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11.10.2005 · IWW-Abrufnummer 052850

Landesarbeitsgericht Sachsen: Urteil vom 05.01.2005 – 2 Sa 674/04

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Sächsisches Landesarbeitsgericht
Im Namen des Volkes
URTEIL

Az.: 2 Sa 674/04

Verkündet am 05. Januar 2005

In dem Rechtsstreit

...

hat das Sächsische Landesarbeitsgericht - Kammer 2 - durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht ... als Vorsitzenden und die ehrenamtlichen Richter Frau ... und Herrn ... auf die mündliche Verhandlung vom 05.01.2005

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bautzen vom 15.07.2004 - 8 Ca 8112/04 - wird auf Kosten der Beklagten

zurückgewiesen.

Revisionszulassung: keine.

Tatbestand:

Die Parteien streiten auf die Berufung der im Ersten Rechtszug unterlegenen Beklagten unverändert weiter darüber, ob das sie verbindende Arbeitsverhältnis aufgrund ordentlicher Arbeitgeberkündigung vom 26.02.2004, dem Kläger zugegangen am selben Tag, mit Ablauf des 30.09.2004 sein Ende gefunden hat.

Wegen des Tatbestandes wird aufgrund der Regelung in § 69 Abs. 2 mit Abs. 3 ArbGG im Wesentlichen auf den Tatbestand des angegriffenen Urteils des vom Kläger angegangenen Arbeitsgerichts Bautzen verwiesen.

Ergänzend wiederzugeben ist allerdings nunmehr - weil es im Berufungsverfahren darauf ankommt - der von der Beklagten gefertigte "Sozialvergleich Bau- und Fertigungshelfer" mit Stichtag 01.07.2004.

Dieser sieht wie folgt aus:

Den Arbeitnehmern, deren Namen samt weiterer Daten in der Tabelle eingerahmt sind, darunter der Kläger, ist gekündigt worden. Nicht gekündigt worden ist dem Arbeitnehmer ...

Das Arbeitsgericht hat in dem angegriffenen Urteil zwar einen Kündigungsgrund erkannt. Nicht akzeptiert hat es jedoch die Auswahl der Beklagten nach sozialen Gesichtspunkten. Denn die von der Beklagten beabsichtigte Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes werde durch die vorgenommene Auswahl gerade nicht gewährleistet; denn es würde - wie auch sonst - überwiegend den jüngeren Arbeitnehmern gekündigt. In die Auswahl nach sozialen Gesichtspunkten im Verhältnis zum Kläger einzubeziehen sei der ... Dieser erweise sich jedoch als deutlich weniger schutzwürdig als der Kläger.

Die Beklagte hat gegen das ihr am 29.07.2004 zugestellte Urteil am 24.08.2004 Berufung eingelegt und zugleich ausgeführt.

Sie trägt u. a. vor, die Beschäftigung des Arbeitnehmers ... stehe im besonderen betrieblichen Interesse, weshalb er aus der Sozialauswahl herauszunehmen sei.

Der Arbeitnehmer ... sei im Besitz einer Fahrerlaubnis der Klasse 2. Er werde deshalb eingesetzt, den Lkw mit Ladekran zu fahren und zu bedienen. Dieses zu leisten sei kein anderer Arbeitnehmer im Unternehmen der Beklagten in der Lage. Der Lkw mit dem Kran müsse laufend gefahren werden, um Fertigteile und Zubehör auf den Baustellen aufzustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Bautzen vom 15.07.2004 - 8 Ca 8112/04 - abzuweisen.

Der Kläger beantragt

die Zurückweisung der Berufung.

Er trägt vor, dass die Mitarbeiter ... und ... ebenfalls über einen Führerschein der Klasse 2 verfügten, was sie zum Führen von Lkw berechtige. Beide seien ebenfalls in der Lage, einen Lkw mit Ladekran zu fahren und hätten derartige Arbeiten auch schon bei der Beklagten durchgeführt.

