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15.12.2005 · IWW-Abrufnummer 053471

Finanzgericht Hamburg: Urteil vom 29.06.2005 – II 402/03

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


FINANZGERICHT HAMBURG

Aktz: II 402/03

Entschdatum: 29.06.2005
Urteil - Senat

Rechtskraft: -

Tatbestand

Die Beteiligten streiten sich darum, ob von der Klägerin als Reiseleiter beschäftigte Personen selbständig oder nichtselbständig tätig waren.

Die Klägerin führt Gruppenreisen in europäische Wintersportorte durch. Sie stellt den Kunden die Reise als Paket inklusive Fahrt, Unterkunft/Verpflegung und Reisebetreuung sowie Skiunterricht zur Verfügung. Zur Betreuung setzt sie Reiseleiter ein, die die jeweilige Gruppe von der Abfahrt in Hamburg bis zum Zielort und am Zielort selbst begleiten.

Für eine Reisegruppe von ca. 40 Teilnehmern werden im Allgemeinen 3 Reiseleiter eingesetzt. Bei den Reiseleitern handelt es sich zu 40 % um Studenten, im Übrigen um Angehörige der verschiedensten, selbständig oder nichtselbständig tätigen Berufsgruppen, die die Reiseleitertätigkeit in ihrer Freizeit ausüben. In der Regel sind die einzelnen Reiseleiter insgesamt nur für eine verhältnismäßig kurze Zeitdauer, z.B. während dreier Saisonzeiten, und pro Saison maximal für 2 Reisen im Einsatz. Ein Vertrag wird mit den Reiseleitern für die jeweilige, im Einzelnen bestimmte Reise geschlossen. In der Einleitung des Vertrages gem. Muster 1999/2000 wird der Vertrag als "freier Dienstvertrag" bezeichnet, der Reiseleiter in § 1 als "selbständiger Leistungsträger". Die späteren Vertragsmuster enthalten diese Bezeichnungen nicht. In § 1 (Wesen) heißt es "Der Reiseleiter führt zusammen mit weiteren Reiseleitern folgende ... Reise als Reiseleiter durch". Die Reiseleiter sind frei zu entscheiden, welche von der Klägerin angebotene Reise sie begleiten wollen. Die Reisedauer beträgt jeweils 1-2 Wochen.

