Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww

28.04.2006 · IWW-Abrufnummer 061213

Landgericht Gießen: Urteil vom 12.01.2006 – 4 O 213/05

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Landgericht Gießen

4 O 213/05
verkündet am 12.1.2006

Urteil

In dem Rechtsstreit XXX

hat das Landgericht Gießen - 4. Zivilkammer - durch XXX als Einzelrichter

aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 22.12.2005 für Recht erkannt:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zutragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt von den Beklagten als Gesamtschuldnern Schadensersatz aus dem Verkehrsunfall vom 7.1.2005 auf der A 485.

Die Klägerin war Fahrerin ihres Pkw VW Golf XXX. Der Beklagte zu 1) war Fahrer seines Pkw VW Golf XXX.Beide Fahrzeuge befuhren gegen 20:35 Uhr die zweispurige Autobahn in südliche Richtung. Eine Geschwindigkeitsbegrenzung bestand nicht. Der Beklagte zu 1) fuhr in Höhe des Dreiecks XXX im Bereich des Beschleunigungsstreifens auf das Fahrzeug der Klägerin auf, welches sich im Zeitpunkt der Kollision auf der linken Fahrspur befand, wobei zwischen den Parteien Streit besteht, wann die Klägerin den Wechsel von der rechten auf die linke Fahrspur vorgenommen hat.

Die Klägerin behauptet, sie habe in Höhe der Auffahrt XXX wegen dem auf der Beschleunigungsspur befindlichen Pkw des Zeugen XXX den linken Blinker gesetzt und sich durch einen Blick in den Rückspiegel sowie einen Schulterblick überzeugt, dass die linke Fahrspur frei war. Sie habe sich, mit einer Geschwindigkeit von 120 km/h fahrend, bereits etwa ½ Minute auf der linken Fahrspur befunden, als der Beklagte zu 1), der zuvor eine Geschwindigkeit zwischen 150 km/h und 180 km/h . gefahren sei, auffuhr. Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Klägerin wird auf die Schriftsätze vom 3.5.2005 nebst Anlagen (BI. 1-14 d.A.), vom 20.6.2005 (BI. 21 d.A.) und vom 7.10.2005 (BI. 38/39 d.A.) verwiesen.

Die. Klägerin beantragt,

1. die Beklagt/en als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie 4.153,69 ? nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;

2. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen; an sie ein angemessenes Schmerzensgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, dass mindestens 1.500,00 ? betragen sollte, nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen

Die Beklagten beantragen,
die Klage abzuweisen.

Die Beklagten behaupten, die Klägerin sei ohne Notwendigkeit plötzlich auf die linke Fahrspur gewechselt, als der Zeuge XXX mit seinem Fahrzeug den Auffahrstreifen gerade erst erreicht gehabt habe. Trotz einer sofort eingeleiteten Vollbremsung habe der Beklagte zu 1), der im Zeitpunkt des Spurwechsels nur etwa 20-30 m hinter dem Pkw der Klägerin die linke Fahrspur mit einer Geschwindigkeit von etwa 140 km/h befahren habe, den Unfall nicht vermeiden können.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vortrags der Beklagten wird auf den Schriftsatz vom 19.7.2005 (BI. 24-28 d.A.) Bezug genommen.

Es ist Beweis erhoben worden durch die Vernehmung des Zeugen XXX und Pk XXX. Wegen der Einzelheiten wird auf das Protokoll vom 22.12.2005 verwiesen (BI. 48-53 d.A.). Die Akten RP XXX waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist nicht begründet.

Die Klägerin kann auf Grund des Verkehrsunfalls vom 7.1.2005 von den Beklagten weder Schadensersatz, noch Schmerzensgeld beanspruchen (§§ 7, 17 StVG, 823 BGB, 3 PflVG).

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist anzunehmen, dass sich der streitgegenständliche Verkehrsunfall so, wie von den Beklagten vorgetragen, ereignet hat.

Es ist bewiesen, dass die Klägerin plötzlich von der rechten auf die linke Fahrspur der Bundesautobahn A 485 zog, ohne dass dafür eine Notwendigkeit bestand.

