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01.12.2006 · IWW-Abrufnummer 063518

Sozialgericht Marburg: Urteil vom 11.10.2006 – S 12 KA 671/06

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Sozialgericht Marburg

S 12 KA 671/06
11.10.2006

1. Der Beschluss des Beklagten vom 25.01.2006 wird insoweit aufgehoben, als der Beigeladene zu 1) unter Nr. 2 a) zur konsiliarischen Beratung in chirurgischen Problemfällen auch auf Überweisung von niedergelassenen und fachärztlich tätigen Internisten, abzurechnen nach den Nrn. 01310 bis 01312, 01430, 01600 bis 01602, 07215, 40120 und 40144 EBM 2000 plus ermächtigt wird; der Beschluss wird ferner unter Nr. 2 b), soweit der Beigeladene zu 1) für einen Zeitraum über zwei Wochen hinaus ermächtigt wird, und unter Nr. 3 aufgehoben.

2. Der Beklagte wird verpflichtet, den Widerspruch des Beigeladenen zu 1) vom 06.06.2005 insoweit unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.

3. Der Beklagte hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin und die Gerichtskosten zu tragen. Weitere Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um den Umfang der Ermächtigung des Beigeladenen zu 1).

Die Klägerin ist eine Kassenärztliche Vereinigung nach § 77 Abs. 1 SGB V. Der Beigeladene zu 1) ist Facharzt für Chirurgie mit der Teilgebietsbezeichnung Unfallchirurgie. Er ist Chefarzt der Abteilung für Chirurgie der AH.Klinik GmbH in C-Stadt. Die Beigeladene zu 9) ist eine aus zwei Vertragsärzten bestehende chirurgische mit Praxissitz in C-Stadt. Die Beigeladene zu 10) ist eine aus drei Vertragsärzten bestehende chirurgische mit Praxissitz in M-Stadt, von denen einer die Teilgebietsbezeichnung Unfallchirurgie führt und ein weiterer zugleich Facharzt für plastische Chirurgie ist.

Der Beigeladene zu 1) war zuletzt mit Beschluss des Zulassungsausschusses vom 17.12.2002 zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung auf Überweisung durch Vertragsärzte ermächtigt worden, befristet bis zum 31.12.2004. Die Ermächtigung erstreckte sich auf
1. konsiliarische Beratung eines Vertragsarztes in der Behandlung, abzurechnen nach den Nrn. 1, 2, 75, 7120 und 7121 EBM mit der Höchstzahl von 350 Fällen,
2. Durchführung besonderer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, eingeschränkt auf Leistungen nach den Nrn. 205, 212, 214, 215, 245 bis 247, 254, 301, 360, 361, 755, 2012, 2211, 2470, 2621, 3501, 3511 bis 3513, 3670, 3686 und 3694 EBM mit der Höchstzahl von 350 Fällen,
3. ambulante Nachbehandlung nach einer stationären Krankenhausbehandlung im Einvernehmen mit dem behandelnden Vertragsarzt innerhalb eines Zeitraumes bis zu vier Wochen nach der Entlassung des Patienten.

Unter Datum vom 30.07.2004, eingegangen am 03.08., beantragte der Beigeladene zu 1) die Verlängerung seiner Ermächtigung.

Die Bezirksstelle D-Stadt der Klägerin befürwortete den Antrag in eingeschränktem Umfang mit Schreiben vom 25.11.2004. Ihrer Ansicht nach sollten die Nrn. 2211, 2470 und 2621 gestrichen werden, da die Abrechnung nach § 115b direkt mit den Krankenkassen erfolge. Mit Schreiben vom 09.12.2004 äußerte sie die Auffassung, die seinerzeit getroffene einvernehmliche Regelung mit der Begrenzung der Fallzahl und des Zeitraumes der Nachsorge werde auch der jetzigen Versorgungssituation gerecht.

