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05.07.2006 · IWW-Abrufnummer 061883

Finanzgericht Hamburg: Urteil vom 24.01.2006 – II 274/04

1. Die Tätigkeit des Präsidenten des Vorstandes eines Vereines kann umsatzsteuerpflichtig sein, auch wenn er Organ des Vereines ist.


2. Entscheidend ist, ob er auf eigene Rechnung und eigene Verantwortung tätig wird, ob er also Unternehmensinitiative hat und Unternehmensrisiko trägt.


3. Eine Tätigkeit wird dann nicht gem. § 4 Nr. 26b UStG ehrenamtlich ausgeübt, wenn es sich um eine hochwertige Tätigkeit handelt, die in einem Umfang wie eine Vollbeschäftigung ausgeübt wird und die Vergütung der Höhe nach abstrakt geeignet ist, den Lebensunterhalt einer Person vollständig zu begleichen.


4. § 176 AO ist nicht einschlägig, wenn die angefochtenen Bescheide geändert wurden, bevor die Rechtsprechungsänderung erfolgte.


FG Hamburg

Urteil vom 24.01.2006

II 274/04

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Tätigkeit des Klägers als Präsident des Vorstandes eines Vereins gegenüber dem Verein umsatzsteuerbar und umsatzsteuerpflichtig ist.

Der Kläger ist seit 1996 Präsident des Vorstandes des ... (V). Im Juni 2005 wurde der Kläger zum dritten Mal in seinem Amt bestätigt und für drei weitere Jahre zum Präsidenten gewählt. Die Möglichkeit der Wiederwahl ist durch die Satzung weder begrenzt noch beschränkt. Der V ist ein eingetragener Verein, welcher die Wahrnehmung und Förderung der allgemeinen beruflichen, wirtschaftlichen und sozialen Interessen des ... (B)-Gewerbes (§ 2 der Satzung) übernommen hat und in dem Streitjahr über 50.000 Betriebe (heute ca. 41.700) vertreten hat. Der Kläger war bis 1992 selbst Eigentümer einer großen B-Firma. Zusätzlich ist der Kläger für den Landesverband des B-Gewerbes Hamburg e.V. sowie für die B Treuhand GmbH und die Wirtschaftsgesellschaft des B-Gewerbes mbH tätig. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die schriftliche Zeugenaussage des Hauptgeschäftsführers des V verwiesen (FGA Bl. 94ff).

Gem. § 9 Nr. 1 der Satzung sind Organe des V die Mitgliederversammlung, der Vorstand, die Fachverbandsversammlungen und die Fachverbandsvorstände.

Gem. § 9 Nr. 3 in der im Streitjahr geltenden Fassung gilt: "Alle Personen, die zu Ämtern innerhalb des Verbandes gewählt werden, sind, soweit von einer Fachverbandversammlung nichts anderes bestimmt wird, ehrenamtlich tätig. Auslagen, die ihnen bei Ausübung ihres Amtes entstehen, werden auf Antrag durch den Verband vergütet; sie sind innerhalb von acht Wochen seit Entstehen abzurechnen."

Gem. § 15 der Satzung besteht der Vorstand aus einem oder zwei Präsidenten, sowie bis zu drei Vizepräsidenten, Ehrenpräsidenten/Ehrenvorsitzenden und ordentlichen Mitgliedern. Gem. § 15 Nr. 1 vertreten der bzw. die Präsidenten den Verband in allen gerichtlichen und außergerichtlichen Angelegenheiten (§ 26 BGB).

Der Kläger leitet den V-Vorstand, der einschließlich seiner Person und der beiden Vizepräsidenten 13 Mitglieder umfasst.

Gem. § 15 Nr. 5 obliegen dem Vorstand insbesondere folgende Aufgaben: "a) Leitung des Verbandes; b)Aufstellung der Tagesordnung für die Mitgliederversammlung; c) Ausführung der Beschlüsse der Mitgliederversammlung; d) zwischen zwei Mitgliederversammlungen erforderlich werdende Entscheidungen über die Verteilung von Zuständigkeiten auf die beiden Fachverbände; e) Aufnahme außerordentlicher Mitglieder"

Gem. § 19 Nr. 1 unterhält der Verband an seinem Sitz eine Geschäftsstelle, die von den beiden Hauptgeschäftsführern der Fachverbände gleichberechtigt geleitet wird. Einzelheiten über die Verteilung der Zuständigkeiten regelt eine Geschäftsordnung, die vom Vorstand zu genehmigen ist.

Gem. § 19 Nr. 2 obliegt den Hauptgeschäftsführern die Erledigung der laufenden Geschäfte nach näherer Anweisung des Vorstandes bzw. der jeweiligen Fachverbandsvorstände. Für diese Aufgaben gelten die Hauptgeschäftsführer gemeinschaftlich bzw. allein handelnd als besondere Vertreter im Sinne des § 30 BGB.

Gem. § 19 Nr. 4 sind die Hauptgeschäftsführer dem Vorstand bzw. dem betreffenden Fachverbandsvorstand verantwortlich.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die im Streitjahr geltenden Fassung der Satzung des V verwiesen (siehe BPA Bl. 37ff).

