005 bis 2. Oktober 2005 abgeändert hat. Seine weitergehende Anschlussberufung ist unbegründet.

1. Der Antrag des Beklagten ist, soweit nicht lediglich beantragt wurde, die Berufung zurückzuweisen, als Anschlussberufung auszulegen. Diese ist zulässig. Insbesondere gilt die Frist des § 524 Abs. 2 Satz 2 ZPO hier nicht, weil die Anschließung eine Verurteilung zukünftig fällig werdender wiederkehrender Leistungen zum Gegenstand hat (§ 524 Abs. 2 Satz 3 ZPO).

Die Frage, ob die Monatsfrist nach § 524 Abs. 2 ZPO für alle Fälle der Verurteilung zukünftig fällig werdenden wiederkehrenden Leistungen gilt oder nur für solche Sachverhalte, die unter den Voraussetzungen des § 323 ZPO in das Verfahren eingeführt werden können, ist allerdings streitig (für eine einschränkende Auslegung: Musielak/Ball, ZPO, 5. Aufl., § 524 Rn. 11; Born, NJW 2005, 3038, 3040 m.w.N.; vgl. auch OLG Zweibrücken, FamRZ 2004, 554 für die Rechtslage nach dem ZPO-RG; nicht einschränkend: Klinkhammer FF 2006, 95, 97; Zöller/Gummer/Heßler, ZPO, 26. Aufl., § 524 Rn. 10; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 64. Aufl., § 524 Rn. 13). Unter Zugrundelegung der einschränkenden Auffassung wäre hier die Anschlussberufung des Beklagten zulässig, soweit er die Abänderung des Unterhaltstitels ab dem 01. Januar 2007 mit der Begründung anstrebt, durch seine Versetzung in den Ruhestand habe sich sein Einkommen ab dem 01. Januar 2007 verringert. Sie wäre unzulässig soweit er das Urteil des Senats vom 16. Oktober 2002 gegenüber der abändernden Entscheidung des Familiengerichts verteidigt, weil er sich insoweit nicht auf neue, nach Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz eingetretene, Tatsachen stützt (§ 323 Abs. 2 ZPO).

Die Befürworter einer einschränkenden Auslegung des § 524 Abs. 3 ZPO verweisen darauf, dass durch die Verweisung auf § 323 ZPO Voraussetzung der Zulässigkeit einer Anschlussberufung nach Fristablauf sei, dass wie bei einer Abänderungsklage eine wesentliche Änderung der im angefochtenen Urteil maßgeblichen Verhältnisse eingetreten sei. Die Vorschrift des § 323 Abs. 2 ZPO spreche für das einschränkende Gesetzesverständnis (Born aaO). Schließlich verbiete die gesetzgeberisch gewollte Verfahrensbeschleunigung, dem Anschlussberufungskläger noch nach Ablauf der Monatsfrist die Einführung von "alten Tatsachen" zu gestatten.

Dem vermag der Senat nicht zu folgen. § 524 Abs. 2 Satz 3 ZPO ist nicht einschränkend auszulegen. Der Wortlaut der Vorschrift legt eine derartige Auslegung nicht nahe. Die Nennung des § 323 ZPO ist keine Verweisung, sondern lediglich der Hinweis darauf, dass der Begriff "künftig fällig werdende wiederkehrende Leistungen" ebenso verstanden werden muss wie in § 323 ZPO.

Richtig ist zwar, dass durch die Vorschrift Abänderungsklagen vermieden werden sollen und in der Tat könnte eine Abänderungsklage nicht auf Gründe gestützt werden, die bereits vor Schluss der mündlichen Verhandlung in der ersten Instanz vorgelegen haben (§ 323 Abs. 2 ZPO). Der Senat sieht jedoch keine Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber bei Einführung des § 524 Abs. 2 Satz 3 ZPO die Zulässigkeit der Anschlussberufung an die schwierigen Voraussetzungen einer fiktiven Abänderungsklage knüpfen wollte (so zutreffend Klinkhammer aaO. S.95). § 323 ZPO stellt wegen der Bindung an die Rechtskraft hohe Anforderungen für die Abänderung eines Titels. Dieselben Anforderungen für die Anschlussberufung nach Fristablauf zu stellen, ist bei einem nicht rechtkräftigem Urteil, welches sowieso zur Überprüfung gestellt ist, nicht gerechtfertigt. Zwar gilt im neuen Berufungsrecht der Beschleunigungsgrundsatz. Jedoch hat der Gesetzgeber gerade für Unterhaltsverfahren durch § 621 d ZPO mit Rücksicht auf die existenzielle Bedeutung von Unterhaltstiteln hiervon eine Ausnahme gemacht (vgl. Zöller/Philippi, ZPO, a.a.O., § 615 Rn. 1).

2. Die Anschlussberufung ist begründet, soweit das Familiengericht den Unterhaltstitel vor dem 01. Oktober 2005 abgeändert hat. Hierfür fehlt es an der erforderlichen Mahnung.

3. Die Berufung der Klägerin ist begründet, bis auf den Abänderungszeitpunkt, der nicht mit dem 01. sondern 03. Oktober anzusetzen ist. Das angefochtene Urteil ist entsprechend dem Antrag der Berufung weitergehender abzuändern als durch das Familiengericht erkannt. Das gilt auch für den Zeitraum ab dem 01. Januar 2007. Dementsprechend ist die Widerklage des Beklagten auf Abänderung des Unterhaltstitels auf Null zwar zulässig (§ 533 Nr.2 ZPO), jedoch unbegründet.

RechtsgebietZPOVorschriftenZPO § 524 Abs. 2 Satz 3

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