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03.03.2006 · IWW-Abrufnummer 060618

Verwaltungsgericht Düsseldorf: Urteil vom 23.01.2006 – 25 K 2643/05

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Verwaltungsgericht Düsseldorf
25. Kammer

Urteil

Aktenzeichen: 25 K 2643/05

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand:

Die Kläger sind Eigentümer des Grundstücks B Straße 89 in 00000 L.

Mit Bescheid über Steuern und sonstige Abgaben 2005 vom 24. Januar 2005 zog der Beklagte die Kläger wegen dieses Grundstücks auf der Grundlage eines gemeindlichen Hebesatzes von 475 % u.a. zu Grundsteuer für das Jahr 2005 in Höhe von 493,10 Euro heran.

Der dagegen gerichtete Widerspruch der Kläger wurde durch den Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 25. Mai 2005 als unbegründet zurückgewiesen.

Am 15. Juni 2005 haben die Kläger Klage erhoben, zu deren Begründung sie im Wesentlichen Folgendes geltend machen: Die Erhebung der Grundsteuer sei rechtswidrig, weil sie gegen Verfassungsrecht sowie kommunales Haushalts- und Steuerrecht verstoße. Der Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG werde verletzt, in dem die Grundsteuer sich als "Sonder-Vermögensteuer" nur für Grundbesitzer auswirke. Ferner sei die Grundsteuer eine Steuer auf den Vermögensbestand im Sinne einer Sollertragsteuer; das persönliche und familiäre Gebrauchsvermögen sei von einer Sollertragsteuer abzuschirmen. Schließlich verstoße die Festsetzung des Grundsteuer-Hebes8tzes auf 475 % gegen das Gebot der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit.

Die Kläger beantragen,

den Bescheid über Steuern und sonstige Abgaben 2005 des Beklagten vom 24. Januar 2005 insoweit aufzuheben, als die Heranziehung zu Grundsteuern betroffen ist, und den Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 25. Mai 2005 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte verneint einen Verstoß gegen Verfassungsrecht und sieht die kommunal-rechtlichen Grundsätze zur Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit nicht als verletzt an.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Der die Grundsteuer festsetzende Bescheid über Steuern und sonstige Abgaben 2005 des Beklagten vom 24. Januar 2005 und sein Widerspruchsbescheid vom 25. Mai 2005 sind rechtmäßig und verletzen die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Der obige Bescheid findet seine Ermächtigungsgrundlage in § 27 Abs. 1 Grundsteuergesetz (GrstG) in Verbindung mit der Satzung der Stadt L über die Festsetzung der Realsteuerhebesätze für das Haushaltsjahr 2002 sowie der Haushaltssatzung 2005.

Die Grundsteuer ist mit der Verfassung vereinbar. Zunächst wird der Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG nicht dadurch verletzt, dass Grundstückseigentümer zu Grundsteuer herangezogen werden, während das Vermögensteuergesetz durch Beschluss des 2. Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 22. Juni 1995 - 2 BvL 37/91 - (BVerfGE 93,121 folgende) als unvereinbar mit dem Grundgesetz erklärt worden ist und nur bis zum 31. Dezember 1996 angewandt werden durfte. Art. 106 Abs. 2 Nr. 1 GG bestimmt, dass das Aufkommen der Vermögensteuer den Ländern zusteht; Art. 106 Abs. 6 Satz 1 GG trifft die Regelung, dass das Aufkommen der Grundsteuer den Gemeinden zusteht, wobei gemäß Art. 106 Abs. 6 Satz 2 GG den Gemeinden das Recht einzuräumen ist, die Hebesätze der Grundsteuer im Rahmen der Gesetze festzusetzen. In dem Beschluss vom 22. Juni 1995 - a.a.O. - hat das Bundesverfassungsgericht auf die Wertverzerrungen zwischen den Einheitswerten des Grundbesitzes und den Wertansätzen des übrigen Vermögens abgestellt und zur Vermögensteuer entschieden, dass dann, wenn der Gesetzgeber für das gesamte steuerpflichtige Vermögen einen einheitlichen Steuersatz bestimmt, eine gleichmäßige Besteuerung nur in den Bemessungsgrundlagen der je für sich zu bewertenden wirtschaftlichen Einheiten gesichert werden kann. Die Bemessungsgrundlage muss deshalb auf die Ertragsfähigkeit der wirtschaftlichen Einheiten sachgerecht bezogen sein und deren Werte in ihrer Relation realitätsgerecht abbilden. § 10 Vermögensteuergesetz ist jedenfalls seit dem Veranlagungszeitraum 1983 mit Art. 3 Abs. 1 GG insofern unvereinbar, als er den einheitswertgebundenen Grundbesitz, dessen Bewertung der Wertentwicklung seit 1964/74 nicht mehr angepasst worden ist, und das zu Gegenwartswerten erfasste Vermögen mit demselben Steuersatz belastet.

