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27.09.2006 · IWW-Abrufnummer 061903

Hessisches Finanzgericht: Urteil vom 05.01.2006 – 1 K 1114/02

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


HESSISCHES FINANZGERICHT

Geschäftsnummer: 1 K 1114/02

GERICHTSBESCHEID

IM NAMEN DES VOLKES

In dem Rechtsstreit XXX

wegen Einkommensteuer 2000

hat der 1. Senat des Hessischen Finanzgerichts
ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid am 5. Januar 2006

unter Mitwirkung XXX
für Recht erkannt:

Die mit Einkommensteuerbescheid vom 21.02.2003 festgesetzte Einkommensteuer wird auf ,-- DM = ,-- EUR herabgesetzt.

Die Revision wird zugelassen.

Die Kosten des Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Die Entscheidung ist hinsichtlich der erstattungsfähigen Kosten vollstreckbar. Der Beklagte darf Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der erstattungsfähigen Kosten abwenden sofern nicht die Kläger vorher Sicherheit in dieser Höhe leisten.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Vorwegabzug zu kürzen ist.

Die Kläger werden als Eheleute zur Einkommensteuer zusammen veranlagt.

Die Klägerin war im Streitjahr bei dem als gewerblich tätigen Kläger für 630,-- DM monatlich geringfügig beschäftigt. Im Rahmen dieses Arbeitsverhältnisses führte der Kläger 10 % des Lohns an einen Krankenversicherungsträger und 12 % an einen Rentenversicherungsträger ab. Die Klägerin zahlte keine eigenen Beiträge an die Sozialversicherungsträger und war privat krankenversichert. Sie hatte im Streitjahr weitere positive Einkünfte aus Gewerbebetrieb.

Im Einkommensteuerbescheid vom 10.01.2002 kürzte der Beklagte für die Berechnung der abziehbaren Höchstbeträge bei den Sonderausgaben den Vorwegabzug nach § 10 Abs. 3 Nr. 2 a Einkommensteuergesetz (EStG ) in der Fassung bis Veranlagungszeitraum 2004 um 16 v.H. der - wegen der anderen positiven Einkünfte der Klägerin gemäß § 3 Nr. 39 a.F. EStG steuerpflichtigen Einkünfte der Klägerin aus geringfügiger Beschäftigung.

Mit dem fristgerecht erhobenen Einspruch machten die Kläger geltend, die Kürzung komme nicht in Betracht, da die Klägerin aus den Zahlungen des Arbeitgebers letztlich keine Vorteile habe.

Der Beklagte wies den Einspruch am 18.03.2002 als unbegründet zurück. Der Vorwegabzug sei gemäß § 10 Abs. 3 Nr. 2 a EStG i.V.m. R 24 Abs. 1 Satz 1 Lohnsteuerrichtlinien zu kürzen, da der Versicherungsanteil aus dem geringfügigen Beschäftigungsverhältnis zu den Zukunftssicherungsleistungen i. S. des § 3 Nr. 62 EStG gehöre.
Der Einkommensteuerbescheid für 2000 wurde wegen verschiedener Grundlagenbescheide mehrfach geändert, zuletzt am 21.02.2003.

Mit der Klage vom 02.04.2002 vertreten die Kläger weiterhin die Ansicht, eine Kürzung des Vorwegabzuges wegen Leistungen nach § 3 Nr. 62 EStG komme nur in Betracht, wenn dem Arbeitnehmer durch die Zahlungen des Arbeitgebers Vorteile entstehen. § 3 Nr. 62 EStG spreche ausdrücklich von Ausgaben für die Zukunftssicherung des Arbeitnehmers.

Die Kläger beantragen sinngemäß,
den Einkommensteuerbescheid für 2000 in Gestalt des Änderungsbescheides vom 21.03.2003 dahingehend abzuändern, dass eine
Kürzung des Vorwegabzugs unterbleibt.

Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Er hält an seiner in der Einspruchsentscheidung vertretenen Rechtsauffassung fest.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist begründet.

Der Beklagte hat den Vorwegabzug bei der Klägerin zu Unrecht entsprechend § 10 Abs. 3 Nr. 2 a EStG um 16 v.H. ihrer Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit gekürzt.

Nach § 10 Abs. 3 Nr. 2 a EStG in der im Streitjahr geltenden Fassung ist der Vorwegabzug für Vorsorgeaufwendungen zu kürzen, wenn der Arbeitgeber für den Arbeitnehmer Zukunftssicherungsleistungen nach § 3 Nr. 62 EStG erbringt.
Diese Voraussetzungen für die Kürzung des Vorwegabzugs liegen jedoch nicht vor. Der Arbeitgeber der Klägerin hat zwar Zukunftssicherungsleistungen im Sinne von § 3 Nr. 62 EStG erbracht, jedoch nicht für die Klägerin im Sinne dieser Vorschrift.

