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20.09.2005 · IWW-Abrufnummer 052634

Finanzgericht Düsseldorf: Urteil vom 18.07.2005 – 10 K 514/05 E

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


FINANZGERICHT DÜSSELDORF

10 K 514/05 E

Im Namen des Volkes

U R T E I L

In dem Rechtsstreit XXX

wegen Einkommensteuer 2003

hat Richter am Finanzgericht als Einzelrichter des 10. Senats nach § 6 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung aufgrund mündlicher Verhandlung in der Sitzung vom 18. Juli 2005 für Recht erkannt:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

I.

Strittig ist, ob bei der Berechnung der Aufwendungen des Klägers für die Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte für die Bestimmung der Entfernung eine andere als die kürzeste Straßenverbindung zugrunde gelegt werden kann.

Der Kläger erzielte im Streitjahr (2003) als Polizeibeamter Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Er wohnt in der A-Straße in B. Seine Arbeitsstätte ist das Polizeipräsidium C in der D-Straße. Der Kläger gab die einfache Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte in der Anlage N zur Einkommensteuererklärung mit 35 km an.

Der Beklagte teilte dem Kläger mit, dass die Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte nach einem Routenplaner 17 km betrage. Er beabsichtige, diese Entfernung zugrunde zu legen, falls der Kläger nicht nachweise, dass er eine verkehrsgünstigere Straßenverbindung benutze. Der Kläger machte geltend, dass die Fahrzeit bei Benutzung der kürzesten Straßenverbindung während des Berufsverkehrs ca. 45 bis 60 Minuten betrage. Er benutze deshalb eine Straßenverbindung, die weitgehend über Autobahnen führe. Diese Strecke - die er seit Jahren benutze - betrage 34,5 km und sei in einer Zeit von 20 bis 25 Minuten zu schaffen. Der Beklagte erwiderte dazu, dass die Entfernung, die sich bei weitgehender Benutzung von Autobahnen ergebe, 28 km betrage und eine Fahrzeit von 39 Minuten erfordere. Es sei unglaubwürdig, dass der Kläger diese Strecke benutze, weil die Autobahn während des Berufsverkehrs stauanfällig sei. Der Beklagte bat darum, die gefahrenen Kilometer - z. B. durch Vorlage von Inspektionsrechnungen - glaubhaft zu machen. Wegen der Stellungnahme des Klägers dazu wird auf sein Schreiben vom 25. November 2004 verwiesen.

Der Beklagte ließ Werbungskosten für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte nur unter Ansatz einer Entfernung von 17 km zum Abzug zu. Den Einspruch wies er durch Einspruchsentscheidung vom 5. Januar 2005, auf deren Gründe Bezug genommen wird, als unbegründet zurück.

Mit seiner daraufhin erhobenen Klage hält der Kläger an seinem Begehren fest, bei der Berechnung der nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) abziehbaren Werbungskosten eine Entfernung von 35 km zugrunde zu legen. Wegen seines Vorbringens im Klageverfahren wird auf die Klageschrift sowie die Schriftsätze vom 17. Februar und 5. März 2005 verwiesen.

Der Kläger beantragt,

den Einkommensteuerbescheid für 2003 vom 13. Dezember 2004 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 5. Januar 2005 dahin zu ändern, dass Werbungskosten aufgrund von Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte auf der Grundlage einer Entfernung von 30 km statt 17 km angesetzt werden.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Wegen seines Vorbringens im Klageverfahren wird auf die Schriftsätze vom 24. Februar, 1. April und 25. Mai 2005 Bezug genommen. Das Gericht hat die den Streitfall betreffende Einkommensteuerakte des Beklagten beigezogen.

II.

Die Klage ist unbegründet. Die Ermittlung der Aufwendungen des Klägers für die Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte durch den Beklagten lässt keinen Rechtsfehler zu seinem Nachteil erkennen. Der angefochtene Bescheid verletzt den Kläger deshalb nicht in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

1. Nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG sind Werbungskosten auch Aufwendungen des Arbeitnehmers für die Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte. Zur Abgeltung dieser Aufwendungen ist für jeden Arbeitstag, an dem der Arbeitnehmer die Arbeitsstätte aufsucht, eine Entfernungspauschale für jeden vollen Kilometer der Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte von 0,36 Euro für die ersten 10 km und 0,40 Euro für jeden weiteren Kilometer anzusetzen (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 2 EStG in der im Streitjahr geltenden Fassung). Für die Bestimmung der Entfernung ist die kürzeste Straßenverbindung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte maßgebend; eine andere als die kürzeste Straßenverbindung kann nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 4 EStG zugrunde gelegt werden, wenn diese offensichtlich verkehrsgünstiger ist und vom Arbeitnehmer regelmäßig für die Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte benutzt wird.