Dazu bringt die Beklagte vor, dass Herr ... aus gesundheitlichen Gründen (ein Rückenleiden) nicht als Fahrer des Lkws eingesetzt werden könne. Er habe sich auch ausdrücklich geweigert, diese Arbeiten zu verrichten.

Herr ... sei Schichtleiter im Werk und werde als solcher beschäftigt. Auf Montage werde er nicht eingesetzt. Insbesondere arbeite er nicht als Bau- und Fertigungshelfer. Er werde auch nicht zum Fahren des Lkws eingesetzt. Er fahre nur, wenn Herr ... verhindert sei.

Wegen des Vorbringens der Parteien im Übrigen sowie wegen der von ihnen geäußerten Rechtsansichten wird auf den gesamten Akteninhalt verwiesen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Denn die - ihrerseits zulässige - Kündigungsschutzklage ist begründet.

Das Arbeitsgericht hat in dem angegriffenen Urteil aus zutreffenden Erwägungen, denen die Berufungskammer folgt, die Kündigung für rechtsunwirksam erachtet.

Lediglich mit Blick auf das Berufungsverfahren sind die folgenden ergänzenden Ausführungen veranlasst:

Zwar liegen aus den zutreffenden Erwägungen in dem angegriffenen Urteil Tatsachen vor, die eine aus dringenden betrieblichen Erfordernissen heraus ausgesprochene Arbeitgeberkündigung des Klägers tragen.

Jedoch sind aufgrund der konkreten Altersgruppenbildung hier Arbeitnehmer in die Sozialauswahl nicht einbezogen worden, deren Weiterbeschäftigung zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes schon nicht geeignet ist.

Richtig ist, dass der Arbeitgeber zur Erhaltung einer bestimmten Personalstruktur innerhalb des in Betracht kommenden Personenkreises abstrakte Gruppen mit unterschiedlichen Strukturmerkmalen bilden und aus jeder Gruppe die gleiche Prozentzahl für Kündigungen vorsehen kann. Innerhalb der Gruppen ist dann die Sozialauswahl vorzunehmen. Dem Arbeitgeber steht bei der Gruppenbildung ein Beurteilungsspielraum zu, der nur darauf hin überprüfbar ist, ob die Gruppenbildung nach unsachlichen Gesichtspunkten erfolgte und nicht zielgerichtet zur Kündigung einzelner unliebsamer Arbeitnehmer vorgenommen wurde (KR-Etzel, § 1 KSchG Rdnr. 644 m. w. N.). Die Erhaltung einer ausgewogenen Altersstruktur bedeutet, dass das Verhältnis der älteren zu den jüngeren Mitarbeitern in etwa gleich bleibt. Der Arbeitgeber kann daher z. B. Altersgruppen innerhalb des zur Sozialauswahl anstehenden Personenkreises bilden, etwa Gruppen der bis 30-jährigen, 31- bis 40-jährigen, 41- bis 50-jährigen, 51- bis 60-jährigen und älteren als 60-jährigen Arbeitnehmern und aus diesen Gruppen anteilsmäßig gleich viele Arbeitnehmer (z. B. 10 %) entlassen. Die Sozialauswahl ist dann innerhalb der einzelnen Gruppen vorzunehmen (KR-Etzel, a. a. O. Rdnr. 645 m. w. N.).

Aufgrund des Vorgehens der Beklagten wird in den gebildeten Gruppen bis 34 Jahren, von 35 bis 44 Jahren sowie von 45 bis 55 Jahren sämtlichen darin - allerdings auch allein - enthaltenen Arbeitnehmern gekündigt und in der Gruppe der 45- bis 55-Jährigen sowie der Gruppe über 56 Jahre ebenfalls jeweils einem Arbeitnehmer.

Das ist für sich nicht zu beanstanden, weil dadurch innerhalb jeder gebildeten Gruppe auch nur eine Person von Kündigung betroffen werden kann.

