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01.03.2007 · IWW-Abrufnummer 070714

Verwaltungsgericht Hannover: Urteil vom 19.12.2006 – 13 A 6420/06

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


VG Hannover

13 A 6420/06

Der Beklagte wird verpflichtet, die Rechnung des Zahnarztes Dr. Wolfgang Killmann auch hinsichtlich der Gebührenziffer 217 mit dem 2,2fachen GOZ-Satz im vollen Umfange als beihilfefähig anzuerkennen und dem Kläger eine entsprechende Beihilfe zugewähren. Der Bescheid des Beklagten vom 24.03.2006 und der Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 26.07.2006 werden aufgehoben, soweit sie dieser Verpflichtung entgegenstehen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren war notwendig.

Die Entscheidung ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Vollstreckungsgläubiger zuvor Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.

Tatbestand

Der Kläger begehrt eine Beihilfe auf den vollen, von seinem Zahnarzt in Rechnung gestellten Betrag nach der Gebührenziffer 217. Der Kläger ist Beamter des Landes Niedersachsen und mit einem Satz von 70 v.H. beihilfeberechtigt.

Für eine am 20.02.2006 vom Zahnarzt des Klägers durchgeführte lichthärtende Kompositfüllung in Schicht- und Ätztechnik (Schmelz-Dentin-Adhäsivtechnik) berechnete der Zahnarzt in seiner Rechnung vom 16.03.2006 148,47 ?. Er setzte dabei die Gebühr analog der GOZ-Gebührenziffer 217 und mit dem 2,2fachen Faktor an.

Am 24.03.2006 (Eingang bei dem Beklagten) beantragte der Kläger u.a. die Erstattung dieser Aufwendungen im Rahmen der Beihilfe.

Mit Bescheid vom 24.03.2006 gewährte der Beklagte dem Kläger Beihilfen auf die vorgelegten Rechnungen, erkannte die Aufwendungen für die Schmelz-Dentin-Adhäsivtechnik jedoch nur bis zum 1,5fachen des einfachen Gebührensatzes als beihilfefähig an.

Den hiergegen vom Kläger eingelegten Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 26.07.2006 zurück. Nach unwidersprochenem Vortrag des Klägers wurde ihm der Widerspruchsbescheid am 21.08.2006 zugestellt.

Der Kläger hat am 19.09.2006 Klage erhoben.

Er vertritt die Ansicht, dass ihm auch eine Beihilfe zusteht, soweit sein Zahnarzt ihm bei den hier streitigen Rechnungspositionen mehr als den 1,5fachen Gebührensatz in Rechnung gestellt hat.

Der Kläger beantragt,

den Beklagten zu verpflichten, auch für die GOZ-Nr. 217 in der Rechnung des Zahnarztes Dr. {D.} eine Beihilfe mit dem Bemessungssatz von 70 v.H. auf den gesamten hierfür angefallenen Rechnungsbetrag (2,2facher Gebührensatz) zu gewähren und den Bescheid vom 29.03.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.07.2006 insoweit aufzuheben, wie er dieser Verpflichtung entspricht (richtig: entgegensteht).

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen

Er tritt der Klage entgegen und nimmt Bezug auf die Gründe seines Widerspruchsbescheides. Eine Abrechnung über einen Gebührensatz von 1,5 hätte eine patientenbezogene Begründung erfordert. § 5 Abs. 2 GOZ sei nicht anzuwenden, weil es vorliegend um eine Analogbewertung gehe.

Alle Beteiligten haben sich mit einem Urteil ohne mündliche Verhandlung und mit einer Entscheidung des Berichterstatters anstelle der Kammer einverstanden erklärt.

Wegen des weiteren Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.


Entscheidungsgründe

Im Einverständnis der Beteiligten ergeht die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, § 101 Abs. 2 VwGO und gemäß § 87a Abs. 2 und 3 VwGO durch den Berichterstatter.

Die Klage ist nach der Klarstellung des Klageantrages im Schriftsatz vom 06.11.2006 zulässig und insbesondere auch fristgerecht erhoben. Der Beklagte ist dem Vortrag des Klägers, ihm sei der Widerspruchsbescheid vom 26.07.2006 erst am 21.08.2006 zugestellt worden, nicht entgegengetreten. Zustellungsnachweise befinden sich nicht in den Verwaltungsvorgängen und wurden vom Beklagten auch nicht nachgereicht. Das Gericht hat deshalb keine Zweifel an den Angaben des Klägers.

Der Kläger hat einen Anspruch auf eine Beihilfe für die der GOZ-Nr. 217 in der Zahnarztrechnung vom 16.03.2006 hinsichtlich des ganzen in Rechnung gestellten Betrages in Höhe von 148,47 ?.

