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30.03.2006 · IWW-Abrufnummer 060776

Landgericht Stendal: Urteil vom 20.10.2005 – 22 S 86/05

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Landgericht Stendal

U r t eil

Im Namen des Volkes

In dem Rechtsstreit XXX

hat die Zivilkammer 2 des Landgerichts Stendal auf die mündliche Verhandlung vom 06. Oktober 2005 durch XXX für Recht erkannt:

Auf die Berufung der Kläger wird das am 02. Juni 2005 verkündete Urteil des Amtsgerichts XXX abgeändert.

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Kläger 609,00 ? (i. W. sechshundertundneun EUR) nebst 5%-Punkten Zinsen über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 20. Mai 2005 zu zahlen.

Im Übrigen bleibt die Klage abgewiesen. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreites tragen die Kläger 66 v.H. und die Beklagten als Gesamtschuldner 34 v. H..

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision zum Bundesgerichtshof wird nicht zugelassen.

und beschlossen:

Der Streitgegenstandswert für das Berufungsverfahren wird auf bis zu 1.782,32 ? festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Ersatzfähigkeit eines von den Klägern in Anspruch genommenen Mietwagens zu den Kosten eines Unfallersatztarifes im Wege der gewillkürten Prozessstandschaft, vor dem Hintergrund eines von den Beklagten allein verschuldeten Verkehrsunfalles.

Hinsichtlich der weiteren tatsächlichen Feststellungen im ersten Rechtszug wird auf das angefochtene Urteil gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen.

Mit dem berufungsgegenständlichen Urteil hat das Amtsgericht nach einer Beweisaufnahme die Klage abgewiesen. Der tägliche Fahrbedarf der Kläger sei als geringfügig einzustufen gewesen, weshalb die Anmietung eines Mietwagens im Rahmen der Schadensbehebung nicht erforderlich gewesen sei.

Dagegen richtet sich die Berufung der im ländlichen bzw. dörflichen oder kleinstädtischen Bereich wohnenden Kläger, mit welcher sie unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens vortragen, entgegen der Rechtsauffassung des Amtsgerichtes sei ihr Fahrbedarf nicht geringfügig und die Anmietung des Ersatzfahrzeuges zu einem Unfallersatztarif erforderlich gewesen. Auszugehen sei von einer täglichen Fahrleistung von 21,15 km (275 km : 13 Tage), so dass die von der Rechtsprechung heraus gearbeitete Geringfügigkeitsgrenze von 20 km überschritten worden sei. Die Arztbesuche und die Teilnahme der Klägerin zu 2) an der Rückenschule hätten die Vorhaltung des Mietwagens auch erforderlich gemacht.

Die Kläger beantragen,

das am 02. Juni 2005 verkündete Urteil des Amtsgerichts XXX abzuändern und die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Firma TS-Autovermietung XXX KG 1.782,32 ? nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 20. Mai 2004 zu zahlen.

Die Beklagten beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Unter Verteidigung des amtsgerichtlichen Urteils sowie unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens tragen sie vor, die Berufung sei unzulässig, da sie nicht hinreichend begründet worden sei. Zudem sei von einer täglichen Fahrleistung von 19,64 km (275 km : 14 Tage) auszugehen, so dass die Geringfügigkeitsgrenze von 20 km unterschritten worden sei. Der Fahrbedarf der Kläger habe ohne besondere Anstrengungen durch die Inanspruchnahme eines Taxis oder durch öffentliche Verkehrsmittel bewältigt werden können.

Wegen des weitergehenden Vorbringens der Parteien wird auf ihre vorbereitenden Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Amtsgerichts XXX ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und auch begründet worden (§§ 511, 517, 519, 520 ZPO).

Die Berufung hat teilweise, nämlich in dem aus dem Hauptsacheausspruch ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist sie nicht begründet.

Das Urteil des Amtsgerichtes beruht auf einer entscheidungserheblichen Rechtsverletzung nach § 546 ZPO, sodass die nach § 529 ZPO zugrunde zulegenden Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen.

