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14.12.2006 · IWW-Abrufnummer 063668

Arbeitsgericht Paderborn: Urteil vom 12.04.2006 – 3 Ca 2300/05

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Geschäfts-Nr. :3 Ca 2300/05
Verkündet am: 12.04.2006

Arbeitsgericht Paderborn

Im Namen des Volkes

Urteil

In dem Rechtsstreit XXX

hat die 3. Kammer des Arbeitsgerichts Paderborn
auf die mündliche Verhandlung vom 12.04.2006
durch die Richterin xxx als Vorsitzende sowie die ehrenamtlichen Richter xxx und xxx
für Recht erkannt:

Es wird festgestellt, dass die Teilung der Abteilung für Innere Medizin mit Wirkung zum 01.07.2006 und die Einrichtung einer Gastroenterologie entsprechend dem Schreiben der Beklagten vom 31.05.2005 dem Kläger gegenüber keine Rechtswirkungen entfaltet.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Der Streitwert wird auf 25.000,00 ? festgesetzt.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit der von der Beklagten beabsichtigten Subdisziplinierung der bislang von dem Kläger als Chefarzt alleinverantwortlich geleiteten Abteilung unter Einstellung eines weiteren leitenden Arztes.

Die Beklagte betreibt das xxx Krankenhaus in xxx. Der Kläger ist seit dem 01.04.1994 als leitender Chefarzt der Abteilung Innere Medizin bei der Beklagten beschäftigt. Sein Jahreseinkommen einschließlich der Einnahmen aus Privatliquidationen beträgt zwischen 150.000,00 und 180.000,00 ?.

Dem Anstellungsverhältnis liegt der schriftliche Dienstvertrag der Parteien vom 31.05.1994 zugrunde (BI. 8 -16 d. A). Dieser enthält u.a. folgende Regelungen:

,,§ 1
Dienstverhältnis

1) Der Arzt wird mit Wirkung vom 01. April 1994 als Abteilungsarzt der Abteilung Innere Medizin des Krankenhauses angestellt. Herr Dr. xxx ist Fachbereichsarzt und verantwortlicher Leiter der Abteilung Innere Medizin und Zentral-Labor des Krankenhauses.

§2
Stellung und dienstliche Aufgaben

1) Stellung des Arztes

1. Dem Arzt obliegt die Führung und fachliche Leitung seiner Abteilung.

§3
Entgelte für die Tätigkeiten im dienstlichen Aufgabenbereich

1) Vergütung

1. Der Arzt erhält für seine Tätigkeit im dienstlichen Aufgabenbereich eine monatliche, nachträglich zahlbare Vergütung, die sich aus einer dem Lebensalter entsprechenden Grundvergütung und dem Ortszuschlag zusammensetzt und in Anlehnung an die Vergütungsgruppe 1 der A VR in der jeweils geltenden Fassung berechnet wird.

§ 11 Entwicklungsklausel

Der Träger behält sich das Recht vor, jederzeit selbständige Fachabteilungen, auch solche der gleichen Fachrichtung, oder Institute neu einzurichten oder abzutrennen und dafür weitere Abteilungsärzte einzustellen oder Belegärzte zuzulassen sowie neue Institutsleistungen zu erbringen. Er hat weiterhin das Recht, die Bettenzahl der Abteilungen zu ändern, Behandlungseinrichtungen zu ändern, aufzulösen oder neu einzurichten. Soweit der Arzt davon betroffen wird, ist er vorher zu hören.
Bei diesen Maßnahmen ist ein Ersatzanspruch des Arztes ausgeschlossen. Die Vergütung nach § 3 Abs. 1 bleibt unverändert"

Wegen angedachter Änderungen der Beklagten der Abteilung Innere Medizin holte die Beklagte im Jahr 2004 eine gutachterliche Stellungnahme der Krankenhausberatung xxx GmbH in xxx ein (BI. 98 - 118 d. A). Diese untersuchte im November 2004 die medizinische Struktur der Inneren Abteilung und unterbereitete Vorschläge zur Schwerpunktbildung. Die Krankenhausberatung empfahl die Einrichtung einer Fachabteilung für Geriatrie sowie die Einrichtung eines interdisziplinären Bauchzentrums. Von der Einrichtung einer neurologischen Hauptfachabteilung wurde abgeraten. Weiterhin könnte nach der gutachterlichen Stellungnahme die Ausweitung der neurologischen Aktivitäten beispielsweise durch Einstellung eines medizinisch weisungsungebundenen Oberarztes in Betracht kommen.

