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08.03.2006 · IWW-Abrufnummer 060745

Finanzgericht Niedersachsen: Beschluss vom 19.09.2005 – 3 V 281/05

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


NIEDERSÄCHSISCHES FINANZGERICHT

BESCHLUSS

vom 19.09.2005
Az.: 3 V 281/05

Orientierungssatz: Einkommensteuer 1996 - 2002(Aussetzung der Vollziehung)
Strafbefreiende Erklärung §§ 3 Abs. 1, 7 SraBEB


Tatbestand
Die Parteien streiten im Hauptsacheverfahren, ob die Antragsteller für die Streitjahre eine wirksame strafbefreiende Erklärung abgegeben haben.

Der Antragsteller war seit 1996 Mitglied eines Verwaltungsbeirates, für die er in den Streitjahren einen pauschalen Aufwendungsersatz von DM xx jährlich erhielt..

In den Einkommensteuererklärungen der Streitjahre gab er diesen erhaltenen Aufwendungsersatz zunächst nicht an.

Mit formlosen Schreiben vom 15.10.2004 , eingegangen beim Finanzamt am 19.10.2004, teilten die Antragsteller diesen Sachverhalt dem Finanzamt mit.

Am 27.10.2004 erklärten die Antragsteller sodann auf dem nach dem Strafbefreiungserklärungsgesetz (StraBEG) vorgeschriebenen amtlichen Vordruck die Einnahmen für die Jahre 1996 bis 2002. Sie errechneten dabei vorschriftsmäßig auch die nachzuentrichtenden Abgaben.

Das Finanzamt für Fahndung und Strafsachen leitete aufgrund des Schreibens vom 15.10.2004 ein Strafverfahren wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung von Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag gegen die Antragsteller ein. Es teilte weiter mit, dass das Schreiben vom 15.10.2004 als strafbefreiende Selbstanzeige gewertet werde. Für die danach eingereichte strafbefreiende Erklärung trete keine Strafbefreiung mehr ein, da die unterlassenen Angaben bereits durch die Selbstanzeige nachgeholt worden seien.

Die Antragsteller erklärten, das Schreiben vom 15.10.2004 sei nicht als Selbstanzeige zu werten, dieses ergebe sich schon aus dem zeitlichen Zusammenhang mit der Erklärung vom 27.10.2004.

Mit Schreiben vom 16.11.2004 haben die Antragsteller die Erklärung vom 15.10.2004 angefochten. Diese Erklärung gelte daher nach den allgemeinen Grundsätzen des § 119 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) als nicht abgegeben.

Der Antragsgegner allerdings ging weiter von einer Selbstanzeige aus und änderte die Einkommensteuerbescheide für die Streitjahre aufgrund der nacherklärten Aufwandsentschädigungen.

Die Antragsteller legten Einspruch ein und beantragten Aussetzung der Vollziehung.

Nach Ablehnung des Antrages begehren sie nunmehr gerichtlichen Rechtsschutz.

Die Erklärung vom 15.10.2004 dürfe nicht isoliert betrachtet werden, denn aufgrund des zeitlichen Zusammenhanges mit der strafbefreienden Erklärung vom 27.10.2004 hätten die Antragsteller den Lebenssachverhalt entsprechend ihren von Beginn an bestehenden Vorstellungen erklärt. Hätten sie die Erklärung vom 15.10.2004 als strafbefreiende Erklärung gekennzeichnet, lediglich die Form nicht eingehalten und innerhalb der zu beachtenden Frist eine formwirksame Erklärung nachgeholt, wäre dies anzuerkennen gewesen.

Die Antragsteller hätten von vornherein beabsichtigt, eine strafbefreiende Erklärung abzugeben. Sie hätten allerdings nicht gewusst, dass diese Erklärung auf einem gesonderten Formblatt abzugeben gewesen wäre. Sie seien vielmehr wie üblich davon ausgegangen, dass sie die nicht erklärten Beträge formlos erklären können.

Die Antragsteller beantragen, die streitigen Einkommensteuerbeträge für die Jahre 1996 bis 2002 von der Vollziehung auszusetzen.

Der Antragsgegner beantragt, den Antrag abzulehnen.

Er hält an seiner bisherigen Rechtsauffassung fest.