Es gibt eine Reihe von turnusmäßigen feststehenden Verbandsveranstaltungen, an denen der Kläger kraft Amtes teilnimmt und die er überwiegend selbst leitet. Hierzu gehören z.B. die jährliche Mitgliederversammlung oder die jährliche Bundestagung des B-Gewerbes. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die schriftliche Zeugenaussage des Hauptgeschäftsführers des V verwiesen (FGA Bl. 94ff). Zusätzlich nimmt der Kläger zum einen auf Einladung an zahlreichen Empfängen, Mitgliederversammlungen, Branchentreffen sowie Diskussionsveranstaltungen teil, bei denen er in der Regel selbst referiert oder zumindest ein Grußwort spricht. Zum anderen vereinbart der Kläger frei und selbständig Termine mit Repräsentanten aus der B-Wirtschaft, Vertretern kooperierender Branchen sowie Politikern. Solche Gespräche vereinbart der Kläger ad hoc aus konkretem Anlass, aber auch generell zur Klimapflege. Nicht turnusmäßig stattfindende Termine werden über die Geschäftsstelle in A abgestimmt und vom Hauptgeschäftsführer des V wird empfohlen, ob eine Teilnahme geboten erscheint. Die letzte Entscheidung trifft der Kläger. Die Termine, die der Kläger selbst vereinbart, gibt er der Geschäftsstelle zur Kenntnis, eine Abstimmung erfolgt in der Regel nicht.

Es gibt für den Kläger keine Präsenzpflicht. Der Umfang der Tätigkeit des Klägers wird vom V weder zeitlich erfasst noch überwacht. Der Kläger ist teilweise mehrere Tage hintereinander in A, teilweise aber auch mehrere Wochen nicht. Der Kläger hatte im Streitjahr ein Büro in A. Daneben hat der Kläger ein eigenes, von ihm selbst eingerichtetes Büro an seinem Wohnort in Hamburg. Von dort aus kommuniziert er mit der V-Geschäftsstelle und stimmt sich organisatorisch mit seiner Sekretärin ab. Der zeitliche Umfang seiner Tätigkeit unterliegt erheblichen Schwankungen.

Es gibt keine Vereinbarungen mit dem Kläger über etwaige Urlaubsansprüche. Tatsächlich befindet sich der Kläger ca. 6 Wochen im Jahr im Urlaub. Er muss seinen Urlaub nicht absprechen, sondern teilt den Urlaub lediglich seiner Sekretärin mit. Während der Urlaubszeit ist der Kläger telefonisch oder per Mail erreichbar. Der Kläger erhält seine Aufwandsentschädigung unabhängig davon, ob er krank oder im Urlaub ist.

Für den Kläger werden weder Lohnsteuern noch Sozialabgaben abgeführt, da er nach Ansicht des V nicht abhängig beschäftigt ist.

Der Kläger arbeitet nach eigenen Angaben mindestens 40 Stunden in der Woche. Der Kläger war nach seinen Angaben im Durchschnitt ca. 2.000 Stunden im Jahr tätig. Bezüglich der einzelnen Tätigkeiten wird auf die Berichte des Klägers anlässlich der V-Vorstandssitzungen verwiesen (siehe BP-Arbeitsakte Bl. 103ff). Der Kläger nimmt für den V an diversen Beirats- und Aufsichtsratssitzungen teil. Der Kläger ist verpflichtet zur Rechenschaftslegung und zur Beachtung der Verbandssatzung.

Die Sekretärin des Klägers wurde nach vorangegangenem Gespräch mit dem Kläger vom V eingestellt. 50 % des Gehalts der Sekretärin werden monatlich mit der Aufwandsentschädigung des Klägers verrechnet (vom 01.01.1999 bis zum 30.06.1999 waren dies 2.697,75 DM und seit dem 01.07.1999 2.960,00 DM). Die Sekretärin stellt ca. 50 % ihrer Arbeitsleistung in den Dienst des Klägers. Im Übrigen nimmt sie Sekretariats- und Organisationsaufgaben im Rahmen der Hauptgeschäftsführung des V wahr.

Gemäß der am 25.06.1996 bzw. 01.07.1996 unterzeichneten Vereinbarung zwischen dem Kläger und dem V, welche der Vorstand genehmigt hat, wurde die Erstattung der Kosten und Aufwendungen folgendermaßen geregelt:

Die Aufwandsentschädigung betrug bis zum 31.12.1997 monatlich 8.000 DM und ab dem 01.01.1998 monatlich 9.000 DM. Ab Juli 1999 wurde die Aufwandsentschädigung neu vereinbart auf 15.000 DM monatlich.

Gem. Nr. 2 der Vereinbarung werden die Reise-/Telefonkosten in folgender Weise geregelt: "Der V erstattet Herrn ... (D) sämtliche Reisekosten in Höhe der steuerlich anerkannten Beträge mit folgenden Abweichungen: - Tagespauschale in Höhe von 200 DM je angebrochenen Tag seiner Tätigkeit für den V ohne Rücksicht auf die Stundenzahl - Flugkosten der Business-Klasse - 80 % der Telefonkosten - soweit Herr ... (D) nach seiner im pflichtgemäßen Ermessen getroffenen Entscheidung im Einzelfall seine Ehefrau zu Veranstaltungen in Zusammenhang mit seiner Tätigkeit für den V mitnimmt, werden ihm die dadurch entstehenden Reisekosten in steuerlich anerkannter Höhe ersetzt."

Gem. Nr. 3 Autokosten ist Folgendes geregelt: "Für notwendige Fahrten mit dem Pkw wird Herr ... (D) sein privates Fahrzeug nutzen. Hierfür erstattet der V 40.000 DM jährlich ohne Nachweis. Sollte die dienstliche Nutzung 20.000 km im Jahr übersteigen, werden für jeden darüber hinausgehenden Kilometer 2,- DM erstattet."