Die Kläger haben gegen die Beklagten einen Anspruch, von den Mietwagenkosten gegenüber der Firma XXX in Höhe des so genannten Normaltarifes von insgesamt 609,00 ? gemäß §§ 3 PfIVG; 7, 17 StVG n.F.; 398, 823 Abs. 1, 823 Abs. 2 BGB, 249, 254 BGB; Art. 229 § 5 EGBGB in der Fassung nach dem 01. Jan. 2002 freigestellt zu werden.

Im Ausgangspunkt zutreffend hat das Amtsgericht angenommen, dass der geschädigte Kläger nicht ohne Weiteres Ersatz der Mietwagenkosten von den Beklagten verlangen kann. So ist bereits der Anspruch auf Schadensersatz bei Beschädigung eines gewerblich genutzten Kraftfahrzeugs durch §251 Abs. 2 BGB begrenzt (vgl. u.a. BGH VersR 1994, 64, 65). Gleichermaßen sind Mietwagenkosten grundsätzlich nur insoweit zu ersetzen, als dies tatsächlich zur Herstellung des Zustands erforderlich ist, welcher ohne die Schädigung bestehen würde. Zur Herstellung erforderlich sind daher nur die Aufwendungen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten darf (vgl. BGHZ 61, 346, 349 f.; BGH 132, 373, 375 f.; BGH 154, 395, 398; 155, 1, 4 f). Der Geschädigte ist dabei unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren von mehreren möglichen den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbeseitigung zu wählen (st. Rsp., vgl. BGHZ 132, a.a.O.; BGH VersR 1985,1090).

Unter Umständen kann daher auch ein nur geringer Fahrbedarf des Geschädigten die Anmietung eines Mietwagens unzweckmäßig und deshalb gemäß § 249 BGB nicht erforderlich erscheinen lassen. Unabhängig davon, ob die Kläger im Streitfalle einen täglichen Fahrbedarf von 21,15 Kilometern oder 19,64 Kilometern gehabt haben, handelt es sich hierbei bei wertender Betrachtung um einen zwar geringfügigen, aber nach § 249 BGB dennoch erforderlichen Fahrbedarf, wenn das Hinzutreten weiterer Umstände die Anmietung eines Ersatzfahrzeuges zweckmäßig erscheinen lässt (vgl. zur Erforderlichkeit LG Kiel Schaden-Praxis 2000, 419, 420; AG Bergheim Schaden-Praxis 2004, 197). Denn bei der von der Rechtsprechung zugrunde gelegten Tageskilometerleistung von 20 km (vgl. Nachweise bei Heinrichs: in Palandt, BGB, 63. A., § 249 , Rdnr 31; s. auch OLG Frankfurt a. M. VersR 1992, 620; OLG München VersR 1993, 769; OLG Hamm DAR 2001, 389; AG Berlin-Mitte VersR 2005, 521 ff) handelt es sich nicht um eine starre Grenze (vgl. LG Gera, Schaden-Praxis 2002, 277).

Zu berücksichtigen sind vielmehr die Umstände, die den Lebensbereich des Geschädigten prägen. Als Verletzter der schädigenden Handlung ist ihm im Rahmen des § 249 BGB dasjenige als erforderlich zuzubilligen, was zum Ausgleich des Schadens und der Schadensfolgen für seinen Lebensbereich geeignet und nötig ist. Der Geschädigte ist daher grundsätzlich nicht gehalten, seine Lebensumstände im Interesse des Schädigers so einzuschränken, dass er ein weiteres schadensgleiches Opfer erbringen muss. Zu den Lebensumständen gehören etwa die Wohnverhältnisse, die in einer Großstadt anders als im ländlichen oder dörflichen Bereich zu beurteilen sein können. So ist im großstädtischen Bereich mit einem dichten Netz an öffentlichen Verkehrsmitteln - Untergrundbahn, Straßenbahn, Busverkehr oder hohem Taxiaufkommen - die Nutzung dieser Verkehrsmittel eher zu fordern als im ländlichen Bereich, in denen die Verfügbarkeit eines Privatkraftfahrzeuges geradezu Grundlage der persönlichen Mobilität und individueller Lebensgestaltung ist. Daher kann auch bei einem Fahrbedarf von weniger als 20 km pro Tag die Anmietung eines Ersatzfahrzeuges durch den Geschädigten erforderlich sein, wenn er ohne das Mietfahrzeug Erschwernisse auf sich nehmen müsste, für deren Vermeidung er das geschädigte Fahrzeug gerade vorgehalten hat. Insoweit kommt ein pauschaler Tageskilometermindestbedarf nicht in Betracht, wenn der konkrete Tageskilometerbedarf aufgrund der Lebensumstände des Betroffenen nicht vorhersehbar ist. Die - im Einzelfall wertend zu erfassende - Grenze ist also nur bzw. erst dann überschritten, wenn die Anmietung des Ersatzfahrzeuges allein der Befriedigung der Bequemlichkeit oder eines beharrlichen Statusdenkens dient. Dies freilich würde auch gelten, wenn der Geschädigte sein Fahrverhalten treuwidrig nach Anzahl, Wegstrecke und Entfernung so gestalten würde, dass er die in der übrigen Rechtssprechung vertretene Grenze des pauschalen Tagesbedarfes im Ergebnis überschreiten würde.

