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13.03.2007 · IWW-Abrufnummer 070865

Kammergericht Berlin: Beschluss vom 18.01.2007 – 1 Ws 2/07

Der einem Zeugen beigeordnete Zeugenbeistand rechnet seine Tätigkeit nach Teil 4 Abschnitt 3 VV ab.


KAMMERGERICHT

Beschluß

Geschäftsnummer: 1 Ws 2/07

In der Strafsache gegen

wegen Steuerhinterziehung u.a.

hat der 1. Strafsenat des Kammergerichts in Berlin am 18. Januar 2007 beschlossen:

Die Beschwerde des Zeugenbeistands, Rechtsanwalt H. S. gegen den Beschluß des Landgerichts Berlin vom 23. Oktober 2006 wird verworfen.

Das Verfahren über die Beschwerde ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet.

Gründe
Rechtsanwalt S. wurde gemäß § 68b StPO als Beistand des Zeugen K. für dessen Vernehmung vor dem Landgericht in der Hauptverhandlung am 25. August 2006 beigeordnet. Dem Antrag des Rechtsanwalts, seine Vergütung für diese Tätigkeit nach den Nrn. 4100, 4114, 7002 und 7008 VV RVG in Höhe von insgesamt 426,88 EUR festzusetzen, hat die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle des Landgerichts nur in Höhe von 218,08 EUR entsprochen, da sie dem Rechtsanwalt anstelle der beantragten Grund- und Terminsgebühren lediglich die Gebühr für eine Einzeltätigkeit nach Nr. 4301 Ziff. 4 VV RVG zugebilligt hat. Die Erinnerung des Rechtsanwalts hat das Landgericht durch Beschluß vom 23. Oktober 2006 verworfen. Die dagegen gerichtete Beschwerde des Rechtsanwalts bleibt ohne Erfolg.

Die angefochtene Entscheidung ist nicht zu beanstanden. Dem Beschwerdeführer steht für seine Tätigkeit als Zeugenbeistand neben der Pauschale nach Nr. 7002 VV RVG und der Umsatzsteuer (Nr. 7008 VV RVG) lediglich die Gebühr nach Nr. 4301 Ziff. 4 VV RVG in Höhe von 168,00 EUR zu.

Nach der Vorbemerkung 4 Abs. 1 der Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG sind für die Vergütung des Zeugenbeistands die Vorschriften in Teil 4 des Vergütungsverzeichnisses entsprechend anzuwenden. Das bedeutet aber nicht, daß dem nach § 68b StPO beigeordneten Rechtsanwalt uneingeschränkt die gleichen Gebühren wie einem Verteidiger zustehen (so OLG Koblenz NStZ-RR 2006, 254; KG <3. Strafsenat> NStZ-RR 2005, 358) oder er für seine Tätigkeit jedenfalls die Grundgebühr und die Terminsgebühr verlangen kann (so OLG Stuttgart, Beschluß vom 14. November 2006 ? 1 Ws 331/06 ? bei juris; KG <4. Strafsenat> AGS 2006, 176 und <5. Strafsenat> AGS 2006, 329; OLG Köln NStZ 2006, 410 - einschränkend lediglich für das Wiederaufnahmeverfahren -). Denn aus der genannten Vorbemerkung ergibt sich nicht, daß für die Honorierung des beigeordneten Zeugenbeistandes stets die für den Verteidiger bestimmten Gebührentatbestände herangezogen werden müssen. Vielmehr bezieht sich die Vorbemerkung 4 nicht nur auf den Abschnitt 1 (?Gebühren des Verteidigers?), sondern nach ihrem Wortlaut auf sämtliche Vorschriften in Teil 4 des Vergütungsverzeichnisses (vgl. OLG Oldenburg NdsRpfl 2006, 353; OLG Schleswig NStZ-RR 2006, 255; Schneider in AnwK-RVG 3. Aufl., VV 4301 Rdn. 16; a.A. Burhoff RVGreport 2006, 81; Madert in Gerold/Schmidt, RVG 17. Aufl., VV Vorb. 4 Rdn. 7). Das schließt auch einen Rückgriff auf die in Abschnitt 3 (?Einzeltätigkeiten?) enthaltenen Gebührentatbestände nicht aus.