Die Aufwandsentschädigung und die Erstattung für die Kfz-Kosten erhielt der Kläger monatlich auf sein Konto überwiesen. Reisekosten einschließlich der Tagespauschale und der Reisekosten für die Ehefrau sollte der Kläger konkret mit dem V abrechnen.

Den privaten Pkw fuhr der Kläger nach seinen Angaben für dienstliche Zwecke in 1997 = 9.295 km, in 1998 = 9.064 km und in 1999 = 16.000 km.

Für Flugkosten und Tagespauschale (fast täglich) rechnete er mit dem V an Reisekosten ab: 1997: 135.497,33 DM, 1998: 142.757,67 DM und 1999: 147.078,16. Die Flugkosten von Hamburg nach A und zurück (fast täglich) beliefen sich 1999 auf 12.256 DM monatlich.

Wegen der von der Betriebsprüfung insgesamt ermittelten Einnahmen wird auf den BP-Bericht Tz. 13 vom 12.07.2002 verwiesen. Die geltend gemachten Aufwendungen betrugen im Jahr 1997 78.000 DM, im Jahr 1998 62.000 DM, in 1999 83.000 DM und in 2000 75.000.

In der am 29.03.2001 abgegebenen Umsatzsteuererklärung 1999 erklärte der Kläger Umsätze zum allgemeinen Steuersatz in Höhe von 37.086 DM, welche durch die Tätigkeit beim Landesverband des B-Gewerbes Hamburg e.V. sowie für die B Treuhand GmbH und die Wirtschaftsgesellschaft des B-Gewerbes mbH entstanden waren. Bezüglich seiner erklärten Einnahmen wird auf die Gewinnermittlung des Klägers (BPA Bl. 66) verwiesen.

Auf Grund der Prüfungsanordnung vom 12.06.2001 wurde in der Zeit vom 18.07.2001 bis 10.07.2002 eine Betriebsprüfung durchgeführt. Prüfungsschwerpunkt war die Frage, ob die Umsätze des Klägers für den V umsatzsteuerfrei im Sinne des § 4 Nr. 26 UStG sind. Die BP gelangte dabei zu dem Ergebnis, dass die Tätigkeit des Klägers beim V hauptberuflich ausgeübt werde und aus den erzielten Gewinnen sich der Lebensunterhalt dauerhaft bestreiten lasse. Die Steigerung der Aufwandsentschädigung stelle ein Leistungselement dar. Für 1999 ging der Betriebsprüfer von einer umsatzsteuerlichen Bemessungsgrundlage von 203.328,51 DM aus. Von der Umsatzsteuer in Höhe von 32.532,56 DM wurde abzugsfähige Vorsteuer in Höhe von 6.982,00 DM abgezogen, so dass eine verbleibende Umsatzsteuer in Höhe von 25.550,56 DM errechnet wurde. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den BP-Bericht vom 12.07.2002 verwiesen.

Die am 29.03.2001 eingegangene Umsatzsteuererklärung, welche gem. § 167 AO keiner besonderen Festsetzung bedurfte und die gem. § 168 AO einer Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleichstand, wurde durch den Umsatzsteuerbescheid 1999 vom 22.10.2002 gem. § 164 Abs. 2 AO geändert. Der Vorbehalt der Nachprüfung wurde aufgehoben.

Hiergegen richtete sich der Einspruch des Klägers. Er sei kein Unternehmer, denn er sei im Rahmen des V-Vorstandes tätig geworden. Seine Tätigkeit sei nach § 4 Nr. 26 UStG steuerfrei, da sein Entgelt lediglich in Auslagenersatz und einer angemessenen Entschädigung für Zeitversäumnis bestehe. Es liege in der Art. seines Amtes begründet, dass er in freier Entscheidung sein Amt ausgestalte ohne ausdrückliche Veranlassung des V. Entscheidend sei nicht die absolute Höhe seiner Einnahmen sondern ausschließlich ob er seine Tätigkeit final auf Sicherstellung seines Lebensunterhaltes ausrichte. Auch sei die relative Höhe der Einnahmen relevant. In diesem Zusammenhang müsse einbezogen werden, dass der Kläger am Markt viel mehr hätte verdienen können. Dies sei insbesondere daran zu erkennen, dass er mit den höchsten Vertretern aus Regierung, Wirtschaft und Gewerkschaften zu tun habe. Der ihm unterstellte V-Geschäftsführer erhalte zudem eine höhere Gesamtvergütung von ca. 250.000 DM. Er habe es auf Grund seines Vermögens und der daraus resultierenden Kapitalerträge nicht nötig für das erhaltene Geld vom V zu arbeiten. Auch könne nicht der Umfang des zeitlichen Engagements ausschlaggebend sein. Es müsse bei einer Angemessenheitsprüfung auch einbezogen werden, dass er hohe Aufwendungen z.B. für Bekleidung oder sein Hamburger Büro habe, welche nicht steuerlich abzugsfähig seien.

Durch Einspruchsentscheidung vom 23.08.2004 wurde der Einspruch als unbegründet zurückgewiesen. Eine ehrenamtliche Tätigkeit liege nicht vor, denn dafür sei Voraussetzung, dass keine Hauptberuflichkeit gegeben sei und die Tätigkeit weitgehend unentgeltlich ausgeübt werde. Nach allgemeiner Auffassung müsse das Ehrenamt außerhalb des Hauptberufes ausgeübt werden. Entscheidend sei, ob jemand von der Bezahlung leben könnte und nicht ob der konkrete Steuerpflichtige hiervon leben kann. Insofern könne den persönlichen Vermögensverhältnissen keine Bedeutung zukommen. Entscheidend im Rahmen der Angemessenheit sei die Erhöhung der Aufwandsentschädigung von 9.000 DM auf 15.000 DM in 1999. Auch handele es sich bei dem vereinbarten Auslagenersatz um keinen reinen Auslagenersatz.

