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26.01.2006 · IWW-Abrufnummer 060117

Finanzgericht Schleswig-Holstein: Urteil vom 09.11.2005 – 5 K 55/05

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


SCHLESWIG-HOLSTEINISCHES
FINANZGERICHT

Az.: 5 K 55/05

Urteil vom 9. November 2005

Zur Veröffentlichung freigegeben ab: 14. Dezember 2005

Aktenzeichen des BFH: III R 74/05

Das Urteil wurde im Hinblick auf die Wahrung des Steuergeheimnisses gemäß § 30 Abgabenordnung überarbeitet.

5 K 55/05

In dem Rechtsstreit

wegen Kindergeld,

hat der 5. Senat des Schleswig-Holsteinischen Finanzgerichts am 9. November 2005 für Recht erkannt:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Die Revision wird zugelassen.

T a t b e s t a n d

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte berechtigt war, die Kindergeldfestsetzung für den Sohn A der Klägerin mit Ablauf des Monats Dezember 2004 wegen des Überschreitens des Jahresgrenzbetrages gemäß § 32 Abs. 4 Satz 2 Einkommensteuergesetz (EStG) aufzuheben.

Die Klägerin erhielt für ihren Sohn A, geboren 1983, Kindergeld. Nachdem A den Zivildienst (16. September 2003 bis 15. Juli 2004) abgeleistet hatte, setzte die Beklagte Kindergeld mit Bescheid vom 1. Juli 2004 ab Juli 2004 für den Sohn der Klägerin fest. Seit dem 1. September 2004 wird A - voraussichtlich bis zum 31. August 2006 - als Steueranwärter (Beamter auf Widerruf) für den mittleren Steuerverwaltungsdienst ausgebildet. Nach der von der Klägerin zu der Verwaltungsakte gereichten Ausbildungsbescheinigung beträgt die monatliche Ausbildungsvergütung ab September 2004 817,66 EUR, das Weihnachtsgeld für das Jahr 2005 voraussichtlich 539,65 EUR.

Die Beklagte ermittelte auf der Grundlage dieser Ausbildungsbescheinigung und unter Zugrundelegung von Werbungskosten in Höhe des Arbeitnehmer-Pauschbetrages von 920,00 EUR über dem Jahresgrenzbetrag von 7.680,00 EUR liegende Einkünfte und Bezüge des Sohnes der Klägerin für das Streitjahr (2005) und hob mit Bescheid vom 15. Dezember 2004 die Kindergeldfestsetzung mit Ablauf des Monats Dezember 2004 auf.

Hiergegen legte die Klägerin fristgemäß Einspruch ein. Zur Begründung machte sie höhere Ausbildungskosten ihres Sohnes geltend. Die einfache Entfernung zur Arbeitsstätte betrage 25 km; der mit dem Pkw zurückgelegte Weg zu dem öffentlichen Verkehrsmittel 6 km. Die Ausbildungsstelle werde zusammen mit der Berufsschule an 250 Tagen im Jahr von ihrem Sohn aufgesucht. Die Kosten für die öffentlichen Verkehrsmittel würden 528,00 EUR (12 x 44,00 EUR) betragen. Ferner habe ihr Sohn im Jahr 2004 Fachbücher in einer Gesamtsumme von 90,90 EUR angeschafft (Ausgabenbescheinigung der Ausbildungsbehörde) sowie einen Computer, der von ihrem Sohn wöchentlich zu je 10 Stunden privat und beruflich genutzt werde. Auf den Inhalt des zur Verwaltungsakte gereichten Vordrucks ?Angaben zu den Aufwendungen des Kindes für von ihm genutzte Computer und Zusatzgeräte? sowie die nicht auf den Namen des Sohnes der Klägerin lautenden Sammelrechnungen von Computer-/Elektronikversandhändlern sowie einer Barverkaufsrechnung vom 16. Dezember 2000 wird Bezug genommen.
Die Klägerin machte ferner geltend, dass ihr Sohn A monatlich 111,69 EUR an die Krankenkasse, im Jahr somit 1.340,28 EUR, zahle.

