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11.07.2006 · IWW-Abrufnummer 061898

Finanzgericht Münster: Urteil vom 07.12.2005 – 1 K 6384/03 E

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Streitig ist, ob in den Streitjahren 1999 und 2000 die sogen. 1 %-Regelung anzuwenden ist.

Der ledige Kläger (KI.) wird beim beklagten Finanzamt (FA) S zur Einkommensteuer (ESt) veranlagt. Er erzielt als alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer (Gf.) der in M ansässigen Firma G GmbH ( GmbH) Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Die ESt-Veranlagungen für die Streitjahre 1999 und 2000 erfolgten zunächst antragsgemäß.

Im Februar 2002 fand bei der GmbH eine Lohnsteuer (LSt)-Außenprüfung für den Zeitraum 01.01.1999 bis 28.02.2002 statt. Nach den Feststellungen der LSt-Außenprüfung stand dem KI. ein betriebliches Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen X sowohl für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte als auch für weitere Privatfahrten zur Verfügung. Eine Lohnversteuerung hinsichtlich des daraus resultierenden geldwerten Vorteils für den KI. erfolgte im Prüfungszeitraum bis zur Prüfung nicht. Im Rahmen der Prüfung legte der KI. für die Zeit bis Mitte Januar 2002 ein "Fahrtenbuch" vor. Da im Rahmen der Prüfung zusätzlich angeforderte Belege wie Tankquittungen, Inspektionsrechnungen zur Überprüfung der angegebenen Fahrten nicht vorgelegt werden konnten ermittelte der LSt-Außenprüfer den geldwerten Vorteil aus der Kfz-Nutzung nach der sogen. 1 %-Methode bzw. hinsichtlich der Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte nach der 0,03%-Methode.

Ausgehend von Bruttoanschaffungskosten LH.v. 61.300 DM (Audi 1002,8 E quattro) ermittelte der LSt-Außenprüfer für 1999 einen zusätzlich zu versteuernden Arbeitslohn LH.v. 7.067,40 DM und für 2000 einen solchen LH.v. 8.459,40 DM. Vorgenannte Beträge teilte das prüfende FA E dem beklagten FA S mit Prüfungsmitteilung vom 08.11.2002 zur Auswertung mit.

Der Beklagte (Bekl.) änderte daraufhin die ESt-Veranlagungen für die Streitjahre nach § 173 Abs. 1 Abgabenordnung (AO) und erhöhte die Einkünfte des KI. aus nichtselbständiger Arbeit um 7.067, 40 DM (1999) und 8.459,40 DM (2000). Die Änderungsbescheide datieren vom 02.12.2002.

Gegen beide Bescheide legte der KI. am 23.12.2002 Einspruch ein.
Mit Einspruchsentscheidung (EE) vom 03.11.2003 wies der Bekl. die Einsprüche mangels vorgelegter Begründung als unbegründet zurück. Auf die EE wird Bezug genommen.

Mit der am 02.12.2003 erhobenen Klage verfolgt der KI. sein Begehren weiter. Er ist der Auffassung, die nunmehr auch im Klageverfahren vorgelegten Fahrtenbücher seien ausreichend, die Anwendung der sogen. 1 %-Regelung auszuschließen. Wegen der Begründung im Einzelnen wird auf den Schriftsatz vom 11.08.2005 sowie die vorgelegten KfZ - Kostenbelege Bezug genommen. Der Berichterstatter hat die in das" Fahrtenbuch" vom KI. eingetragenen Tageskilometer, soweit es sich nicht um Mehrfachfahrten handelt ( z. B. Fahrten zwischen Wohnung und Betrieb) durch den sogenannten "Chi - Quadrat - Test" einer Plausibilitätsprüfung unterworfen und dabei in den Streitjahren insgesamt 434 Eintragungen ausgewertet. Wegen der Feststellungen und Auswertungen im Einzelnen wird auf BI. 62 - 64 der FG - Akte verwiesen.