Hiergegen richtet sich die Klage vom 14.09.2004.

Nachdem der Kläger zunächst die Ansicht vertrat, seine Tätigkeit sei mangels Selbständigkeit auch nach der neuen Rechtsprechung des BFH keine unternehmerische Tätigkeit und damit nicht steuerbar, vertritt der Kläger nunmehr die Ansicht, seine Tätigkeit für den V sei zwar nach der neuen Rechtsprechung als selbständig zu qualifizieren. Diese neue Rechtsprechung könne aber nicht auf ihn angewandt werden, denn dem stehe § 176 AO entgegen. Zudem ergebe sich auch aus der neuen Rechtsprechung nicht zwangsläufig die Steuerbarkeit seiner Tätigkeit.

Nach der bisher geltenden Rechtsprechung sei seine Tätigkeit für den V nicht als selbständig zu qualifizieren, denn entscheidend sei, dass er als Organ des V tätig werde. Er übe nur solche Tätigkeiten aus, die ihm durch die Satzung des V auferlegt worden seien. Die Tätigkeit der Mitglieder der Vorstände juristischer Personen würden von der bisherigen Rechtsprechung als unselbständig qualifiziert werden. Entscheidend sei, dass gem. § 26 Abs. 2 BGB nur der Vorstand, nicht jedoch ein von diesem bestellter Geschäftsführer Organverwalter ist. Die Stellung des Klägers sei mit der eines Vorstandsmitgliedes einer kassenärztlichen Vereinigung vergleichbar. Diese sei nach den UStRl nicht umsatzsteuerbar. Der Kläger berufe sich gegenüber dem Beklagten ausdrücklich auf das BMF-Schreiben vom 23.12.2003, wonach die Entscheidung vom 06.06.2000 erst ab dem II. Quartal 2004 anzuwenden sei. Der Präsident des Vorstands eines Vereines sei anders zu beurteilen als z.B. Aufsichtsräte bei Kapitalgesellschaften, denn diese seien gerade keine organschaftlichen Vertreter, sondern hätten nur Überwachungs- und Kontrollfunktionen.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Schriftsätze des Klägers vom 13.09.2004, 21.06.2005, 28.07.2005, 07.09.2005, 14.11.2005, 02.12.2005 und 23.12.2005 verwiesen.

Der Kläger beantragt, den geänderten Umsatzsteuerbescheid 1999 vom 22.10.2002 und die dazu ergangene Einspruchsentscheidung vom 23.08.2004 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Zur Begründung verweist er auf die Einspruchsentscheidung vom 23.08.2004. Er ist außerdem der Ansicht, der Kläger sei "nur" Repräsentant des Vereins, da neben ihm noch ein größerer Vorstand existiere. Das für seine Lobbyarbeit erhaltene Honorar sei umsatzsteuerbar und umsatzsteuerpflichtig.

Die Einkommensteuerakten Bd. IX, die Rechtsbehelfsakten Bd. I und II, die Betriebsprüfungsakten Bd. I, die BP-Arbeitsakten Bd. I bis IV und die Umsatzsteuerakten Bd. II zu der Steuernummer ... haben vorgelegen. Auf die Sitzungsprotokolle des Erörterungstermins vom 05.07.2005 und der mündlichen Verhandlung vom 24.01.2005 und die schriftliche Zeugenaussage des Hauptgeschäftsführers des V vom 05.01.2006 wird verwiesen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Der angefochtene Umsatzsteuerbescheid 1999 vom 22.10.2002 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 23.04.2004 ist rechtmäßig. Der Beklagte hat zu Recht die Leistungen des Klägers als Präsident des V als umsatzsteuerpflichtig behandelt.

Die Leistungen des Klägers als Präsident des V gegenüber dem V sind umsatzsteuerbar. Insbesondere ist der Kläger gegenüber dem V selbständig tätig.

Gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG unterliegen der Umsatzsteuer die Lieferungen und sonstigen Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt. Gem. § 2 UStG ist Unternehmer wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig ausübt. Gewerblich oder beruflich ist jede nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen. Eine selbständige Tätigkeit liegt vor, wenn sie auf eigene Rechnung und auf eigene Verantwortung ausgeübt wird.