Die Beklagte wies den Einspruch mit Bescheid vom 6. April 2005 als unbegründet zurück. Die Einnahmen des Sohnes A aus dem Ausbildungsverhältnis würden im Jahr 2005 voraussichtlich 10.351,57 EUR betragen (12 x 817,66 EUR zuzüglich Sonderzahlungen in Höhe von 539,65 EUR). Davon seien Werbungskosten in einer Gesamthöhe von 1.886,58 EUR abzuziehen (im Einzelnen: Fahrten zur Ausbildungsstätte an 210 Tagen, 25 km x 0,30 EUR = 1.575,00 EUR; Fahrten zur Berufsschule an 40 Tagen, 12 km x 0,30 EUR = 144,00 EUR sowie anteilige öffentliche Verkehrsmittel, 528,00 EUR : 250 x 40 Tage = 84,48 EUR; PC-Kosten insgesamt 498,57 EUR, hälftige berufliche Nutzung verteilt auf drei Jahre: 83,10 EUR), so dass Einkünfte und Bezüge in Höhe von 8.464,99 EUR verblieben, die damit über der Jahreseinkunftsgrenze von 7.680,00 EUR (Jahr 2005) gemäß § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG lägen.

Hiergegen erhob die Klägerin am 25. April 2005 Klage. Zur Begründung trägt sie im Wesentlichen vor:

Die Kosten für den PC würden gemäß den Rechnungen 1.469,88 EUR betragen (Beweis: zur Gerichtsakte gereichte der bereits im Verwaltungsverfahren vorgelegten Rechnungskopien). Ferner seien die Aufwendungen für die Lehrbücher in Höhe von 90,90 EUR ebenso wenig berücksichtigt worden wie die von dem Sohn zu entrichtenden Beiträge als freiwillig gesetzliches Mitglied an die Krankenkasse von monatlich 111,69 EUR (Beitragsbescheinigung der Krankenkasse vom 2. Mai 2005 für die in der Zeit von September bis Dezember 2004 gezahlten Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge). Nach dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 11. Januar 2005 (2 BvR 167/02) seien die Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung (Renten-, Arbeitslosen-, Kranken- und Pflegeversicherung) bei der Berechnung des Grenzbetrages zu berücksichtigen. Die Nichtberücksichtigung dieser Kosten bei der Ermittlung des Grenzbetrages des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG verstoße gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Grundgesetz (GG). Dagegen könne auch nicht mit Erfolg eingewendet werden, die Entscheidung des BVerfG sei nur zu Pflichtbeiträgen zur Sozialversicherung ergangen, nicht jedoch zur Leistung freiwilliger Beiträge und daher auf diese letztgenannten Sachverhalte nicht anwendbar. Mit einem derartigen Einwand werde der Rechtsgedanke, der die Entscheidung des BVerfG trägt, verkannt. Der Grenzbetrag des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG sei verfassungs-konform so auszulegen, dass sowohl von den Bezügen als auch von den Einkünften nur diejenigen in den Jahresgrenzbetrag einfließen dürften, die zur Bestreitung des Unterhalts oder der Berufsausübung bestimmt oder geeignet seien. Auch die freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge ihres Sohnes als Beamtenanwärter gehörten zu den Beträgen, die nicht in den Grenzbetrag einfließen dürften, da sie ihrem Sohn nicht zur Bestreitung seines Lebensunterhalts zur Verfügung stünden und damit auch keine Entlastungswirkung bei ihr als Unterhaltsverpflichteter bewirken könnten. Die Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge ihres Sohnes seien unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung mit denen eines in der Wirtschaft mit Pflichtbeiträgen belasteten Aus-zubildenden gleichzusetzen. Eine davon abweichende Berücksichtigung der gleichen Kosten wäre sinnwidrig und verstieße gegen Art. 3 GG.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,
den Aufhebungsbescheid vom 15. Dezember 2004 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 6. April 2005 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Auffassung, dass die vorgenommene Berechnung der Einkünfte und Bezüge des Kindes A nicht zu beanstanden sei.

Die von der Klägerin zur Gerichtsakte gereichten Rechnungskopien hinsichtlich der Aufwendungen für einen Computer seien für sich allein nicht aussagekräftig. Die gekaufte Ware hätte genau bezeichnet und insbesondere der Bezug und Nutzen für die Ausbildung dargelegt werden müssen. Insgesamt sei der Vortrag zu unsubstantiiert, so dass ein weitergehender Ansatz der geltend gemachten Kosten nicht in Betracht käme.