Der KI. beantragt,
die ESt-Änderungsbescheide vom 02.12.2002 jeweils in Gestalt der EE vom 03.11.2003 zu ändern und den geldwerten Vorteil aus der PkwNutzung mit 1.895,54 DM (1999) und 4.810,44 DM (2000) zu berücksichtigen.
Der Bekl. beantragt,
die Klage abzuweisen.

Der Bekl. ist der Auffassung, die Fahrtenbücher seien nicht ordnungsgemäß geführt. Dies ergebe sich daraus, dass sie nicht zeitnah geführt worden seien. Weder aus den "Originalaufzeichnungen" noch aus den Fahrtenbüchern gehe die Dauer der Abwesenheit hervor. Die Fahrtenbücher enthielten darüber hinaus nicht die tatsächlichen Kilometerstände, sondern nur an hand der Originalaufzeichnungen hochgerechnete Zahlen. Unter diesen Umständen seien die Fahrtenbücher nicht beweiskräftig.

Dies belegten auch die eingereichten Kostenbelege.
Die Klage ist nicht begründet.
Die ESt-Änderungsbescheide vom 02. 12. 2002 und die EE vom 03. 11. 2003 sind rechtmäßig.

Der Bekl. hat den privaten Nutzungsanteil zu Recht mit 1 % vom Listenpreis sowie die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte mit 0,03% des Anschaffungspreises besteuert und die Ausgangsbescheide für die Streitjahre gem. § 173 Abs. 1 Nr. 1 Abgabenordnung ( AO ) geändert.

Der Bekl. war dazu berechtigt, den Steuerbescheid gem. § 173 Abs. 1 Nr. 1 AG zu ändern. Nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AG kann ein Steuerbescheid geändert werden, wenn nachträglich neue Tatsachen bekannt werden, die zu einer höheren Steuer führen. Dem Bekl. ist nachträglich, nach Erlass des Einkommensteuerbescheides, durch die am 15. 1. 2002 eingegangene Prüfungsmitteilung aufgrund einer Lohnsteuer-Außenprüfung des Finanzamtes E bekannt geworden, dass der Kläger das ihm von seinem Arbeitgeber, der GmbH, überlassene Fahrzeug auch privat und für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte genutzt hat. Diese Erkenntnis stellt eine neue Tatsache dar, die aufgrund der Anwendung der sog. 1 %-Regelung (vgl. § 8 Abs. 2 Satz 2 LV.m. § 6 Abs. 1 Nr. 4 EStG) zu einer höheren Steuer führt.

Der Kläger konnte das von seinem Arbeitgeber zur Verfügung gestellt Fahrzeug privat sowie für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte nutzen. Für den Regelfall bestimmt sich die Bewertung des geldwerten Vorteils der Privatnutzung eines betrieblichen Pkw gem. § 8 Abs. 2 Satz 2 LV.m. § 6 Abs. 1 Nr. 4 EStG nach der sogenannten 1 %-Regelung. Dabei gilt ein Anscheinsbeweis dafür, dass das überlassene Fahrzeug auch privat genutzt wird (vgl. BFH in BFH/NV 1999, 1330, 1331). Entsprechendes gilt für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte, für die gem. § 8 Abs. 2 Satz 3 EStG für jeden Kalendermonat 0,03 v.H. des Listenpreises für jeden Kilometer der Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte anzusetzen sind. Dies gilt nicht, wenn der Steuerpflichtige alle betrieblichen und privaten Fahrten einschließlich der Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte/Betrieb in einem ordnungsgemäßen Fahrtenbuch aufzeichnet. In diesem Fall kann die private Nutzung abweichend von der typisierenden Regelung des § 6 Abs. 1 Nr. 4 S. 2 EStG nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 S. 3 EStG auch mit den auf die Privatfahrten tatsächlich entfallenden Aufwendungen angesetzt werden. Im Streitfall hat der KI. jedoch das Verhältnis der privaten zu den übrigen Fahrten nicht durch ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch nachgewiesen.

