05.08.2005 · IWW-Abrufnummer 052226
Finanzgericht Hamburg: Urteil vom 04.03.2005 – VII 205/03
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
FINANZGERICHT HAMBURG
VII 205/03
04.03.2005
Urteil - Senat
Rechtskraft: Rev. Az: XI R 14/05
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob dem Gewinn des Klägers aus selbständiger Arbeit private Schuldzinsen hinzuzuschätzen sind.
Die Kläger werden als Eheleute zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger erzielt als Rechtsanwalt Einkünfte aus selbständiger Arbeit. Betriebliche und private Zahlungen erfolgen über dasselbe Girokonto.
Aufgrund eines Betriebsprüfungsberichts vom 26.6.2000 für die Vorjahre 1996 bis 1998 hatte der Beklagte von den Schuldzinsen dieses Kontos, die im Prüfungszeitraum zwischen DM 2.400 und 3.700 betragen hatten, einen Betrag von jährlich DM 1.300 nicht als Betriebsausgaben anerkannt.
In Anlehnung an diesen Maßstab schätzte der Beklagte im Veranlagungsverfahren für das Jahr 2000 den privaten Anteil der Schuldzinsen des Girokontos in Höhe von DM 2.583 auf DM 1.100. Für das Jahr 2002 schätzte er von den Schuldzinsen in Höhe von DM 1.913 den privaten Anteil auf DM 600. Über die Schätzung der Höhe nach besteht kein Streit zwischen den Beteiligten.
Gegen den Einkommensteuerbescheid 2000 vom 5.6.2002 legten die Kläger am 11.6.2002 Einspruch ein und gegen den Einkommensteuerbescheid 2001 vom 15.4.2003 am 25.4.2003. Der Beklagte wies die Einsprüche mit Einspruchsentscheidung vom 8.8.2003 als unbegründet zurück.
Hiergegen erhoben die Kläger am 3.9.2003 Klage.
Sie sind der Meinung, aufgrund der in den Streitjahren geltenden Regelung des § 4 Abs. 4a EStG sei kein Raum für eine Aufteilung der weniger als DM 4.000 betragenden jährlichen Schuldzinsen nach privater und betrieblicher Veranlassung. Sie beziehen sich auf den Inhalt des BMF-Schreibens vom 22.5.2000 (BStBl. I 2000, 588ff, Rdnr. 34) sowie die Ausführungen von Wacker im Einkommensteuer-Kommentar von Blümich (§ 4, Rdnr. 168m).
Sie tragen vor, bei einem Gewinn im Jahr 2000 in Höhe von DM 36.044, privaten Einlagen auf das Konto von DM 25.207 und Entnahmen von DM 45.942 läge auch keine Überentnahme vor. Dasselbe gelte für das Jahr 2001, in dem bei einem Gewinn von DM 32.772 private Einlagen in Höhe von DM 39.735 und Entnahmen in Höhe von DM 37.126 getätigt worden seien.
Die Kläger beantragen,
den Einkommensteuerbescheid 2000 vom 5.6.2002 und den Einkommensteuerbescheid 2001 vom 15.04.2003 sowie die Einspruchsentscheidung vom 8.8.2003 dahingehend zu ändern, dass die Steuern für 2000 auf jeweils EUR 0, und für 2001 die Einkommensteuer auf EUR 677,46, die Kirchensteuer auf EUR 60,97 und der Solidaritätszuschlag auf EUR 0 festgesetzt werden.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung nimmt er Bezug auf die Einspruchsentscheidung, in der er ausgeführt hat, dass nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung Schuldzinsen eines gemischt genutzten Kontokorrentkontos aufzuteilen sind, was hier mangels anderer Erkenntnisse im Schätzungswege zu erfolgen habe. Die Regelung des § 4 Abs. 4a EStG beträfe lediglich die Abzugsfähigkeit ausschließlich betrieblich veranlasster Schuldzinsen.
Wegen der Einzelheiten wird Bezug genommen auf die Schriftsätze der Beteiligten und den Inhalt der vorgelegten Akten.
Dem Gericht lagen folgende Akten des Beklagten vor:
Rechtsbehelfsakte Band I, Betriebsprüfungsakte Band I, Bilanz- und Bilanzberichtsakte Band I und Einkommensteuerakte Band III, jeweils zur ... Steuernummer.
Entscheidungsgründe
Die Entscheidung ergeht im erklärten Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung, § 90 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung (FGO).