Ferner sprach sich die Beigeladene zu 9) mit Schreiben vom 27.11.2004 gegen eine Verlängerung der Ermächtigung aus, da seit der Niederlassung des Herrn GS. am 15.09.1992 eine Ermächtigung überflüssig sei. Sie beantragten ebenso wie die Beigeladene zu 10) mit Schreiben vom 29.11.2004 die Vertagung der Sitzung des Zulassungsausschusses. Daraufhin verschob der Zulassungsausschuss den anberaumten Termin.

Der Beigeladene zu 1) äußerte hierzu, im Rahmen seines Verlängerungsantrages im Jahr 2002 seien die niedergelassenen Kollegen umfangreich befragt worden. Der dann erfolgten Ermächtigung hätten alle zugestimmt. Seit seinem Ausscheiden aus seiner Abteilung im Jahre 1992 führe Herr GS. einen "Kreuzzug" gegen diese und das Krankenhaus. Seine Ermächtigung sei deshalb erheblich reduziert worden. Die verbliebenen Leistungen könnten von den niedergelassenen Kollegen nicht erbracht werden. Kollege Dr. BT. sei bis zur Übernahme des Krankenhauses X.Stift durch die Y.Klinik im Jahre 2001 dort Belegarzt gewesen und habe bis dahin keine Einwände gegen seine Ermächtigung vorgetragen. Eine Veränderung der Versorgungsstruktur habe sich seit 2002 nicht ergeben.

Der Zulassungsausschuss für Ärzte bei der lehnte mit Beschluss vom 14.12.2004 den Verlängerungsantrag des Beigeladenen zu 1) zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung ab, weil eine weitere Ermächtigung unnötig sei. Das aktuelle Votum der niedergelassenen Ärzte habe bei der Beurteilung der Versorgungssituation keine Berücksichtigung gefunden.

Hiergegen legte der Beigeladene zu 1) am 06.06.2005 Widerspruch ein. Er trug vor, an der Versorgungssituation habe sich seit der letzten Ermächtigung keine Veränderung ergeben, da die beiden Gemeinschaftspraxen bereits bestanden hätten. Die Ermächtigung sei auch bereits im Umfang begrenzt. Die Möglichkeit, auf die Versorgungsstruktur des Krankenhauses zurückzugreifen, gewährleiste durch ihn eine besondere Versorgungsqualität/Strukturqualität. Sein Leistungsangebot sei nicht deckungsgleich mit dem Leistungsangebot der niedergelassenen Chirurgen. Die Nachbehandlung erfolge auf der Grundlage der stationären Behandlung. Ein weiterer Schwerpunkt liege im Bereich der Proktologie und Onkologie. Die "kleine Chirurgie" führe er nicht durch. Die Arthroskopien, die er durchführe, unterschieden sich von den übrigen Arthroskopien Der Eingriff sei bei seinen Patienten wegen verschiedener Begleiterkrankungen mit einem höheren Risiko behaftet, weshalb die Möglichkeit bestehen müsse, auf die Versorgung des Krankenhauses zurückgreifen zu können. Es bestehe deshalb ein qualitativer und quantitativer Versorgungsbedarf. Zu berücksichtigen seien auch die Öffnungszeiten.

Bereits unter Datum vom 20.01.2005 trug die Beigeladene zu 9) gegenüber der Klägerin vor, das gesamte Leistungsspektrum der Ermächtigung einschließlich der Onkologie und Proktologie werde von den niedergelassenen Ärzten erbracht und das Gebiet sei inzwischen überversorgt. Engpässe habe es bisher nicht gegeben. Die Fallzahlen seien zurückgegangen. Ein besonderer qualitativer Bedarf sei nicht erkennbar. Risikopatienten müssten ohnehin stationär behandelt werde.

