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16.08.2005 · IWW-Abrufnummer 051818

Finanzgericht Köln: Urteil vom 24.11.2004 – 12 K 5350/01

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Finanzgericht Köln
12. Senat

Urteil

Aktenzeichen: 12 K 5350/01

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens tragen die Kläger.

Die Revision wird zugelassen.


Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger Leistungen aus einer Gruppenunfallversicherung als Arbeitslohn zu versteuern hat.

Der Kläger ist seit 1994 Geschäftsführer der Firma F GmbH und bezieht hieraus Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit. Die Arbeitgeberin hatte als Versicherungsnehmerin für ihre Angestellten eine Gruppenunfallversicherung ohne Namensangabe abgeschlossen, die sowohl private als auch berufliche Unfälle abdeckte. Die Versicherungssumme war je nach Stellung des Mitarbeiters im Unternehmen gestaffelt. Für den Geschäftsführer wurde eine Versicherungssumme von 1.200.000,- DM bei Invalidität und 400.000,- DM im Todesfalle vereinbart. Die Ausübung der Rechte aus dem Versicherungsvertrag stand ausschließlich der Arbeitgeberin zu. Die Versicherungsbeiträge wurden im Hinblick darauf nicht lohnversteuert. Ursprünglich abgeführte Lohnsteuer ließ sich die Arbeitgeberin in 1995 wieder erstatten (BI. 74 RbSt-Akte).

Im Juni 1995 erlitt der Kläger an lässlich eines mehrtägigen Auslandsaufenthaltes auf den Salmon-Islands (Norwegen) einen Unfall. An der Reise hatte der Kläger auf Einladung der S AG teilgenommen. Das Reiseprogramm sah Ausflüge auf die benachbarten Inselgruppen, eine Tagestour mit der Fähre zum Svatisen-Gletscher und die Möglichkeit zum Angeln vor; zwischen 17.30 und 19.00 fanden jeweils "gasfachliche Aussprachen" statt (vgl. die Reiseunterlagen im Leitz-Ordner). Im Anschluss an ein gemeinsames Abendessen wurde der Kläger gegen 21.30 Uhr in der Nähe der Unterkunft bewusstlos aufgefunden. Nach den Ausführungen in einem zu den Akten gereichten Arztbericht war er aus ca. 1-2 Meter Höhe gestürzt, ohne dass sich die genaue Ursache ermitteln ließ. Die aufgrund des Unfalls entstandenen Krankheitskosten wurden von der Krankenkasse getragen. Die Berufsgenossenschaft zahlte ein Verletztengeld und eine vorübergehende Rente (BI. 71 ff d. A). Seine Arbeit nahm der Kläger zunächst gestuft und seit Januar 1996 vollschichtig wieder auf.

Nach Einholung verschiedener neurologischer Gutachten erkannte die Unfallversicherung eine unfallbedingte Beeinträchtigung der normalen körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit von 25 % an. Auf Veranlassung der Arbeitgeberin zahlte die Versicherung an den Kläger entsprechend dem Grad der Invalidität im Streit jahr 1999 insgesamt 300.000,- DM aus.

Der Beklagte vertrat die Ansicht, dass es sich bei dieser Zahlung um steuerpflichtigen Arbeitslohn handelt und setzte die Einkommensteuer 1999 unter Einbeziehung dieser Leistungen fest (Bescheid vom 19. Februar 2001). Den hiergegen erhobenen Einspruch wies er unter Hinweis aufTz. 4.1.1 des BMF-Schreibens vom 17. Juli 2000 (BStBI12000, 1204) zurück. In seiner Einspruchsentscheidung führte er aus: Die steuerliche Beurteilung der Leistungen aus einer Unfallversicherung korrespondiere mit der lohnsteuerlichen Behandlung der Versicherungsbeiträge. Stellten die im Kalenderjahr des Versicherungsfalles geleisteten Beiträge des Arbeitgebers -wie im Streitfall- keinen Arbeitslohn dar, weil die Ausübung der Rechte aus dem Versicherungsvertrag ausschließlich dem Arbeitgeber zustehe, gehörten im Versicherungsfall die ausgekehrten Versicherungsleistungen in vollem Umfang zum steuerpflichtigen Arbeitslohn. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz gelte nur insoweit, als der Arbeitgeber aufgrund eines betrieblichen Unfalls gesetzlich zum Schadensersatz verpflichtet sei oder soweit er einen zivilrechtlichen Schadensersatzanspruch des Arbeitnehmers wegen schuldhafter Verletzung arbeitsvertraglicher Fürsorgepflichten erfülle. Eine diesbezügliche Ersatzpflicht habe im Streitfall unstreitig nicht bestanden.