Hinsichtlich der Festsetzung des Solidaritätszuschlags und der Kirchensteuer ist die Klage gem. § 1 Abs. 5 SolZG bzw. § 51a Abs. 5 EStG unzulässig, weil sich die Kläger in der Sache gegen die Bemessungsgrundlage wenden und die Festsetzungen Folgebescheide sind.
Die Klage ist im Übrigen zulässig, aber unbegründet.
Die Nichtberücksichtigung eines Teils der Schuldzinsen des gemischt genutzten Kontokorrentkontos wegen privater Veranlassung entspricht dem geltenden Recht.
Die betriebliche Veranlassung von Schuldzinsen bestimmt sich nach den vom Bundesfinanzhof entwickelten Grundsätzen (insbesondere Beschlüsse des Großen Senats vom 4.7.1990 - GrS 2-3/88, BStBl II 1990, 817; vom 08.12.1997 - GvS 1-2/95, BStBl II 1998, 193). Danach sind Schuldzinsen anhand des tatsächlichen Verwendungszwecks der Darlehensmittel der Erwerb- oder der Privatsphäre zuzuordnen. Darlehen zur Finanzierung außerbetrieblicher Zwecke sind daher nicht betrieblich veranlasst. Unterhält der Steuerpflichtige für den betrieblich und den privat veranlassten Zahlungsverkehr ein einheitliches - gemischtes - Kontokorrentkonto, ist für die Ermittlung der als Betriebsausgaben abziehbaren Schuldzinsen der Sollsaldo grundsätzlich aufzuteilen.
Zwar ist die Abziehbarkeit von Schuldzinsen als Betriebsausgaben durch § 4 Abs. 4a EStG in der Fassung des Gesetzes zur Bereinigung von steuerlichen Vorschriften vom 22.12.1999 (BStBl I 2000, 13) gesetzlich neu geregelt worden. Der Neuregelung unterliegen jedoch - anders als die Kläger meinen - nur Schuldzinsen, die betrieblich veranlasst sind. Dies erfordert im Hinblick auf die steuerliche Abziehbarkeit weiterhin eine zweistufige Prüfung. In einem ersten Schritt ist zu ermitteln, ob und inwieweit Schuldzinsen überhaupt zu den betrieblich veranlassten Aufwendungen gehören. Erst in einem zweiten Schritt muss geprüft werden, ob der Betriebsausgabenabzug im Hinblick auf Überentnahmen durch die Neuregelung eingeschränkt ist.
Dieses Normverständnis ist zwar nicht unstreitig.
Die Gegenansicht vertritt die Meinung, mit der Neufassung des § 4 Abs. 4a EStG sei der juristische Ansatz individueller Kontenbeurteilung und die hierauf gestützte private oder betriebliche Veranlassung von Schuldzinsen aufgegeben worden (Jakob, DStR 2000, 101, 102; Duske, DStR 2000, 906: Groh, DStR 2001, 105, 106; v. Reden in: Littmann/Bilz/Pust, EStG, §§ 4,5 Rdnr. 1656a). § 4 Abs. 4a EStG stelle wie schon die Vorgängernorm eine Sonderregelung für alle entnahmebedingten Schuldzinsen dar und sei lex specialis gegenüber der Generalregelung in § 4 Abs. 4 EStG, die bestimmt, dass Betriebsausgaben die Aufwendungen sind, die durch den Betrieb veranlasst werden.