Die Klägerin trug im Widerspruchsverfahren vor, sie halte nach neuerlicher Überprüfung der Versorgungssituation eine Verlängerung der Ermächtigung nicht mehr für erforderlich. Die Fallzahlen der Beigeladenen zu 9) lägen mit ca. 727 Fällen bei zwei Chirurgen unter dem Durchschnitt der Fachgruppe mit 913 Fällen je Arzt. Die Aussage der Praxis, freie Kapazitäten zu haben, sei deshalb plausibel. Der überwiegende Teil der Leistungen werde auch durch die niedergelassenen Ärzte erbracht. Die übrigen Leistungen könnten von der Klinik nach §115b SGB V erbracht werden. Die Nr. 245 EBM (Quengelverband) sei im neuen EBM nicht mehr enthalten. Hieraus folge eine Änderung der Versorgungssituation. Ferner übe der Beigeladene zu 1) seit einem Jahr seine Ermächtigung nicht mehr aus. Engpässe seien nicht bekannt geworden. Auch die Abrechnung der Notfälle der Klinik mit 37, 50 bzw. 45 Fällen in den Quartalen II bis IV/05 zeige, dass die Versorgung durch die niedergelassenen Chirurgen und den Bereitschaftsdienst sichergestellt sei. Allenfalls sei eine Ermächtigung für die konsiliarische Beratung in chirurgischen Problemfällen auf Überweisung der niedergelassenen Chirurgen und operativ tätigen Orthopäden erforderlich, wobei die Höchstzahl auf 350 Fälle im Quartal festgesetzt bleiben sollte. Damit werde eine Verlagerung ambulanter Operationen an das Krankenhaus verhindert. Auch könne der Beigeladene zu 1) Risikofälle weiterhin behandeln.

Mit Beschluss vom 25.01.2006, ausgefertigt am 03.03. und der Klägerin zugestellt am 06.03.2006, hat der Beklagte dem Widerspruch teilweise stattgegeben. Er hat den Beigeladenen zu 1) befristet bis zum 31.03.2008 ermächtigt. Die Ermächtigung umfasst nach Nr. 2
a) die konsiliarische Beratung in chirurgischen Problemfällen auf Überweisung von niedergelassenen Chirurgen, operativ tätigen Orthopäden und fachärztlich tätigen Internisten, abzurechnen nach den Nrn. 01310 bis 01312, 01430, 01600 bis 01602, 07215, 40120 und 40144 EBM 2000 plus mit der Höchstzahl von 350 Fällen pro Quartal,
b) die ambulante Nachbehandlung nach einer stationären Krankenhausbehandlung bis zu drei Monaten nach der Krankenhausentlassung im Einvernehmen mit dem behandelnden Vertragsarzt nach komplexen Knocheneingriffen der unteren Extremitäten einschließlich Hüften, wobei das Entlassungsdatum anzugeben ist. Ferner setzte er die Erstattung von 50 % der notwendigen Aufwendungen des Beigeladenen zu 1) fest und erklärte die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten für notwendig. Zur Begründung führte er aus, für die erfassten chirurgischen Problemfälle bzw. Fälle mit stark erhöhtem Risiko bestehe weiterhin eine Versorgungslücke. Anzuerkennen seien die besonderen Fachkenntnisse des Beigeladenen zu 1) als langjähriger Chirurg wie auch insbesondere der Versorgungsstruktur des Krankenhauses. Zum Schutz der niedergelassenen Ärzte bedürfe es hierfür des Facharztfilters und der Fallzahlbegrenzung.