Anfang 2005 beschloss die Beklagte, mit Wirkung zum 01.04.2006 auf Wunsch des Landes NRW eine Hauptfachabteilung Neurologie einzurichten. Dieser sollen u.a. Leistungen zugewiesen werden, welche bislang der Abteilung Innere Medizin zugeordnet waren, wie beispielsweise die Schlaganfallpatienten. Weiterhin beschloss die Beklagte, die Abteilung Innere Medizin aufzuteilen und einen weiteren Chefarzt mit den Spezifikationen Gastroenterologie, Stoffwechselkrankheiten und Diabetologie einzustellen und in die Abteilung zu integrieren. Die beiden Chefärzte sollen im Kollegialsystem ohne konkrete Bettenzuweisung tätig werden.

Durch die Maßnahme entfallen für den Kläger die Gebiete Gastroenterologie und Neurologie. Für ihn verbleiben die Bereiche Kardiologie, Pulmologie, Allergologie und Nephrologie.

Die Beklagte plante diese Maßnahme baldmöglichst umzusetzen, spätestens jedoch zum 01.07.2006.

Wegen der anstehenden Veränderungen wurde der Kläger am 11.01.2005 angehört, wobei es im Anschluss daran zu einem Schriftwechsel der Prozess bevollmächtigten der Parteien kam (BI. 76 - 92 d. A). Mit Schreiben vom 31.05.2005 hörte die Beklagte den Kläger nochmals zu der geplanten Änderung an und teilte diesem weiterhin mit, dass seine Vergütung nach § 3 Abs. 1 des Vertrages unverändert bleibe und die Beklagte darüber hinaus bereit sei, eine Gehaltsgarantie in Höhe von etwa 2/3 der durchschnittlichen Gesamtbezüge pro Jahr, gemessen am Durchschnitt der letzten drei Jahre, abzugeben.

Anschließend die beabsichtigte Veränderung gemäß Schreiben vom 31.05.2005 vom Verwaltungsrat der Beklagten beschlossen.

Mit Schreiben vom 25.07.2005 leiteten die Parteien das Schlichtungsverfahren bei der Schlichtungsstelle der Caritas ein. Mit Schreiben vom 13.12.2005 erklärte die SchlichtungssteIle das Schlichtungsverfahren für gescheitert.

Mit einer am 27.12.2005 bei dem Arbeitsgericht Paderborn eingegangenen Klageschrift begehrt der Kläger die Feststellung, dass die Aufteilung der Abteilung Innere Medizin und die Einrichtung einer Gastroenterologie ihm gegenüber keine Rechtswirkungen entfaltet.

Mit Schreiben vom 22.12.2005 sprach die Beklagte gegenüber dem Kläger eine Änderungskündigung mit Wirkung zum 30.06.2006 aus. Gegen die Änderungskündigung hat der Kläger ebenfalls Änderungsschutzklage bei dem Arbeitsgericht Paderborn erhoben (3 Ca 49/06). Mit Beschluss vom 03.02.2006 wurde das Verfahren 3 Ca 49/06 bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung in diesem Verfahren gern. § 148 ZPO ausgesetzt.

Der Kläger ist der Auffassung, die von der Beklagten beabsichtigte Maßnahme sei nicht von ihrem arbeitgeberseitigen Direktionsrecht gedeckt. Insbesondere könne sich die Beklagte nicht auf die Entwicklungsklausel in § 11 des Anstellungsvertrages stützen. Die Einführung eines Kollegialärztesystems sei gerade nicht von § 11 gedeckt. Darüber hinaus sei § 11 des Anstellungsvertrages gem. § 308 Nr. 4 i.V.m. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB unwirksam, da diese Regelung intransparent sei und den Kläger unangemessen gem. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB benachteilige. Im übrigen greife die geplante Änderung den Kernbereich des Arbeitsverhältnisses ein. Durch die Neuzuordnung der Schlaganfallpatienten bestehe die Gefahr für den Kläger, ca. 30 % der Patienten und die entsprechenden Liquidationseinnahmen zu verlieren. Nach der weiter geplanten Entziehung der Gastroenterologie verbleibe dem Kläger lediglich eine Rumpfabteilung ohne ein besonderes Leistungsspektrum. Die beabsichtigten Maßnahmen seien zudem willkürlich. Insbesondere entsprächen sie nicht den Empfehlungen in der gutachterlichen Stellungnahme der Krankenhausberatung aus November 2004. Fallzahlsteigerungen durch die Subdisziplinierung seien nicht zu erwarten, vielmehr höhere Personalkosten. Insgesamt sei die geplante Maßnahme medizinisch nicht sinnvoll.

