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16.06.2005 · IWW-Abrufnummer 050600

Finanzgericht Köln: Urteil vom 15.07.2004 – 13 K 6946/01

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Finanzgericht Köln,

13 K 6946/01

Datum: 15.07.2004

Urteil

Tenor: Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Kläger.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Frage, ob der steuerpflichtige Ertrag einer Gleitzinsanleihe anhand der sogenannten Marktrendite (Differenzmethode) im Sinne des § 20 Abs. 2 Nr. 4 Satz 2 EStG ermittelt werden kann, wenn bei einer kreditgebundenen Anleihe die hierdurch gesicherten Zahlungsverpflichtungen notleidend werden und die Anleihe deshalb vorzeitig zum Kurswert eingelöst wird.

Die Kläger werden als Ehegatten zusammen zur Einkommensteuer veranlagt.

Im Jahr 1997 erwarben sie Gleitzins-Schuldverschreibungen des Emittenten "S." (...) mit einem Nominalwert von ... DM. Diese Anleihen zeichneten sie - wie in der mündlichen Verhandlung ergänzend vorgetragen - unmittelbar bei der X. zum Emissionskurs von 101 %. Nach dem zugrundeliegenden Emissionsprospekt vom ... waren die mit Endfälligkeit zum Jahr 2015 begebenen Schuldverschreibungen ab dem 19.3.1997 bis zum aber nicht einschließlich des spätestens zum 30.12.1997 vorgesehenen Abschlusstermins für die Anlage des Emissionserlöses (durch "neustrukturierte Darlehen") mit 3 % p.a., danach und bis zum aber nicht einschließlich des 19.03.2001 mit 14 % p.a. und danach mit 10 % p.a. zu verzinsen. Der Kapitalbetrag sollte in elf jährlichen Raten jeweils zum 19.03. ab dem Jahr 2005 zurückgezahlt werden. Für den Fall der Beendigung des zwischen dem Emittenten und der C. - Zweigstelle ... - bestehenden Devisenhandelsgeschäfts (Swap-Vertrag) aus näher bestimmten Gründen sah der Emissionsprospekt die vorzeitige Einlösung der Schuldverschreibungen zu einem von dem Wert der hierfür bestellten Sicherheiten abhängigen Kurs vor.

In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr wiesen die Kläger in der Anlage "Ausländische Einkünfte" einen nicht ausgleichsfähigen Verlust aus dem Staat M. in Höhe von ... DM aus, der auf der vorzeitigen Einlösung der streitbefangenen Gleitzins-Schuldverschreibung mit einem anteiligen Kurswert von 4,0243 %, dies entspricht 15.694 DM, zum ... beruhte. Die auf diese Anleihe entfallenden Zinseinnahmen deklarierten die Kläger in Höhe von ... DM.

In dem unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangenen Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr vom ... berücksichtigte der Beklagte den geltend gemachten Kapitalverlust nicht, da es sich nach seiner Auffassung hierbei um einen Vorgang der privaten Vermögensebene handelte.

Mit Schreiben vom ... beantragten die Kläger, die Einkommensteuerfestsetzung für das Streitjahr dahingehend zu ändern, dass der Verlust des Anleihekapitals in Höhe von ... DM einkünftemindernd abgezogen wird. Zur Begründung trugen sie vor, die Anleihe weise die Merkmale einer Finanzinnovation auf, wie sie in § 20 Abs. 1 Nr. 7 bzw. § 20 Abs. 2 Nr. 4 d EStG definiert sei. Bei derartigen Kapitalanlagen unterliege der Unterschied zwischen dem Entgelt für den Erwerb und den Einnahmen aus der Veräußerung als Kapitalertrag der Einkommensteuer. Der im Streitfall hieraus resultierende Verlust sei demgemäß zu berücksichtigen.

Mit Bescheid vom ... lehnte der Beklagte die Berücksichtigung des Kapitalverlustes bei den Einkünften aus Kapitalvermögen ab. Zur Begründung wies er darauf hin, dass die Einkunftsermittlung nach der sog. Marktrendite ausscheiden müsse, wenn ein Kursverlust wegen Zahlungsunfähigkeit des Anleiheschuldners eindeutig auf der Vermögensebene liege. In diesem Fall müsse eine einschränkende Auslegung des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 EStG auf solche Fälle erfolgen, in denen die bei Ausgabe der Kapitalanlage zugrunde gelegten Vertragsbedingungen eingehalten und die Papiere auch tatsächlich zum Ende der Laufzeit eingelöst würden. Nur in diesen Fällen könne ein Wahlrecht des Steuerpflichtigen zwischen Emissionsrendite und Marktrendite bestehen.