Die Ermittlung der Grundsteuer erfolgt in drei selbstständigen, aufeinanderfolgenden Verfahrensstufen, nämlich im Einheitswertverfahren, dem auf dem Einheitswert aufbauenden Steuermessbetragsverfahren und dem auf dem Steuermessbetrag beruhenden Steuerfestsetzungsverfahren. Der Einheitswert ist ein Wert, der für bestimmte Steuergegenstände in einem gesonderten Verfahren nach den Vorschriften des Bewertungsgesetzes festgestellt wird (§ 19 BewG). Die Einheitswerte werden jeweils auf den Beginn eines Kalenderjahres festgestellt; bei der Hauptfeststellung werden die Einheitswerte allgemein festgestellt. Die letzte auch heute noch für die Grundsteuer maßgebliche Hauptfeststellung hat zum 1. Januar 1964 stattgefunden, die hierbei ermittelten Einheitswerte wurden ab dem 1. Januar 1974 angewendet. Nach § 21 Abs. 1 BewG soll die Hauptfeststellung der Einheitswerte für den Grundbesitz jeweils in Zeitabständen von 6 Jahren durchgeführt werden. Abweichend von § 21 Abs. 1 BewG muss der Zeitpunkt der auf die Hauptfeststellung 1964 folgenden nächsten Hauptfeststellung der Einheitswerte des Grundbesitzes durch besonderes Gesetz bestimmt werden (Art. 2 Abs. 1 BewÄndG 1965 vom 13.8.1965 i.d.F. des Art. 2 BewÄndG 1970 vom 22.7.1970). Ein solches Gesetz ist bis zum heutigen Tag nicht beschlossen worden, sodass weiterhin Werte von 1964 für Grundbesitz Anwendung finden. Das vom Gesetzgeber ursprünglich gewollte Modell der in regelmäßigen Abständen von 6 Jahren durchgeführten Hauptfeststellung der Einheitswerte ist tatsächlich nicht umgesetzt worden. Die Einheitswerte erreichen bei weitem nicht die tatsächlichen Verkehrswerte der Grundstücke. Die aus Vorstehendem folgende Ungleichbehandlung von einheitswertgebundenem Grundbesitz, dessen Bewertung der Wertentwicklung seit 1964/74 nicht mehr angepasst worden ist, und dem zu Gegenwartswerten erfassten Vermögen führte zu dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 22. Juni 1995 - a.a.O. -.