Die hier von den Klägern vorgetragenen Arztbesuche nebst Rückenschule, Einkäufe und Friedhofsbesuche mögen zwar grundsätzlich auch im ländlichen Bereich durch eine entsprechende Tagesplanung mit öffentlichen Verkehrsmitteln oder im Bedarfsfalle mit einem Taxi bewältigt werden können. Maßgeblich ist jedoch, was ein verständiger, wirtschaftlich denkender und nicht an den Maßstäben der Bequemlichkeit oder des Statusdenkens orientierter Mensch in der Lage des Geschädigten getan hätte. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die Kläger im ländlichen Bereich leben und daher eher als im städtischen Bereich auf ein eigenes Fahrzeug angewiesen sind. Zudem handelt es sich bei den Klägern um Rechtslaien, denen die Rechtsprechung zu einen geringfügigen Fahrbedarf zum Unfallzeitpunkt unbekannt gewesen ist. Auch hatte die Anmietung eines Ersatzfahrzeuges vor dem Hintergrund der notwendig durchzuführenden Arztbesuche einen rational nachvollziehbaren Grund und war nicht allein einem in dieser Situation nicht schützenswerten Statusdenken oder der Bequemlichkeit geschuldet. Vor diesem Hintergrund musste ein Unfallgeschädigter bei einer Parallelwertung in der Laienssphäre nicht damit rechnen, dass die Anmietung eines Ersatzfahrzeuges bereits dem Grunde nach nicht "erforderlich" im Sinne des § 249 BGB sein könnte.

Daher haben die Kläger im Streitfalle grundsätzlich einen Anspruch auf Freistellung von den ihnen erwachsenen Mietwagenkosten.

Allerdings haben die Beklagten bereits im ersten Rechtszug die Erforderlichkeit der Inanspruchnahme eines Mietwagens nach dem "Unfallersatztarif" bestritten. Dieses Bestreiten ist auch erheblich, weil die Kläger in Ergebnis allein einen Anspruch auf Ersatz der Kosten nach dem Normaltarif haben.

Zwar ist im Grundsatz davon auszugehen, dass der Geschädigte nicht allein deshalb gegen seine Pflicht zur Schadensgeringhaltung verstößt, weil er überhaupt ein Kraftfahrzeug zu einem "Unfallersatztarif" anmietet, der gegenüber einem "Normaltarif" teurer ist, solange dies dem Geschädigten nicht ohne Weiteres erkennbar ist (vgl. BGHZ 132, 373, 378 f.). Dieser Grundsatz kann jedoch in den Fällen keine uneingeschränkte Geltung beanspruchen, in denen sich - wie hier - ein besonderer Tarif für Ersatzmietwagen nach Unfällen entwickelt hat, der nicht mehr maßgeblich von Angebot und Nachfrage bestimmt wird. Dies ist etwa dann anzunehmen, wenn die Preise für Ersatzmietwagen durch weitgehend gleichförmiges Verhalten der Anbieter geprägt sind, wie sich dies im Streitfall aus den von den Klägern vorgelegten Preislisten der Firmen XXX und XXX unmittelbar ergibt.