a) Eine selbständige Tätigkeit liegt vor, wenn sie auf eigene Rechnung und eigene Verantwortung ausgeübt wird. Eine berufliche Tätigkeit wird nach der negativen Abgrenzung in § 2 Abs. 2 Nr. 1 UStG nicht selbständig ausgeübt, soweit natürliche Personen, einzeln oder zusammengeschlossen, einem Unternehmen so eingegliedert sind, dass sie den Weisungen des Unternehmers zu folgen verpflichtet sind. (z.B. BFH vom 10.03.2005, V R 29/03, DStR 2005, 919; vom 09.10.1996, XI R 47/96, BFHE 182, 384, BStBl II 1997, 255). Dabei ist nach ständiger Rechtsprechung des BFH das Gesamtbild der Verhältnisse maßgebend (BFH-Urteile vom 30. Mai 1996, V R 2/95 - Opernsängerin -, BFHE 180, 213, BStBl II 1996, 493; vom 9. Oktober 2002, V R 73/01 - Rundfunkermittler -, BFH/NV 2003, 132, jeweils m.w.N.). Die für und gegen die Selbständigkeit sprechenden Merkmale, die im Einzelfall unterschiedlich gewichtet werden können, sind gegeneinander abzuwägen (vgl. BFH-Urteile vom 29. Juni 2000, V R 28/99, BFHE 191, 468, BStBl II 2000, 597; in BFHE 180, 213, BStBl II 1996, 493). Gewicht hat u.a. das Merkmal des Unternehmerrisikos in der Form des Vergütungsrisikos (z.B. BFH-Urteile vom 2. Dezember 1998, X R 83/96, BFHE 188, 101, BStBl II 1999, 534; in BFH/NV 2003, 132; vom 17. Oktober 1996, V R 63/94 - Fahrlehrer -, BFHE 181, 240, BStBl II 1997, 188). Wird eine Vergütung für Ausfallzeiten nicht gezahlt, spricht dies für Selbständigkeit (BFH-Urteil in BFHE 188, 101, BStBl II 1999, 534; vom 3. August 1978, VI R 212/75, BFHE 126, 271, BStBl II 1979, 131, m.w.N.). Hingegen ist der Steuerpflichtige nichtselbständig tätig, wenn er von einem Vermögensrisiko der Erwerbstätigkeit grundsätzlich freigestellt ist (z.B. BFH-Urteil in BFHE 188, 101, BStBl II 1999, 534, m.w.N.). Indiz, nicht in erster Linie ausschlaggebend kann nach ständiger Rechtsprechung die sozial- und arbeitsrechtliche Einordnung der Tätigkeit als selbständig oder unselbständig sein (z.B. BFH-Urteile vom 20. April 1988, X R 40/81, BFHE 153, 437, BStBl II 1988, 804; in BFHE 188, 101, BStBl II 1999, 534, m.w.N.; BFH-Beschluss vom 29. Juli 2003, V B 22/03, V S 3/03 - PKH -, BFH/NV 2003, 1615). Die Frage der Selbständigkeit natürlicher Personen ist zwar grundsätzlich für die Umsatzsteuer, die Einkommensteuer und die Gewerbesteuer nach denselben Grundsätzen zu beurteilen. Eine Bindung an die ertragsteuerrechtliche Beurteilung besteht für das Umsatzsteuerrecht jedoch nicht (BFH vom 10.03.2005, V R 29/03, DStR 2005, 919).

Für die Abgrenzung, die im Einzelnen je nach dem Grad der Selbständigkeit oder Unselbständigkeit fließend ist, sind insbesondere folgende Merkmale von Bedeutung (siehe z.B. BFH vom 14.06.1985, VI R 150-152/82, BFHE 144, 225, BStBl II 1985, 661; Hessisches FG vom 15.10.2002, 6 K 4434/98, zitiert nach juris):

- Weisungsgebundenheit hinsichtlich Ort, Zeit und Inhalt der Tätigkeit, - Notwendigkeit der engen ständigen Zusammenarbeit mit anderen Mitarbeitern,
- Eingliederung in den Betrieb,
- feste Arbeitszeiten,
- ist nach der Verkehrsauffassung von einer einfacheren oder höherwertigen Tätigkeit auszugehen?
- erfolgt eine eigenständige Bestimmung der Organisation und der Arbeitsabläufe?
- Abhängigkeit der Dienstbezüge von Dauer der Tätigkeit oder vom Leistungserfolg,
- Urlaubsanspruch
- Anspruch auf sonstige Sozialleistungen
- Fortzahlung der Bezüge im Krankheitsfall
- Überstundenvergütung
- entfällt Entgelt bei Schlechterfüllung
- eigener Kapitaleinsatz

Auf den Streitfall angewandt, folgt daraus, dass der Kläger selbständig tätig ist, denn er entfaltet Unternehmensinitiative und trägt Unternehmensrisiko.

Der Kläger entfaltet ein hohes Maß an Unternehmensinitiative.

Das zeigt sich bereits daran, dass es keinen ausdrücklichen Vertrag gibt, der die Tätigkeit des Klägers konkret festlegt. Lediglich die Frage der Erstattung von Kosten und Aufwendungen zwischen dem Kläger und dem V ist schriftlich geregelt worden. Nach der unstreitigen Zeugenaussage des Hauptgeschäftsführers sind weder Zeit, noch Umfang oder Ort der Tätigkeit des Klägers geregelt, so dass es ausschließlich im eigenem Ermessen des Klägers steht, wie, wann und wo er tätig werden will. Es besteht keine Präsenzpflicht für den Kläger, er ist insbesondere nicht verpflichtet, zu bestimmten Terminen in A zu erscheinen, so dass er teilweise auch mehrere Wochen nicht in A anwesend war. Einen großen Teil seiner Termine organisiert er selbständig und teilt diese lediglich in A mit. Es besteht auch keine Vereinbarung über eine zeitliche Mindestarbeitsverpflichtung. Es existieren entgegen dem zunächst vom Kläger vorgetragenen Sachverhalt keine Regelungen über Urlaubsansprüche des Klägers. Der Kläger muss seinen Urlaub auch nicht abstimmen oder sich genehmigen lassen. Der Kläger schuldet auch keinen bestimmten Erfolg. Der Kläger ist lediglich verpflichtet zur Rechenschaftslegung und zur Beachtung der Verbandssatzung. Weitere konkrete Vereinbarungen, an welche Vorschriften der Kläger gebunden ist, bestehen nicht. Insbesondere arbeitet der Kläger inhaltlich nicht weisungsgebunden. Die Tätigkeit des Klägers ist als hochwertig anzusehen, bei der er weitestgehend eigenständig die Arbeitsabläufe und Organisation bestimmt. Es besteht keine Notwendigkeit der engen Zusammenarbeit mit anderen Mitarbeitern. Der Kläger ist auch nicht in den Betrieb des V eingegliedert. Der Kläger erhält keine sonstigen Sozialbezüge und es wird auch keine Lohnsteuer abgeführt, so dass er arbeitsrechtlich und sozialversicherungsrechtlich ebenfalls nicht als nichtselbständig qualifiziert werden kann.