Die Vorschriften des § 119 BGB über die Anfechtung von Willenserklärungen wegen Irrtums seien im übrigen im öffentlichen Recht nicht sinngemäß anzuwenden. Vielmehr würden diese nur auf Willenserklärungen anzuwenden sein, die Bestandteil privater Rechtsgeschäfte seien. Eine Anwendung auf einseitige Erklärungen sei ausgeschlossen.

Der Antrag ist unbegründet.

1. Die Aussetzung der Vollziehung soll gemäß § 69 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 zweiter Halbsatz FGO erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsaktes bestehen, wenn bei summarischer Prüfung des angefochtenen Verwaltungsaktes neben für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige, gegen die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes sprechende Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung von Rechtsfragen oder Unklarheiten in der Beurteilung von Tatsachen bewirken (vgl. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 10. Februar 1984 III B 40/83, BStBl II 1984, 454 und vom 30. Dezember 1996 I B 61/96, BStBl II 1997, 466). Solche Umstände sind im vorliegenden Fall nicht gegeben.

a) Nach § 3 Abs. 1 Satz 2 StraBEG ist die strafbefreiende Erklärung nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck abzugeben und eigenhändig zu unterschreiben. Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 StraBEG hat der Erklärende den nach § 1 zu entrichtenden Betrag selbst zu berechnen.

Die strafbefreiende Erklärung ist somit eine Steueranmeldung mit der Besonderheit, dass entgegen § 168 Satz 1 AO (Abgabenordnung) der Vorbehalt der Nachprüfung nicht besteht (§ 10 Abs. 2 Satz 1 StraBEG).

Anders als für die Selbstanzeige nach § 371 AO, für die eine bestimmte Form nicht vorgeschrieben ist, ist die strafbefreiende Erklärung nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck abzugeben. Dadurch macht der Erklärende zugleich deutlich, dass er Strafbefreiung und Abgeltungswirkung nach § 1 StraBEG begehrt. Die Verwendung des Vordrucks grenzt allerdings auch die strafbefreiende Erklärung zur Selbstanzeige nach § 371 AO ab.

Ist, wie bei der strafbefreienden Erklärung, die Erklärung nach Vordruck vorgeschrieben, sind sonstige formlose Schreiben, auch wenn sie sämtliche in der Erklärung zu machende Angaben enthalten, nicht als Steuererklärung anzusehen (BFH-Beschluss vom 26. März 1999, X B 196/98, BFH/NV 1999, 1309; Klein, Kommentar zur Abgabenordnung, § 150 Rz. 3). Durch die Gesetzesformulierung ?nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck? wird die Verwendung privater Vordrucke unter der Voraussetzung für zulässig erklärt, dass sie in allen Einzelheiten dem amtlichen Muster entsprechen (vgl. BFH-Urteile vom 13. April 1972 V R 16/69, BStBl II 1972, 725; vom 15. Oktober 1998 IV R 18/98, BStBl II 1999, 286; vom 21. Oktober 1999 V R 76/98, BStBl II 2000, 214; vom 4. Juli 2002 V R 31/01, BStBl II 2003, 45). Hierdurch wird sichergestellt, dass der Antrag alle Angaben enthält, die die Finanzverwaltung im Regelfall als entscheidungserheblich ansieht (BFH-Urteil vom 21. Oktober 1999, V R 76/98, BStBl II 2000, 214). Wird dagegen ein Antrag oder eine Steuererklärung, die nicht in allen Einzelheiten dem amtlichen Vordruck für den maßgebenden Zeitraum entspricht, gestellt, so ist er ebenso unwirksam wie bei Verwendung eines nicht entsprechend übereinstimmenden privaten Vordrucks (BFH-Urteil vom 4. August 1999, Az: III R 60/97, BStBl II 1999, 791).

b) Im Streitfall entspricht das formlose Schreiben vom 15.10.2004 unstreitig nicht dem amtlichen Vordruck. Eine wirksame strafbefreiende Erklärung ist in dem Schreiben vom 15.10.2004 nicht zu sehen.

Dieser Formfehler ist auch nicht durch nachträgliche Abgabe der strafbefreienden Erklärung am 27.10.2004 geheilt worden.