Der von der Klägerin angeführte Beschluss des BVerfG vom 11. Januar 2005 zur Berechnung der Einkünfte und Bezüge ohne Einbeziehung der Sozialversicherungsbeiträge beziehe sich nicht auf die Beiträge zur freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherung eines Beamtenanwärters. Diese Beiträge könnten daher nicht in Abzug gebracht werden.

Die Klägerin ist von dem Berichterstatter darauf hingewiesen worden, dass ein ausreichender Nachweis der behaupteten Aufwendungen des Sohnes A für die Anschaffung eines Computers im Jahr 2004 nicht erbracht worden sei.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des übrigen Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie die beigezogene Kindergeldakte ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet.

Der angefochtene Aufhebungsbescheid vom 15. Dezember 2004 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 6. April 2005 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung -FGO-). Der Klägerin steht nach derzeitiger Prognose im laufenden Kalenderjahr ein Anspruch auf Gewährung von Kindergeld für ihren Sohn A nicht zu.

Nach § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG (2005) ist ein Kind, das das 18. aber noch nicht das 27. Lebensjahr vollendet hat und das für einen Beruf ausgebildet wird, nur dann zu berücksichtigen, wenn es Einkünfte und Bezüge, die zur Bestreitung des Unterhalts oder der Berufsausbildung bestimmt oder geeignet sind, von nicht mehr als 7.680,00 EUR im Kalenderjahr hat. Der Sohn der Klägerin befindet sich (voraussichtlich) während des gesamten Streitjahres (2005) in einer Berufsausbildung zum Steueranwärter. Seine Einkünfte und Bezüge in diesem Jahr werden den Grenzbetrag in Höhe von 7.680,00 EUR nach den derzeit bekannten Umständen überschreiten. Gemäß der Ausbildungsbescheinigung beträgt die monatliche Ausbildungsvergütung des Sohnes A der Klägerin im Streitjahr kalendermonatlich 817,66 EUR. Darüber hinaus steht dem Sohn eine zusätzliche Leistung (Weihnachtsgeld) in Höhe von voraussichtlich 539,65 EUR zu, so dass von Einnahmen in einer Höhe von insgesamt 10.351,57 EUR auszugehen ist.

Diese Einnahmen des Sohnes A sind weder um die von ihm zu entrichtenden Beiträge als freiwilliges Mitglied einer gesetzlichen Krankenkasse zu kürzen (a), noch liegen Ausbildungs-/Werbungskosten in einer den Betrag von 2.671,00 EUR überschreitenden Höhe vor (b) mit der Folge, dass dem Sohn A Einkünfte und Bezüge im Sinne des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG von mehr als 7.680,00 EUR (Jahresgrenzbetrag) zur Verfügung stehen werden.

a) Entgegen der Rechtsauffassung der Klägerin sind die Einnahmen bzw. Einkünfte ihres Sohnes A nicht um die Beiträge zur freiwilligen Krankenversicherung zu kürzen. Die Klägerin kann sich insoweit nicht auf den Beschluss des BVerfG vom 11. Januar 2005 (2 BvR 167/02, DStR 2005, 911) berufen.

Nach diesem Beschluss verstößt die Einbeziehung von - gesetzlichen - Sozialversicherungsbeiträgen eines Kindes in die Bemessungsgrundlage für den Jahresgrenzbetrag gemäß § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG zu Lasten der unterhaltsverpflichteten Eltern gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Das BVerfG führt hierzu unter anderem aus: ?Die Einbeziehung von Sozialversicherungsbeiträgen in die Bemessungsgröße für den Jahresgrenzbetrag gemäß § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG benachteiligt unterhaltsverpflichtete Eltern von Kindern, die sozialversicherungspflichtige Einkünfte oberhalb der Freigrenze beziehen gegenüber unterhaltsverpflichteten Eltern, deren Kinder keine Einkünfte und Bezüge haben oder solche Mittel in einer Höhe beziehen, die noch unterhalb der Freigrenze bleiben, jedoch dieselbe Höhe erreichen, die sich bei sozialversicherungspflichtigen Einkünften oberhalb der Freigrenze erst nach Abzug der Sozialversicherungsbeiträge ergeben würde. Die anderen Eltern kommen in den Genuss eines Ausgleichs für ihre durch Unterhaltsverpflichtungen geminderte finanzielle Leistungsfähigkeit durch Gewährung von Kindergeld oder Kinderfreibeträgen. Dagegen wird ein solcher Ausgleich in der Fallgruppe mit Sozialversicherungspflicht versagt, obwohl Einkünfte in Höhe der gesetzlichen Pflichtbeiträge für den laufenden Unterhalt des Kindes, unabhängig von einer Willensbetätigung der Beteiligten, von vornherein nicht verfügbar sind und deshalb eine unmittelbare Erhöhung der finanziellen Leistungsfähigkeit der Eltern nicht bewirken können.?