Der Nachweis durch ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch setzt voraus, dass die danach erforderlichen Aufzeichnungen (mit Angaben zu Reisezweck, Zielort und aufgesuchten Geschäftspartner sowie Zeitangabe und Kilometerstände zu Beginn und Ende jeder einzelnen betrieblichen Fahrt, zu den notwendigen Einzelheiten vgl. Schmidt, Einkommensteuergesetz - EStG -, Kommentar, 24. Aufl. 2005, § 6 Rdz. 422 mit Nachweisen der Rechtsprechung) fortlaufend und zeitnah (vgl. Urteil des FG Saarland vom 22.06.1994, Az. 1 K 76/93, EFG 1994, 962) erstellt und im Original vorgelegt werden. Die Vorlage bloßer im Nachhinein erstellter Reinschriften genügt dafür nicht. Nur auf diese Weise kann ein Fahrtenbuch seiner Funktion, eine lückenlose Erfassung sämtlicher unternommener Fahrten zu gewährleisten und einer späteren Verifizierung zugänglich zu machen (vgl. FG Baden-Württemberg, Urteil vom 07.07.1988, Az.: XII K 712/85, EFG 1989,307), gerecht werden.

Diesen Anforderungen genügen die vom KI. vorgelegten Unterlagen nicht. Bei den eigentlichen Fahrtenbüchern handelt es sich unstreitig um nachträglich gefertigte Aufzeichnungen. Allerdings hat der KI. auch seine Uraufzeichnungen in Form einer Zettelsammlung eingereicht. Diese Uraufzeichnungen enthalten neben dem Datum ohne Jahresangabe nur Orts- bzw. Namensangaben mit aufgerundeten Kilometerzahlen. Angaben zu Beginn und Ende jeder einzelnen betrieblichen Fahrt, aufgesuchte Geschäftspartner sowie Kilometerstände zu Beginn und Ende einer betrieblichen Fahrt, sind nicht aufgezeichnet. Selbst unter Einbeziehung dieser Uraufzeichnungen hat der KI. damit die Anforderungen, die an ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch gestellt werden, nicht erfüllt. Bereits aus diesem Grunde ist das "Fahrtenbuch" nicht geeignet, die Anwendung der 1 %-Regelung auszuschließen.

Die gleichzeitig vom KI. eingereichten Kostenbelege machen nach Auffassung des Senats zu dem deutlich, dass die vorgelegten Aufzeichnungen inhaltlich nicht richtig sein können. So weist eine Reparaturrechnung vom 28.12.2000 eine Fahrtzeugreparatur am 18.12.2000 aus, obwohl der KI. an diesem Tag wegen seines abgegebenen Führerscheins das Fahrzeug nicht bewegt haben will. Eine weitere Reparaturrechnung vom 16.05.2000 weist eine Kfz-Reparatur am 05.05.2000 aus. Nach dem Fahrtenbuch hat an diesem und an den Folgetagen ebenfalls keine Fahrt mit dem Kfz stattgefunden. Ähnliches gilt für die vom KI. vorgelegten Tankbelege. So soll am 14.08. des Streitjahres 1999 eine Betankung des Kfz in Polen stattgefunden habe, obwohl eine Fahrt dorthin ausweislich des Fahrtenbuches nicht stattgefunden hat. Tankfahrten innerhalb der Bundesrepublik am 05.08. und 25.07.1999 können nach den Kilometerangaben im Fahrtenbuch ebenfalls nicht stattgefunden habe. Diese Aufzählung ließe sich noch weiter fortsetzen. Die stichprobenartigen Überprüfungen machen in jedem Fall deutlich, dass die vom KI. gefertigten Aufzeichnungen die Nutzung des Betriebs-Kfz nicht zutreffend wiedergeben können.

Diese Einschätzung wird gestützt durch den vom Berichterstatter durchgeführten sogenannten. "Chi-Quadrat-Test".