Für die hier zu beurteilende Konstellation ist es lebenstypisch, dass der geschädigte Kraftfahrzeugmieter kein eigenes Interesse an der Wahl eines bestimmten Tarifs hat, während die am Mietvertrag nicht beteiligten Dritten wie Schädiger oder Haftpflichtversicherer zwar die Verpflichtungen aus diesem Vertrag wirtschaftlich zu tragen haben, auf die Tarifwahl aber keinen Einfluss nehmen können. Ein Interesse an dem Unfallersatztarif hat mithin in erster Linie der gewerbliche Autovermieter - hier die TS Autovermietung KG -, der zugleich auch über die Höhe des Tarifes entscheidet. Das kann zur Folge haben, dass die Preise der dem Unfallgeschädigten angebotenen "Unfallersatztarife" erheblich über den für Selbstzahler angebotenen "Normaltarifen" liegen. Dies belegt insbesondere hier die Aussage des vernommenen Zeugen _ der bekundet hat, dass der Tagespauschaltarif für 35,00 bis 40,00 ? bei der XXX zu erlangen ist. Daher hätten Mietwagenkosten allenfalls in Höhe von höchstens 649,60 ? brutto (46,40 ? brutto x 14 Tage) anfallen dürfen und nicht in Höhe der hier verfahrensgegenständlichen 1.782,32 ?. Wenn das aber so ist, kann aus schadensrechtlicher Sicht der zur Herstellung "erforderliche" Geldbetrag nicht ohne Weiteres mit dem "Unfallersatztarif" gleichgesetzt werden. Insbesondere unterliegen daher der Geschädigte und der Autovermieter in gesteigertem Maße den aus §§ 242, 254 BGB folgenden Rücksichtnahmepflichten.

Deshalb ist durch den anspruchstellenden Geschädigten substantiiert darzulegen und ggf. unter Beweis zu stellen, ob und inwieweit ein solcher Tarif nach seiner Struktur als "erforderlicher" Aufwand zur Schadensbeseitigung angesehen werden kann. Dies kann nur insoweit der Fall sein, als die Besonderheiten dieses Tarifs mit Rücksicht auf die Unfallsituation - etwa die Vorfinanzierung, das Risiko eines Ausfalls mit der Ersatzforderung wegen falscher Bewertung der Anteile am Unfallgeschehen durch den Kunden oder den Kfz-Vermieter u.ä. - einen gegenüber dem "Normaltarif" höheren Preis aus betriebswirtschaftlicher Sicht rechtfertigen, weil sie auf Leistungen des Vermieters beruhen, die zu dem von § 249 BGB erfassten, für die Schadenbeseitigung erforderlichen Aufwand gehören (vgl. BGH RuS 2005, 41, 43; BGH NJW 2005,1041; BGH NJW 2005,1043). Hierfür hat der geschädigte Kläger darzulegen und erforderlichenfalls zu beweisen, dass ihm unter Berücksichtigung seiner individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie der gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten unter zumutbaren Anstrengungen auf dem seiner Lage zeitlich und örtlich relevanten Markt kein wesentlich günstiger Tarif zugänglich war (vgl. BGH NJW 2005, 1933 ff). In diesem Rahmen ist ein vernünftiger und wirtschaftlich denkender Geschädigter schon unter dem Aspekt des Wirtschaftlichkeitsgebots gehalten, nach einem günstigeren Tarif zu fragen. Insbesondere liegt eine Nachfrage im eigenen Interesse des Geschädigten, weil er andernfalls Gefahr läuft, dass ihm ein nach den oben dargelegten Grundsätzen überhöhter Unfallersatztarif nicht in vollem Umfang erstattet wird. Dabei kann es je nach Lage des Einzelfalls auch erforderlich sein, sich anderweitig nach günstigeren Tarifen zu erkundigen (vgl. BGH VersR 1985, 1090; BGHZ 132, 373, 378).