Mit der hiergegen erhobenen Klage wenden sich die Kläger gegen die Besteuerung der erhaltenen Zahlungen. Sie sind der Auffassung, dass die Auslegung des Finanzamtes nicht in Einklang mit der Rechtsprechung des BFH stehe. Die ausgezahlte Versicherungssumme sei kein Entgelt für eine geleistete Tätigkeit, sondern Entschädigung für einen eingetretenen Personenschaden. Nach den BFH-Urteilen vom 22. April 1982 111 R 135/79, BFHE 135, 512, BStB11I1982, 497 und 16. April 1999 VI R 60/96, BFHE 188, 343, BStBl1i 2000, 406 seien Versicherungsleistungen letztlich nur dann steuerbar, wenn sie Lohnersatz darstellen. Im Streitfall sei der Lohn aber in voller Höhe weitergezahlt worden. Die Entschädigung sei daher nicht als Arbeitslohn zu erfassen.

Dieses Ergebnis entspreche auch der im BMF-Schreiben vom 18. Februar 1997, BStB111997, 278 wiedergegebenen ursprünglichen Verwaltungsauffassung. Der Beklagte müsse sich daran festhalten lassen. Die anderslautende Regelung in Tz. 4.1.1 des BMF-Schreibens vom 17. Juli 2000, BStBl1 2000, 1204 sei für das Streit jahr noch nicht anwendbar.
Im Verlauf des Klageverfahrens hat der Beklagte den angefochtenen Einkommensteuerbescheid aus hier nicht interessierenden Gründen mehrfach geändert, zuletzt durch Bescheid vom 31. März 2004, der damit Gegenstand des Klageverfahrens geworden ist.

Die Kläger beantragen,
den Einkommensteuerbescheid für 1999 vom 31. März 2004 dahingehend zu ändern, dass die Leistungen aus der Unfallversicherung in Höhe von 300.000,- DM bei der Besteuerung außer Ansatz bleiben, hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen, hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Er hält daran fest, dass die Zahlungen als steuerpflichtiger Arbeitslohn zu erfassen sind. Die Ausübung der Rechte aus dem Versicherungsvertrag stehe ausschließlich der Arbeitgeberin zu. Bei dieser Konstellation sei die Auskehrung der Versicherungsleistungen grundsätzlich steuerpflichtig. Ein Schadensausgleich durch den Arbeitgeber führe nach dem BFH-Urteil vom 20. September 1996 VI R 57/95, BFHE 181,298, BStB11I1997, 144 nur insoweit nicht zum Lohnzufluss, als zivilrechtlich ein Schadensersatzanspruch des Arbeitnehmers erfüllt werde. Diese Fallgruppe sei hier nicht gegeben. Die Übergangsregelung im BMF-Schreiben vom 17. Juli 2000, wonach in Altfällen eine Besteuerung der Beitragsleistungen und nicht der Versicherungssumme im Schadensfalle in Betracht komme, sei im Streitfall .nicht einschlägig, weil die Arbeitgeberin die Beiträge zur Versicherung nicht der Besteuerung unterworfen habe. Die Einkommensteuer müsse deshalb nach den allgemeinen Grundsätzen festgesetzt werden.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist unbegründet.

Zu Recht hat der Beklagte die Leistungen aus der Gruppenunfallversicherung im Streit jahr der Besteuerung unterworfen. 1. Die Auskehrung der Versicherungsleistungen an den Kläger stellt wirtschaftlich eine Zuwendung des Arbeitgebers dar, die durch das Arbeitsverhältnis veranlasst und mit Zufluss beim Arbeitnehmer als Arbeitslohn zu versteuern ist.

a) Zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit gehören gem. § 19 Abs. 1 Nr. 1 EStG Gehälter, Löhne und andere Bezüge und Vorteile, die für eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst gewährt werden. Einnahmen der vorgenannten Art sind innerhalb des Kalenderjahres bezogen, in dem sie dem Steuerpflichtigen zugeflossen sind, d.h. in dem er die wirtschaftliche Verfügungsmacht über die in Geld oder Geldeswert bestehenden Güter erlangt hat.