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

1. festzustellen, dass die Teilung der Abteilung für Innere Medizin mit Wirkung zum 01.07.2006 und die Einrichtung eines neuen Bereichs Gastroenterologie unwirksam ist und gegenüber dem Kläger keine Rechtswirkungen entfaltet.

2. hilfsweise, die Beklagte zu verpflichten, das Dienstverhältnis mit dem Kläger aufgrund des Dienstvertrages vom 31.05.1994 zu unveränderten Bedingungen fortzuführen und den Kläger als alleinigen verantwortlichen Leiter der Abteilung für Innere Medizin und Zentrallabor insbesondere in medizinischfachlichen und organisatorischen Fragen als Alleinverantwortlichen und Alleinentscheidungsbefugten zu beschäftigen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Auffassung, sie sei aufgrund der Regelung in § 11 des Anstellungsvertrages zur Durchführung der Neuorganisation berechtigt. Seit 2004 gebe es erhebliche Erlösminderungen in der Abteilung Innere Medizin u.a. durch die Einführung von DRG's. Die Zuweisungen durch die niedergelassenen Ärzte seien rückläufig. Auch beurteilten 20 % der Patienten die Abteilung Innere Medizin nicht positiv. Des weiteren spezialisierten sich auch andere Abteilungen für Innere Medizin in anderen Krankenhäusern der Umgebung, beispielsweise in Holzminden und Bad Driburg. Deshalb sei eine Stärkung der Abteilung Innere Medizin erforderlich, die durch den Kläger mit seinen medizinischen Schwerpunkten allein nicht möglich gewesen sei. Vor diesem Hintergrund sei die gutachterliche Stellungnahme eingeholt worden, wobei die Empfehlungen deshalb nicht im einzelnen befolgt wurden, da die Beklagte insbesondere schlechte Erfahrungen mit einer geriatrischen Versorgung habe. Vielmehr seien die nun geplanten Maßnahmen passend und sachgerecht. Hinsichtlich der Einrichtung einer Hauptfachabteilung Neurologie sei es so, dass nicht einmal 5 % der Gesamtaktivitäten der Abteilung Innere Medizin und lediglich ca. 12 bis 13 % des Patientengutes auf neurologische Fälle entfielen. Durch die Aufteilung der Abteilung Innere Medizin und die Einführung eines Kollegialsystemes könne der Leistungsumfang einer eigenen Fachabteilung erbracht werden, zumal der Kläger kein ausgewiesener Gastroenterologe sei.
Des weiteren sei die Chefarztklausel in § 11 des Anstellungsvertrages wirksam, wobei zum einen zu berücksichtigen sei, dass es sich um eine Besonderheit des Arbeitsrechts handele und zum anderen ein Vertrauensschutz auf Seiten der Beklagten bestehe, da es sich um eine Altregelung vor Inkrafttreten der Schuldrechtsreform handele. Dass die Maßnahme billigem Ermessen entspreche und den Kläger nicht unangemessen benachteilige, zeige auch das Angebot der Beklagten mit Schreiben vom 31.05.2005.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Der Hauptantrag zu 1) ist zulässig.