Der Kläger trägt auch in ausreichendem Umfang Unternehmensrisiko. Bei einem hohen Maß an Unternehmensinitiative sind keine hohen Anforderungen an das Unternehmensrisiko zu stellen (siehe z.B. FG Hamburg vom 15.04.1970, I 234-236/67, EFG 1970, 632 zu der Nebentätigkeit eines Landwirts als ehrenamtlicher Präsident eines Bauernverbandes).

Zwar erhält der Kläger seine Aufwandsentschädigung und auch die Tagespauschalen unabhängig von einem etwaigen Erfolg. Das führt jedoch nicht zum Ausschluss eines Unternehmensrisikos, denn es können nicht nur Personen, die einen Erfolg schulden (Werkvertrag) Unternehmer sein, sondern solche, die eine Dienstleistung schulden und dementsprechend unabhängig von einem Erfolg einen Vergütungsanspruch haben.

Zwar erhält der Kläger, der im Jahr ca. 6 Wochen Urlaub nimmt, seine Aufwandsentschädigung in Urlaubszeiten ungekürzt weiterbezahlt. Das gilt auch für den Fall einer Krankheit. Die Fortzahlung der Aufwandsentschädigung ist insoweit ein Indiz gegen ein Unternehmensrisiko, führt aber insgesamt nicht zu einer Aberkennung der Unternehmereigenschaft, da die Merkmale, welche für ein Unternehmensrisiko des Klägers sprechen, deutlich überwiegen.

Entscheidend ist, dass der Kläger eigenes Kapital einsetzt. Unternehmensrisiko trägt auch derjenige, der eigenes Kapital einsetzt. Das ist beim Kläger der Fall, denn er zahlt 50 % der Kosten für seine beim V angestellte Sekretärin. Auch trägt er die Kosten für sein Arbeitszimmer in Hamburg und Repräsentationsaufwendungen, ohne dass er hierfür eine Erstattung erhält. Die Höhe seiner Aufwendungen ist schwankend. So waren die erklärten Aufwendungen im Streitjahr um 21.000 DM höher als im Vorjahr. Auch ist anzunehmen, dass die Erhöhung der Aufwandsentschädigung von 9.000 DM auf 15.000 DM im Streitjahr vorgenommen wurde, weil der Kläger im größeren Umfang Tätigkeiten für den V entfaltete als zunächst angenommen worden ist. Zudem kann der Kläger auch die Höhe der insgesamt bezahlten Tagespauschalen beeinflussen, denn die Tagespauschalen werden ausschließlich danach gezahlt, ob der Kläger an einem Tag überhaupt für den V tätig geworden ist. Es liegt am Kläger zu entscheiden, an wie vielen Tagen er tätig werden will.

b) Es ist nicht entscheidend, ob die Tätigkeit des Klägers die Tätigkeit eines Organs ist. Zwar wurde nach der früheren Rechtsprechung im Wesentlichen die Tätigkeit eines Organs als nicht selbständig gewertet (siehe z.B. BFH vom 24.08.1994, XI R 74/93, BFHE 176, 75, BStBl II 1995, 150). Allerdings galt diese Rechtsprechung grundsätzlich nur für das Organ in seiner Gesamtheit und nicht für einzelne Mitglieder eines Organs (siehe z.B. BFH vom 18.05.1988, X R 57/81, BFH/NV 1989, 262). Auch beschränkte sich die Rechtsprechung dabei nur auf die Tätigkeiten, in denen der Steuerpflichtige auch als Organ tätig wurde. Lobbyismusarbeit ist keine Tätigkeit, die von einem Organ erbracht werden muss, insofern unterscheidet sich der Fall z.B. von der Entscheidung des BFH vom 04.11.1982 (V R 4/77, BFHE 137, 197, BStBl II 1983, 156). Die Rechtsprechung ist hauptsächlich zur Einordnung der Tätigkeit von Geschäftsführern ergangen, welche nicht vergleichbar ist mit der Tätigkeit des Präsidenten des Vorstands eines Vereins. Soweit erkennbar befasst sich keine Entscheidung mit der Tätigkeit des Vorstandes eines Vereins, so dass sich die Frage der Vergleichbarkeit der Tätigkeiten und der Übertragung der Rechtsprechung auch auf einen solchen Sachverhalt stellt. Diese Fragen müssen hier indes nicht entschieden werden, denn der BFH hat diese Rechtsprechung mit seinen Entscheidungen vom 10.03.2005 (V R 29/03, DStR 2005, 919) und vom 06.06.2002 (V R 43/01, BFHE 199, 49, BStBl II 2003, 36, HFR 2002, 923) aufgegeben. Allein der Umstand, dass mit der Führung der Geschäfte zugleich Mitgliedschaftsrechte ausgeübt werden oder - wie hier - eine Organstellung verbunden ist, schließt die Annahme eines steuerbaren Leistungsaustausches danach nicht aus (vgl. Senatsurteil in BFHE 199, 49, BStBl II 2003, 36; Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften - EuGH -, Beschluss vom 12. Juli 2001, Rs. C-102/00 - Welthgrove BV -, UR 2001, 533, Umsatzsteuer- und Verkehrssteuer-Recht - UVR - 2002, 21; EuGH-Urteil vom 27. September 2001, Rs. C-16/00 - Cibo Participations SA -, UR 2001, 500, zur wirtschaftlichen Tätigkeit i.S. des Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG bei Geschäftsführungsleistungen einer Holding-Gesellschaft).