Da der Gesetzgeber hinsichtlich der Vermögensteuer keine Neuregelung der Bewertung der Immobilien traf, entfiel die Vermögensteuer mit dem 1. Januar 1997. Verfassungswidrigkeit der Grundsteuer folgt daraus jedoch gleichzeitig nicht. Tatsächlich enthält das Grundgesetz ein Verfassungsrecht der Grundsteuer nicht. Es belässt für die Ausgestaltung der Steuerrechtsordnung vielmehr einen prinzipiell weiten Spielraum und legt die Entscheidungen zu Gegenstand, Maßgabe und Ausmaß der Besteuerung weitestgehend in die Hände des Gesetzgebers, der für sie und ihre weitreichenden Auswirkungen die politische Verantwortung trägt. Das Bundesverfassungsgericht hat in der Entscheidung vom 22. Juni 1995 - a.a.O. - betont, auch der ruhende Bestand des Vermögens könne Anknüpfungspunkt für eine Steuerbelastung sein, wie dies insbesondere bei der Vermögensteuer und den Realsteuern - die Grundsteuer zählt zu den Realsteuern der Fall sei. Ausdrücklich hat das Bundesverfassungsgericht herausgestellt, vorgenannte Steuern würden "vom Grundgesetz bei Regelung der Ertragshoheit (Art. 106 Abs. 2 Nr. 1 und Abs. 6 GG) in ihrer historisch gewachsenen Bedeutung aufgenommen und als zulässige Form des Steuerzugriffs anerkannt". Diese Ausführungen erfolgten in Kenntnis dessen, dass das Vermögensteuergesetz als mit dem Grundgesetz unvereinbar erklärt werden würde. Aus dieser Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts entnimmt die Kammer, dass die Grundsteuer vom Grundgesetz als zulässige Form des Steuerzugriffs gerechtfertigt wird, ohne dies an die Erhebung einer Vermögensteuer zu koppeln. Das Grundgesetz stellt bei Regelung der Ertragshoheit (Art. 106 Abs. 2 Nr. 1 und Abs. 6 GG) anknüpfend an den ruhenden Bestand des Vermögens beide Steuerformen als zulässige Erhebungsformen dar, ohne sie zwingend miteinander zu verknüpfen. Wird die Grundsteuer als solche durch das Grundgesetz und durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts als zulässige Form des Steuerzugriffs anerkannt, erfolgt mithin eine von der Verfassung als zulässig gerechtfertigte Veranlagung, so liegt dem immanent die Aussage zu Grunde, dass diese Steuer nicht zugleich einen Verstoß gegen die Verfassung darstellt. Ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG ist mithin zu verneinen.

Die Grundsteuererhebung stellt sich des Weiteren in ihrer konkreten Ausformung, die persönliche Verhältnisse unberücksichtigt lässt, als verfassungsgemäß dar. Die für Sollertragsteuern wie die bis zum 31. Dezember 1996 geltende Vermögensteuer in dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 22. Juni 1995 - a.a.O. - entwickelten Grundsätze gelten für die Grundsteuererhebung nicht gleichermaßen.

Aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ist zunächst zu entnehmen, dass eine Vermögensteuer unter den Bedingungen des gegenwärtigen Steuerrechts von Verfassungs wegen nur als Sollertragsteuer verstanden und ausgestaltet werden kann. Das Bundesverfassungsgericht hat ausgeführt, die Vermögensteuer dürfe nur so bemessen werden, dass sie in ihrem Zusammenwirken mit den sonstigen Steuerbelastungen die Substanz des Vermögens, den Vermögensstamm, unberührt lässt und aus den üblicherweise zu erwartenden, möglichen Erträgen (Sollerträge) bezahlt werden kann. Ferner führt das Bundesverfassungsgericht in dem Beschluss vom 22. Juni 1995 - a.a.O. - aus, der steuerliche Zugriff auf das Vermögen belaste auch Wirtschaftsgüter, die der persönlichen Lebensführung des Steuerpflichtigen und seiner Familie dienten. Sie ermöglichten einen Freiheitsraum für die eigenverantwortliche Gestaltung seines persönlichen Lebensbereichs. Dieses Vermögen genieße einen besonderen Schutz. Es sichere die persönliche Freiheit des Einzelnen in Ergänzung der im Wesentlichen durch Arbeitseinkommen und Sozialversicherungsanspruch sowie durch Gewerbe und andere selbstständige Tätigkeit gewährten Sicherheit. Unter Berücksichtigung der steuerlichen Vorbelastung des Vermögens dürfe der Steuergesetzgeber daher in bestimmten Grenzen das vom Steuerpflichtigen zur Grundlage seiner individuellen Lebensgestaltung bestimmte Vermögen nicht durch weitere Besteuerung mindern. Er müsse deshalb jedenfalls die wirtschaftliche Grundlage persönlicher Lebensführung gegen eine Sollertragsteuer abschirmen. Soweit Vermögensteuerpflichtige sich innerhalb ihrer Ehe oder Familie auf eine gemeinsame - erhöhte - ökonomische Grundlage individueller Lebensgestaltung einrichten dürften, gebiete der Schutz von Ehe und Familie gemäß Art. 6 Abs. 1 GG, dass der Vermögensteuergesetzgeber die Kontinuität dieses Ehe- und Familiengutes achte.