Hiergegen hat die Klägerin am 06.04.2006 die Klage erhoben, begrenzt auf die Ausweitung des Facharztfilters auch für die fachärztlich tätigen Internisten, die ambulante Nachbehandlung nach einer stationären Krankenhausbehandlung und die Kostenentscheidung. Sie trägt ergänzend vor, bei einer Umfrage habe die Beigeladene zu 9) freie Kapazitäten angegeben. Deren Leistungsspektrum decke sich weitgehend mit dem des Beigeladenen zu 1), was auch für die übrigen niedergelassenen Chirurgen zutreffe. Die verschiedenen Risiken bei Behandlungen könne letztlich nur der operativ tätige Orthopäde oder Chirurg selbst erkennen. Eine Begründung für die Ausweitung des Facharztfilters sei dem Bescheid nicht zu entnehmen. Nicht nachvollziehbar sei, weshalb die zweiwöchige Nachbetreuungsfrist nicht ausreichend sein sollte. Die weitere Nachversorgung könne durch niedergelassene Ärzte erfolgen. Der Begriff "komplexer Knocheneingriff" sei medizinisch nicht definiert. Das Krankenhaus in C-Stadt sei kein Schwerpunkt-Krankenhaus für Unfallchirurgie. Soweit es um die endoprothetische Versorgung von Hüftgelenken gehe, werde nach 10 bis 12 Tagen stationärer Behandlung eine ambulante Rehabilitationsfähigkeit des Patienten erreicht. Bei Zusatzerkrankungen finde in der Regel eine stationäre Anschlussheilbehandlung statt.

Die Klägerin beantragt,
den Widerspruchsbescheid vom 25.01.2006 insoweit aufzuheben, als der Beigeladene zu 1) unter Nr. 2 a) des Bescheidtenors zur Erbringung einer konsiliarischen Beratung in chirurgischen Problemfällen auch auf Überweisung von niedergelassenen und fachärztlich tätigen Internisten und unter Nr. 2 b) des Bescheidtenors für einen Zeitraum über zwei Wochen hinaus ermächtigt wird und soweit unter Nr. 3 des Bescheidtenors eine Erstattung von 50 % der notwendigen Aufwendungen des Beigeladenen zu 1) festgesetzt wird, und den Beklagten zu verpflichten, den Widerspruch des Beigeladenen zu 1) insoweit unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.

Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Er trägt vor, mit der noch strittigen Ermächtigung auch auf Überweisung von fachärztlich tätigen Internisten werde der onkologischen Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) Rechnung getragen. Karzinompatienten würden zur Einschätzung der Operationsmöglichkeiten unmittelbar an den möglichen Operateur überwiesen werden. Mit dem Begriff "komplexer Knocheneingriff" sei die endoprothetische Versorgung, aber auch chirurgisch Maßnahmen an den langen Röhrenknochen gemeint. Der Erfolg der Operation sowie der Heilungsverlauf müsse durch den Operateur selbst kontrolliert werden. Eine längere Frist sei notwendig.

Der Beigeladene zu 1) beantragt,
die Klage abzuweisen.

Er hat sich schriftlich inhaltlich zur Klage nicht geäußert.

Die Beigeladenen zu 2) bis 6) beantragen,
die Klage abzuweisen.

Die Beigeladenen zu 7) bis 10) haben keinen Antrag gestellt.

Die Beigeladenen zu 2) bis 8) haben sich schriftlich zur Klage nicht geäußert.

Die Beigeladene zu 9) hält das Versorgungsgebiet für ausreichend versorgt, weshalb es der Ermächtigung nicht bedürfe. Ihre Kapazität sei nicht ausgeschöpft. Ihre Fallzahl sei unterdurchschnittlich.