Die Tätigkeit des Klägers gegenüber dem V ist nicht umsatzsteuerbefreit. Es liegen nicht die Voraussetzungen einer Umsatzsteuerbefreiungsvorschrift vor. Insbesondere sind nicht die Voraussetzungen des § 4 Nr. 26b UStG gegeben. Der Kläger ist nicht ehrenamtlich für den V tätig.

Gem. § 4 Nr. 26 UStG sind von den unter § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 fallenden Umsätzen steuerfrei die ehrenamtliche Tätigkeit, a) wenn sie für juristische Personen des öffentlichen Rechts ausgeübt wird oder b) wenn das Entgelt für diese Tätigkeit nur in Auslagenersatz und einer angemessenen Entschädigung für Zeitversäumnis besteht.

Der V ist keine Person des öffentlichen Rechts, so dass die Voraussetzungen des § 4 Nr. 26a UStG nicht vorliegen. Es liegen auch nicht die Voraussetzungen des § 4 Nr. 26b UStG vor, denn der Kläger wird nicht ehrenamtlich für den V tätig.

Das Gesetz selbst definiert den Begriff des Ehrenamts nicht. Deshalb bedarf es einer Bestimmung des materiellen Begriffsinhalts. Erforderlich ist der Rückgriff auf den Kern der Rechtsbegriffe "Ehrenamt" und "ehrenamtliche Tätigkeit", der sich geformt hat vor allem unter dem Blickwinkel der Beteiligung von Bürgern an dem öffentlichen Gemeinwesen, insbesondere im Bereich der kommunalen und sozialversicherungsrechtlichen Selbstverwaltung sowie in der Justiz (BFH vom 16.12.1987, X R 7/82, NFHE 152, 182, BStBl II 1988, 384). Unter ehrenamtlicher Tätigkeit ist danach die Mitwirkung bei der Erfüllung öffentlicher Aufgaben zu verstehen, die auf Grund behördlicher Bestellung außerhalb eines haupt- oder nebenamtlichen Dienstverhältnisses stattfindet und für die lediglich eine Entschädigung bezahlt wird. Zu den ehrenamtlichen Tätigkeiten i.S. des § 4 Nr. 26 Buchst. b UStG 1967 gehören alle diejenigen Tätigkeiten, die in einem (anderen) Gesetz ausdrücklich oder im allgemeinen Sprachgebrauch herkömmlicherweise als solche bezeichnet werden (BFH vom 27.07.1972, V R 33/72, BFHE 106, 479, BStBl II 1972, 844). Es gibt keine abschließende Definition des Begriffs "ehrenamtliche Tätigkeit". Für den nicht öffentlich-rechtlichen Bereich, der mit den Rechtsformen des Privatrechts gestaltet wird, gilt eine entsprechend modifizierte Begriffsbestimmung. Neben dem Fehlen eigennützigen Erwerbsstrebens, das bei Unentgeltlichkeit der Tätigkeit indiziert ist, und der fehlenden Hauptberuflichkeit ist hier besonderes Kennzeichen ehrenamtlicher Tätigkeit der Einsatz für eine fremdnützig bestimmte Einrichtung; diese Konstellation ist z.B. bei Tätigkeiten für Selbsthilfeeinrichtungen anzutreffen, wie etwa im genossenschaftlichen Bereich, oder auch im Verbandsbereich, nicht hingegen bei reinen Erwerbsgesellschaften (BFH vom 04.05.1994, XI R 86/92, BFHE 174, 573, BStBl II 1994, 773). Wann eine Entschädigung für Zeitversäumnis angemessen ist, kann nur im Einzelfall entschieden werden. Es wird nicht nur auf den Beruf des ehrenamtlich Tätigen, sondern auch auf Zeitdauer, Intensität und Niveau der ehrenamtlichen Tätigkeit ankommen. Ferner wird der Verdienstausfall eine besondere Rolle spielen, für dessen Höhe der Beruf einen Anhaltspunkt gibt. Eine volle Entschädigung für Verdienstausfall würde allerdings kaum in Einklang mit einem Ehrenamt stehen (Plückebaum § 4 UStG Rn. 12). Im Einzelfall ist festzustellen, ob die Entschädigung als angemessen für Zeitversäumnis angesehen werden kann. Der Gesetzgeber hat es offen gelassen, welche Entschädigung als angemessen zu betrachten ist. Es erklärt sich aus dem Wesen eines Ehrenamtes, dass sich eine angemessene Entschädigung nicht am individuell entgangenen Gewinn orientieren kann (Vogel/Schwarz-Vogel § 4 Nr. 26 UStG Rn. 11). Bei der Auslegung des § 4 Nr. 26b UStG ist einzubeziehen, dass die umsatzsteuerlichen Befreiungsvorschriften grundsätzlich eng auszulegen sind, da sie Ausnahmen von dem allgemeinen Grundsatz darstellen, dass jede Leistung, die ein Unternehmer gegen Entgelt erbringt, der Umsatzsteuer unterliegt (Vogel/Schwarz-Huschens § 4 UStG Rn. 13)

Auf den Streitfall angewandt, folgt aus den eben dargelegten Grundsätzen, dass die Tätigkeit des Klägers nicht ehrenamtlich im Sinne des § 4 Nr. 26b UStG ist. Die Tätigkeit des Klägers ist sowohl vom Umfang und der Art. der Tätigkeit als auch der Höhe der Bezahlung eine hauptberufliche und keine ehrenamtliche Tätigkeit.