Diese für die Vermögensteuer als Sollertragsteuer entwickelten Grundsätze sind auf die Grundsteuererhebung nicht übertragbar. Maßgeblich ist dies dem Beschluss des 1. Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 25. Oktober 1977 1 BvR 15/75 - (BVerfGE 46, 224 folgende) zu entnehmen. Das Bundesverfassungsgericht hat in diesem Beschluss ausgeführt, das Objektsteuerprinzip besage, das Steuerobjekt selbst (bei der Grundsteuer der Grundbesitz) solle ohne Rücksicht auf die persönlichen Verhältnisse der Beteiligten und ihre persönliche Beziehung zum Steuerobjekt erfasst werden. Im Weiteren betont das Bundesverfassungsgericht, es werde deshalb nicht auf die persönliche Leistungsfähigkeit abgestellt, der das Einkommensteuerrecht durch vielfältige Regelungen, wie z.B. den Grundfreibetrag, das Ehegattensplitting, die Steuerermäßigungen für Kinder und wegen außergewöhnlicher Belastungen, Rechnung trägt. Bereits aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ergibt sich mithin, dass für Objektsteuern andere Grundsätze gelten als für Sollertragsteuern, nämlich die persönliche Leistungsfähigkeit nicht maßgeblich ist.

Mit Beschluss vom 20. Dezember 2002 - 11 B 44/02 - hat der BFH (BFH/NV 2003,508 folgende) ausgeführt, dem Einheitswert als typisiertem gemeinen Wert wohne die Eigenschaft eines objektiven Werts inne, der unter Außerachtlassen persönlicher Verhältnisse zu ermitteln sei (vgl. § 9 Abs. 2 Satz 3 BewG). Die Familienverhältnisse des Grundstückseigentümers gehörten zu den persönlichen Verhältnissen. Da sowohl das Ertrags- als auch das Sachwertverfahren zu einem typisierten gemeinen Wert führen sollten, hätten persönliche Verhältnisse wie die Größe der das Grundstück am Bewertungsstichtag bewohnenden Familie unberücksichtigt zu bleiben. Der BFH wertet im Weiteren "von Verfassungs wegen offenkundig unbedenklich" die Tatsache, dass es für kinderreiche Familien keine Grundsteuervergünstigung gebe. Dies folge aus der Eigenschaft der Grundsteuer als Realsteuer. Die Verfassung könne zwar eine ehe- und familiengerechte Ausgestaltung des Steuerrechts gebieten; dies gelte jedoch nicht für alle Steuerarten gleichermaßen. So nehme etwa das Umsatzsteuerrecht in seiner gegenwärtigen Fassung keine Rücksicht auf die regelmäßig stärkere Belastung von Familien mit Kindern. Auch bei der Grundsteuer als Realsteuer bestehe ein Zwang, dem Schutzgedanken des Art. 6 Abs. 1 GG Rechnung zu tragen, nicht. Realsteuern belasteten Steuergüter ohne Rücksicht auf die persönlichen Verhältnisse und die persönliche Leistungsfähigkeit der Beteiligten.

Aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist Entsprechendes zu entnehmen. Ausweislich der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 15. April 1983 - 8 C 150/81 - (BVerwGE 67,123 folgende) ist die Grundsteuer ihrem Wesen nach eine ertragsunabhängige Objektsteuer, d.h. auf die Einziehung der Grundsteuer hat es grundsätzlich keinen Einfluss, ob das Steuerobjekt einen Ertrag abwirft oder nicht. Die Grundsteuer stellt eine Objektsteuer dar, die grundsätzlich auch von ertraglosen Grundstücken erhoben wird. Als maßgeblich wird mithin von dem Bundesverwaltungsgericht der Grundsatz der Ertragsunabhängigkeit herausgestellt, ein Abstellen auf Sollerträge steht dazu im Widerspruch. Diesen Grundsatz der Ertragsunabhängigkeit hat der Gesetzgeber durch die Bestimmung des § 33 GrStG nur für die dort geregelten Fälle durchbrochen. Der Gesetzgeber hat damit seiner Auffassung Ausdruck verliehen, in bestimmten Ausnahmefällen sei eine wesentliche Ertragsminderung als derart belastend anzusehen, dass die Einziehung der unverkürzten Grundsteuer für den Abgabepflichtigen nicht mehr zumutbar ist. Der Erlass ist jedoch auf vier Fünftel beschränkt. Dem Wesen der Grundsteuer als einer ertragsunabhängigen Objektsteuer steht die Regelung des § 33 GrStG nicht entgegen. Eine ertragsunabhängige Objektsteuer ist einer Sollertragsteuer nicht gleichzusetzen.

Darüber hinaus entspricht die Grundsteuer nach Auffassung des BFH, die die Kammer teilt, zudem in besonderem Maße dem Äquivalenzgedanken, wonach zwischen den Leistungen der Gemeinde für die Daseinsvorsorge und dem Grundsteueraufkommen ein enger Zusammenhang besteht und diese Leistungen für kinderreiche Familien etwa auf dem Gebiet der Kindergärten und Schulen besonders ins Gewicht fallen (vgl. BFH, Beschluss vom 20. Dezember 2002, a.a.O.). Zu dem Äquivalenzgedanken hat die Stellungnahme der Steuerreformkommission aus dem Jahre 1971 (vgl. Gutachten in Heft 17 der Schriftenreihe des BMF Seite 713 folgende) folgendes ausgeführt:

"Die Grundsteuer entspricht weitgehend dem Äquivalenzgedanken, vor allem im Bereich kleinerer, überschaubarer Gemeinden. Bei einer Abgabe, die ein großer Teil der Gemeindeeinwohner entweder unmittelbar oder mittelbar zu tragen hat, ergibt sich zwischen den Leistungen der Gemeinde für die Daseinsvorsorge und dem Steueraufkommen ein enger Zusammenhang, wobei natürlich im Einzelfall kein eindeutiges Verhältnis von Leistung und Gegenleistung besteht. Allerdings werden direkte Leistungen der Gemeinde für den Grundbesitz zum Teil durch Erschließungsbeiträge und Gebühren abgegolten, welche neben der Grundsteuer zu entrichten sind, so für den Bau von Anliegerstraßen, die Wasserversorgung, die Müllabfuhr u.dgl.. Jedoch kommen letztlich alle Verbesserungen der kommunalen Infrastruktur den Eigentümern bzw. Mietern des örtlichen Grundbesitzes zugute. Da hierfür kaum Gebühren und Beiträge, im Übrigen die Gebühren und Beiträge nicht kostendeckend erhoben werden, ist die Grundsteuer ergänzend ein äquivalentes Entgelt. Die Grundsteuer erfasst einen großen Kreis der Gemeindeeinwohner entweder unmittelbar als Grundstückseigentümer oder mittelbar, soweit sie als Kostenfaktor in die Mieten eingeht."

Diesen Äquivalenzgedanken hält die Kammer ebenfalls für gerechtfertigt, wobei auch zu bedenken ist, dass Leistungen der Gemeinde auf dem Gebiet der Daseinsvorsorge den Grundstückswert beeinflussen; attraktive Wohnorte führen zu steigenden Grundstückspreisen .

Der Äquivalenzgedanke spricht dagegen, aus dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 22. Juni 1995a.a.O. - verfassungsrechtlich bedingte Einschränkungen der Grundsteuerbelastung abzuleiten. Die Grundsteuer beruht auf einem äquivalenztheoretischen Ansatz, die Begründung des Schutzes des Einfamilienhauses im Bereich der Vermögensteuer folgt daraus, dass es sich um eine Sollertragsteuer handelt. Die grundsteuerliche Belastung von Einfamilienhausgrundstücken verfolgt jedoch eben nicht das Ziel, den hierin verkörperten potenziellen Vermögensertrag teilweise abzuschöpfen, sondern bezweckt eine Steuer für die dem Grundstück zugute kommenden Infrastrukturleistungen der Gemeinde,
vgl. zum Vorstehenden Stein, Die Einheitswert-Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts und ihre Bedeutung für die Grundsteuer, ZKF 1996, Seite 26 folgende.
Ergänzend sei darauf hingewiesen, dass der 2. Senat des BFH in mehreren Entscheidungen die Verfassungsmäßigkeit der Einheitsbewertung im Ertragswertverfahren bejaht hat,
vgl. BFH, Urteil vom 2. Februar 2005, BFH/NV 2005, 1182 folgende; BFH, Beschluss vom 22. Juli 2005, BFH/NV 2005, 1979 folgende; BFH, Beschluss vom 4. August 2005, BFH/NV 2005,1983 folgende und BFH, Beschluss vom 12. Oktober 2005, juris STRE 200551703.

In diesen Entscheidungen hat der BFH ausgeführt, es könne nicht angenommen werden, das Bundesverfassungsgericht werde im Rahmen eines Normenkontrollverfahrens nach Art. 100 Abs. 1 GG auf Verfassungswidrigkeit der maßgeblichen Vorschriften über die Grundstücksbewertung im Ertragswertverfahren erkennen. Die Einheitswerte des Grundbesitzes seien nur noch für die Grundsteuer von Bedeutung. Beschränkt auf die Grundsteuer sei aber zu berücksichtigen, dass die im Ertragswertverfahren festgestellten Einheitswerte des Grundbesitzes regelmäßig erheblich unter dem gemeinen Wert lägen, sodass schwer vorstellbar sei, eine Neuregelung der Einheitsbewertung werde rückbezogen auf den 1. Januar 1964 oder einen späteren Stichtag zu einer Herabsetzung der Einheitswerte führen. Wertverzerrungen bei der Bemessungsgrundlage seien bei der Grundsteuer wegen der geringeren steuerlichen Belastungswirkung verfassungsrechtlich in höherem Ausmaß hinnehmbar als bei der Vermögensteuer sowie der Erbschaftsteuer und Schenkungssteuer. Diese Gründe indizieren ebenfalls, dass der BFH die Verfassungsmäßigkeit der Grundsteuererhebung nicht in Frage stellt.

Die Erhebung der Grundsteuer durch das Grundsteuergesetz verstößt somit nicht gegen Verfassungsrecht. Desgleichen ist eine Verletzung des der Gemeinde durch § 25 Abs. 1 GrStG eingeräumten Ermessens in der Bestimmung der Höhe des Hebesatzes nicht gegeben. Die Gemeinde hat bei der Festsetzung der Hebesätze einen weitgehenden Ermessensspielraum, dieser ergibt sich aus der ihr verfassungsrechtlich garantierten Steuerhoheit. Die Festsetzung des Hebesatzes für die Grundsteuer B auf 475 % verstößt nicht gegen die haushaltsrechtlichen Grundsätze der Gemeindeordnung NRW, insbesondere nicht gegen das Subsidiaritätsgebot und das Gebot der sparsamen und wirtschaftlichen Haushaltsführung.

Gemäß § 77 Abs. 2 GO NRW hat die Gemeinde ihre Einnahmen aus speziellen Entgelten für erbrachte Leistungen zu beschaffen und ist berechtigt im Übrigen Steuern zu erheben, soweit ihre sonstigen Einnahmen nicht ausreichen. Selbst bei - wovon nicht auszugehen ist - Verletzung des Subsidiaritätsprinzips ergibt sich kein Anspruch auf Senkung des Hebesatzes der Grundsteuer B. Das Bundesverwaltungsgericht hat dazu in seinem Urteil vom 11. Juni 1993 (KStZ 1993 Seite 193 folgende) ausgeführt, bei der Beschaffung der zum Haushaltsausgleich erforderlichen Einnahmen würden die Gemeinden haushaltsrechtlich zwar insofern gebunden, als auf Steuerquellen nur zurückgegriffen werden dürfte, soweit die sonstigen Einnahmen nicht zur Deckung des Haushalts ausreichten (Subsidiaritätsprinzip). Daraus ließe sich indessen kein einklagbarer Anspruch der Steuerzahler auf Senkung der Hebesätze für die Steuer herleiten. Denn die Gemeinden seien haushaltsrechtlich nicht verpflichtet, einen durch Erhöhung der Leistungsentgelte etwa gewonnenen finanziellen Spielraum gerade zu einer Senkung des Hebesatzes der Steuer zu nutzen. In welchem Ausmaß sie zur Deckung ihres Finanzbedarfs aus den ihr zur Verfügung stehenden Steuerquellen schöpften, bliebe vielmehr ihrem Ermessen überlassen.