aa) Tätigt der Arbeitgeber Ausgaben für die Zukunftssicherung seiner Arbeitnehmer in Form von Beiträgen an Versorgungseinrichtungen (z.B. Versicherungen), ist nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs danach zu differenzieren, ob der Arbeitnehmer aufgrund der Beiträge gegen die Versorgungseinrichtung unmittelbar einen eigenen, unentziehbaren Rechtsanspruch auf die Leistung erhält. Ist dies der Fall, stellt sich der Vorgang wirtschaftlich betrachtet so dar, als ob der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer Mittel zur Verfügung gestellt und der Arbeitnehmer sie für seine Zukunftssicherung verwendet hat. In dieser Konstellation sind die Beitragszahlungen des Arbeitgebers als Arbeitslohn zu erfassen, während die späteren Leistungen der Versorgungseinrichtungen im steuerrechtlichen Sinne nicht mehr aufgrund des Dienstverhältnisses erbracht werden (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 07. Februar 1990 X R 36/86, BFHE 161, 16, BStB11990, 1062). Anders verhält es sich, wenn der Arbeitgeber Zuwendungen an eine Unterstützungseinrichtung leistet, die dem Arbeitnehmer keinen unmittelbaren Rechtsanspruch einräumt. Dann liegt in der Beitragsleistung mangels Erwerbs von Rechtsansprüchen gegen Dritte noch kein Arbeitslohn. Auch wenn der Arbeitgeber zu einer Auskehrung der Leistungen der Versorgungseinrichtung verpflichtet ist, begründet dies lediglich einen Anspruch gegen den Arbeitgeber auf eine künftige Leistung, der erst im Zeitpunkt des Zuflusses steuerlich zu erfassen ist. Demgemäß sind erst die über die Versorgungseinrichtung an den Arbeitnehmer ausgezahlten Bezüge als Arbeitslohn zu qualifizieren (vgl. BFH-Urteil vom 27. Mai 1993 VI R 19/92, BFHE 172,46, BStB11I1994, 246).

bb) Die genannten Grundsätze gelten auch für Leistungen im Zusammenhang mit einer privaten Unfallversicherung (vgl. z.B. Herrmann/Heuer/Raupach, EStG § 19 Anm. 440 ff). So liegt nach dem hierzu ergangenen BFH-Urteil vom 16. April 1999 VI R 60/96, BFHE 188,343, BStB11I2000, 406 in der Beitragsleistung zu einer Gruppenunfallversicherung, bei der der Anspruch gegen den Versicherer nur vom Arbeitgeber als Versicherungsnehmer ausgeübt werden kann, mangels gegenwärtigem Lohnzuflusses (noch) kein Arbeitslohn. Dass der Arbeitgeber im Hinblick auf die auszukehrende Versicherungsleistung hier nur eine Stellung als "Durchgangsperson" hat, ist für die steuerliche Beurteilung nach Ansicht des BFH ohne Bewandtnis. Folgerichtig stellt der BFH in der genannten Entscheidung fest, dass bei diesem Auslegungsergebnis die dem Arbeitnehmer später zufließenden Versicherungsleistungen zu steuerpflichtigem Arbeitslohn führen können (BFH a.a.O., BStBl1I 2000,408).

b) Im Streitfall stand die Ausübung der Rechte aus dem Versicherungsvertrag gem. § 12 AUB allein der Arbeitgeberin zu. In Anbetracht der eigenen Rechtsposition der Arbeitgeberin sind die laufenden Prämienzahlungen dem Kläger wirtschaftlich nicht als eigene Beiträge zuzurechnen. Im Einklang mit der Rechtsprechung des BFH hat die Arbeitgeberin die Versicherungsbeiträge im Jahr des Schadenseintritts daher auch nicht der Lohnsteuer unterworfen. Die Bereicherung des Klägers liegt in der hier vorliegenden Konstellation nicht (schon) in der laufenden Zuwendung der Versicherungsprämien, sondern darin, dass die Arbeitgeberin im Schadensfalle die Versicherungssumme an ihn auskehrt. Wirtschaftlich betrachtet kommt es im Versicherungsfall zu einer Zuwendung des Arbeitgebers, die dieser über die Versicherung finanziert. Insoweit kann die Besteuerung nicht anders ausfallen, als in dem Falle, dass der Arbeitgeber eine arbeitsvertrag liehe Zusage, bei Eintritt bestimmter Ereignisse eine festgelegte Summe an den Arbeitnehmer auszuzahlen, erfüllt.