Grundsätzlich wird als Reiseleiter nur bestellt, wer zuvor an einem 4-tägigen Ausbildungsseminar in den Alpen teilgenommen hat, in dem sowohl die Skitechnik, die Lehrfähigkeit (einschließlich Lehrprobe) als auch die allgemeine Eignung für eine Reiseleitertätigkeit geprüft werden. Die Kosten für die Teilnahme (in den Streitjahren zwischen 500 und 800 DM) haben die Reiseleiter selbst zu tragen. Auf die Teilnahme an diesem Seminar wird nur dann verzichtet, wenn ein entsprechender anderer Qualifikationsnachweis z.B. vom DSV vorgelegt wird. Daneben besteht die Möglichkeit, auf freiwilliger Basis durch weitergehende Ausbildungen Zusatzqualifikationen zu erlangen, die zu einer erhöhten Vergütung führen können. Die Vergütung erfolgte nach Tagessätzen, in den Jahren 1999/2000 zwischen 18 und 75 DM (ohne die Erhöhung für die Zusatzqualifikationen). Die Beträge wurden in den folgenden Jahren nur geringfügig geändert und an die Euro-Beträge angepasst. Die Kosten für die Skiausrüstung sind von den Reiseleitern selbst zu tragen. Demgegenüber übernimmt die Klägerin die Kosten für Fahrt, Unterkunft und Verpflegung (Halbpension). Die mitreisenden Reiseleiter bilden ein Team, wobei in der Regel einer der Reiseleiter als Hauptreiseleiter eingesetzt wird. Diese Funktion wird mit dem Vertragsschluss festgelegt und beeinflusst auch die Höhe der Vergütung. Es wird erwartet, dass der Hauptreiseleiter sich in Notfällen oder anderen Krisensituationen angesprochen fühlt und die zur Bereinigung der Situation erforderlichen Entscheidungen trifft. Die Funktion als Hauptreiseleiter wird nach der vorzuweisenden Erfahrung zugeordnet. Eine erhöhte Vergütung ist auch für diejenigen Reiseleiter vorgesehen, die zwar die Qualifikation für eine Hauptreiseleitung haben, aber nicht in dieser Funktion mitreisen, weil andere erfahrene oder erfahrenere Reiseleiter diese Funktion ausüben. Bei gleicher Qualifikation wird ggf. auch auf die Bestimmung eines Hauptreiseleiters verzichtet. Während in dem Vertragsmuster für 1999/2000 (§ 6) und 2001 (§ 2 Ziff. 7) noch ein ausdrückliches Weisungsrecht eines (Haupt)Reiseleiters gegenüber den anderen Reiseleitern vorgesehen ist (ohne ausdrückliche Benennung des Begriffs des Hauptreiseleiters in dem Muster für 2001), fehlt dieser Hinweis in dem Vertragsmuster für 2002. Den Reiseleitern werden eine Reisefibel und eine Skifibel an die Hand gegeben. Gem. § 2 Ziff. 2 und 3 des Reiseleiter-Vertragsmusters 1999/2000 hat die Freizeitgestaltung bzw. der Ski-Unterricht "entsprechend" den Hinweisen der Fibel zu erfolgen. Die Vertragsmuster für 2001 und 2002 enthalten in § 2 nur den Hinweis auf "Gestaltungshinweise" in den genannten Fibeln. In den Reiseleiter-Fibeln für 1999 und 2002 heißt es, dass der Haupt-Reiseleiter in Krisensituationen "- auch nach Rücksprache mit ... (Kläger) - ... sein Weisungsrecht nutzen kann" (S. 12 bzw. 10). In dem Reiseleiter-Vertrag für 2002 ist eine zusätzliche Verpflichtung zum Verkauf und zur Abrechnung der Produkte aus dem S-Shop aufgenommen (§ 2 Ziff. 5) und auf S. 12 der Reisefibel 2002 eine Provision hierfür vorgesehen. In den Vertragsmustern für 1999/2000 und 2001 fehlt eine entsprechende Klausel, während die Reiseleiter-Fibel 1999 insoweit nur eine "Sollregelung" ohne Hinweis auf eine Provision enthält (S.14). In allen Verträgen ist eine Provision für geworbene Neukunden geregelt (§ 2 Ziff. 8 Vertrag 1999/2000 und § 3 Ziff. 7 Vertrag 2001: 20 bis 30 DM, § 3 Ziff. 6 Vertrag 2002: 10 - 15 EUR). Sowohl die Reiseleiter-Fibel 1999 als auch 2002 (jeweils S. 3) weisen generell auf die Bedeutung der "Vertriebspflicht" hin, die nachfolgend mit der Verpflichtung zur Werbung für ... (S) und Kundenwerbung durch Verteilung von Werbematerial, Ansprache von Ski- und Snowboard-Fahrern erläutert wird. Die Bezahlung der vereinbarten Vergütung erfolgt nach Abrechnung im Anschluss an die Reise. In den Verträgen sind Honorarkürzungen (1999/2000 § 3 Ziff. 5) bzw. Vorbehalte (2001 § 3 Ziff. 5, 2002 § 3 Ziff. 4) für den Fall mangelhafter Leistung (2001, 2002) bzw. schwerer Pflichtverletzung (1999/2000) des Reiseleiters vorgesehen. In seltenen Einzelfällen wurde von dieser Honorarkürzung Gebrauch gemacht. Belege für erfolgte Honorarkürzungen wurden für das Jahr 1999 (Arbeitgeberakte - ArbGA - Bl. 171ff) vorgelegt. In Krankheits- oder anderen Verhinderungsfällen vor Reiseantritt wird der jeweilige Vertrag gekündigt. Fällt ein Reiseleiter während der Reise teilweise aus, erfolgt eine Vertretung bzw. Aufgabenverteilung innerhalb des Teams. Bei vollständigem Ausfall eines Reiseleiters insbesondere auch für die Durchführung der Skikurse wird nach Information und Zustimmung der Klägerin vor Ort eine örtliche Skischule beauftragt. Der ausgefallene Reiseleiter selbst erhält für die Zeit seines Ausfalls keine Vergütung. Die Klägerin hat eine Haftpflichtversicherung abgeschlossen, die ebenfalls Gegenstand der Reiseleiter-Verträge ist. Auf die eingereichten Kopien (Gerichtsakte - GA - Bl. 105ff) wird verwiesen.