Die Beigeladene zu 10) hält ebf. das Versorgungsgebiet für ausreichend versorgt, weshalb es der Ermächtigung nicht bedürfe. Ihr Mitglied Dr. BT. besitze ebf. die Schwerpunktbezeichnung Unfallchirurgie und sei vor Niederlassung leitender Oberarzt der Unfallchirurgie des Z.Universitätsklinikums gewesen. Als Gastarzt im Krankenhaus Q. führe er jährlich 150 bis 170 endoprothetische Gelenkersätze an Knie- und Hüftgelenken durch. Sie habe einen Schwerpunkt in der integrierten Versorgung mit den Betriebskrankenkassen auf dem Gebiet der Knie- und Hüftendoprothetik sowie in der Schulter- und Kreuzbandchirurgie. Sie sei deshalb in der Lage zur Nachsorge endoprothetischer Gelenkersätze von Patienten anderer Krankenhäuser sowie Schwerverletzter. Ein weiterer Schwerpunkt bestehe im Bereich der Fußchirurgie. Ihr Mitglied KT. sei vor allem arthroskopisch tätig und führe Eingriffe an Schulter-, Knie- und Sprunggelenk durch. Ihr Mitglied Dr. UP. sei auch Facharzt für plastische Chirurgie und habe vor Niederlassung handchirurgisch gearbeitet. Die Ermächtigung diene allein wirtschaftlichen Interessen. Sie führe zu einer Wettbewerbsverzerrung. Bei Fallzahlen von 1.200 bis 1.300 Patienten sehe sie ihre Obergrenze erst bei ca. 1.600 Patienten.

Die Kammer hat mit Beschluss vom 23.06.2006 die Beiladung ausgesprochen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichts- und beigezogenen Verwaltungsakte, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Kammer hat in der Besetzung mit je einem ehrenamtlichen Richter aus den Kreisen der Vertragsärzte und Psychotherapeuten sowie der Krankenkassen verhandelt und entschieden, weil es sich um eine Angelegenheit des Vertragsarztrechts handelt (§ 12 Abs. 3 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz ? SGG -). Die Kammer konnte trotz Abwesenheit der Beigeladenen zu 9) und 10) verhandeln und entscheiden, weil diese ordnungsgemäß geladen und auf diese Möglichkeit hingewiesen worden sind (§ 110 Abs. 1 SGG).

Der Beschluss des Beklagten vom 25.01.2006 ist insoweit rechtswidrig und war insoweit aufzuheben, als der Beigeladene zu 1) unter Nr. 2 a) zur konsiliarischen Beratung in chirurgischen Problemfällen auch auf Überweisung von niedergelassenen und fachärztlich tätigen Internisten, abzurechnen nach den Nrn. 01310 bis 01312, 01430, 01600 bis 01602, 07215, 40120 und 40144 EBM 2000 plus und als er unter Nr. 2 b) weiter ermächtigt wurde. Demzufolge war auch die Kostenentscheidung unter Nr. 3 aufzuheben. Die Klägerin hat einen Anspruch darauf, dass der Beklagte den Widerspruch des Beigeladenen zu 1) vom 06.06.2005 insoweit unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu bescheidet.

Der Beschluss des Beklagten vom 25.01.2006 ist im Umfang der Anfechtung rechtswidrig.