Für die Benachteiligung dieser Gruppe unterhaltsverpflichteter Eltern fehlten, so das BVerfG in seinem Beschluss weiter, hinreichende Gründe. Sie beruhe schon nach dem Zweck der Gewährung von Kindergeld zur Förderung der Familie auf sachwidrigen Differenzierungen und verletze deshalb den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG.

Mit dem Jahresgrenzbetrag für ?unschädliche? Einkünfte und Bezüge des Kindes werde bestimmt, ob und wie weit anderweitige finanzielle Entlastungen der Unterhaltsverpflichteten eine aus öffentlichen Haushalten finanzierte zusätzliche Entlastung ausschlössen. Stelle man bei dieser Abgrenzung auf Mittel ab, die eine effektive Entlastung der unterhaltsverpflichteten Eltern nicht bewirken könnten, so werde das folge-richtige Konzept des Gesetzes durchbrochen und einer Teilgruppe der durch Unterhaltspflichten belasteten Eltern die staatliche Entlastung zweckwidrig und deshalb ohne hinreichenden sachlichen Grund verweigert. Dies sei der Fall bei der Einbeziehung von Sozialversicherungsbeiträgen in den Jahresgrenzbetrag des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG. In Höhe dieser Beiträge, die vom Arbeitgeber abgeführt würden und deshalb nicht in den Verfügungsbereich des Arbeitnehmers gelangten, könnten Einkünfte des Kindes keine Minderung der Unterhaltslasten und somit auch keine Erhöhung der Leistungsfähigkeit der unterhaltsverpflichteten Eltern bewirken - unabhängig von deren Willen und vom Willen des unterhaltsberechtigten Kindes.

§ 32 Abs. 4 Satz 2 EStG sei deshalb verfassungskonform so auszulegen, dass von den Bezügen wie von den Einkünften nur diejenigen in die Bemessungsgröße des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG einfließen dürfen, die zur Bestreitung des Unterhalts oder der Berufsausbildung bestimmt oder geeignet seien. Danach seien (jedenfalls) diejenigen Beträge, die, wie die gesetzlichen Sozialversicherungsbeiträge, von Gesetzes wegen dem Einkünfte erzielenden Kind oder dessen Eltern nicht verfügbar seien und deshalb keine Entlastung bei den Eltern bewirken könnten, sondern anderen Zwecken als der Bestreitung des Unterhalts zu dienen bestimmt seien, nicht in die Bemessungsgröße des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG einzubeziehen.

Diese von dem BVerfG vorgenommene verfassungskonforme Auslegung der Vorschrift führt vorliegend jedoch nicht zu einer Kürzung der Einkünfte des Kindes um die von diesem entrichteten Krankenkassenbeiträge. Denn der Sohn A der Klägerin bezieht keine sozialversicherungspflichtigen Einkünfte. Der Abschluss der freiwilligen Krankenversicherung beruht auf einer Willensentscheidung des Kindes. Die Zahlungen erfolgen aus der dem Sohn der Klägerin zugeflossenen Ausbildungsvergütung und damit aus Einkünften, die zur Bestreitung seines Unterhalts bestimmt und geeignet sind.

Der Sohn A der Klägerin wird im laufenden Streitjahr als Steueranwärter für den Mittleren Steuerverwaltungsdienst ausgebildet. Ausweislich der zur Verwaltungsakte gereichten Ausbildungsbescheinigung der Ausbildungsbehörde ist er in das Beamtenverhältnis auf Widerruf (vgl. hierzu § 5 Abs. 2 Ziff. 1 Bundesbeamtengesetz) berufen worden.