Nach den Reiseleiter-Fibeln haben die Reiseleiter am Ende der Reise Kritik-Fragebögen an die Teilnehmer auszuhändigen (Muster GA Bl.85) und später einzusammeln; sie sind bei der Abrechnung nach Abschluss der Reise an die Klägerin weiterzugeben (S. 26, 27 Reiseleiter-Fibel 1999, S.24, 25 Reiseleiter-Fibel 2002).

Auf die vorgelegten Vertragsmuster für 1999/2000, 2001 und 2002 (GA Bl.86 - 88) und auf die Reiseleiter-Fibeln 1999 und 2002 sowie die Ski-Fibeln 1997 und 2002 wird verwiesen.

Im Anschluss an eine Lohnsteueraußenprüfung für den Zeitraum vom 01.12.1993 bis 31.07.1998 beantragte die Klägerin am 05.08.1999 (ArbgA I Bl. 157) bei dem Beklagten eine "verbindliche Auskunft" zur Einordnung der Reiseleiter als Arbeitnehmer oder selbständig tätige Personen. Daraufhin erteilte der Beklagte am 22.10.1999 eine "verbindliche Zusage" gem. § 204 AO (ArbgA I Bl. 175) mit dem Inhalt, dass die Reiseleiter als Arbeitnehmer anzusehen seien. Im Rahmen der Lohnsteueraußenprüfung für die Zeit vom 01.08.1998 bis zum 31.05.2002 stellte der Beklagte fest, dass die Klägerin für die Reiseleiter keine Lohnkonten führte und die Vergütungen nicht der Lohnsteuer unterwarf (Bericht vom 16.12.2002 ArbgA II Bl. 53ff, Tz 5). Unter dem 17.12.2002 erging daraufhin u.a. ein Haftungsbescheid u.a. über Lohnsteuer, Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer, (ArbgA II Bl. 51). Den hiergegen am 10.01.2003 "für die Jahre 2000 bis 2002" eingelegten Einspruch (Rechtsbehelfsakte - RbA - Bl. 2) wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 10.09.2003, zur Post gegeben am selben Tag, als unbegründet zurück (RbA Bl. 147). Darauf hat die Klägerin am 13.10.2003 Klage erhoben.

Die Klägerin trägt vor:
Nach der erforderlichen Gesamtabwägung aller Umstände seien die Reiseleiter keine Arbeitnehmer der Klägerin. Sie trügen unternehmerisches Risiko und könnten Unternehmerinitiative entfalten. So könnten sie u.a. durch Kundenwerbung und Verkauf von S-Artikeln zu einer Erhöhung ihrer Einnahmen beitragen. Hervorzuheben sei die Tatsache, dass die Reiseleiter die Kosten für die Ausrüstung und die Fortbildung selbst zu tragen hätten. Sie hafteten der Klägerin ungeachtet der abgeschlossenen Haftpflichtversicherung zudem unbeschränkt für die durch Pflichtverletzungen eingetretenen Schäden und verlören im Falle von Krankheit oder sonstiger Verhinderung ihren Vergütungsanspruch. Schon die kurze Dauer der Vertragsverhältnisse zeige, dass die Reiseleiter nicht in den Betrieb der Klägerin eingegliedert seien. Sie unterlägen auch nicht den Weisungen der Klägerin. Die Reiseleiter-Verträge beinhalteten auch in Verbindung mit den Reiseleiter- und Ski-Fibeln keine durchsetzbare Verpflichtung, einen bestimmten Reiseablauf einzuhalten. Diese Unterlagen dienten allein als Orientierung über einen möglichen Ablauf und ließen weitreichende Spielräume für die Entfaltung eigener Initiative. Schließlich handelten die Reiseleiter auch mit Gewinnerzielungsabsicht.