Nach § 116 SGB V, § 31a Abs. 1 Ärzte-ZV kann der Zulassungsausschuss mit Zustimmung des Krankenhausträgers einen Krankenhausarzt mit abgeschlossener Weiterbildung zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung der Versicherten ermächtigen, soweit und solange deren ausreichende ärztliche Versorgung ohne die besonderen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden oder Kenntnisse von hierfür geeigneten Krankenhausärzten nicht sichergestellt wird. Der in dieser Formulierung zum Ausdruck kommende Vorrang der niedergelassenen Vertragsärzte gilt für den gesamten Bereich der ambulanten Krankenversorgung und mithin auch für diagnostische Leistungen auf Überweisungen von denjenigen Ärzten, die die Patienten unmittelbar behandeln. Nicht nur die eigenverantwortliche ambulante Behandlung, sondern auch die Beratung und Unterstützung eines anderen Vertragsarztes bei dessen Behandlung obliegen in erster Linie den entsprechend weitergebildeten und qualifizierten Vertragsärzten. Die Erteilung einer Ermächtigung setzt einen quantitativ-allgemeinen oder einen qualitativ-speziellen Versorgungsbedarf voraus, bei dessen Überprüfung die Zulassungsgremien über einen nur eingeschränkt zugänglichen Beurteilungsspielraum verfügen Ein quantitativ-allgemeiner Bedarf liegt vor, wenn in einem Planungsbereich in einer Arztgruppe zu wenige niedergelassene Ärzte vorhanden sind, um den Bedarf zu decken. Das Vorliegen eines qualitativ-speziellen Bedarfs setzt voraus, dass ein Krankenhausarzt besondere, für eine ausreichende Versorgung notwendige Untersuchungs- und Behandlungsleistungen anbietet, die von den niedergelassenen Ärzten nicht bzw. nicht in erforderlichem Umfang erbracht werden (vgl. BSG, Urt. v. 30.01.2002, Az: B 6 KA 12/01 R, SozR 3-2500 § 116 Nr: 24 = MedR 2002, 52 = KRS 02. = USK 2002-89, zitiert nach juris, Rdnr. 18 ff. m. w. N.). Die besonderen Kenntnisse und Erfahrungen eines Krankenhausarztes reichen für sich allein nicht aus, um eine Ermächtigung zur vertragsärztlichen Versorgung zu rechtfertigen. Für die vertragsärztliche Versorgung können diese speziellen Kenntnisse und Erfahrungen erst von Bedeutung sein, wenn sie sich in einem besonderen Leistungsangebot niederschlagen. Es muss sich dabei um Leistungen handeln, die im Rahmen einer ausreichenden ambulanten ärztlichen Versorgung benötigt und von den niedergelassenen Ärzten nicht oder nicht ausreichend angeboten werden (vgl. BSG, Urteil vom 27. Juni 2001, Az: B 6 KA 39/00 R, KRS 01.083 USK 2001-166, zitiert nach juris Rdnr. 18 m. w. N.). Maßstab für die Bedarfsprüfung ist grundsätzlich der Planungsbereich.

Die gerichtliche Kontrolle des Beurteilungsspielraums hinsichtlich der Bedarfsprüfung durch den Beklagten beschränkt sich auf die Prüfung, ob der Verwaltungsentscheidung ein richtig und vollständig ermittelter Sachverhalt zugrunde liegt, ob die Zulassungsgremien die durch Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffes ermittelten Grenzen eingehalten und ob sie ihre Subsumtionserwägungen so verdeutlicht und begründet haben, dass im Rahmen des Möglichen die zutreffende Anwendung der Beurteilungsmaßstäbe erkennbar und nachvollziehbar ist. Diese eingeschränkte Überprüfungsbefugnis der Gerichte beruht im wesentlichen darauf, dass die ortsnahen fachkundigen Zulassungsinstanzen nur ungefähr entscheiden können, ob und inwieweit die bereits niedergelassenen Ärzte eine qualitativ ausreichende Versorgung gewährleisten, da zur Beantwortung dieser Frage eine Vielzahl von Faktoren in die Entscheidung einzubeziehen ist. Entscheidungen der Zulassungsgremien sind daher hinzunehmen, wenn sie sich im Rahmen der Beurteilungsermächtigung halten (vgl. BSG, Urteil vom 12. September 2001, Az: B 6 KA 86/00 R, aaO., juris Rdnr. 19 m. w. N.).

Ausgehend von diesen Grundsätzen hat der Beklagte seine Entscheidung nur unzureichend begründet.