Nach der geltenden Rechtslage erfüllen die Dienstherren in Bund und Ländern ihre Fürsorgepflicht gegenüber den Beamten in Krankheits-, Geburts- und Todesfällen durch die Gewährung von Beihilfen; sie soll den Beamten von den durch die Besoldung nicht gedeckten notwendigen Aufwendungen in angemessenem Umfang freistellen (vgl. Bundesverwaltungsgerichtsentscheidungen -BVerwGE- 19, 12; 22, 160, 164 f.). Beihilfeberechtigt sind auch (Widerrufs-)Beamte, soweit sie, wie der Sohn der Klägerin, Anwärterbezüge beziehen (vgl. § 2 Abs. 1 Ziff. 1, Abs. 2 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift über die Gewährung von Beihilfen in Krankheits-, Geburts- und Todesfällen, Beihilfevorschriften -BhV-). Da die Beihilfe regelmäßig nur einen bestimmten Vomhundertsatz der aus Anlass von Krankheits-, Geburts- und Todesfällen entstehenden Aufwendungen des Beamten abdeckt, setzt sie voraus, dass der Beamte aus seinen Mitteln für die Begleichung des übrigen Teils der Aufwendungen selbst Vorsorge trifft (vgl. BVerwGE 19, 10, 12 f.; 51, 193, 199 f.; 60, 212, 219 f.; 77, 345, 347 f.). Dem Beamten bleibt es dabei grundsätzlich überlassen, wie er die im Beihilfe-recht vorausgesetzte Eigenvorsorge für den Krankheitsfall trifft. Er ist nach geltendem Recht in der Wahl seiner Krankenvorsorge frei. Dieser Grundsatz der so genannten Vorsorgefreiheit besagt, dass der Beamte in eigener Verantwortung darüber entscheiden kann, in welchem Umfang, bei welchem Versicherungsunternehmen, zu welchen Versicherungsbedingungen und mit welcher eigenen Beitragsverpflichtung er Vorsorge treffen (BVerwGE 28, 174, 176) oder ob er anstelle einer Versicherung Rücklagen für den Krankheitsfall bilden will (BVerwGE 20, 44, 51). Hierfür stellt der Besoldungsgesetzgeber den Beamten einen Alimentationsteil zur Verfügung, mit dem er den von der Beihilfe nicht abgedeckten Teil der im Krankheitsfall zu erwartenden Aufwendungen begleichen soll (vgl. BVerfGE 79, 223, 234 f.; BVerwGE 57, 336, 338; 71, 342, 346 f.). Damit kommt der Dienstherr seiner Verpflichtung nach, dem Beamten - und seiner Familie - amtsangemessenen Unterhalt zu leisten (vgl. insgesamt BVerfGE 83, 89, 98 ff.).

Der Sohn der Klägerin hat sich vorliegend auf Grund der ihm zustehenden Entscheidungsfreiheit für den Abschluss einer freiwilligen gesetzlichen Krankenversicherung entschlossen. Anders als im Falle der gesetzlichen Sozialversicherungspflicht beruht die hieraus resultierende Beitragspflicht damit auf einem Willensentschluss des Kindes. Die Beitragszahlungen erfolgen mangels gesetzlicher Versicherungspflicht auch nicht - für das Kind zwangsweise - durch den Arbeitgeber, d.h. vorliegend der Ausbildungsbehörde. Vielmehr werden die Beiträge für die Krankenkasse aus der in den Verfügungsbereich des Kindes gelangten Ausbildungsvergütung beglichen. Diese Ausbildungsvergütung ist für den Sohn der Klägerin frei verfügbar und wird ihm als Beamten (auf Widerruf) entsprechend der Alimentationsverpflichtung der Ausbildungsbehörde gerade für seinen Unterhalt gezahlt. Die Anwärterbezüge stehen dem Kind damit - abgesehen von den Ausbildungs-/Werbungskosten (dazu unten unter b)) - in voller und ausgezahlter Höhe als Einkünfte, die zur Bestreitung des Unterhalts oder der Berufsausbildung bestimmt und geeignet sind, auch tatsächlich zur Verfügung und erhöhen somit die Leistungsfähigkeit der unterhaltsverpflichteten Klägerin, so dass sie vollumfänglich in die Bemessungsgröße des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG einzufließen haben.