Insbesondere hat der Kläger auf das für die Klage erforderliche rechtliche Interesse nach § 256 Abs. 1 ZPO an der Feststellung, dass die Teilung der Abteilung Innere Medizin ihm gegenüber keine Rechtswirkungen entfaltet. Will der Arbeitnehmer die Unwirksamkeit einer Ausübung des Direktionsrechts durch den Arbeitgeber geltend machen, so kann er auf Feststellung klagen, er sei zur Befolgung einer Weisung bzw. zur Beschäftigung mit bestimmten Tätigkeiten nicht verpflichtet (vgl. LAG Hamm v. 08.03.2005 -19 Sa 2128/04 - JURIS; LAG Nürnberg v. 10.09.2002 - 6 (4) Sa 66/01 - LAGE § 611 BGB Direktionsrecht Nr. 29). Vor dem Hintergrund, dass die Beklagte gegenüber dem Kläger auch vorsorglich eine Änderungskündigung ausgesprochen hat, ist der vorliegende Feststellungsantrag sachgerecht.

Nach der Formulierung des Antrags sowie den Ausführungen des Klägers im Kammertermin am 12.04.2006 wendet sich der Kläger in erster Linie gegen die Einrichtung eines Bereichs Gastroenterologie und die damit verbundene Einführung eines Kollegialarztesystems, nicht jedoch gegen die Einrichtung einer Hauptfachabteilung Neurologie.

Der Hauptantrag zu 1) ist auch begründet.

Die von der Beklagten geplante Maßnahme ist unwirksam, da sie nicht vom Direktionsrecht der Beklagten gedeckt ist.

Die Beklagte kann sich insbesondere nicht mit Erfolg. auf die Entwicklungsklausel in § 11 des Anstellungsvertrages und das darin enthaltene erweiterte Direktionsrecht stützen. Die Entwicklungsklausel in § 11 des Anstellungsvertrages vom 31.05.1994 erfüllt nicht die formellen Voraussetzungen der §§ 308 Nr. 4, 307 BGB und ist damit unwirksam.

Die Regelungen über allgemeine Geschäftsbedingungen sind gem. Art. 229, § 5 EGBGB anzuwenden. Der Anstellungsvertrag wurde am 31.05.1994 geschlossen. Gem. Art. 229, § 5 EGBGB findet auf Dauerschuldverhältnisse, die vor dem 01. Januar 2002 begründet worden sind, vom 01. Januar 2003 an das Bürgerliche Gesetzbuch und somit auch die §§ 305 ff. BGB Anwendung.

Bei der Regelung in Ziffer 11 des Anstellungsvertrages vom 31.05.1994 handelt es sich um allgemeine Geschäftsbedingungen i.S.d. §§ 305 ff. BGB. Der Anstellungsvertrag besteht aus Vertragsbestimmungen, die die Beklagte dem Kläger bei Abschluss des Vertrages stellte und die für eine Vielzahl von Verträgen vorformuliert wurden. Dafür, dass es sich insbesondere bei § 11 des Anstellungsvertrages um eine individuell ausgehandelte Klausel handelt, bestehen keinerlei Anhaltspunkte.

Bestimmungen in allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist (§ 307 Abs. 1 BGB). Nach § 307 Abs. 2 BGB ist eine unangemessene Benachteiligung im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist. In allgemeinen Geschäftsbedingungen ist insbesondere unwirksam die Vereinbarung eines Rechts des Verwenders, die versprochene Leistung zu ändern oder von ihr abzuweichen, wenn nicht die Vereinbarung der Änderung oder Abweichung unter Berücksichtigung der Interessen des Verwenders für den anderen Vertragsteil zumutbar ist (§ 308 Nr. 4 BGB).

Vorliegend ist § 308 Nr. 4 BGB einschlägig. Zwar ist der Beklagten in § 11 des Anstellungsvertrages nicht ausdrücklich das Recht eingeräumt, die versprochene Leistung, also das Arbeitsentgelt des Klägers, zu ändern oder hiervon abzuweichen. Jedoch ist der Beklagten in dieser Klausel eingeräumt, jederzeit selbständige Fachabteilungen oder Institute neu einzurichten oder abzutrennen sowie die Bettenzahl oder Behandlungseinrichtungen zu ändern, aufzulösen und neu einzurichten. Diese Maßnahmen können aufgrund der unmittelbaren Auswirkungen auf die Liquidationserlöse des Klägers zu einer' erheblichen Verminderung seines Entgelts führen. Daher hat die Inhaltskontrolle nach den selben Maßstäben zu erfolgen wie bei Widerrufsklauseln (vgl. Reinecke, NJW 2005, 3383 ff.).