Der Chi-Quadrat-Test ist eine mathematische Methode, bei der empirisch beobachtete mit theoretisch erwarteten Häufigkeiten verglichen werden. Im vorliegenden Fall beruht der Test auf der Annahme, dass die erste Stelle vor dem Komma bei den im Fahrtenbuch eingetragenen Betriebs- und Privatfahrten bei einer relativ großen Menge von Erfassungen (eingetragene Fahrten insoweit 434) gleich verteilt sind. Die gebildeten Messwert-Klassen (Ziffern 0-9) werden mit den im Fahrtenbuch vorgefunden Werten verglichen, die Summe der Differenz quadriert und durch die Zahl der erwarteten Häufigkeit dividiert. Die gefundene Testgröße ist abhängig von der sogenannten Anzahl der Freiheitsgrade (da sind Anzahl der Klassen ./. 1) und der angenommenen Fehlertoleranz ( Signifikanzniveau). Nimmt man ein Signifikanzniveau von nur 95 % an (zu 95 % wahrscheinliches Ergebnis) und einen Freiheitsgrad von 9 so beträgt der kritische Wert von Chi-Quadrat 21,666 (vgl. Steuch/Wiebe, Lehrbuch der Mathematik, Band 111, Mannheim, 1993, S. 755 Tafel 6).

Die Anwendung dieser Kenntnisse auf den vorliegenden Fall bedeutet, dass signifikante Abweichungen von dem anzunehmenden Chi-Quadrat-Test festgestellt wurden. Der Berichterstatter hat die Eintragungen des KI. in seinem Fahrtenbuch in den zwei Streitjahren vollständig ausgewertet und dabei mit 434 Eintragungen eine ausreichende Anzahlung von Werten pro Klasse zugrunde gelegt (Minimum = 5 Punkte pro Klasse; vgl. http: www.statistik.tuwien.ac.at/public/dutt/vorlesbak/node71html).Beider Auswertung hat der Berichterstatter dabei die Fahrten des KI. zwischen seiner Wohnung und Betriebsstätte nicht berücksichtigt, da diese auf Grund der gleichbleibenden Entfernung das Ergebnis verfälschen würden. Der vorgefundene nach dieser Methode errechnete Chi-Quadrat-Text-Wert beträgt in den beiden Streitjahren 68,25 und weicht damit von dem obengenannten Signifikanzwert ganz erheblich ab. Dies ist für den Senat ein zusätzliches starkes Indiz für Manipulationen bei den Aufzeichnungen der Tageskilometerzahlen.

Der KI.-Vertreter kann demgegenüber nicht einwenden, er habe selbst einen Chi-Quadrat-Test hinsichtlich der in das Fahrtenbuch eingetragenen Kilometerstände durchgeführt. Bei diesen Kilometerständen handelt es sich um rechnerisch ermittelte Zahlen. Hierbei kann eine Manipulation durch den KI. nicht stattgefunden haben. Der Chi-Quadrat-Test ist nämlich eine statistische Methode, deren Anwendung auf der Erkenntnis gründet, dass jeder Mensch unbewusst Sympathien und Antipathien gegenüber bestimmten Zahlen hat. Bei rechnerisch ermittelten Zahlenkolonnen kann diese Methode nicht greifen. Ein einfaches Beispiel macht dies deutlich. Trägt ein Steuerpflichtiger in das Fahrtenbuch ausschließlich Tagesfahrten mit der Endziffer 9 ein, führt die Addition einer beliebigen Anzahl dieser Einzelfahrten zu einer gleichmäßigen Verteilung der Endziffern 1 - O. Ein Vielfaches der Zahl 9 (1 x 9 = 9, 2 x 9 = 18 usw.) führt nämlich zu einem entsprechenden Auftreten der Ziffern 0 - 9).

Nach alledem war die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO).

RechtsgebieteEinkommensteuerrecht, AbgabenordnungVorschriften§§ 4 Abs. 5 Nr. 6; 9 Abs. 1 Nr. 4 EStG; § 147 Abs. 6 AO

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