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24.08.2006 · IWW-Abrufnummer 061253

Finanzgericht Köln: Urteil vom 24.11.2005 – 10 K 1364/02

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.

Die Revision wird zugelassen.


Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Steuerpflicht von Zinsen aus Lebensversicherungen.

Der Kläger hat im Jahr 2000 bei der ... Versicherung ... zwei Darlehen aufgenommen, und zwar über 105.450 DM bzw. 50.000 DM. Diese Darlehen wurden mit bestehenden Lebensversicherungsverträgen (Vertrags-Nr. 1 und 2, ebenfalls bei der ... Versicherung ...) abgesichert. Mit dem Auszahlungsbetrag von 153.210 DM erwarb der Kläger Anteile an diversen offenen Aktienfonds.

Mit Feststellungsbescheid vom 31. Mai 2001 stellte der Beklagte auf der Grundlage von § 9 der Verordnung über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nach § 180 Abs. 2 AG 1977 die steuerschädliche Verwendung der Lebensversicherungsansprüche für den Erwerb von Aktienfonds und deshalb die Steuerpflicht der außerrechnungsmäßigen und rechnungsmäßigen Zinsen aus den in den Beiträgen zu den Lebensversicherungen enthaltenen Sparanteilen im Zeitpunkt ihrer Verrechnung oder Auszahlung fest. Zur Begründung führte der Beklagte aus, der Erwerb von Aktienfonds sei grundsätzlich schädlich, da die in diesem Zusammenhang entstehenden Aufwendungen keine begünstigten Werbungskosten darstellten. Mit dem Erwerb eines Anteils an einem Aktienfonds werde zwar ein Anteil am Sondervermögen der Kapitalanlagegesellschaft erworben. Da jedoch das zulässige Vermögen eines Aktienfonds neben Aktien und GmbH-Anteilen auch Kapitalforderungen umfassen dürfe, sei der Anteilserwerb unter Einsatz einer Lebensversicherung insgesamt steuerschädlich. Mit der nach erfolglosem Einspruchsverfahren (Einspruchsentscheidung vom 15. Februar 2002) eingelegten Klage macht der Kläger geltend, auch Fondsanteile gehörten zu den privilegierten Wirtschaftsgütern i.S. § 10 Abs. 2 S. 2 Buchst. a EStG, weil es sich ebenso wie bei Aktien um Unternehmensbeteiligungen i.S. § 6 KAGG handle. Daran ändere sich nichts dadurch, dass ein Aktienfonds auch Kapitalforderungen umfassen könne. Schließlich sei auch im Falle der direkten Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft eine Beteiligung an bestehenden Kapitalforderungen der Gesellschaft gegeben.

Der Kläger beantragt, den Feststellungsbescheid vom 31. Mai 2001 über die steuerschädliche Verwendung der Lebensversicherungsansprüche und die Einspruchsentscheidung vom 15. Februar 2002 aufzuheben, hilfsweise den Anteil aus dem Aktienfonds herauszurechnen, der auf den Erwerb begünstigter Wirtschaftsgüter entfällt.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist unbegründet. Anteile an offenen Aktienfonds gehören nicht zu den privilegierten Wirtschaftsgütern i.S. § 10 Abs. 2 S. 2 Buchst. a EStG, weil das zulässige Vermögen eines Aktienfonds neben Aktien und GmbH-Anteilen auch Kapitalforderungen umfassen darf.

1.
Zu den Einkünften aus Kapitalvermögen gehören nach § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG auch außerrechnungsmäßige und rechnungsmäßige Zinsen aus den Sparanteilen, die in den Beiträgen zu Versicherungen auf den Erlebens- oder Todesfall enthalten sind. Dies gilt nach S. 2 der Vorschrift zwar nicht für Zinsen aus Versicherungen im Sinne des § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe b, die mit Beiträgen verrechnet oder im Versicherungsfall oder im Fall des Rückkaufs des Vertrags nach Ablauf von zwölf Jahren seit dem Vertragsabschluss ausgezahlt werden. Dieser Satz 2 gilt in den Fällen des § 10 Abs. 2 Satz 2 jedoch nur, wenn die Voraussetzungen für den Sonderausgabenabzug nach § 10 Abs. 2 Satz 2 Buchstabe a oder b erfüllt sind oder soweit bei Versicherungsverträgen Zinsen in Veranlagungszeiträumen gutgeschrieben werden, in denen Beiträge nach § 10 Abs. 2 Satz 2 Buchstabe c abgezogen werden können.