Dieses Ergebnis ist, entgegen der Rechtsauffassung der Klägerin, auch nicht sinn- und gleichheitswidrig im Vergleich zu einem Auszubildenden, der sozialversicherungspflichtige Einkünfte bezieht. Denn das BVerfG hat in seinem Beschluss vom 11. Januar 2005 die Verletzung der (dortigen) Beschwerdeführerin in ihrem Grund-recht aus Art. 3 Abs. 1 GG und die Notwendigkeit einer verfassungskonformen Auslegung des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG in vorstehend beschriebenem Umfang nur darin gesehen, dass die Einkünfte im Sinne dieser Vorschrift um den Arbeitnehmeranteil des Kindes an den gesetzlichen Sozialversicherungsbeiträgen gleichsam ?erhöht? werden, obwohl diese Beträge unabhängig von dem Willen des Kindes sowie der unterhaltsverpflichteten Eltern dem Kind für Unterhaltszwecke tatsächlich gerade nicht zur Verfügung stehen. Eine derartige Auslegung würde, so das BVerfG, den Anforderungen an eine folgerichtige Ausgestaltung der verfassungskonkretisierenden Grundentscheidung des Gesetzes für die steuerliche Verschonung des familiären Existenzminimums und für eine weitergehende Familienförderung durch die Gewährung von Kinderfreibeträgen und Kindergeld nicht gerecht.

Dies trifft aber auf Ausbildungsvergütungen nicht zu, die dem Kind ungeschmälert um gesetzliche Sozialversicherungsbeiträge tatsächlich zufließen und die von ihrer Funktion für den Unterhalt des Kindes bestimmt und auch geeignet sind, wie es zumindest für Anwärterbezüge eines Beamten auf Widerruf auf Grund des Alimentationsgrundsatzes gilt. Nach Auffassung des erkennenden Senats lässt sich der Entscheidung des BVerfG jedenfalls nicht entnehmen, dass auch auf Grund einer freiwillig abgeschlossenen Krankenversicherung gezahlte Versicherungsbeiträge, mag der Abschluss einer derartigen Versicherung zumindest als Ergänzung der beihilferechtlichen Fürsorge auch sinnvoll sein, dem Kind ebenso nicht für seinen Unterhalt zur Verfügung stehen, wie die unabhängig vom Willen des Kindes vom Arbeitgeber abgeführten (hälftigen) Sozialversicherungsbeiträge. Denn das BVerfG ist gerade nicht, wie etwa der 7. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts in seinem Urteil vom 16. April 2003 (7 K 723/98 Ki, Entscheidungen der Finanzgerichte -EFG- 2003, 1250; vgl. auch Beschluss des gleichen Senats vom 8. September 2003, 7 K 119/02, EFG 2004, 408) zu dem Ergebnis gelangt, dass Einkünfte im Sinne des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG nicht Einkünfte im Sinne des § 2 Nr. 2 EStG seien, sondern nur ?ungebundene? Einkünfte, d.h. solche, die nicht durch Sonderausgaben (etwa Sozialversicherungsbeiträge) und außergewöhnliche Belastungen im Sinne eines existenzsichernden Grund- und Mehrbedarfs bereits anderweitig zweckgebunden sind. Vielmehr führt nicht jedes, gegebenenfalls auch freiwillig eingegangene (Sozial-)Versicherungsverhältnis - per se - zur Minderung der für den Unterhalt des Kindes bestimmten und geeigneten Einkünfte im Sinne des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG, sondern nur diejenigen, denen das Kind sich auf Grund gesetzlich zwingend angeordneter Versicherungspflicht nicht willentlich entziehen kann. Nur im letztgenannten Fall ist die Leistungsfähigkeit der unterhaltsverpflichteten Eltern mangels Zufluss der Ausbildungsvergütung in dieser Höhe und auf Grund der insoweit fehlenden Dispositionsmöglichkeit tatsächlich gemindert. Andernfalls würde - entgegen dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) - wesentlich Ungleiches gleich behandelt werden.

b) Die Einkünfte des Sohnes A der Klägerin werden auch nicht auf Grund von Ausbildungskosten unterhalb des Jahresgrenzbetrages liegen. Der Aufhebungsbescheid und die dazu ergangene Einspruchsentscheidung lassen insoweit ebenfalls keinen Fehler erkennen.