Der Gesetzgeber hatte bei Einführung der Entfernungspauschale zum 1. Januar 2001 zunächst nur den Ansatz der kürzesten Straßenverbindung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte vorgesehen. Durch das Steueränderungsgesetz 2001 (StÄndG 2001) vom 20. Dezember 2001 (BGBl. I S. 3794) hat er es dann zugelassen, dass eine andere als die kürzeste Straßenverbindung bei der Bestimmung der Entfernung zugrunde gelegt wird, wenn jene die beschriebenen Voraussetzungen erfüllt, um die Benutzer von Kraftfahrzeugen im Verhältnis zur Rechtslage, wie sie bis Ende 2000 hinsichtlich des Kilometer-Pauschbetrags galt, nicht schlechter zu stellen. Die Ergänzung beruht nach den Materialien zum StÄndG 2001 auf der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs - BFH - (Urteil vom 10. Oktober 1975 VI R 33/74, Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs - BFHE - 117, 70, Bundessteuerblatt - BStBl - II 1975, 852). Durch sie sollte klargestellt werden, dass die bis 2000 geltende Rechtslage weiter fortbesteht. Zur Auslegung des Merkmals ?offensichtlich verkehrsgünstiger? kann daher auf dieses Urteil des BFH und weitere Rechtsprechung zur früheren Fassung des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG zurückgegriffen werden.

Der BFH hat im Urteil vom 10. Oktober 1975 VI R 33/74 (BFHE 117, 70, BStBl II 1975, 852) ausgeführt, dass eine andere als die kürzeste benutzbare Straßenverbindung dann offensichtlich verkehrsgünstiger sei als diese, wenn der Steuerpflichtige bei ihrer Benutzung ein Fahrziel trotz gelegentlicher Verkehrsstörungen in der Regel schneller und pünktlicher erreichen könne. Er hat dies im Hinblick auf die Feststellungen der Vorinstanz (vgl. Hessisches Finanzgericht - FG -, Urteil vom 13. November 1973 VIIIa 548/71, Entscheidungen der Finanzgerichte 1974, 201), wonach die tägliche Zeitersparnis bei Benutzung dieser Strecke im konkreten Fall 20 bis 30 Minuten betrug, bejaht. Dabei belief sich die kürzeste Straßenverbindung (Innenstadt) auf 13 km, die Strecke zur Umgehung der Innenstadt hingegen auf 20 km. Trotz größerer Entfernungen im Streitfall folgt das Gericht dieser Einschätzung im vorliegenden Verfahren, weshalb eine Zeitersparnis von mindestens 20 Minuten bei Benutzung der Fahrtstrecke, die teilweise über Autobahnen führt, als ausreichend anzusehen wäre; denn bei Anwendung des Merkmals ?offensichtlich verkehrsgünstiger? ist nicht kleinlich zu verfahren (vgl. die Anmerkung in Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1976, 64; Bergkemper, in: Herrmann/Heuer/ Raupach, Einkommensteuergesetz/ Körperschaftsteuergesetz, § 9 EStG Anm. 459). Eine Zeitersparnis in dieser Größenordnung ist allerdings auch erforderlich, um dieses Merkmal bejahen zu können. Dafür reicht es nicht aus, dass der Steuerpflichtige die Benutzung der kürzesten Straßenverbindung aufgrund der Verkehrsumstände (insbesondere Verkehrsdichte und Verkehrsfluss) als nicht zumutbar empfindet. Um die Gleichmäßigkeit der Besteuerung zu wahren, kann es nicht darauf ankommen, ob der Steuerpflichtige die Benutzung einer Straßenverbindung aus den genannten Gründen subjektiv für unzumutbar hält. Es entspricht allgemeiner Erfahrung, dass Fahrten im Stadtverkehr aufgrund der dort auftretenden Störungen des Verkehrsflusses durch Ampeln, Beförderungsmittel des öffentlichen Personennahverkehrs, Fahrschulfahrzeuge, Fahrzeuge der Müllabfuhr sowie Lade- und Belieferungsverkehr als weniger angenehm empfunden werden als Fahrten auf Bundesstraßen oder Autobahnen, auf denen der Verkehr üblicherweise zügig fließt. Diese Belastung trifft jedoch - wie auch der damit verbundene höhere Kraftstoffverbrauch und stärkere Verschleiß des Fahrzeugs - jeden Verkehrsteilnehmer im Großstadtverkehr und muss daher bei Anwendung des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 4 EStG außer Betracht bleiben (ebenso FG Nürnberg, Urteil vom 5. April 1977 III 100/75, Deutsches Steuerrecht 1977, 575; Volltext in juris, Nr. BFRE008080000).

2. Das Gericht hat nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens (§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO) nicht die Überzeugung gewinnen können, dass die Benutzung der vom Kläger beschriebenen Fahrtstrecke im Verhältnis zu der vom Beklagten zugrunde gelegten kürzesten Straßenverbindung zu einer Zeitersparnis von mindestens 20 Minuten führt.

Der Kläger hat zwar behauptet, die von ihm beschriebene Fahrtstrecke in 20 bis 25 Minuten zurückzulegen, während er für die Strecke durch die Innenstadt von B ca. 45 bis 60 Minuten benötige. Es fehlt jedoch an Nachweisen für diese Behauptung. Der Kläger konnte seine Angaben nicht beweisen.