2.
Im Streitfall lagen die Voraussetzungen für den Abzug als Sonderausgaben nach § Abs. 2 S. 2 EStG nicht vor, so dass der Beklagte - wie im angefochtenen Bescheid geschehen - die Steuerpflicht der außerrechnungsmäßigen und rechnungsmäßigen Zinsen gesondert festzustellen hatte.

a)
Nach § 10 Abs. 2 EStG sind Beiträge zu einer Kapitallebensversicherung unter den Voraussetzungen des S. 1 absetzbar, wenn kein Fall des S. 2 vorliegt. Im Streitfall war die Darlehensaufnahme zwar nicht betrieblich veranlasst (§ 10 Abs. 2 Satz 2 Buchst. c EStG) und es handelt sich bei der Lebensversicherung des Klägers auch nicht um eine Direktversicherung (§ 10 Abs. 2 Satz 2 Buchst. b EStG); die Abziehbarkeit der Beiträge scheitert jedoch an § 10 Abs. 2 Satz 2 Buchst. a EStG. Nach dieser Vorschrift sind die Beiträge nicht absetzbar, wenn die Ansprüche aus Versicherungsverträgen während deren Dauer im Erlebensfall der Tilgung oder Sicherung eines Darlehens dienen, dessen Finanzierungskosten Betriebsausgaben oder Werbungskosten sind, es sei denn, das Darlehen dient unmittelbar und ausschließlich der Finanzierung von Anschaffungs- oder Herstellungskosten eines Wirtschaftsgutes, das dauernd zur Erzielung von Einkünften bestimmt und keine Forderung ist (begünstigtes Wirtschaftsgut), und die ganz oder zum Teil zur Tilgung oder Sicherung verwendeten Ansprüche aus Versicherungsverträgen nicht die mit dem Darlehen finanzierten Anschaffungs- oder Herstellungskosten übersteigen.

b)
Im Streitfall sind die Finanzierungskosten des Klägers für die Darlehen zum Erwerb der Aktienfonds als Werbungskosten bei seinen Einkünften aus Kapitalvermögen gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG abziehbar. Damit ist der Kläger vom Sonderausgabenabzug gemäß § 10 Abs. 2 Satz 2 EStG ausgeschlossen, weil keine Unterausnahme des Ausnahmetatbestands eingreift. Zwar dienten die Ansprüche aus den Lebensversicherungen ausschließlich der Finanzierung der Anschaffungskosten von Aktienfonds, also einem Wirtschaftsgut, das dauernd zur Erzielung von Einkünften bestimmt war. Aktienfonds sind jedoch wie Forderungen von den begünstigten Wirtschaftsgütern ausgeschlossen, da zum Vermögen eines Aktienfonds ohne weiteres auch Kapitalforderungen gehören können, die nach der gesetzlichen Regelung ausdrücklich nicht begünstigt sind.

aa)
Die Unterausnahme für begünstigte Wirtschaftsgüter ist eng auszulegen, da ausdrücklich beabsichtigt war, den Zweck der Lebensversicherung auf die Förderung der Versorgung zurückzuführen, weil der Einsatz von Lebensversicherungen zu Finanzierungszwecken unter Mitnahme der steuerlichen Vorteile, die im Hinblick auf den Versorgungscharakter eingeräumt worden waren, ausgeufert war. So wollte die Bundesregierung bestimmten steuersparenden Finanzierungsmodellen (vgl. dazu im Einzelnen BT-Drucks 12/1108, S. 55 ff.) den Boden entziehen. Ihr ursprünglicher Gesetzentwurf des StÄndG 1992 sah deshalb vor, den Sonderausgabenabzug für die Beiträge zu Versicherungen i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG entfallen zu lassen, bei denen der Anspruch auf die Versicherungssumme der Tilgung oder Sicherung eines Kredits dient, dessen Finanzierungskosten Betriebsausgaben oder Werbungskosten sind (vgl. BT-Drucks 12/1108, S. 6). Der Finanzausschuss des Deutschen Bundestags hielt die Regelung, dass jegliche Sicherung oder Tilgung von Krediten durch Lebensversicherungen steuerschädlich sein sollte, deren Finanzierungskosten bei der Erzielung steuerpflichtiger Einkünfte abzugsfähig seien, aus "wirtschaftspolitischen, wohnungsbaupolitischen und mittelstandspolitischen Gründen" für zu restriktiv und nicht vertretbar; er schlug eine Lösung vor, bei der neben der bisher schon möglichen steuerunschädlichen Verwendung von Lebensversicherungen bei der Finanzierung selbstgenutzten Wohneigentums drei weitere Fälle des steuerunschädlichen Einsatzes von Lebensversicherungen zu Finanzierungszwecken zugelassen wurden (BT-Drucks 12/1506, S. 56). Dieser Vorschlag, den die Fraktion der SPD für in der Praxis kaum handhabbar gehalten und dem sie deshalb durch Stimmenthaltung nicht zugestimmt hat, ist durch das StÄndG 1992 in das EStG übernommen worden.