Die Beklagte hat die geltend gemachten Fahrtkosten zwischen der Wohnung des Sohnes und der Ausbildungsstätte bzw. der Berufsschule entsprechend der erklärten Angaben der Klägerin anerkannt. Für die Fahrten zwischen Wohnung und Ausbildungsstätte wurden gemäß der Regelung in § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Sätze 1 und 2 EStG die Entfernungspauschale von 0,30 EUR pro Entfernungskilometer angesetzt; die Kosten für die Fahrten zur Berufsschule anerkannte die Beklagte nach Dienstreisegrundsätzen (vgl. Verwaltungsanweisung des Bundesamtes für Finanzen vom 5. August 2004, DA 63.4.2.2 Buchstabe e der Dienstanweisung zur Durchführung des Familienleistungsausgleichs nach dem X. Abschnitt des EStG -DA-FamEStG-, Bundessteuerblatt -BStBl- I 2004, 742) mit 0,30 EUR je mit dem Pkw zurückgelegten Kilometer und, soweit die restliche Strecke von dem Sohn der Klägerin mit öffentlichen Verkehrsmitteln zurückgelegt wird, mit den geltend gemachten - anteiligen - Kosten des öffentlichen Personennahverkehrs. Die von der Beklagten vorgenommene Aufteilung der insgesamt von der Klägerin ohne nähere Angaben behaupteten 250 Fahrtage in 40 Berufsschultage und 210 Fahrten zur Ausbildungsstätte (vgl. DA 63.4.2.2 Buchstabe a Satz 4 DA-FamEStG, a.a.O.) begegnet keinen Bedenken und wird von der Klägerin auch nicht angegriffen.

Die Beklagte hat ferner zu Recht die von dem Sohn der Klägerin im Jahr 2004 entstandenen Kosten für Lehrbücher im Streitjahr nicht einkünftemindernd berücksichtigt, da die Klägerin weder substantiiert dargelegt noch glaubhaft gemacht hat, dass ihrem Sohn auch im Streitjahr vergleichbare Kosten entstanden sind oder voraussichtlich noch entstehen werden.

Kosten für die Anschaffung eines PC hat die Beklagte im Streitjahr in Höhe von 498,57 EUR anerkannt. Soweit die Klägerin behauptet, die Anschaffungskosten hätten insgesamt 1.469,88 EUR betragen, fehlt es - worauf die Klägerin durch den Berichterstatter hingewiesen wurde - an einem ausreichenden Nachweis. Den in Kopie zur Gerichtsakte gereichten, nicht auf den Sohn der Klägerin als Empfänger lautenden Rechnungen über zum Teil mehrfach ausgewiesene gleiche Bauteile vermag der erkennende Senat nicht ausreichend zu entnehmen, in welcher Höhe dem Sohn tatsächlich Anschaffungskosten für den Computer entstanden sind. Die Frage bedarf letztlich jedoch keiner weiteren Aufklärung. Denn selbst dann, wenn der Sohn der Klägerin tatsächlich den geltend gemachten Betrag von 1.469,88 EUR aufgewendet haben sollte, wären im Streitjahr entsprechend der behaupteten hälftigen Nutzung des Computers für Ausbildungszwecke und bei einem gewöhnlichen Nutzungs- und damit Abschreibungszeitraum von drei Jahren (vgl. AfA-Tabellen des BMF nach dem 31. Dezember 2000, BStBl I 2000, 1532 und 2001, 860) nur 245,00 EUR mindernd anstelle des bereits berücksichtigten anteiligen Betrages von 83,10 EUR in Ansatz zu bringen. Die Erhöhung der Werbungskosten um 161,90 EUR würde zu verbleibenden Einkünften von 8.303,09 EUR (bisher: 8.464,99 EUR abzüglich 161,90 EUR) führen mit der Folge, dass der Jahresgrenzbetrag von 7.680,00 EUR im Streitjahr gleichwohl überschritten wäre.

Die Entscheidung konnte im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung ergehen (§ 90 Abs. 2 FGO).

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 143 Abs. 1, 135 Abs. 1 FGO.

Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) zuzulassen.

RechtsgebietEStGVorschriften§ 32 Abs. 4 Satz 2 EStG

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