§ 4 Abs. 4a EStG spreche nur von Schuldzinsen, nicht von betrieblichen Schuldzinsen. Der Absatz 4a stehe zwischen den Absätzen 4 und 5 und bezwecke daher deutlich erkennbar eine Modifizierung des Betriebsausgabenbegriffs von Absatz 4. Wäre das nicht der Fall und hätte der Gesetzgeber eine Regelung bezweckt, die ausschließlich die Abzugsfähigkeit von nur betrieblich veranlassten Schuldzinsen einschränkt, dann hätte er sie in § 4 Abs. 5 EStG unterbringen müssen, weil dort das Abzugsverbot von Betriebsausgaben im Sinne von § 4 Abs. 4 EStG geregelt werde (Duske a.a.O.). Die Vorschrift des Absatzes 4a sei vom Gesetzgeber mit dem Ziel geschaffen worden, dem Steuerpflichtigen die Entnahme seiner Gewinne und Einlagen zu ermöglichen. Die Gesetzesänderung entspräche einem Vorschlag des Deutschen Steuerberaterverbands, der eben diesen Zweck verfolgt habe. Erst wenn die Einlagen und Gewinne infolge einer Entnahme erschöpft seien und ein negatives Kapitalkonto entstehe, seien entnahmebedingte Zinsen zu berechnen und zwar pauschaliert. Käme das überkommene Rechtsprechungskonzept zur Anwendung, würden entnahmebedingte Zinsen entgegen dem Gesetzeszweck berücksichtigt. Weder im Wortlaut noch in der Entstehungsgeschichte von § 4 Abs. 4a EStG fände sich ein Anhaltspunkt, dass die unter Abs. 4a fallenden Zinsen vorab anhand der früheren BFH-Rechtsprechung zu ermitteln seien. Diese Rechtsprechung habe auf einem Konzept beruht, das mit dem der Änderung des später eingeführten Absatz 4a nicht vereinbar sei. Dies zeige sich auch darin, dass entnahmebedingte und daher nicht betrieblich veranlasste Zinsen ansonsten im Rahmen der Anwendung des § 4 Abs. 4a EStG noch ein zweites Mal berücksichtigt würden (Groh a.a.O.). Die Regelung des § 4 Abs. 4a EStG solle zudem eine einfache pauschalierte Ermittlung der durch Privatentnahmen veranlassten Schuldzinsen ermöglichen (FG Münster, Urteil vom 20.10.2004 - 10 K 5352/02 E).
Im Gegensatz dazu geht die auch vom erkennenden Senat vertretene Ansicht davon aus, dass die Vorschrift des § 4 Abs. 4a EStG nur für betrieblich veranlasste Schuldzinsen gilt (Crezelius in Kirchhof, EStG, § 4 Rdnr. 161; Schallmoser in Herrmann/Heuer/Raupach, § 4 Rdnr. 1036; Bordewin in Bordewin/Brandt, EStG, Vor §§ 4-5 EStG, Rdnr. 150; Wacker in Blümich, EStG, § 4 Rdnr. 168c; Heinicke in Schmidt, EStG, § 4 Rdnr. 241, 243, 522; Meurer in Lademann, EStG, § 4 Rdnr. 656c(1); Frotscher, EStG, § 4, Rdnr. 300d). Sind Zinsen nicht betrieblich, sondern privat veranlasst, sind sie schon dem Grunde nach keine Betriebsausgaben und daher nicht abzugsfähig. Die Vorschrift gibt keinen Hinweis darauf, dass sie von dem Veranlassungsprinzip, § 4 Abs. 4 EStG abweichen will (Frotscher a.a.O.). Ihr Wortlaut beinhaltet dies nicht. Aus der Stellung des Absatzes 4a nach dem Absatz 4 folgt, dass die Regelung nur die gem. Abs. 4 betrieblich veranlassten, nicht aber die privat veranlassten Schuldzinsen erfasst (Meurer a.a.O.). Ziel des Gesetzgebers bei der Einfügung und auch noch bei der Änderung des § 4 Abs. 4a EStG ist es nur gewesen, den Anwendungsbereich der von der Rechtsprechung akzeptierten so genannten Zwei- oder Mehrkonten-Modelle zur steuerlichen Berücksichtigung von Schuldzinsen (aus fiskalischen Gründen, Schallmoser a.a.O.) zu vermindern (Heinicke a.a.O., Rdnr. 243).
Dafür, dass der Gesetzgeber die bis dahin auf betriebliche Schuldzinsen beschr änkte Berücksichtigungsfähigkeit auch auf privat veranlasste Schuldzinsen zu erweitern suchte, ist kein Anhaltspunkt ersichtlich. Auch dafür, dass er dieses Ergebnis mit der Regelung in § 4 Abs. 4a EStG jedenfalls billigend in Kauf genommen hat, kann kein Anhaltspunkt entdeckt werden. Eine entsprechende Auslegung der Norm würde zudem verfassungsrechtlichen Zweifeln begegnen. Denn sie würde zu einer steuerlichen Privilegierung der Bezieher von bestimmten Gewinneinkünften führen. Denn nur bei ihnen käme es zu Berücksichtigung von privaten Schuldzinsen und zwar bis zur Höhe von EUR 2.050. Diese Berücksichtigung bliebe den anderen Steuerpflichtigen versagt, ohne dass hierfür ein sachlicher, dem Gleichheitsgebot des Art. 3 GG genügender Grund, erkennbar wäre.