Die Klägerin beantragt,
den Haftungsbescheid über Lohnsteuer, Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer 2000 bis 5/2002 vom 17.12.2003 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 10.09.2003 dahingehend zu ändern, dass die Haftungssumme um folgende Beträge reduziert wird:

für 2000: Lohnsteuer EUR 1.114,62
Solidaritätszuschlag zur LSt EUR 61,29
Kirchensteuer ev EUR 44,58
Kirchensteuer rk EUR 44,58
für 2001: Lohnsteuer EUR 575,71
Solidaritätszuschlag zur LSt EUR 31,65
Kirchensteuer ev EUR 25,89
Kirchensteuer rk EUR 25,89
für 2002: Lohnsteuer EUR 15.742,00
Solidaritätszuschlag zur LSt EUR 865,42
Kirchensteuer ev EUR 693,56
Kirchensteuer rk EUR 497,68

Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Der Beklagte trägt vor:
Die Klägerin sei zwar nicht an die verbindliche Auskunft der Behörde gebunden; die erteilte Auskunft sei indes zutreffend. Die als Reiseleiter beschäftigten Personen seien in die betriebliche Organisation der Klägerin eingebunden und hinsichtlich Zeit und Ort ihrer Tätigkeit weisungsgebunden. Die Ausgestaltung der jeweiligen Reisen sowie die obligatorischen Schulungen seien in der jedem Reiseleiter ausgehändigten Reiseleiter-Fibel und der Ski-Fibel festgelegt. In dem Reiseleiter-Vertrag werde auf diese Unterlagen Bezug genommen. Dadurch würden die Reiseleiter an die von der Klägerin vorgegebenen Programme gebunden, es bestehe somit ein vorgegebener Pflichtenkatalog. Die in der Reiseleiterfibel vorgesehene Berichterstattung über den Verlauf der Reise und die Abrechnung der Reisekasse wiesen auf eine Kontrolle der Reiseleiter durch den Arbeitgeber hin. Die Freiheit der Reiseleiter, den Tagesablauf innerhalb der vorgegebenen Rahmenbedingungen zu gestalten und auftretende Probleme eigenverantwortlich zu lösen, sei in der Eigenart der Tätigkeit begründet. Eine Unternehmerinitiative sei nicht schon in der Werbung von Neukunden und dem Verkauf von S-Merchandising-Artikeln zu sehen; letzteres gehöre vielmehr zur vertraglichen Pflicht der Reiseleiter. Die Reiseleiter trügen kein Unternehmerrisiko, da sie feste Tagespauschalen erhielten, ihre Einnahmen nicht durch eine Steigerung ihrer Arbeitsleistung steigern könnten und die mit der Reise verbundenen Unkosten mit Ausnahme der Skiausrüstung von der Klägerin getragen werde. Sie hätten bei Krankheit nicht für Ersatz zu sorgen und riskierten bei Schlechtleistung allein eine Kürzung der Vergütung auf 0. Nach Ansicht des Beklagten seien weitergehende Schadensersatzansprüche durch den Reiseleiter-Vertrag abbedungen. Auch der Abschluss der Haftpflichtversicherung spreche für die Arbeitnehmereigenschaft der Reiseleiter. Schließlich fehle die Gewinnerzielungsabsicht; der Spaß an der Reise und der sportlichen Betätigung stünden im Vordergrund.