Im Streitfall haben die Kläger hierzu nicht genügend belegt, dass der von ihnen mit dem Autovermieter vereinbarte Tarif nach den oben dargelegten Grundsätzen in seiner Struktur als "erforderlicher" Aufwand zur Schadensbeseitigung zu werten und deshalb im Rahmen des § 249 BGB erstattungsfähig ist.

Insoweit gilt es vorab zu berücksichtigen, dass die Beklagten zu Recht darauf hingewiesen haben, dass die Preise nach dem "Unfallersatztarif" der XXX deutlich über den Preisen des Normaltarifes - etwa des sog. Pauschaltarifes - liegen. Hierauf weist bereits das Mietvertragsformular hin; ein aufmerksamer Mietinteressent hätte hierzu nachfragen können und müssen.

Des Weiteren haben die Kläger hinsichtlich der Zugänglichkeit zum "Normaltarif" nicht ausreichend dargelegt, ob ihnen nicht tatsächlich ein günstigerer Tarif hätte bewilligt werden können. Hierfür ist es nach Auffassung der Kammer nicht ausreichend, dass der Zeuge XXX pauschal und ohne konkreten Bezug auf die Person der Kläger ausgesagt hat, der Normaltarif sei nur durch die vorherige Vorauszahlung des Mietpreises und durch die Leistung einer Sicherheit von 200,00 ? zu erlangen gewesen. Zum einen bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Kläger diesen Forderungen wirtschaftlich nicht nachkommen konnten. Insbesondere haben die Kläger ihr Unvermögen nicht durch Offenlegung ihrer Vermögensverhältnisse dargetan. Zum anderen lässt sich die Erlangung eines Normaltarifes bei einem Unfall auch in Ansehung der Eilbedürftigkeit regelmäßig ohne großen Aufwand prüfen. Ob und inwieweit hier eine solche Prüfung in Bezug auf den Normaltarif durch den Autovermieter bei den geschädigten Klägern stattgefunden hat, ist nicht erkennbar geworden. Wenn diese nämlich ohne Nachfrage im Vertrauen auf die Schadensersatzpflicht des Schädigers und seines Versicherers das Fahrzeug gemietet hätten, hätten sie bereits dadurch gegen die ihnen obliegenden Schadensminderungspflicht gemäß §254 BGB verstoßen.

Ferner kann das Fehlen einer Kreditkarte im Rahmen der Bonitätsprüfung durch Vorlage des Personalausweises und der Ec-Karte nebst taggenau ausgedruckten Kontostand behoben werden. Dass die Mietwagenbranche üblicherweise aus Bequemlichkeitsgründen den Weg über die Vorlage einer Kreditkarte wählt, kann indes im Rahmen des § 249 BGB dem Schuldner und dem dahinter stehenden Versicherer nicht angelastet werden. Denn regelmäßig ist es der Mietwagenunternehmer selbst, der dem Geschädigten den Unfallersatztarif anträgt und später für sich die finanziellen Vorteile reklamiert. Daher darf von ihm zur Meidung einer eigenen Schadensersatzpflicht wegen einer Unterlassung der gebotenen Vertragsaufklärung erwartet werden, dass er alle zumutbaren Anstrengungen unternimmt, um den Geschädigten in den Genuss des Normaltarifes kommen zu lassen; diese Frage ist indes nicht Gegenstand dieses Rechtsstreites.

Gleichfalls kann der Fahrbedarf im vornherein durch den Geschädigten jedenfalls überschlägig geschätzt werden. Ihm ist seine nähere Zukunftsplanung - die Reparatur seines Fahrzeuges - regelmäßig bekannt, so dass ihm diese Überlegung vor Abschluss des Mietvertrages abverlangt werden kann. Ebenso kann von Seiten des Mietwagenunternehmers auch bei unklarer Reparaturdauer durch eine prognostizieren Betrachtung die voraussichtliche Reparaturdauer, die gewöhnlich nie mehr als den Zeitraum von ungefähr 2 Wochen ( vgl. hierzu KG VersR 1987, 822) überschreiten wird, geschätzt und flexibel - etwa durch eine Kombination von Tages- und Wochentarif - ausgestaltet werden.