Allerdings stimmt im Ergebnis nicht die gebildete Relation, worauf das Arbeitsgericht zutreffend hingewiesen hat. Denn nach den Kündigungen werden im Bereich der zum Sozialausgleich herangezogenen Arbeitnehmer keine Personen unter 45 Jahren mehr beschäftigt. Dadurch ist die Altersstruktur nicht im Rechtssinne "erhalten", sondern verändert worden. Hinreichend tragfähige Gründe dafür, warum die Beklagte ihren - wie gesagt: vorhandenen - Beurteilungsspielraum in dieser Richtung genutzt hat, sind nicht zu erkennen.

Damit ist die Wirksamkeit der streitgegenständlichen Kündigung unter dem Gesichtspunkt der Sozialauswahl so zu prüfen, als wenn eine Altersgruppenbildung nicht stattgefunden hätte.

Dabei rückt aber in der Tat der Arbeitnehmer ... in den Mittelpunkt, der deutlich weniger schutzwürdig als der gekündigte Kläger ist. In den Blick rückt damit auch der Umstand, dass die Beklagte erst im Berufungsverfahren den ... - aufgrund der vorgetragenen Umstände - meint, aus der Sozialauswahl herausnehmen zu können.

Gegen diese Möglichkeit streitet, dass die Beklagte nach ihrem selbst angestellten "Sozialvergleich Bau- und Fertigungshelfer" ihre Auffassung dokumentiert hat, der ... sei in die Sozialauswahl einzubeziehen.

Entsprechend gilt dies für das ebenfalls erst im Berufungsverfahren erfolgte Vorbringen, dass der ... als Schichtleiter aus der Sozialauswahl herauszunehmen sei. Auch ihn hat die Beklagte in ihren eigenen "Sozialvergleich Bau- und Fertigungshelfer" aufgenommen.

Unabhängig davon, ob die Beklagte sich durch die von ihr selbst angestellte Auswahl gebunden hat, vermag die Berufungskammer auch nach dem Ergebnis der Berufungsverhandlung nicht festzustellen, dass die Weiterbeschäftigung des ... im Verhältnis zum Kläger im berechtigten betrieblichen Interesse liegt. Zwar hat nach § 1 Abs. 3 Satz 3 KSchG der Arbeitnehmer die Tatsachen zu beweisen, die eine Kündigung als ungerechtfertigt infolge fehlender Sozialauswahl erscheinen lassen. Dazu gehört auch die Angabe des auswahlrelevanten Personenkreises. Der Arbeitnehmer ist - m. a. W. - darlegungs- und im Streitfall beweisbelastet für die Tatsachen, aus denen auf die Vergleichbarkeit von Arbeitnehmern im Rahmen einer Sozialauswahl zu schließen sein soll.

Hier hat ihm aber die Beklagte durch die Einstellung des ... in den "Sozialvergleich Bau- und Fertigungshelfer" diese Arbeit abgenommen und sich durch ihr Vorbringen, die Weiterbeschäftigung des ... liege im berechtigten betrieblichen Interesse, insoweit in die Beweislast gebracht (vgl. KR-Etzel, a. a. O. Rdnr. 655 m. w. N.).

Selbst wenn nun der ... aufgrund seines Rückenleidens in der Tat gar nicht zum Führen des Lkws in der Lage ist, bleibt es dabei, dass der ... den Lkw mit Kran führen und bedienen kann. Dies relativiert das Vorbringen zur Unentbehrlichkeit des .... Jedenfalls gehen Zweifel aufgrund der die Beklagte treffenden Beweislast insoweit mit dieser heim.

II.

Die Beklagte hat aufgrund der Regelung in § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer ohne Erfolg gebliebenen Berufung zu tragen.

Gegen dieses Urteil ist kein Rechtsmittel gegeben. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil es an Gründen hierfür fehlt.

RechtsgebietKSchGVorschriftenKSchG § 1 Abs. 3 Satz 2

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