§ 11 des Anstellungsvertrages räumt der Beklagten das Recht ein, jederzeit die genannten Maßnahmen vorzunehmen und damit die versprochene Leistung einseitig zu ändern. Bei den Liquidationserlösen des Klägers handelt es sich nicht lediglich um einen unwesentlichen Vergütungsbestandteil des Klägers. Vielmehr machen die Liquidationserlöse ca. 40 bis 50 % der Gesamtvergütung des Klägers aus. Somit kann die Ausübung des der Beklagten in § 11 des Anstellungsvertrages eingeräumten Rechts für den Kläger gravierende finanzielle Auswirkungen haben, da gemäß § 11 ein Ersatzanspruch des Klägers ausgeschlossen ist.

In § 11 sind keinerlei Voraussetzungen für die Ausübung des der Beklagten durch die Entwicklungsklausel eingeräumten Rechts festgelegt. Vielmehr zeigt der Wortlaut der Klausel, dass die Beklagte "jederzeit" die genannten Maßnahmen durchführen kann. Dies stellt eine unangemessene Benachteiligung des Klägers dar, da § 11 des Anstellungsvertrages nicht die Angemessenheit und Zumutbarkeit gem. §§ 307, 308 Nr. 4 BGB erkennen lässt. Wie im Falle des Widerrufsvorbehalts muss sich auch hier aus der Regelung selbst ergeben, dass die Beklagte das ihr eingeräumte Recht nicht ohne Grund ausüben darf. Hierbei müssen die Voraussetzungen möglichst konkretisiert werden, damit der Arbeitnehmer erkennen kann, was ggf. "auf ihn zukommt" (vgl. BAG v. 12.01.05 - 5 AZR 364/04 - DB 2005, 669).

Die Vereinbarung eines "jederzeitigen" Änderungsvorbehalts ohne die Nennung jeglicher Gründe oder Voraussetzungen entspricht damit nicht den formellen Anforderungen von §§ 308 Nr. 4, 307 BGB.

Die Unwirksamkeit der Klausel ergibt sich zudem daraus, dass in dieser eine vertragliche Festlegung des Anteils am Gesamtverdienst, der dem Chefarzt bei Änderungen aufgrund der Entwicklungsklausel in jedem Fall verbleiben muss, fehlt. Auch insoweit fehlt es an einer Konkretisierung des Umfangs der vorbehaltenen Änderungen (vgl. Reinecke, a.a.O.; BAG v. 12.01.05 - 5 AZR 364/04 - a.a.O.).

Gem. § 306 Abs. 2 BGB ist eine geltungserhaltende Reduktion der gem. §§ 308 Nr. 4, 307 BGB formell unwirksamen Klausel in § 11 des Anstellungsvertrages unzulässig.

Des weiteren kann nach Auffassung der Kammer auch eine ergänzende Vertragsauslegung nicht zur Wirksamkeit der Regelung in § 11 des Anstellungsvertrages führen, da dies hier einer geltungserhaltenden Reduktion gleichkäme.

Zwar ist zum einen zu berücksichtigen, dass es sich bei dem Anstellungsvertrag um einen "Altfall" vor Anwendbarkeit der Regelungen über allgemeine Geschäftsbedingungen auf Arbeitsverträge handelt. Vor Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes waren Regelungen wie die vorliegende in Chefarztverträgen üblich und wurden von der Rechtsprechung grundsätzlich als formell wirksam erachtet (vgl. BAG v. 28.05.97 - 5 AZR 125/96NZA 1997,1160; BAG v. 13.03.2003 - 6 AZR 557/01 - DB 2003,1960).

Vor diesem Hintergrund spricht für eine ergänzende Vertragsauslegung - wie sie das BAG in seiner Entscheidung vom 12.01.2005 - 5 AZR 364/04 - vorgenommen hat - , dass es vorliegend ebenfalls um die rückwirkende Anwendung förmlicher Anforderungen an die hinreichend deutliche Formulierung einer Entwicklungsklausel auf einen abgeschlossenen Sachverhalt (Abschluss des Arbeitsvertrages) geht und die Beklagte zum Zeitpunkt des Abschlusses des Arbeitsvertrages nicht mit per Unwirksamkeit der Klausel rechnen konnte.