Dem Senat haben Band I und II der Arbeitgeberakten, ein Band Rechtsbehelfsakten nebst Exemplaren der Reiseleiter-Fibel 1999, 2002, 2003 und der Skifibel 9/1997 und 2002 vorgelegen.
Auf die Sitzungsniederschrift des Erörterungstermins vom 08.04.2005 wird verwiesen.
Die Beteiligten haben auf eine mündliche Verhandlung verzichtet.

Entscheidungsgründe

Der Senat entscheidet gem. § 90 Abs.2 Finanzgerichtsordnung (FGO) ohne mündliche Verhandlung.

I.
Die Klage ist zulässig und begründet.

Der Beklagte hat die Klägerin zu Unrecht als Haftende für auf die Reiseleitervergütungen entfallende Lohnsteuer nebst Annexsteuern in Anspruch genommen. Die Einkünfte, die die Reiseleiter durch ihre Tätigkeit für die Klägerin bezogen haben, stellen bei einer Gesamtwürdigung Einkünfte aus selbständiger Arbeit dar, für die eine Lohnsteuerpflicht nicht besteht.

1. Zunächst steht dem die erteilte verbindliche Auskunft gem. § 204 Abgabenordnung (AO) nicht entgegen. Sie enthält allenfalls eine Selbstverpflichtung - auf der Grundlage der für die der Auskunft zugrunde liegenden tatsächlichen Umstände - der Auskunft erteilenden Behörde, verpflichtet aber nicht den Antragsteller, dieser Auskunft zu folgen. Gleichermaßen hindert sie den Antragsteller nicht, Rechtsschutz gegen einen der Auskunft inhaltlich folgenden Steuerbescheid zu suchen, ohne die Auskunft selbst mit dem Rechtsmittel anzugreifen (Tipke/Kruse AO vor § 204 Tz. 12, 13, § 206 Tz. 18, 22, vor § 204 Tz. 74 zu § 42e EStG mit Hinweisen zu teilw. a.A. in der Lit. zu § 42e EStG; vgl. Schick in: Hübschmann/Hepp/Spitaler vor § 204 Rn. 53, 129: Bindungswirkung der Auskunft gem.§ 204 AO nur zu Gunsten des Steuerpflichtigen, demgegenüber Bindungswirkung auch einer negativen Auskunft gem. § 42e EStG; BFH Urteil vom 13.11.1959, VI 124/59 U, BStBl III 1960, 108 zur Lohnsteueranrufungsauskunft: kein Verwaltungsakt und keine Bindung des Arbeitgebers; zur bisherigen Rspr. auch BFH, Urteil vom 09.10.1992, VI R 97/90, BStBl II 1993, 166, 169; demgegenüber BFH, Urteil vom 08.06.1993, VIII R 125/92, BStBl II 1994, 666: Auskunft gem. § 204 AO als Verwaltungsakt). Dies folgt schon aus § 206 Abs.2 AO.