Welche Gebühren einem Rechtsanwalt aus der Staatskasse zu zahlen sind, richtet sich danach, für welche Tätigkeit er beigeordnet worden ist (§ 48 Abs. 1 RVG). Im Falle des § 68b StPO umfaßt die Beiordnung nach Absatz 1 Satz 1 dieser Vorschrift nur ?die Dauer der Vernehmung? des Zeugen. Die dabei erbrachte Beistandsleistung des Rechtsanwalts ist eine Einzeltätigkeit, die nach Art und Umfang der gemäß Nr. 4301 Ziff. 4 VV RVG honorierten Beistandsleistung für einen Beschuldigten bei dessen Vernehmung entspricht und deshalb in entsprechender Anwendung (Vorbemerkung 4 Abs. 1 VV RVG) dieses Gebührentatbestandes zu vergüten ist (vgl. OLG Oldenburg, OLG Schleswig und Schneider, jeweils aaO). Die Vorbemerkung 4.3 Absatz 1 VV RVG steht dem nicht entgegen. Nach dieser Bestimmung sind die im 3. Abschnitt aufgeführten Gebühren nur dann subsidiär, wenn dem Rechtsanwalt die Verteidigung oder Vertretung übertragen ist, was hier aber nicht der Fall ist. Der nach § 68b StPO beigeordnete Rechtsanwalt ist nämlich ? anders als bei dem gemäß den §§ 406g, 397a StPO beigeordneten Beistand des Verletzten - eben nicht ?voller Vertreter? des Zeugen (a.A: Burhoff aaO). Er kann ihn bei seiner Aussage nicht vertreten und nicht gestaltend in das Verfahren eingreifen. Seine Rechtsstellung ist mit der des Verteidigers oder Verletztenbeistandes nicht vergleichbar, so daß für eine (entsprechende) Anwendung der auf diesen Personenkreis zugeschnittenen Gebührentatbestände nach Auffassung des Senats kein Raum ist.

Diese Auslegung widerspricht auch nicht der Intention des Gesetzgebers, wie Burhoff (aaO) meint. Den Gesetzesmaterialien ist zunächst nur zu entnehmen, daß der Zeugenbeistand für diese Tätigkeit die gleichen Gebühren ?wie ein Verfahrensbevollmächtigter in dem entsprechenden Verfahren? erhalten soll und ? unter ausdrücklicher Bezugnahme auf Absatz 1 der Vorbemerkung 4 - für ihn ?die Vorschriften dieses Teils? (Unterstreichung durch den Senat) entsprechend anwendbar sein sollen (vgl. BT-Drucksache 15/1971, S. 146, 220).

Soweit in den Materialien ferner von der (gebührenrechtlichen) ?Gleichstellung mit dem Verteidiger? die Rede ist, bezieht sich das erkennbar nur auf den Wahlbeistand, da zu ihrer Rechtfertigung der ?Gebührenrahmen? angeführt wird, der ?ausreichend Spielraum? biete, dem konkreten Arbeitsaufwand des Rechtsanwalts Rechnung zu tragen (vgl. BT-Drucksache aaO S. 220), was bei den Festbeträgen, die dem bestellten oder beigeordneten Rechtsanwalt aus der Staatskasse zu zahlen sind, nicht möglich ist. Dem Willen des Gesetzgebers, die Vergütung von den erbrachten Leistungen abhängig zu machen, wird deshalb eine Gleichbehandlung des Verteidigers und des nach § 68b StPO beigeordneten Zeugenbeistands gerade nicht gerecht. Denn der Zeugenbeistand hat aufgrund seines begrenzten Aufgabenkreises im Vergleich zum Verteidiger oder Vertreter regelmäßig einen geringeren zeitlichen und inhaltlichen Aufwand zu erbringen, da er nur für die Dauer der Vernehmung bestellt und aus der Staatskasse nur für diese Tätigkeit zu bezahlen ist. Das dazu notwendige Vorgespräch des Rechtsanwalts mit dem Zeugen ist durch die Gebühr nach Nr. 4301 VV RVG abgegolten (vgl. Hartmann, KostG 36. Aufl., Rdn. 8 zu VV 4301). Soweit dem Rechtsanwalt im Einzelfall wegen des besonderen Umfangs oder der besonderen Schwierigkeit seiner Tätigkeit eine Beschränkung auf die Gebühr nach Nr. 4301 Ziff. 4 VV RVG nicht zumutbar ist, kann er eine Pauschgebühr beanspruchen (§ 51 Abs. 1 Satz 1 RVG).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 56 Abs. 2 Satz 2 und 3 RVG.

RechtsgebietRVGVorschriftenTeil 4 Anschnitt 3 VV RVG

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