Entsprechend dem Gesetz zur Neuregelung der geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse vom 24.03.1999 (Bundesgesetzblatt I 1999, S. 388) hat der Kläger Beiträge in Höhe von 10 v.H. des Lohns der Klägerin an einen Krankenversicherungsträger und in Höhe von 12 v.H. an einen Rentenversicherungsträger bezahlt. Für die Kürzung des Vorwegabzugs kommt es auf die Höhe der tatsächlich erbrachten Leistungen grundsätzlich nicht an. Der Gesetzgeber hat
in generalisierender Weise nur darauf abgestellt, dass Zukunftssicherungsleistungen überhaupt erbracht werden. Die Kürzung ist vorzunehmen, ?wenn? und nicht nur ?soweit? solche Leistungen erbracht werden. Das hat der Bundesfinanzhof (BFH) im Urteil vom 16.10.2002 (XI R 61/00, Bundessteuerblatt - BStBl - II 2003, 183) detailliert dargelegt. In dem dort entschiedenen Fall waren in einem der Streitjahre bei einem Bruttoarbeitslohn in Höhe von 451.255,-- DM gerade 769,50 DM zur freiwilligen Krankenversicherung des Arbeitnehmers geleistet worden. Dennoch hat der BFH die volle Kürzung des Vorwegabzuges für rechtmäßig erkannt. Ebenso hat er in einem anderen Urteil vom selben Tag (XI R 75/00, BStBl II 2003, 288 ? dagegen ist Verfassungsbeschwerde eingelegt, Aktenzeichen des Bundesverfassungsgerichts 2 BvR 472/03) ausgesprochen, dass der Vorwegabzug auch dann aus dem vollen Jahresarbeitslohn zu kürzen ist, wenn der Arbeitgeber nur für einen Teil des Jahres Leistungen für die Zukunftssicherung des Arbeitnehmers erbringt und auch dann, wenn er nur Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung leistet.

Im gleichen Sinne hat der BFH in einem weiteren Urteil vom 16.10.2002 (XI R 71/00, BStBl II 2003, 343) entschieden, dass auch eine vom Arbeitgeber gezahlte Entlassungsentschädigung, für die kein Arbeitgeberbeitrag zu leisten ist, zu den Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit gehört, um die der Vorwegabzug zu kürzen ist. Ebenso ist eine Kürzung des Vorwegabzugs vorzunehmen, wenn ein Anwartschaftsrecht auf Altersversorgung noch nicht unverfallbar ist oder gefährdet erscheint, selbst wenn es später sogar widerrufen wird (BFH-Urteil vom 28.07.2004 XI R 67/03, BStBl II 2005, 94).

Die Kürzung hat jedoch im Streitfall deshalb zu unterbleiben, weil diese Zukunftssicherungsleistungen nicht für die Klägerin erbracht wurden. Die Klägerin hat auf Grund der Zahlungen des Arbeitgebers an die Sozialversicherungsträger keine eigenen Ansprüche erworben.

Hinsichtlich der Krankenversicherung hat der Gesetzgeber wegen der Missbrauchsgefahr einen solchen Anspruch ausdrücklich ausgeschlossen (Begründung zum Gesetz zur Neuregelung der geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse, Bundestagsdrucksache ?BT-Drks.-14/280 S. 10, Allgemeiner Teil, S. 13 zu Artikel 3 Nummer 4 - § 249 b Sozialgesetzbuch ?SGB- V-).

Bezüglich der Rentenversicherung ist die Klägerin als geringfügig Beschäftigte zwar nach § 8 SGB VI von der Versicherungspflicht befreit, jedoch kann auch ein geringfügig Beschäftigter einen eigenen Rentenversicherungsanspruch erwerben. Voraussetzung dafür ist der Verzicht auf die Rentenversicherungsfreiheit nach § 5 Abs. 2 Satz 2 erster Halbsatz SGB VI und die Zahlung des entsprechenden eigenen Beitrags. Von dieser Option hat die Klägerin für das Streitjahr jedoch keinen Gebrauch gemacht. Insoweit ist ihre Situation dem durch den BFH mit Urteil vom 06.03.2003 (XI R 31/01, BStBl II 2004, 6) entschiedenen Fall vergleichbar, in dem der BFH eine Kürzung des Vorwegabzugs abgelehnt hat, da der Arbeitgeber nur Beiträge zur Arbeitslosenversicherung eines Arbeitnehmers gezahlt hat, für den als Versorgungsempfänger der Anspruch auf Arbeitslosengeld nach § 142 Abs. 2 Nr. 4 SGB III ruhte, obwohl der BFH mit der Literatur auch die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung als Leistungen zur Zukunftssicherung angesehen hat (Schmidt/ Heinicke, Einkommensteuergesetz, 24.Aufl., § 3 Nr. 62 ?Zukunftssicherungsleistungen?, Söhn in Kirchhof/Söhn, Einkommensteuergesetz, § 10 Rdnr. E 41). In beiden Fällen fehlt es an einem eigenen Anspruch des Steuerpflichtigen.

Zudem würde die Kürzung des Vorwegabzugs wegen der nur ausnahmsweise, durch das Zusammentreffen mit anderen positiven Einkünften im Streitjahr gegebenen Steuerpflicht dieser Einkünfte, der Belastungsgleichheit und dem Zweck der Regelung der geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse, die Belastungen darauf auch dann gering zu halten, wenn der andere Ehegatte eigene Einkünfte erzielt (BT-Drks. 14/280 S. 10 f. ? Allg. Teil 2. Steuerrecht), zuwider laufen. Denn die Klägerin ist zwar dadurch, dass sie im Streitjahr andere positive Einkünfte erzielt hat, leistungsfähiger. Diese höhere Leistungsfähigkeit wird aber schon dadurch erfasst, dass die Einkünfte aus dem geringfügigen Beschäftigungsverhältnis nicht mehr nach § 3 Nr. 39 EStG steuerfrei bleiben, sondern in die Besteuerung einbezogen werden.

Die Revision war nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO) zuzulassen, da die Frage der Kürzung des Vorwegabzugs bei geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen grundsätzliche Bedeutung hat.

Die Kostenentscheidung ergeht nach § 135 Abs. 1 FGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit wegen der Kosten folgt aus § 151 Abs. 1 und 3 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 Satz 1 Zivilprozessordnung.

RechtsgebietEinkommensteuerVorschriften§§ 3 Nr.62 ; 10 Abs.3 Nr.2a EStG

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