2. Arbeitnehmer ist derjenige, der im Rahmen eines Dienstverhältnisses seine Arbeitskraft schuldet (§ 1 Abs.1 Lohnsteuer-Durchführungsverordnung -LStDV-). Gem. § 1 Abs.2 LStDV liegt ein Dienstverhältnis vor, wenn die tätige Person in der Ausübung ihres geschäftlichen Willens unter der Leitung des Arbeitgebers steht oder im geschäftlichen Organismus des Arbeitgebers dessen Weisungen zu folgen verpflichtet ist, ohne ein Unternehmerrisiko zu tragen. Umgekehrt ist selbständig tätig, wer den Weisungen eines Dritten nicht zu folgen verpflichtet ist und auf eigene Rechnung und Gefahr arbeitet, wer Unternehmerinitiative entfaltet und Unternehmerrisiko trägt (Schmidt EStG 23. Aufl. § 18, 7; BFH, Urteil vom 02.12.1998, X R 83/96, BStBl II 1999, 535; BFH, Urteil vom 16.05.2002, IV R 94/99, BStBl II 2002, 565). Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, der der Senat folgt, ist das Gesamtbild der Verhältnisse maßgebend. Die für und gegen die Selbständigkeit sprechenden Merkmale, die im Einzelfall unterschiedlich gewichtet werden können, sind gegeneinander abzuwägen. Nicht ausschlaggebend ist dabei die sozial- und arbeitsrechtliche Einordnung der Tätigkeit als selbständig oder nicht selbständig, so dass auch die sozial- und arbeitsrechtliche Rechtsprechung zur sog. Scheinselbständigkeit die steuerrechtliche Beurteilung nicht vorprägt (BFH, Beschluss vom 29.07.2003, V B 22/03, n.v., juris). Allerdings können arbeits- oder sozialrechtliche Aspekte als Indizien gewertet werden (vgl. BFH, Urteil vom 23.10.1992, VI R 59/91, BStBl II 1993, 303,306). Eine in der Natur der übernommenen Aufgabe liegende insbesondere zeitliche und räumliche Bindung oder andere Weisungen zur Ausübung der Tätigkeit schließen die Selbständigkeit nicht notwendig aus (BFH, Urteil vom 14.09.1967, V 108/63, BStBl II 1968, 193, 194; Urteil vom 16.05.2002 a.a.O. S. 566 zur Einbeziehung eines Verkehrsflugzeugführers in die Dienstpläne des Flugpersonals bzgl. Ort und Zeit der Leistungserbringung; Urteil vom 02.12.1998 a.a.O. zum Rundfunkermittler, der Schwarzhörer aufspürt). Gerade in typisch selbständigen Tätigkeitsbereichen, wie z.B. dem Auftritt eines Künstlers, ist auch der Inhalt der Tätigkeit, nämlich der Darbietung, von dem Auftraggeber festgelegt (Kirchhof/Söhn EStG § 19 Rn. B 131 Lfg. November 1995; s.a. B 134: bei einer hochspezialisierten Arbeit wie z.B. die eines Synchronsprechers könne u.U. trotz Weisungsbefugnis des Regisseurs Selbständigkeit vorliegen; vgl. hierzu BFH, Urteil vom 03.08.1978, VI R 212/75, BStBl II 1979, 131). Umgekehrt spricht eine in der Natur der Sache liegende Eigenverantwortlichkeit nicht zwingend für eine selbständige Tätigkeit (mit Hinweis auf die apothekenrechtlichen Vorschriften BFH, Beschluss vom 20.02.1979 a.a.O. zur fachlich eigenverantwortlichen Entscheidungsbefugnis der Urlaubsvertretung eines Apothekers). Insgesamt wird der Bindung hinsichtlich der Art oder des Inhalts der Tätigkeit von dem Bundesfinanzhof eine eher untergeordnete Bedeutung beigemessen (vgl. BFH, Urteil vom 14.09.1967 a.a.O., BStBl II 1968, 193, 194 und Urteil vom 03.10.1961, I 200/59 S, BStBl III 1961, 567). Zu Recht wird entscheidend auf die Verbindung der Weisungsunterworfenheit mit der Eingliederung in den Betrieb des Auftraggebers abgestellt (BFH, Urteil vom 14.10.1976, V R 137/73, BStBl II 1977, 50, 51; vgl. a. BFH, Urteil vom 14.09.1967 a.a.O. S. 194: Weisungsbefugnis muss Folge der Eingliederung sein). Dabei stehen die Art der Arbeit und die Weisungsbefugnis des Auftraggebers insofern in einem Wechselverhältnis zueinander, als bei einfachen Arbeiten schon organisatorische Dinge betreffende Weisungen den Beschäftigten in der Ausübung der Arbeit festlegen und damit in den Organismus des Betriebes eingegliedert erscheinen lassen (BFH, Urteil vom 24.07.1992 a.a.O. S. 157).