Es ergibt sich nicht bereits aus § 9 Nr. 3 der Satzung des V, dass die Leistungen des Klägers gegenüber dem V umsatzsteuerbefreit sind, denn diese Regelung ist nur eine Absichtserklärung, welche allenfalls als ein Indiz in die Gesamtabwägung einbezogen werden kann.

Der Umfang der Tätigkeit des Klägers entspricht einer hauptberuflichen Tätigkeit, denn der Kläger arbeitet durchschnittlich in einem Umfang für den V wie ein Vollzeitbeschäftigter. Auch die Art. der Tätigkeit spricht gegen eine Ehrenamtlichkeit, denn die Tätigkeit kann als hochwertig bezeichnet werden und der Kläger kann seine Arbeit frei gestalten. Der Kläger wird im Wesentlichen im Bereich der Lobbyismusarbeit tätig. In diesem Bereich sind andere Personen als Angestellte oder Selbständige tätig. Eine umsatzsteuerliche Befreiung des Klägers würde dementsprechend auch wettbewerbsverzerrende Konsequenzen gegenüber anderen in diesem Bereich tätigen Selbständigen haben können. Umsatzsteuerbefreiungsvorschriften müssen jedoch so ausgelegt werden, dass sie keine negativen Auswirkungen auf den Wettbewerb haben.

Die Höhe der Vergütung spricht ebenfalls gegen eine Qualifizierung als ehrenamtlich. Bereits nach dem Wortlaut von § 4 Nr. 26b UStG ist die Höhe der Vergütung relevant, denn gem. § 4 Nr. 26b UStG ist nur eine angemessene Entschädigung steuerbefreit. Auch bedeutet Entschädigung weniger als eine Vergütung. Im Streitfall spricht die Höhe der Vergütung gegen eine ehrenamtliche Tätigkeit, denn sie ist der Höhe nach abstrakt geeignet, den Lebensunterhalt einer Person vollständig zu begleichen. Zwar hat der BFH auch einmal ausgeführt, dass die Höhe der Gesamtvergütung unbeachtlich ist und nicht Voraussetzung dafür, dass im Einzelfall neben dem Ehrenamt auch ein Hauptberuf ausgeübt wird. Diese Aussage ist allerdings als Beispiel für die Entschädigungszahlungen an Schöffen erfolgt (siehe z.B. BFH vom 16.12.1987, X R 7/82, BFHE 152, 182, BStBl II 1988, 384). Die Tätigkeit des Schöffen kann aber nicht hauptberuflich ausgeübt werden. Insofern liegt ein wesentlicher Unterschied zum Streitfall vor. In seiner Entscheidung vom 29.06.2000 (V R 28/99, BStBl 2000 II, 597) hat der BFH dagegen ausdrücklich auf die Höhe des Honorars abgestellt und deshalb eine Ehrenamtlichkeit ausgeschlossen.

Nicht erheblich sind die persönlichen Verhältnisse des Empfängers der Entschädigungen. Das gilt auch, wenn der Kläger vorträgt, hauptberuflich verwalte er sein Vermögen. Ob darüber hinaus, zusätzlich Voraussetzung für § 4 Nr. 26b UStG auch ist, ob die Belange der Allgemeinheit gefördert werden, muss hier nicht entschieden werden. Es ist auch nicht entscheidend, ob die Tätigkeit für den V gleichzeitig die Allgemeinheit fördert.

Es muss nicht zwischen Auslagenersatz und Entschädigung differenziert werden. Wenn das Entgelt eine angemessene Entschädigung übersteigt, ist das ganze Entgelt steuerpflichtig (gl. Ansicht Plückebaum § 4 UStG Rn. 13).

3. Die hier getroffene Entscheidung verstößt nicht gegen § 176 AO. Insbesondere scheitert die Anwendbarkeit des Urteils des BFH vom 10.03.2005 (V R 29/03) nicht an § 176 Abs. 1 Nr. 3 AO. § 176 AO 1977 schützt nicht das Vertrauen in die Gesetzgebung oder die höchstrichterliche Rechtsprechung, sondern das Vertrauen in die Bestandskraft der Steuerfestsetzung (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 10.9.1991, VII R 11/89). Wie schon aus dem Wortlaut der Vorschrift "bei der Aufhebung oder Änderung ..." hervorgeht, greift diese nur ein, wenn sich die Rechtsprechung in der Zeit zwischen dem Erlass des ursprünglichen Bescheides und dem Erlass des Änderungsbescheides geändert hat; sie erfasst keinen Sachverhalt, in dem zunächst ein Änderungsbescheid ergeht und erst im Anschluss hieran eine Rechtsprechungsänderung erfolgt (vgl. BFH-Urteil vom 20.12.2000, I R 50/95, BFH vom 11.04.2002, V R 26/01, BFHE 198, 238, BStBl II 2004, 317). Die Änderung des angefochtenen Umsatzsteuerbescheides erfolgte auf Grund der durchgeführten Betriebsprüfung. Zu diesem Zeitpunkt waren die Urteile des BFH vom 06.06.2002 und vom 10.03.2005 noch nicht ergangen.

II.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO. Gründe, die Revision gem. § 115 Abs. 2 FGO zuzulassen, bestehen nicht.

RechtsgebietUStGVorschriften§ 4 UStG

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