bb)
Der Gesetzgeber hat Forderungen (anders als unmittelbare Beteiligungen an Kapital- oder Personengesellschaften) auch bei langfristiger Einkunftserzielungsabsicht nachträglich ausdrücklich als steuerschädlich von den begünstigten Wirtschaftsgütern ausgenommen (Schmidt/Heinicke, EStG, § 10 Rz 189). Deshalb handelt es sich bei den Anteilen an Aktienfonds im Streitfall (anders als bei Aktien oder GmbH-Anteilen) ebenfalls nicht um begünstigte Wirtschaftsgüter. Mit dem Erwerb eines Anteils an einem offenen Aktien- oder Immobilienfonds wird zwar ein Anteil am Sondervermögen einer Kapitalanlagegesellschaft erworben ( § 6 KAGG). Da jedoch das zulässige Vermögen eines offenen Aktienfonds nach § 8 KAGG neben Aktien und GmbH-Anteilen ohne weiteres auch Kapitalforderungen umfassen darf, die nach der gesetzlichen Regelung ausdrücklich nicht begünstigt sind, ist der Anteilserwerb unter Einsatz einer Lebensversicherung insgesamt steuerschädlich (vgl. BMF-Schreiben vom 15. Juni 2000 IV C 4 - S 2221 - 86/00, BStBl I 2000, 1118, Rdnr. 12 und 13). Dies ist nicht mit dem Erwerb von Aktien bzw. GmbH-Anteilen vergleichbar, da insoweit keine Beteiligung am Vermögen der Kapitalgesellschaft besteht; das Vermögen ist der Kapitalgesellschaft vielmehr selbst unmittelbar zuzurechnen.

3.
Auch der Hilfsantrag ist unbegründet. Wird ein mittels Kapitallebensversicherung abgesichertes Darlehen nur teilweise steuerschädlich verwendet, sind die Zinsen aus der Lebensversicherung insgesamt und nicht nur anteilig steuerpflichtig (eingehend BFH-Urteile vom 13. Juli 2004 VIII R 52/03, BFH/NV 2005, 181, VIII R 61/03, BFH/NV 2005, 184; vgl. ferner BMF-Schreiben vom 15. Juni 2000 IV C 4 - S 2221 - 86/00, BStBl I 2000, 1118, Rdnr. 10 und 58). Der Gesetzeswortlaut des § 10 Abs. 2 Satz 2 EStG legt eine Aufteilung des Gesamtdarlehens zwar weder nahe noch schließt er sie zwingend aus. Für ein Darlehen, dessen Finanzierungskosten Betriebsausgaben oder Werbungskosten sind, ist allerdings die gesetzliche Wertung des § 10 Abs. 2 Satz 2 Buchst. a EStG zu berücksichtigen, dass es unmittelbar und "ausschließlich" der Finanzierung von Anschaffungs- oder Herstellungskosten eines nach dieser Vorschrift begünstigten Wirtschaftsguts dienen muss. Dient das Darlehen anteilig auch einem steuerschädlichen Zweck, soll die Begünstigung insgesamt entfallen. Das Erfordernis, dass das Darlehen "ausschließlich" dem begünstigten Zweck dienen muss, lässt sich damit erklären, dass die Gesetzesanwendung nicht übermäßig kompliziert werden sollte, zumal die Fraktion der SPD insoweit Bedenken geäußert und sich deshalb auch der Stimme enthalten hatte (vgl. BTDrucks 12/1506, S. 157). Diese Wertung, eine unnötige Verkomplizierung bei der Handhabung der Vorschrift zu vermeiden gebietet den vollständigen Ausschluss von Sonderausgabenabzug auch dann, wenn das abgesicherte Darlehen nur teilweise der Finanzierung der Anschaffung von Forderungen dient, die ausdrücklich keine begünstigten Wirtschaftsgüter sind. Dies ist beim Erwerb von Aktienfonds der Fall, weil deren Vermögen auch Kapitalforderungen umfassen darf und diese in aller Regel auch umfasst. Auch eine weitere Differenzierung danach, ob - und wenn ja - zu welcher Zeit das Vermögen der Kapitalanlagegesellschaft gerade keine Forderungen umfasste, hält das Gericht in der Praxis für nicht durchführbar.

4.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

5.
Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung der Frage zuzulassen, ob Anteile an offenen Aktienfonds, deren Vermögen auch Forderungen umfassen darf, zu den nach § 10 Abs. 2 Satz 2 Buchst. a EStG begünstigten Wirtschaftsgütern gehören.

RechtsgebietEStGVorschriften§ 10 Abs. 2 S. 2 Buchst. a. EStG

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