2. Zuwendungen der vorgenannten Art sind nur ausnahmsweise nicht steuerbar, soweit sie sich bei objektiver Betrachtung für den Arbeitnehmer nicht als Frucht seiner Arbeitsleistung erweisen (vgl. BFH-Urteil vom 20. September 1996 VI R 57/95, BFHE 181,298, BStB11I1997, 144). Das ist aber nicht schon dann der Fall, wenn die Zuwendung im Zusammenhang mit einem Unfall steht. Sagt der Arbeitgeber seinen Beschäftigten im Arbeitsvertrag bei Eintritt von Ereignissen, für die der Arbeitgeber nicht verantwortlich ist, Zahlungen zu, steht die in Erfüllung dieser Zusage geleistete Zahlung grundsätzlich im Veranlassungszusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis und rechtfertigt im Regelfall die Annahme von Arbeitslohn. Anders verhält es sich nur dann, wenn und soweit der Arbeitgeber damit einen zivilrechtlichen Schadensersatzanspruch des Arbeitnehmers -etwa wegen schuldhafter Verletzung arbeitsvertraglicher Fürsorgepflichten- erfüllt (vgl. dazu BFH-Urteil vom 20. September 1996 a.a.O., BStB11I1997, 144). Für das Bestehen eines Schadensersatzanspruches ist aber nichts vorgetragen und auch nichts ersichtlich. Die Arbeitgeberin war für den eingetretenen Unfall nicht verantwortlich.

3. Die Besteuerung als Arbeitslohn ist entgegen der Rechtsansicht der Klägerin nicht davon abhängig, ob aufgrund des Unfallereignisses ein konkreter Einnahmeausfall eingetreten und die Versicherungsleistung demgemäß Ersatz für entgangene Einnahmen darstellt (a.A. FG Schleswig-Holstein, Urteil vom 19. Juni 200211339/97, EFG 2002,1381; unklar Schmidt, EStG § 19 Rz. 50 Stichwort Unfallversicherung). Eine Beschränkung auf Entschädigungen für entgangene oder entgehende Einnahmen LS.d. § 24 Nr. 1 EStG kommt nach Auffassung des Senates nur für Leistungen aus Unfallversicherungen in Betracht, bei denen -anders als im Streitfall- die Ausübung der Rechte aus dem Versicherungsvertrag unmittelbar dem Arbeitnehmer zusteht und es sich wirtschaftlich betrachtet um eine Eigenversicherung des Arbeitnehmers handelt (so auch Kirchhof, EStG § 19 Stichwort Unfallversicherung; Hermann/Heuer/Raupach, EStG § 19 Anm. 442; Hartmann, Inf 2001, 42).

4. Die Kläger können sich im vorliegenden Verfahren nicht mit Erfolg auf die Übergangsregelung im BMF-Schreiben vom 17. Juli 2000 berufen, wonach es nicht zu beanstanden ist, wenn bis zum 31. Dezember 2000 nach dem BMF-Schreiben vom 18. Februar 1997 verfahren wird (Besteuerung der Versicherungsprämien anstelle der Leistungen aus der Unfallversicherung). Es bedarf keiner Entscheidung, ob diese Regelung im Streitfall angesichts des Umstandes, dass die Arbeitgeberin die Versicherungsprämien nicht lohnversteuert hatte, überhaupt einschlägig ist. Denn auf Billigkeitsgründen beruhende Übergangsregelungen der Finanzverwaltung können nicht im Anfechtungsverfahren gegen Steuerbescheide, sondern allenfalls in einem gesonderten Verfahren nach § 163 AO berücksichtigt werden (vgl. zuletzt BFH-Urteil vom 17. Dezember 2003 XI R 22/02, BFH/NV 2004,1629).

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO, die Entscheidung über die Zulassung der Revision auf § 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 FGO.

RechtsgebietEStGVorschriften§ 19 Abs. 1 Nr. 1 EStG

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