Außerdem bestand aufgrund des Unfallverlaufes und des Regulierungsverhaltens der Beklagten zu 3) hier kein Risiko eines Ausfalls mit der Ersatzforderung wegen falscher Bewertung der Anteile am Unfallgeschehen durch die Kläger, so dass nicht erkennbar ist, warum den Klägern die Erlangung des Normaltarifes nicht möglich gewesen sein soll. Auf ein etwaiges Aufklärungsverschulden des Autovermieters können sich die Kläger jedenfalls im Verhältnis zu den Beklagten nicht berufen, weil sich diese ein solches Fehlverhalten nicht nach § 278 BGB zurechnen lassen müssen.

Schließlich hätten die Kläger auch erwägen müssen, ob es tunlich gewesen wäre, sich an den Versicherer der Beklagten zu 1) und 2) - die Beklagte zu 3) - mit der Bitte um die Gestellung eines Mietwagens zu wenden. Nach den Erfahrungen der Kammer in Verkehrsunfallsachen sind Haftpflichtversicherer im Falle, dass - wie hier - die Haftung dem Grunde nach unstreitig ist, regelmäßig bereit, bei der Beschaffung eines günstigen Mietwagens behilflich zu sein.

Unabhängig davon haben die Kläger an hand des von ihnen geltend gemachten Unfallersatztarifes nicht hinreichend dargetan, dass die konkrete Unfallsituation einen gegenüber dem "Normaltarif" höheren Preis aus betriebswirtschaftlicher Sicht rechtfertigt. Dies kann weder mit den allgemeinen Ausführungen des Zeugen XXX oder den lediglich pauschal vorgetragenen Risiken der Mietwagengestellung noch mit den in der schadensrechtlichen Literatur ( u.a. NZV 2005, 171; Göhringer in ZfS 2004, 438; Wenning in NZV 2005, 169) niedergelegten allgemeinen Überlegungen begründet werden. Insofern hätte es den Klägern oblegen, darzulegen, welche konkreten Mehrkosten im Vergleich zum Normaltarif mit der Vermietung der Fahrzeuge zum Unfallersatztarif tatsächlich anfallen. In diesem Zusammenhang können sich die Kläger auch nicht erfolgreich auf ein möglicher Weise bestehendes Informationsdefizit berufen, weil sie die Rechte des Autovermieters im Wege der gewillkürten Prozessstandschaft geltend machen, so dass sie von diesem Auskunft erwarten dürfen und diese gegebenenfalls gerichtlich durchsetzen können.

Daher war der die Höhe des den Klägern zuzuerkennenden FreisteIlungsanspruch nach § 287 ZPO zu schätzen. Ausgehend von der Tatsache, dass der Tagespauschaltarif für 35,00 bis 40,00 ? bei der XXX zu erlangen ist, hat die Kammer hier einen vermittelnden Tagessatz von 37,50 ? zugrunde gelegt und diesen mit der geltend gemachten Nutzungsdauer von 14 Tagen multipliziert, so dass sich ein Gesamtfreistellungsanspruch von 525,00 ? ergibt. Auf diesen Betrag ist die Mehrwertsteuer von 16 v.H. entsprechend einem Betrag von 84,00 ? hinzuzusetzen, da sich aus der Vernehmung des Zeugen Fink ergibt, dass es sich hierbei um Nettoangaben gehandelt hat. Mithin errechnet sich ein Gesamtschadensbetrag von 609,00 ?.

Der Zinsfreistellungsanspruch ist gemäß §§ 286, 288 BGB; Art. 229 § 1 S. 3, § 5 EGBGB in der seit dem 01. Januar 2002 gültigen Fassung begründet.

Die Kostenentscheidung richtet sich nach §§ 92 Abs.1, 100 Abs.1 u. 4 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils und zum Streitgegenstandswert folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713, 108, 3, 4 ZPO; 3 Abs. 1, 43,47 GKG.

Die Entscheidung über die Nichtzulassung der Revision beruht auf § 543 Abs. 2 ZPO, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat sowie die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichtes nicht erfordert.

RechtsgebietSchadenrechtVorschriften§ 249 BGB

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