Dass bei einer dentinadhäsiven Mehrschichtrekonstruktion eine analoge Bewertung möglich und zulässig ist, ist in der Rechtsprechung zwischenzeitlich geklärt und wird auch vom Beklagten nicht in Abrede gestellt. Streitig ist lediglich, ob der Beklagte ist, über den 1,5fachen Gebührensatz die Aufwendungen bis zu den in Rechnung gestellten 2,2fachen Gebührenansatz als beihilfefähig anzuerkennen. Das ist der Fall. Soweit der Beklagte eine entsprechende Beihilfe versagt hat, ist der angefochtene Bescheid rechtswidrig. Er war insoweit aufzuheben und der Beklagte war zur Gewährung einer höheren Beihilfe zu verpflichten,

Nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 BhV sind Aufwendungen insoweit beihilfefähig, wie sie die Höhe nach angemessen sind. Der BMI in seinen Hinweisen zu § 5, Anhang 1 Nr. 2.2 ausgeführt, dass er bei einer Analogbewertung bei den Positionen 215 bis 217 GOZ einen Steigerungsfaktor nur bis 1,5 als angemessen ansieht. Dies spricht für die Position des Beklagten. Ob Hinweise des Bundes, in denen eine Einschränkung der geltenden Beihilfevorschriften liegen könnten, unzulässig sind (Topka-Möhle, BhV, Loseblattwerk Stand März 2006, § 5 Seite 5/156 unter Hinweis auf die ständige Rechtsprechung des BVerwG; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 30.03.1995, 2 C 9/94) bedarf hier aber keiner grundsätzlichen Klärung. Denn inwieweit eine Rechnungsposition noch eine angemessene Höhe hat, richtet sich nach § 5 Abs. 2 GOZ. Der Arzt kann danach nach billigem Ermessen die Gebühr innerhalb des einfachen und des 2,3fachen des Gebührensatzes bemessen. Bei der vorliegenden Rechnung hat der Zahnarzt die Grenze von 2,3 nicht überschritten.

Es ist auch nicht davon auszugehen, dass die hier streitigen zahnärztlichen Leistungen ?per se? einen geringeren Aufwand haben und deshalb es auf der Hand liegt, dass eine Abrechnung über den 1,5fachen Gebührensatz nicht mehr der Billigkeit entspricht. Das Landgericht Frankfurt am Main (Urteil vom 24.11.2004 - 2-16 S 173/99 -) kam aufgrund eines dort eingeholten Sachverständigengutachten zu dem Schluss, dass der Zeitaufwand mit einem Inlay vergleichbar sei. Das Gericht schließt sich dieser Beurteilung an. Der Ansatz eines grundsätzlich geringeren Faktors bei der Bemessung des Gebührenrahmens seitens der Beihilfestelle kann mit einem angeblich geringeren Zeitaufwand nicht begründet werden.

Hinzu kommt, dass der Zahnarzt bis zum 2,3fachen die Vergütung nach billigem Ermessen ohne weitere Begründung festsetzen kann und der Patient dies nur sehr schwer in rechtlich begründeter Weise überhaupt angreifen kann. Bis zur Grenze des 2,3fachen ist der Zahnarzt sehr frei in der Gebührenbemessung, was dann aber auch systemkonform bei der Anwendung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 BhV zu berücksichtigen ist.

Entsprechend haben die Zivilgerichte Patienten dazu verurteilt, in Fällen dieser Art dem Zahnarzt die in Rechnung gestellt Gebühr auch über dem 1,5fachen Satz hinaus zu bezahlen (vgl. Urteil des Amtsgerichtes Burgwedel vom 21.02.2002 - 73 C 45/01 -, bei dem zur Zahlung des 2,3fachen Gebührensatzes verurteilt wurde; außerdem Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main, a.a.O., welches ebenfalls einen Faktor von 2,3 anerkannte). Es kann letztendlich nicht sein, dass sich ein Beihilfeberechtigter erst von einem Zivilgericht zur Zahlung der Rechnung verurteilen lassen muss, nur damit die Beihilfestelle dann die geforderte Vergütung anerkennt.

Auch die Verwaltungsgerichte haben Beihilfeberechtigten eine Beihilfe für die hier umstrittene Technik über den 1,5fachen Gebührensatz zugesprochen (VG Hannover, Urteil vom04.06.2003 - 2 A 5448/02 -, bestätigt durch Beschluss des OVG Lüneburg vom 22.06.2004 - 2 LA 282/03; sowie VG Osnabrück, Urteil vom 11.09.2002 - 3 A 168/01 und Urteil der auch hier entscheidenden 13. Kammer des VG Hannover - Einzelrichter - vom 17.01.2003 - 13 A 129/02 -). Zwar ging es in diesen Verfahren in erster Linie seinerzeit noch um die Frage der Zulässigkeit der Analogbewertung an sich, jedoch sprachen die Gerichte dann ohne weiteres die Beihilfe auf den vollen über den Faktor 1,5 liegenden in Rechnung gestellten Gebührensatz zu.

Gründe für die Zulassung der Berufung gem. §§ 124a Abs. 1, 124 Abs. 2 Nr. 3 und 4 VwGO sind nicht ersichtlich.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 Satz 1 ZPO.

Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren ist gem. § 162 Abs. 2 S. 2 VwGO für notwendig zu erklären, weil sie vom Standpunkt einer verständigen Partei nicht überflüssig und willkürlich, sondern zweckmäßig erscheint (vgl. BVerwGE 55, 299, 306; Buchholz 316 § 80 VwVfG Nr. 1,2,13; VBlBW 1986, 257). Angesichts der Gestaltung des Falles in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht konnte der Kläger nicht darauf verwiesen werden, er hätte seine Rechte gegenüber dem Beklagten allein wahrnehmen können.

RechtsgebietBhVVorschriftenBhV 5 I BhV 5 II

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