Auch die vom Gericht gemäß § 76 Abs. 1 Satz 1 FGO von Amts wegen getroffenen Aufklärungsmaßnahmen haben den erforderlichen Nachweis nicht erbracht. Der Gerichtsprüfer, dem das Gericht einen entsprechenden Prüfauftrag erteilt hat, hat beim Abfahren beider Strecken mittels des dem Präsidenten des FG zur Verfügung stehenden, von dessen Fahrer geführten Dienstwagens Fahrtzeiten von 31,29 Minuten (Hinweg) und ? baustellenbedingt - 33,53 Minuten (Rückweg) für die vom Kläger beschriebene Strecke sowie von 35,04 Minuten (Hinweg) und 33,43 Minuten (Rückweg) für die von Routenplanern empfohlene kürzeste, durch die Innenstadt führende Strecke ermittelt. Dabei wurde die Fahrt durch die Innenstadt zu einer Tageszeit durchgeführt, bei der nach Angaben des Klägers eine Verkehrsdichte auftritt, die zu der von ihm behaupteten Fahrzeit von 45 bis 60 Minuten führen soll.

Die Stadt B (Fachbereich Signalwesen) hat dem Gericht statistische Auswertungen von Verkehrssteuerungsanlagen im innerstädtischen Bereich übersandt, nach denen das größte Verkehrsaufkommen in diesem Bereich - je nach Messstelle - gegen 7.15 Uhr bzw. 7.30 Uhr und noch einmal gegen 16.30 Uhr bzw. 16.45 Uhr anzutreffen ist. Der Kläger hat aber Dienstzeiten von 5.00 bis 13.00 Uhr, von 13.00 bis 20.00 Uhr und von 20.00 bis 5.00 Uhr. Er benutzt die Straßenverbindung durch die Innenstadt daher nicht während der Verkehrsspitzen. Es mag zwar sein, dass die Verkehrsdichte auch außerhalb dieser Verkehrsspitzen zu einer längeren Fahrtzeit führt als bei Benutzung der vom Kläger beschriebenen Strecke. Eine sich dadurch ergebende Zeitersparnis in der Größenordnung, wie sie für die Annahme des Merkmals ?offensichtlich verkehrsgünstiger? erforderlich wäre, lässt sich allein aufgrund dieser Vermutung aber nicht feststellen.

Die Polizeiinspektion des Polizeipräsidiums B hat dem Gericht auf eine Anfrage zu den Fahrzeiten bei Benutzung der innerstädtischen Strecke mitgeteilt, subjektiv betrachtet fließe der Verkehr in der Regel relativ zügig. Anhaltspunkte für Verkehrsstillstände, wie sie in dem dem BFH-Urteil vom 10. Oktober 1975 VI R 33/74 (BFHE 117, 70, BStBl II 1975, 852) zugrunde liegenden Fall auftraten, liegen daher im Streitfall nicht vor. Die Wegbeschreibungen von Routenplanern führen zu unterschiedlichen Ergebnissen. Der Routenplaner von Michelin (http://www.viamichelin.com) gibt als kürzeste Strecke die Route durch die Innenstadt mit 17 km bei einer Fahrzeit von 37 Minuten an und eine Alternativstrecke des Typs ?möglichst viel Autobahn? mit 28 km bei einer Fahrzeit von 39 Minuten. Nach dem Routenplaner von Falk (http://www.falk.de) beträgt die kürzeste Strecke 16,8 km bei einer Fahrzeit von 30 Minuten, die schnellste Strecke hingegen 22,1 km bei einer Fahrzeit von 26 Minuten. Nach den Angaben der Routenplaner von map24 (http://www.de.map24.com) und mapquest (http://www.mapquest.de) unterscheiden sich die kürzeste und die schnellste Straßenverbindung zwischen der Wohnung des Klägers und seiner Arbeitsstätte lediglich um 0,2 km bei jeweils gleicher Fahrtzeit (30 Minuten bzw. 25 Minuten). Es kann dahinstehen, als wie verlässlich diese Auskünfte angesichts der unterschiedlichen Fahrzeitangaben anzusehen sind. Keine Routenplanerauskunft bestätigt jedenfalls die vom Kläger behauptete Zeitersparnis.

3. Lässt sich eine behauptete Tatsache nicht feststellen, so trägt den Nachteil aus ihrer Unerweislichkeit derjenige, zu dessen Gunsten sie sich auswirken würde. Die Feststellungslast für Tatsachen, die den Steueranspruch mindern, liegt daher beim Steuerpflichtigen (vgl. BFH-Urteil vom 5. November 1970 V R 71/67, BFHE 101, 156, BStBl II 1971, 220, unter II. 4. der Gründe) und damit im Streitfall beim Kläger. Damit konnte der Berechnung der Werbungskosten gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG nur eine Entfernung von 17 km zugrunde gelegt werden. Diese Entfernung hat der Beklagte im angefochtenen Bescheid angesetzt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

RechtsgebietEStGVorschriften§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG

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