Die Verwaltung will dem Steuerpflichtigen zwar die Möglichkeit einräumen, binnen eines Monats formale Mängel der Erklärung auszuräumen (BMF-Schreiben vom 3.2.2004 IV A 4 - S 1928 - 18/04, BStBl I 2004, 225, Tz 12.5). Dieses setzt aber nach Verwaltungsansicht voraus, dass eine strafbefreiende Erklärung abgegeben worden ist.

Diese allerdings liegt im Streitfall gerade nicht vor, da die Erklärung nicht nach amtlichem Vordruck abgegeben worden ist. Daher ist auch kein Raum für eine nach Verwaltungsauffassung mögliche Ergänzung der Erklärung.

c) Die Abgabe einer strafbefreienden Erklärung ist nicht mehr möglich, wenn für den gleichen Sachverhalt bereits eine Selbstanzeige nach §§ 371, 378 AO vorliegt. Nach § 7 StraBEG nämlich tritt Straf- und Bußgeldfreiheit nicht ein, soweit die Tat bereits entdeckt war und der Erklärende dies wusste oder damit rechnen musste. Im Fall der Selbstanzeige ist lediglich darauf abzustellen, inwieweit der fragliche Sachverhalt der Finanzbehörde bereits bekannt geworden ist; es ist ohne Bedeutung, ob die Selbstanzeige unwirksam geblieben ist (Schwarz, Kommentar zur Abgabenordnung § 7 StraBEG Rz. 11).

Hier ist dem Antragsgegner durch das formlose Schreiben vom 15.10.2004 der gesamte steuerlich relevante Nachversteuerungssachverhalt für die Streitjahre bekanntgeworden. Allein aufgrund dieser Angaben war die Finanzbehörde in die Lage versetzt, nunmehr für diese Jahre die richtige Einkommensteuer zu ermitteln und festzusetzen. Damit haben sich die Antragsteller die Möglichkeit genommen, diesen Lebenssachverhalt der Finanzbehörde gegenüber nochmals durch strafbefreiende Erklärung anzuzeigen. Selbstanzeige nach §§ 371, 378 AO und strafbefreiende Erklärung schließen einander aus. Eine Selbstanzeige kann nicht durch nachträglich ergänzende Angaben und Abgabe nach amtlichem Vordruck zur strafbefreienden Erklärung erweitert werden. Ist der Sachverhalt dem Finanzamt einmal bekannt geworden, ist ausschließlich auf das die Bekanntgabe verursachende Ereignis abzustellen. Dieses war im Streitfall das formlose, als Selbstanzeige zu wertende Schreiben vom 15.10.2004.

d) Die Antragsteller können diese Selbstanzeige auch nicht dadurch rückgängig machen, indem sie die Anfechtung der Erklärung nach § 119 BGB geltend machen. Auf die Wirksamkeit der Selbstanzeige kommt es, wie oben aufgezeigt nicht an, allein entscheidend ist die seitens der Finanzbehörde erlangte Kenntnis.

Ein Klärungsbedarf für die von den Antragstellern geltend gemachten Anfechtungsrechte nach § 119 BGB ergibt sich außerdem deshalb nicht, weil die Erklärung von hier im Streit befindlichen Besteuerungsgrundlagen auf Wissenserklärungen und nicht auf Willenserklärungen beruht (BFH--, Urteil vom 8. Juli 1983 VI R 80/81, BStBl II 1984, 13; BFH-Beschluss vom 13. Dezember 2000 V B 190/00, BFH/NV 2001, 737-738).

Die Vorschriften des BGB über die Anfechtung von Willenserklärungen wegen Irrtums gelten darüber hinaus nur für Willenserklärungen, die Bestandteile privater Rechtsgeschäfte sind. Im öffentlichen Recht kommt eine sinngemäße Anwendung dieser Vorschriften allenfalls in Betracht, wenn es sich um ähnliche Rechtsverhältnisse handelt, wie z.B. beim Abschluss öffentlich rechtlicher Verträge, dagegen nicht bei einseitigen Anträgen, die private Personen an Behörden richten. Hier bestimmt sich ausschließlich nach öffentlichem Recht, ob die Erklärung berichtigt, ergänzt oder widerrufen werden kann (BFH-Urteil vom 11. Januar 1967 I 78/65, BStBl. III 1967, 208, 208 f; BFH-Urteil vom 9. April 1975 I R 55/73, BStBl. II 1975, 616).

Der Antrag war daher abzuweisen.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

RechtsgebietEinkommensteuer

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