Auch der erkennbare Wille eines Vertragspartners oder beider Vertragsparteien kann als Indiz für oder gegen das Bestehen eines Dienstverhältnisses herangezogen werden, sofern der Wille tatsächlich durchgeführt wurde (Schmidt EStG a.a.O. §19 Rn. 8 m.w.N.; BFH, Urteil vom 24.07.1992, VI R 126/88, BStBl II 1993, 155).

Unter Berücksichtigung der vorerwähnten Rechtsgrundsätze sind die Vergütungen Einkünfte aus selbständiger Arbeit.

Angesichts des jeweils nur für die kurze Zeit einer Reise geschlossenen Vertrages ist die erforderliche organisatorische Eingliederung in den Betrieb des Arbeitgebers besonders sorgfältig zu prüfen (s.a. Finanzgericht Hamburg, Urteil vom 24.09.1987, II 39/85, EFG 1988, 120). Hierfür genügt es nach Ansicht des Senats im Ergebnis nicht, dass die Zeit und der Ort der Reisen durch das Programm der Klägerin festgelegt waren. Denn die Reiseleiter hatten die Möglichkeit, frei zu entscheiden, ob bzw. an welchen der angebotenen Reisen sie teilnehmen wollten.

Schon aufgrund der örtlichen Entfernung der Reiseleitertätigkeit vom Sitz des Auftraggebers und da eine sich an spontanen situationsbedingten Anforderungen orientierende Arbeitsweise unerlässlich war, waren Vorgaben der Klägerin allenfalls in eingeschränktem Umfang möglich. Die Anleitungen in den Reiseleiter- und Skifibeln dienten im Wesentlichen dazu, einen gewissen Standard der Reisen sicherzustellen und den Reiseleitern als Hilfestellung zu dienen. Dies wird durch die Formulierung in den Reiseleiter-Verträgen insbesondere nach den Mustern für die Jahre ab 2001 bestätigt. Dabei stellt der in den Anleitungen geschilderte äußere Ablauf (Procedere betr. Anfahrt, Ankunftstag, Abreisetag, tägliche Reiseleitertreffen) eine praktische Selbstverständlichkeit für eine Gruppenreise dar. Der Ablauf im Übrigen betreffend das Rahmen- bzw. Unterhaltungsprogramm erfordert auch nach der Reisefibel erhebliche Eigeninitiative und eigenständige Planung. Es werden allein Möglichkeiten der Programmgestaltung aufgezeigt. Die Vorgaben für den Ablauf der Skikurse erscheinen nach dem Inhalt der Skifibeln zunächst rigider (Leistungsgruppen mit festgelegtem Programm für die einzelnen Tage, dann Neigungsgruppen). Insbesondere für die Neigungsgruppenbildung werden allerdings nur Vorschläge unterbreitet, die die Notwendigkeit eigener Entscheidung je nach den Gegebenheiten vor Ort mit sich bringen.

Die insgesamt bestehende Notwendigkeit zum eigenständigen Mitdenken und Planen sowie die geforderte Vorbildung bzw. Schulung vor Aufnahme der Reiseleitertätigkeit zeigen, dass es sich hier gerade nicht um sog. einfache Tätigkeiten handelt, für die möglicherweise schon geringe organisatorische Dinge betreffende Weisungen genügen, um die Eingliederung in einen Betrieb zu begründen.

Der Erwerb weitergehender Qualifikationen ermöglicht den Reiseleitern zudem eine Einflussnahme auf die Höhe der Vergütungen. Dies wie die Möglichkeit, durch besonderes Engagement bei der Werbung von Neukunden bzw. dem Verkauf von Merchandising-Artikeln die Höhe der Provisionen zu beeinflussen, deutet auf eine mögliche Unternehmerinitiative hin. Dass das Ob des Verkaufs von Merchandising-Artikeln jedenfalls ab dem Jahr 2002 Bestandteil der von dem Reiseleiter übernommenen Verpflichtung war, steht dem nicht entgegen. Allerdings ist bei der Gewichtung dieses Aspektes einschränkend zu berücksichtigen, dass auch Arbeitnehmern die Erlangung höheren Lohnes durch Erwerb zusätzlicher Qualifikationen möglich ist.