Der neutrale Zeuge XXX hat ein solches Fahrverhalten glaubhaft bekundet. Er hat ausgeführt, dass die Klägerin zügig von der rechten auf die linke Spur zog und zwischen dem Spurwechsel und dem Auffahren des Beklagten zu 1) auf das Fahrzeug der Klägerin lediglich ein Zeitraum von etwa 2-3 Sekunden gelegen habe. Das Gericht hat keinen Anlass, an der Richtigkeit dieser Aussage zu zweifeln, zumal die Einlassung der Klägerin bereits 1/2 Minute auf der linken Fahrspur gewesen zu sein, nicht nachvollziehbar ist. Bei der von ihr angegebenen Geschwindigkeit von 120 km/h wäre sie dann bis zum Unfall bereits 1 Kilometer auf der linken Fahrspur gewesen, was weder mit den örtlichen Gegebenheiten in Einklang zu bringen ist, die sich aus der vom Zeugen XXX vorgelegten Skizze ergeben (BI. 54 d.A.), noch mit der auch von der Klägerin erfolgten Darstellung übereinstimmt, dass sich der Unfall am Ende des Beschleunigungsstreifens ereignet hat. Das Gericht geht mithin davon aus, dass die Klägerin plötzlich auf die linke Spur gewechselt ist. Ob der Unfall für den Beklagten zu 1) in dieser Situation unabwendbar war (§17 Abs. 3 StVG); kann dahinstehen. Auch nach der Änderung des StVG ist zu klären (§ 1 TAbs. 2 StVG), ob die eine oder andere Seite den Unfall verschuldet hat. Insofern zählen nur erwiesene Tatsachen (vgl. Hentschel, 37. Aufl., § 17 StVG, Rn. 9 unter Hinweis auf die bisherige Rspr. vgl. insoweit: BGH NJW 95, 1029 [1030]). Wegen des Spurwechsels greift zugunsten der Klägerin kein Anscheinsbeweis. Dieser ist erschüttert, wenn - wie hier - feststeht, dass der Vorausfahrende erst wenige Augenblicke vor dem Anstoß des Hintermanns in dessen Fahrstreifen gewechselt ist (vgl. LG Gießen, VersR 96, 773). Bei einem Zusammenstoßen im Zusammenhang mit einem Wechsel der Fahrspur ist vielmehr wegen der Verletzung von § 7 Abs. 5 StVO grundsätzlich von einer vollen Haftung des Spurwechslers auszugehen, so dass die Betriebsgefahr des anderen Fahrzeugs zurücktritt (vgl. KG VM 88, Nr. 48). Bei einem Wechsel auf die Überholspur einer Autobahn wird überdies auch das Vorrecht des anderen Verkehrsteilnehmers verletzt (§ 18 Abs. 3 StVO). Eine Mithaftung des anderen Verkehrsteilnehmers kommt zwar bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung oder einer ungebremsten Weiterfahrt trotz rechtzeitigen Erkennens des Spurwechsels in Betracht. Hiervon kann allerdings nicht ausgegangen werden. Anhaltspunkte dafür, dass der Beklagte zu 1) mit. einer höheren Geschwindigkeit, als den von ihm eingeräumten 140km/h gefahren ist, Iiegen nicht vor. Zu dieser Frage war auch kein Sachverständigengutachten einzuholen. Konkrete Unfallspuren wurden nicht dokumentiert. Wie sich in verschiedenen Verfahren bestätigt hat (vgl. zuletzt: LG Gießen, 4 O 213/03) verspricht die Einholung eines Sachverständigengutachten zur Frage der vor einem Unfall eingehaltenen Geschwindigkeit keinen Erfolg, wenn nur Lichtbilder zweier deformierter Fahrzeuge und keine sonstigen. Anknüpfungstatsachen vorliegen, aus denen ein Sachverständiger insofern sichere Rückschlüsse ziehen kann. Der in dem o.g. Rechtsstreit eingeschaltete Sachverständige hat explizit ausgeführt, dass sich die Geschwindigkeiten von Fahrzeugen allein aus Lichtbildern nicht rekonstruieren lassen. Damit hat die Klägerin, abgesehen davon, dass sie die Lichtbilder ihres Fahrzeuges, trotz entsprechender Aufforderung, nicht bis zum Termin vorgelegt hat, so dass auch eine ihr anzulastende Verfahrensverzögerung anzunehmen wäre, keinerlei Umstände bewiesen, die eine andere Gewichtung der Betriebsgefahren gebieten könnten. Soweit der Beklagte zu 1) nach eigenem Vorbringen die Richtgeschwindigkeit leicht überschritten hat, führt dies zu keiner anderen Beurteilung. Gegenüber dem grob pflichtwidrigem Fahrstreifenwechsel .auf einer Autobahn tritt ein leichtes Überschreiten der Richtgeschwindigkeit zurück.(vgl. LG Darmstadt, ZfS 01, 401, Juris; Seite 3 von 3).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

RechtsgebietSchadensrechtVorschriften§ 7, § 17 StVG, § 823 BGB, § 3 PflVG

Sprechen Sie uns an!

Kundenservice
Max-Planck-Str. 7/9
97082 Würzburg
Tel. 0931 4170-472
kontakt@iww.de

Garantierte Erreichbarkeit

Montag - Donnerstag: 8 - 17 Uhr
Freitag: 8 - 16 Uhr