Eine andere Behandlung privat veranlasster Schuldzinsen bei einem gemischt genutzten Kontokorrentkonto ist auch nicht deswegen angezeigt, weil der Kläger seinen Gewinn durch Einnahmen-Überschussrechnung nach § 4 Abs. 3 EStG ermittelt. Gemäß § 4 Abs. 4a Satz 6 EStG sind die Sätze 1-5 der Regelung im Fall der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 sinngemäß anzuwenden; hierzu sind Entnahmen und Einlagen gesondert aufzuzeichnen. Das Gebot der sinngemäßen Anwendung schließt es ohne weiteres aus, bei einem gemischten Konto eines den Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG ermittelnden Steuerpflichtigen auf eine Unterscheidung zwischen privater und betrieblicher Veranlassung von Schuldzinsen zu verzichten. Etwas anderes ist auch der Rdnr. 34 des BMF-Schreibens vom 22.5.2000 zur "Neuregelung des Schuldzinsenabzugs gemäß § 4 Abs. 4a EStG" (a.a.O.) nicht zu entnehmen. Dort heißt es für den Fall, dass die ab dem Jahr 2000 erforderlichen Aufzeichnungen der Entnahmen und Einlagen - wie im vorliegenden Fall - nicht geführt wurden, dass (u.a.) die tatsächlich entstandenen nicht begünstigten Schuldzinsen bis zum Sockelbetrag in Höhe von DM 4.000 als Betriebsausgaben abziehbar sind. Diese Regelung ist indes nicht - wie die Kläger es meinen - so zu verstehen, dass den Steuerpflichtigen, die die erforderlichen Aufzeichnungen nicht geführt haben, ein Freibetrag in Höhe von DM 4.000 zusteht. Da in den Randnummern 1f des BMF-Schreibens ausdrücklich ausgeführt ist, dass der Regelung des § 4 Abs. 4a EStG nur betrieblich veranlasste Schuldzinsen unterliegen und die Prüfung der betrieblichen Veranlassung nach den vom Bundesfinanzhof in seinen Beschlüssen vom 4.7.1990 und 19.3.1998 (s.o.) entwickelten Grundsätzen zu erfolgen habe, betrifft die zitierte Regelung in Randnummer 34 auch keine Schuldzinsen, die in diesem Sinne nicht betrieblich, sondern privat veranlasst sind.
Anders als die Kläger meinen, verbleibt der Vorschrift des § 4 Abs. 4a Satz 6 EStG auch dann noch ein Anwendungsraum, wenn rein privat veranlasste Schuldzinsen eines gemischten Kontokorrentkontos in einem ersten Prüfungsschritt bereits aus dem Betrag der Schuldzinsen im Sinne des § 4 Abs. 4a EStG herausgerechnet werden. Dieser Gesichtspunkt wäre nur zu erwägen, wenn privat veranlasste Belastungen eines gemischten Kontos die einzige Art einer Entnahme wären, die zu einer Überentnahme im Sinne des § 4 Abs. 4a EStG führt und die in dieser Vorschrift geregelte Rechtsfolge auslösen könnte. Doch ist der Gegenstand einer Entnahme nicht beschränkt auf privat veranlasste Zahlungen von einem gemischten Kontokorrentkonto, denn Entnahmen sind alle Wirtschaftsgüter (Barentnahmen, Waren, Erzeugnisse, Nutzungen und Leistungen), die der Steuerpflichtige dem Betrieb für sich, für seinen Haushalt oder für andere betriebsfremde Zwecke entnommen hat (§ 4 Abs. 1 Satz 2 EStG). Jede Form der Entnahme kann zu einer Überentnahme führen.
Somit entspricht die steuerliche Nichtberücksichtigung von privat veranlassten Schuldzinsen eines gemischten Kontokorrentkontos den gesetzlichen Regelungen ohne dass es noch darauf ankäme, ob Überentnahmen im Sinne des § 4 Abs. 4a EStG getätigt worden sind. Die Schätzung des Beklagten ist auch der Höhe nach nicht zu beanstanden. Die Kläger haben keine hinreichenden Angaben gemacht, um eine den Grundsätzen der Rechtsprechung des BFH entsprechende Aufteilung der Schuldzinsen rechnerisch vornehmen zu können. Für eine Unrichtigkeit der an den Ergebnissen der Betriebsprüfung der Vorjahre orientierten Schätzung des Beklagten gibt es keine Anhaltspunkte; sie wird auch von den Klägern nicht behauptet.
Die Kostenfolge ergibt sich aus § 135 FGO.
Die Zulassung der Revision folgt im Hinblick auf die zitierte Entscheidung des Finanzgericht Münsters aus § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO.