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13.02.2006 · IWW-Abrufnummer 060470

Finanzgericht Hamburg: Urteil vom 30.06.2005 – VI 179/04

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


FINANZGERICHT HAMBURG

Aktz: VI 179/04

Entschdatum: 30.06.2005

Urteil - Senat
Rechtskraft: -

Tatbestand

Streitig ist, ob eine Steuerermäßigung für die Inanspruchnahme haushaltsnaher Dienstleistungen nach § 35a Abs. 2 Einkommensteuergesetz (EStG) wegen des Einbaus einer neuen Heizungsanlage beansprucht werden kann.

Der Kläger erzielte als Steuerbeamter Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit. Er ist Eigentümer eines durch notariellen Vertrag vom 28. Juli 1989 erworbenen und seit August 1990 selbst bewohnten Einfamilienhausgrundstücks.

Gegen den erklärungsgemäßen Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr vom 13. Februar 2004, durch den die Einkommensteuer auf 14.375 EUR festgesetzt wurde, legte er am 10. März 2004 Einspruch ein und beantragte eine Steuervergünstigung für die Ersetzung der zentralen Heizungs- und Warmwasserversorgung in seinem Haus. Diese erfolgte trotz Funktionsfähigkeit der alten Anlage nach einem Hinweis des Bezirksschornsteinfegermeisters im Vorgriff auf die Verschärfung der gesetzlichen Umwelt- und Abgasvorschriften. Drei Rechnungen des Installateurs, und zwar vom 27. Mai 2003 über 7.691,73 EUR sowie vom 1. Juli 2003 über 770,59 EUR und 800,63 EUR, letztere mit der Ergänzung: "Für sie verbleiben EUR 400,- einverstanden?", waren beigefügt. In diesen Rechnungen ist Arbeitslohn des Installateurs wirtschaftlich mit mindestens 3.000 EUR enthalten. Außerdem legte der Kläger die Rechnung des Bezirksschornsteinfegermeisters vom 27.05.2003 über 125,18 EUR für die Überprüfung und Abnahme der Heizungsanlage sowie Kopien der Überweisungsbelege vor. An den Installateur waren danach 7.691,73 EUR + 892,62 EUR = 8.584,35 EUR gezahlt worden.

Nachdem sich der Beklagte mit Schreiben vom 22.03.2004 auf das BMF-Schreiben vom 14. August 2003 bezogen hatte, wies er den Einspruch durch Einspruchsentscheidung vom 18.05.2004 als unbegründet zurück.

Dagegen richtet sich die am 28. Mai 2004 beim Gericht eingegangene Klage.

Der Kläger meint, die Voraussetzungen für die Steuerermäßigung nach § 35a Abs. 2 Satz 1 EStG seien erfüllt. Der Gesetzeswortlaut enthalte weitgehende Umschreibungen, die seitens der Verwaltung nicht durch interne Weisungen eingeschränkt werden könnten. Das Gesetz differenziere nicht nach Art der Dienstleistung und nehme insbesondere handwerkliche oder gesetzlich erforderliche Dienstleistungen nicht von der Förderung aus. Die Haushaltsnähe erfordere nur, dass die Leistungen hauswirtschaftliches Leben ermöglichen und sichern. Dies treffe für die Versorgung mit Strom, Gas, Wasser und Wärme zu. Da die Installation einer neuen Heizungsanlage die Versorgung des Haushaltes mit Strom, Wasser oder Wärme sicherstelle, sei sie eine haushaltsnahe Dienstleistung.

Der Kläger beantragt,
die Einspruchsentscheidung vom 18.05.2004 aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid für 2003 vom 13.02.2004 dahingehend zu ändern, dass die Einkommensteuer um die Steuerermäßigung nach § 35a Abs. 2 EStG von 600 EUR vermindert auf 13.775 EUR festgesetzt wird.

Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Er sieht sich durch das BMF-Schreiben vom 01.11.2004 (BStBl I, 958) gebunden.

Dem Senat hat die Einkommensteuerakte für das Streitjahr und ein Band Rechtsbehelfsakten vorgelegen. Die Beteiligten haben auf mündliche Verhandlung verzichtet.

Entscheidungsgründe

Die Entscheidung ergeht mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§ 90 Abs. 2 FGO).

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet, denn die Ersetzung einer zentralen Heizungsanlage ist keine haushaltsnahe Dienstleistung im Sinne des § 35a Abs. 2 EStG.

Für die Inanspruchnahme von haushaltsnahen Dienstleistungen, die in einem inländischen Haushalt des Steuerpflichtigen erbracht werden, ermäßigt sich gemäß § 35a Abs. 2 Satz 1 EStG die tarifliche Einkommensteuer, vermindert um die sonstigen Steuerermäßigungen, auf Antrag um 20 vom Hundert, höchstens 600 Euro, der Aufwendungen des Steuerpflichtigen, die nicht Betriebsausgaben, Werbungskosten oder Aufwendungen für eine geringfügige Beschäftigung im Sinne des § 8 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch darstellen und soweit sie nicht als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt worden sind. Voraussetzung für die Steuerermäßigung ist nach § 35a Abs. 2 Satz 3 EStG, dass die Aufwendungen durch Vorlage einer Rechnung und die Zahlung auf das Konto des Erbringers der haushaltsnahen Dienstleistung durch Beleg des Kreditinstituts nachgewiesen werden.

1. Der Begriff der haushaltsnahen Dienstleistungen ist streitig.
Nach Verwaltungsansicht (BMF-Schreiben v. 01.11.2004, BStBl I, 958 = Anhang 17b ESt-Hb) gehören zu den haushaltsnahen Dienstleistungen alle Tätigkeiten, die auch Gegenstand eines haushaltsnahen Beschäftigungsverhältnisses im Sinne von § 35a Abs. 1 Satz 1 EStG sein können. Begünstigt seien daher z.B. die Inanspruchnahme haushaltsnaher Tätigkeiten über eine Dienstleistungsagentur, die Tätigkeit eines selbstständigen Fensterputzers oder Pflegedienstes sowie Gartenpflegearbeiten durch einen selbstständigen Gärtner. Haushaltsnahe Dienstleistungen beschränkten sich auf Tätigkeiten, die gewöhnlich durch Mitglieder des privaten Haushalts erledigt würden und in regelmäßigen kürzeren Abständen anfielen. Handwerkliche Arbeiten, die im Regelfall von Fachkräften durchgeführt werden, wie Reparaturen und Wartungen von Heizungsanlagen, Elektro-, Gas- und Wasserinstallationen, die Reparatur von Haushaltsgeräten usw., gehörten nicht dazu. Handwerkliche Tätigkeiten in der zu eigenen Wohnzwecken genutzten Wohnung des Steuerpflichtigen seien nur begünstigt, wenn es sich um Schönheitsreparaturen oder kleine Ausbesserungsarbeiten handele. Sie seien insoweit nicht begünstigt, als sie zu Herstellungskosten für den Grund und Boden oder das Gebäude führten (z.B. die erstmalige Errichtung einer Gartenanlage, das Pflanzen einer Hecke oder der Einbau einer Sonnenmarkise).

Das Finanzgericht Rheinland-Pfalz hat sich der Verwaltungsauffassung angeschlossen (Urteil vom 2. September 2004, 4 K 2030/04, DStRE 2004, 1341, EFG 2004, 1769 betr. Einbau neuer Innentüren und eines neuen Bades). Die Gesetzesbegründung belege mit ihrer Umschreibung der haushaltsnahen Tätigkeiten, dass von der einkommensteuerlichen Förderung nur typischerweise und mit einiger Regelmäßigkeit im laufenden privaten Haushalt anfallende Tätigkeiten umfasst werden sollten. Für eine weiter gehende Auslegung der Norm des § 35a EStG bestehe kein Raum. Denn die Vorschrift stelle gesetzessystematisch eine bloße Lenkungsnorm dar, die nicht nur eine Ausnahme von dem in § 12 EStG zum Ausdruck kommenden Grundsatz bewirke, dass Aufwendungen für die Lebensführung die steuerliche Bemessungsgrundlage nicht mindern dürften, sondern eine direkte Subvention bestimmter, vom Steuerpflichtigen für seine Privatsphäre in Anspruch genommener Dienstleistungen gewähre. Die Anwendung habe sich deshalb eng an dem in der Gesetzbegründung (BTDrucks 15/91 vom 14. November 2002, S. 19 f.) umschriebenen Förderzweck zu orientieren. Dort werde ausgeführt, die Kommission "Moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt" habe eine steuerliche Förderung von Dienstleistungen in privaten Haushalten vorgeschlagen, um einen Anreiz für Beschäftigungsverhältnisse im Privathaushalt zu schaffen und die Schwarzarbeit in diesem Bereich zu bekämpfen. Zur Umsetzung dieses Zieles solle für die Inanspruchnahme haushaltsnaher Dienstleistungen eine Steuerermäßigung gewährt werden. Haushaltsnah sei das Beschäftigungsverhältnis oder die Dienstleistung, wenn es eine haushaltsnahe Tätigkeit zum Gegenstand habe. Haushaltsnahe Tätigkeiten seien die Zubereitung von Mahlzeiten im Haushalt, die Reinigung der Wohnung des Steuerpflichtigen, die Gartenpflege und die Pflege, Versorgung und Betreuung von Kindern, Kranken, alten Menschen und pflegebedürftigen Personen. Die Steuerermäßigung des § 35a Abs. 2 EStG solle für derartige haushaltsnahe Tätigkeiten gewährt werden, die nicht im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses erbracht werden, z.B. wenn der Steuerpflichtige seine Fenster durch ein Unternehmen reinigen lasse.

Weitere Rechtsprechung zu § 35a EStG liegt - soweit aus Juris ersichtlich - noch nicht vor.

Dem Finanzgericht Rheinland-Pfalz haben sich Fischer (in Kirchhof, EStG-KK, § 35a, Rdnr. 2), Glanegger (in Schmidt, EStG, 25. Aufl. 2005, § 35a, Rdnr. 5) und Frotscher (EStG, § 35a, Rdnr. 8, 20) angeschlossen. Umbauarbeiten am Wohnhaus, größere Reparaturen, die üblicherweise von Handwerkern erledigt würden sowie Dienstleistungen, bei denen die Lieferung von Waren eine erhebliche Bedeutung habe (z.B. Partyservice) seien nicht begünstigt. Nagler (in Korn, EStG, § 35a, Rdnr. 11) führt aus, die Einbeziehung aller Tätigkeiten im oder am Haushalt entspreche zwar dem Gesetzeszweck, sei aber wegen einer nach § 12 EStG unerwünschten uferlosen Abzugsfähigkeit privater Lebensführungskosten abzulehnen.

Barein (in Littmann, EStG, § 35a, Rdnr. 20) hält Handwerkerleistungen für begünstigt, soweit es sich nicht um Reparatur-, sondern um Wartungs- oder Reinigungsarbeiten handele.

Demgegenüber umfasst nach Auffassung von Morsbach (Rezension der Entscheidung des FG Rheinland-Pfalz, EFG 2004, 1771) eine "haushaltsnahe Dienstleistung" alle, d.h. auch handwerkliche, Tätigkeiten, die mit dem Haushalt oder der Führung des Haushalts zusammenhängen, sofern kein Herstellungsaufwand vorliegt.

Georg Schmitt meint ebenfalls (DB 2005, 256; zustimmend Erhard, in Blümich, EStG, § 35a, Rdnr. 15), die Formulierung "haushaltsnahe Dienstleistung" könne vor dem Hintergrund der Gesetzesbegründung nur so interpretiert werden, dass hierzu alle handwerklichen Tätigkeiten gehörten, die in irgendeiner Weise mit dem Haushalt oder der Führung des Haushalts zusammen hingen. Die restriktiven Anweisungen des BMF-Schreibens vom 01.11.2004 (BStBl I, 958) würden der Absicht des Gesetzgebers nicht gerecht.

2. Der vorstehend dargelegte Meinungsstreit, dessen Klärung der Kläger - nicht nur im eigenen, sondern auch im allgemeinen Interesse - erstrebt, betrifft die "Haushaltsnähe", d.h. insbesondere die Frage, ob eine Dienstleistung nur dann "haushaltsnah" ist, wenn die Tätigkeit üblicherweise von Haushaltsmitgliedern ausgeführt werden kann, was bei dem Erfordernis besonderer fachlicher oder handwerklicher Qualifikation ausscheidet. Hierauf kommt es im Streitfall indessen nicht an. Denn die Lieferung und der Einbau einer neuen Heizungsanlage lässt sich bereits begrifflich nicht als Dienstleistung verstehen.

Der Begriff "Dienstleistung" bezeichnet Arbeiten und Leistungen, die nicht der Produktion von materiellen Gütern dienen (vgl. z.B. Duden-Wörterbuch, 1976; Wikipedia). Dies entspricht der Drei-Sektoren-Hypothese der Volkswirtschaftslehre, die zwischen einem Primärsektor (der Gewinnung von Rohstoffen), einem Sekundärsektor (dem produzierenden Gewerbe, etwa Industrie, Handwerk, Energiewirtschaft, Baugewerbe) und dem Tertiärsektor unterscheidet; zum Tertiärsektor gehören die Erbringung von Dienstleistungen, z.B. Handel, Verkehr, Logistik, Tourismus, Nachrichtenübermittlung, Kreditinstitute usw. Zivilrechtlich wird zwischen Dienstverträgen (§§ 611 ff. BGB) und Werk- sowie Werklieferungsverträgen (§§ 631 ff., 651 BGB) unterschieden, wobei erstere tätigkeits- und letztere erfolgsbezogen sind.

Die hier streitige Demontage der alten und der Einbau der neuen Heizungsanlage hat danach herstellenden, produzierenden und nicht Dienstleistenden Charakter. Denn es stand - anders als z.B. bei der Wartung und Kontrolle einer Heizungsanlage - nicht die persönliche Arbeit im Vordergrund, sondern Lieferung und Einbau der funktionstüchtigen Heizung. Durch diese Leistung wurde in Form der neuen Heizungsanlage etwas Dauerhaftes geschaffen. Die Leistung wurde nicht, wie dies für Dienstleistungen typisch ist, sogleich "verbraucht". Zivilrechtlich ist demnach auch kein Dienstvertrag gegeben.

Dieser Beurteilung steht nicht entgegen, dass ein erheblicher Arbeitseinsatz erforderlich war und die Lohnkosten des Installateurs einen bedeutenden Teil des Rechnungsbetrages ausgemacht haben. Denn die Herstellung eines Wirtschaftsgutes, die Produktion einer Ware, die Schaffung eines Werkes setzt stets - teils mehr, teils weniger - Arbeit voraus. Insoweit kann aber ebenso wenig für die Anwendung des § 35a Abs. 2 EStG zwischen der Lieferung des Materials und der für die Installation erforderlichen Arbeit differenziert und letztere als Dienstleistung angesehen werden wie der in den Anschaffungskosten eines Wirtschaftsgutes wirtschaftlich enthaltene Arbeitslohn oder die Betriebsbereitschaftskosten (§ 255 Abs. 1 Satz 1 HGB), z.B. die Kosten der Aufstellung und des Einfahrens einer Maschine (vgl. Glanegger, in Schmidt, EStG, 24. Aufl. 2005, § 6 Rdnr. 85), von den Anschaffungskosten getrennt werden können.

Auf die Frage, ob der Einbau der neuen Heizungsanlage zu Herstellungskosten des Gebäudes führt oder - im Falle der Vermietung anstelle der Selbstnutzung des Gebäudes durch den Kläger - Erhaltungsaufwand anzunehmen wäre, kommt es dabei nicht an. Denn die im Streitfall entscheidende Frage, ob der Kläger eine Dienstleistung bezogen hat, wird nicht dadurch beeinflusst, ob die angefallenen Kosten ertragsteuerlich gegebenenfalls sofort als Werbungskosten oder Betriebsausgaben abgezogen werden könnten oder auf die Restnutzungsdauer des Gebäudes verteilt werden müssten.

Die Kosten der Abnahme der Heizungsanlage durch den Schornsteinfeger können ebenfalls nicht als haushaltsnahe Dienstleistung angesehen werden, weil sie zu der nicht als Dienstleistung anzusehenden Schaffung der neuen Heizungsanlage gehören. Darüber hinaus steht ihrer Berücksichtigung entgegen, dass der Schornsteinfeger hoheitlich-kontrollierend tätig geworden ist.

Die Entscheidung über die Kosten ergibt sich aus § 135 Abs. 1 FGO. Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht gegeben (§ 115 Abs. 2 FGO). Der Streitfall eignet sich insbesondere nicht zur Klärung des Meinungsstreites, unter welchen Voraussetzungen Dienstleistungen haushaltsnah sind.

RechtsgebietEinkommensteuerVorschriften§ 35a EStG

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