Gegen eine ergänzenden Vertragsauslegung ist jedoch einzuwenden, dass diese im Ergebnis auf eine geltungserhaltende Reduktion gem. § 306 Abs. 2 BGB unter anderer Überschrift hinauslaufen kann. Weiterhin hat der Gesetzgeber Vertrauensschutz für Altverträge nur bis zum 31.12.2003 eingeräumt und ausdrücklich die Anwendung der §§ 305 ff. BGB auch für Altfälle für die Zeit danach geregelt.

Selbst wenn man jedoch davon ausginge, dass dennoch eine ergänzende Vertragsauslegung in Einzelfällen möglich ist, so kommt eine solche nach Auffassung der Kammer im vorliegenden Fall nicht in Betracht. Denn vorliegend geht es nicht - wie bei der zitierten Entscheidung des BAG v. 12.01.2005 -lediglich um die Nichterfüllung einer formalen Voraussetzung, nämlich der Nennung von Voraussetzungen für Änderungen bzw. den Widerruf. Vielmehr fehlt es hier neben der Nennung von Änderungsgründen auch an der Angabe des Anteils des Gesamtverdienstes, der dem Chefarzt bei Änderungen aufgrund der Entwicklungsklausel noch verbleiben muss. Da somit § 11 des Anstellungsvertrages gleich mehrere formelle Anforderungen gem. §§ 308 Nr. 4, 307 BGB nicht erfüllt, liefe es vorliegend in der Tat auf eine geltungserhaltende Reduktion hinaus, wenn alle fehlenden Punkte im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung ausfüllt würden. Es ist schon kaum verbindlich feststellbar, was die Parteien vereinbart hätten, wenn ihnen die gesetzlich angeordnete Unwirksamkeit der Klausel bekannt gewesen wäre. Außerdem würde der (gut beratene) Arbeitgeber vortragen, er hätte in jedem Fall nach der Schuldrechtsreform rechtlich zulässige Regelungen vereinbart. Dies führt im Ergebnis zur Aufrechterhaltung von eigentlich unwirksamen Altklauseln und widerspricht dem Sinn und Zweck der gesetzlichen Anwendbarkeit der Regelung über allgemeine Geschäftsbedingungen auch auf Arbeitsverhältnisse sowie der von dem Gesetzgeber getroffenen Regelungen über Übergangsfristen.

Da nach alledem die Entwicklungsklausel in § 11 des Anstellungsvertrages gem. §§ 308 Nr. 4, 307 BGB unwirksam ist, kann die Beklagte die von ihr beabsichtigte Maßnahme nicht auf diese Regelung stützen.

Die Beklagte kann die von ihr beabsichtigten Änderungen und hierbei insbesondere die Einführung des Kollegialärztesystems in der Abteilung Innere Medizin auch nicht auf ihr allgemein bestehendes Direktionsrecht stützen.

Denn gem. §§ 1,2 des Anstellungsvertrages ist der Kläger verantwortlicher Leiter der Abteilung Innere Medizin, wobei ihm die Führung und fachliche Leitung seiner Abteilung obliegt.
Diese Regelungen stehen der Einstellung eines weiteren gleichgestellten Chefarztes in der Abteilung des Klägers und damit einem Kollegialärztesystems entgegen.

Darüber hinaus dürfte die beabsichtigte Maßnahme wegen der Auswirkung auf die Liquidationserlöse des Klägers schon wegen der Umgehung der Regelungen des § 2 KSchG nicht mehr vom allgemeinen Direktionsrecht der Beklagten gedeckt sein.

Nach alledem ist die Beklagte im Verhältnis zum Kläger nicht berechtigt, die von ihr geplanten Maßnahmen durchzuführen. Dem Hauptantrag war daher stattzugeben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 46 Abs. 2 ArbGG, § 91 Abs. 1 ZPO. Als unterliegende Partei hat die Beklagte die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Der Streitwert war gem. § 61 Abs. 1 ArbGG im Urteil festzusetzen. Er wurde aufgrund der finanziellen Auswirkungen der geplanten Maßnahme auf die Liquidationserlöse des Klägers mit dem Höchstwert von zwei Bruttomonatseinkommen festgesetzt, wobei für ein Bruttomonatseinkommen 12.500,00 ? zugrunde gelegt wurden.

Rechtsmittelbelehrung: XXX

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