Die Einbeziehung der fachärztlich tätigen Internisten in den sog. Facharztfilter hat er nicht begründet. Er hat nur allgemein angeführt, es handele sich um chirurgische Problemfälle bzw. um die Behandlung von Patienten mit stark erhöhtem Risiko. Soweit der Beklagte sich damit den Vortrag des Beigeladenen zu 1) ? er habe einen Schwerpunkt im Bereich der Onkologie und insbesondere bei Tumorpatienten könne die Behandlung aus einer Hand erfolgen, die sowohl die Diagnose als auch die anschließende operative Behandlung umfasse - zu eigen machen wollte, hat er dies klar zum Ausdruck zu bringen. Hierbei hat er auch zu klären, welcher Art die Problemfälle sein müssen. Darzulegen ist auch, welcher Art die Problemfälle beschaffen sein müssen, in denen nach Diagnostik und Behandlung der fachärztlich tätigen Internisten eine Weiterbehandlung nicht durch einen niedergelassenen Facharzt für Chirurgie erfolgen kann. Die Feststellung einer stationären Behandlungsbedürftigkeit kann in der Regel von dem überweisenden Internisten getroffen werden. Dem Krankenhausarzt obliegt dann die Feststellung, ob er eine stationäre Behandlungsbedürftigkeit tatsächlich als erforderlich ansieht. Die insoweit fachkundig besetzte Kammer hält die vom Beklagten vorgenommene Einbeziehung der fachärztlich tätigen Internisten in den sog. Facharztfilter allerdings entgegen der Auffassung der Klägerin grundsätzlich für zulässig. Angesichts der unklaren Beschreibung der Problemfälle bestehen allerdings Zweifel, ob hierfür insgesamt die Fallzahl von 350 Fällen pro Quartal und damit von 1.400 Fällen im Jahr tatsächlich erforderlich ist.

Die Ausweitung des Nachbehandlungszeitraums auf drei Monate wird ebf. nur unzureichend begründet. Auch hier war der insoweit fachkundig besetzten Kammer nicht nachvollziehbar, welche Krankheitsbilder gemeint sind. Auch soweit der Beklagte im Klageverfahren angegeben hat, mit dem Begriff "komplexer Knocheneingriff" sei die endoprothetische Versorgung, aber auch chirurgisch Maßnahmen an den langen Röhrenknochen gemeint, konnte dem die Kammer nicht folgen. Bei Hüftgelenksoperationen besteht z. T. eine Mobilisierungsfähigkeit innerhalb von 10 bis 14 Tagen. Welche Maßnahmen an den langen Röhrenknochen gemeint sind, wird auch im Klageverfahren nicht erläutert. Selbst wenn hierauf im angefochtenen Beschluss abgestellt werden würde, hielte dies die Kammer für zu allgemein. Auch hier obliegt es dem Beklagten, im Einzelnen zu präzisieren, welche Krankheitsbilder aus welchem Grund eine über zwei Wochen dauernde Nachbehandlung durch den Beigeladenen zu 1) bedürfen. Allein der Hinweis darauf, der Erfolg der Operation sowie der Heilungsverlauf müsse durch den Operateur selbst kontrolliert werden, reicht nach Auffassung der Kammer als Begründung ebf. nicht aus.

Im Ergebnis war der Klage daher stattzugeben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 VwGO. Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Beigeladenen zu 1) sowie 9) und 10) haben keinen Kostenerstattungsanspruch.

Die außergerichtlichen Kosten eines Beigeladenen sind nur erstattungsfähig, wenn sie das Gericht aus Billigkeit der unterliegenden Partei oder der Staatskasse auferlegt (§ 197a SGG i. V. m. § 162 Abs. 3 VwGO). Von dieser Möglichkeit ist Gebrauch zu machen, wenn der Beigeladene erfolgreich Anträge gestellt hat, wenn er allein oder mit anderen Beteiligten gesiegt hat oder das Verfahren wesentlich gefördert hat (vgl. Meyer-Ladewig, SGG, 8. Aufl. 2004, § 197a, Rdnr. 29). Zu berücksichtigen ist, ob der Beigeladene sich während des Verfahrens geäußert und auch Anträge gestellt hat (vgl. BSG, Urt. v. 14.11.2002 ? B 13 RJ 19/01 R - SozR 3-5795 § 10d Nr. 1, zitiert nach juris Rdnr. 44).

Der Beigeladene zu 1) hat einen Klageabweisungsantrag gestellt, ist damit aber erfolglos geblieben. Die Beigeladenen zu 9) und 10) haben förmlich keinen Antrag gestellt. Von daher besteht für sie kein Kostenerstattungsanspruch.

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