Deutliches Zeichen für ein Unternehmerrisiko ist demgegenüber die vertraglich vorgesehene und in Einzelfällen auch realisierte Möglichkeit der Kürzung der vereinbarten Vergütung, sofern (schwerwiegende) Beanstandungen der Reiseleitung durch die Kunden vorlagen. Dabei kann dahinstehen, ob/inwieweit über die Honorarkürzung hinaus Schadensersatzansprüche geltend gemacht werden konnten bzw. inwieweit diese durch die von der Klägerin abgeschlossene Haftpflichtversicherung abgedeckt waren. Zu berücksichtigen ist auch, dass die Zufriedenheit bzw. Unzufriedenheit der Kunden gleichzeitig eine Bewährung bzw. ein Risiko der Reiseleiter im Hinblick auf mögliche weitergehende Verträge darstellte. Den Erfolg der Reise zu verifizieren, dienten die Kritik-Fragebögen. Diese waren nicht von den Reiseleitern, sondern von den Kunden auszufüllen und können schon nach ihrer Ausgestaltung nicht als Ausdruck einer Berichtspflicht der Reiseleiter gewertet und mithin nicht zur Begründung der Weisungsabhängigkeit der Reiseleiter herangezogen werden.

Typische Arbeitnehmerrechte wie z.B. die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall waren nicht geregelt und nach glaubhafter Ausführung der Klägerin auch nicht tatsächlich gewährt worden.

Der Aspekt der Gewinnerzielungsabsicht ist nach Ansicht des Senats für die Abgrenzung nichtselbständiger von selbständiger Arbeit nicht geeignet, da das Fehlen dieses Merkmals nicht typischerweise für eine Arbeitnehmerstellung spricht. Im Übrigen ist davon auszugehen, dass es den Reiseleitern neben dem sicher auch gewünschten Spaß an der Aufgabe auch auf eine Vergütung ankam, die ihre Unkosten deckte und überstieg.

Im Rahmen einer Gesamtwürdigung sprechen insbesondere der Gestaltungsspielraum, das Vergütungsrisiko bei Unzufriedenheit der Kunden und die Kürze der Einsatzzeit gegen ein Abhängigkeitsverhältnis im Sinne einer nichtselbständigen Tätigkeit. Dabei ist schließlich auch zu berücksichtigen, dass die Vertragsparteien offenkundig übereinstimmend von einer selbständigen Tätigkeit ausgegangen sind und die Handhabung tatsächlich dem entsprechend erfolgt ist. Angesichts der unveränderten Handhabung hat die Streichung des - ohnehin unpräzisen - Begriffs "freies Dienstverhältnis" bzw. "selbständiger Leistungsträger" in den Vertragsmustern zugunsten einer auf das Team zugeschnittenen Beschreibung des "Wesens" des Vertrages in den Mustern an 2001 keine Bedeutung. Die Tätigkeit der Reiseleiter ist im Ergebnis einer nebenberuflichen Lehrtätigkeit vergleichbar, die die Rechtsprechung in der Regel als selbständige Tätigkeit wertet (BFH, Urteil vom 16.05.2002, IV R 94/99, BStBl II 2002, 565, 566; Urteil vom 04.10.1984, IV R 131/82, BStBl II 1985, 51; vgl. a. H 67 LStHandbuch 2000).

II.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs.1 FGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 155, 151 Abs.3 FGO, 708 Nr.10, 711 Zivilprozessordnung (ZPO).
Die Entscheidung über die Nichtzulassung der Revision beruht auf § 115 Abs.2 FGO.

RechtsgebietLohnsteuerVorschriften§ 18, § 19 EStG

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