Ferner ist die Gemeinde gemäß § 75 Abs. 1 GO NRW verpflichtet, die Haushaltswirtschaft wirtschaftlich, effizient und sparsam zu führen. Art und Umfang der Haushaltswirtschaft werden wesentlich von den Aufgaben bestimmt, die die Gemeinde zu erfüllen hat. Im Rahmen ihrer Haushaltswirtschaft ist es der Gemeinde überlassen, auf welche Weise sie die ihr gesetzlich übertragenen und die freiwillig übernommenen Aufgaben finanziert. Sie muss dafür sorgen, dass die Einnahmen und Ausgaben haushaltsmäßig ausgeglichen sind. Zur Beschaffung der finanziellen Mittel, die dazu erforderlich sind, muss sie die ihr zur Verfügung stehenden Einnahmequellen ausschöpfen. Unter Zugrundelegung dieser Gesichtspunkte wird die haushaltsmäßige Ermessensgrenze erst dann überschritten, wenn ein Verbrauch von öffentlichen Mitteln festzustellen ist, der wirtschaftlich in keinem Fall mehr vertretbar ist und deshalb auch nicht mehr im Rahmen einer ordnungsgemäßen Verwaltung liegt,
vgl. Troll/Eisele, Grundsteuergesetz, Kommentar, 8. Auflage 2004 § 25 Randnote 4 m.w.N.; FG Berlin, Urteil vom 6. Oktober 2004, EFG 2005, 390 folgende: Grundsteuerhebesatz von 660 % rechtmäßig.

Ein sachlich nicht mehr vertretbarer Verbrauch öffentlicher Mittel ist nicht erkennbar; für eine derartige Überspannung des gemeindlichen Ermessens sind Anhaltspunkte insbesondere unter Berücksichtigung der Umstände, dass der Hebesatz von 475 % bereits seit 2002 gilt, insbesondere zuvor zuletzt im Jahre 1987 angehoben wurde und sich in vergleichbarem Rahmen anderer Städte hält, nicht erkennbar.

Die Kammer hat den Rechtsstreit nicht ausgesetzt, weil eine Aussetzung nach § 94 VwGO ein vorgreifliches Rechtsverhältnis voraussetzt; die Frage der Gültigkeit einer Rechtsnorm ist jedoch nach allgemeiner Meinung kein Rechtsverhältnis im Sinne von § 94 VwGO,
vgl. BVerwG, Beschluss vom 6. Dezember 1999, Buchholz 310 § 94 VwGO Nr. 13.

In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 22. Juni 1995 - a.a.O. - betont hat, die Erfordernisse verlässlicher Finanz- und Haushaltsplanung und eines gleichmäßigen Verwaltungsvollzugs für Zeiträume einer weitgehend schon abgeschlossenen Veranlagung rechtfertigten es, die Regelungen zur Vermögensbesteuerung für zurückliegende Kalenderjahre wie bisher weiter anzuwenden; das vorlegende Finanzgericht konnte deshalb seiner Entscheidung für die streitbefangenen Zeiträume das damals geltende Vermögen- und Bewertungsteuerrecht zu Grunde legen. Um eine stetige Veranlagung der Vermögensteuer zu gewährleisten, durfte das bisher geltende Recht bis zum 31. Dezember 1996 weiterhin angewendet werden. Nach derzeitigem Erkenntnisstand der Kammer spricht nichts dafür, dass unterstellt eine Unvereinbarkeitserklärung mit dem Grundgesetz würde erfolgen, diese für zurückliegende Veranlagungen Geltung beansprucht.

Die Klage war deshalb mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.

Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 167 Abs. 2 und Abs. 1 VwGO LV.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

RechtsgebietGrundsteuerVorschriftenArt. 3 Abs. 1 GG

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