Mit ihrem hiergegen eingelegten Einspruch machten die Kläger geltend, dass der Grund für die Veräußerung, Abtretung oder Einlösung einer Kapitalanlage nach dem Gesetzeswortlaut unerheblich sei. Weiterhin sei im Streitfall nicht der Emittent der Anleihe zahlungsunfähig geworden. Dieser habe vielmehr seine Einlösungsverpflichtung vertragsgemäß erfüllt. Die Anleihe sei Teil einer Finanzkonstruktion gewesen, in deren Rahmen die C. Schuldverschreibungen von der W. gekauft und sich ihrerseits durch die Ausgabe von Schuldverschreibungen durch den Emittenten S. abgesichert habe. Die Zins- und Kapitalrückzahlung durch den Emittenten S. sei an Bedingungen bezüglich des Einhaltens der Zahlungsverpflichtungen der W. gegenüber der C. geknüpft gewesen. Wegen der Nichterfüllung dieser Zahlungsverpflichtungen habe die C. am ... ein zugrunde liegendes Swap Agreement gekündigt. Unter Einhaltung der zwischen den Klägern und dem Emittenten S. geltenden Vertragsbedingungen seien daraufhin die gezeichneten Anleihen zum seinerzeitigen Marktwert zurückgezahlt worden.

Nachdem die Einkommensteuerfestsetzung wegen vorliegend nicht streitbefangener Besteuerungsgrundlagen mit Bescheiden vom ... und ... gemäß § 164 Abs. 2 AO geändert worden war, wies der Beklagte den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom ... als unbegründet zurück. Zur Begründung führte er aus, dass die Bestimmung des § 20 Abs. 2 Nr. 4 d EStG bereits dem Grunde nach nicht auf die vorzeitige Rückzahlung einer Kapitalforderung anwendbar sei, sondern nur im Falle der Veräußerung oder Abtretung eingreifen könne. Selbst wenn es aber anders sein sollte, müsse jedenfalls die vertragsgemäße Einlösung der Wertpapiere zum Ende der Laufzeit vorausgesetzt werden. Ertragsbeeinflussende Faktoren, die außerhalb des Kapitalmarkts wirkten, dürften nach dem Willen des Gesetzgebers die Marktrendite nicht beeinflussen. Um einen solchen Einfluss außerhalb des Kapitalmarkts handele es sich jedoch bei der nach der Emission der Anleihe eingetretenen Zahlungsunfähigkeit des Anleiheschuldners, die dazu führe, dass der dem Anleger nach den Emissionsbedingungen zustehende Anspruch auf Zahlung des Einlösungsbetrags von 100 % des Nominalwerts teilweise nicht erfüllt werde.

Mit der vorliegenden Klage rügen die Kläger unter Aufrechterhaltung ihres bisherigen Vorbringens, dass der Beklagte in seiner Einspruchsentscheidung weiterhin von dem unzutreffenden Sachverhalt der Zahlungsunfähigkeit des Emittenten und der Nichteinhaltung der Vertragsbedingungen ausgehe. Richtig sei demgegenüber vielmehr, dass der Emittent die Vertragsbedingungen des Emissionsprospekts eingehalten habe, nach denen für ihn keine Zahlungsverpflichtung über den festgestellten Marktwert der gezeichneten Teilschuldverschreibungen hinaus bestand. Aufgrund der Bedingungen des Emissionsprospekts sei eine geringere als eine 100 %ige Rückzahlungsquote nie auszuschließen gewesen. Die Prämie für dieses Risiko habe in den wesentlich höheren Zinsen bestanden, die während der Laufzeit gezahlt werden sollten.

Die Kläger beantragen,

den Beklagten zu verpflichten, den Einkommensteuerbescheid 1998 vom ... unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom ... dahingehend zu ändern, dass der mit dem Antrag vom ... geltend gemachte Verlust aus Kapitalvermögen bei den Einkünften nach § 20 EStG berücksichtigt wird.

Der Beklagte beantragt,

1. die Klage abzuweisen,
2. hilfsweise die Revision zuzulassen.

Er weist darauf hin, dass nach den zwischen den Klägern und dem Emittenten geltenden Vertragsbedingungen eine Rückzahlung des Kapitals zu 100 % zum Ende der Laufzeit vorgesehen gewesen sei. Die Verfahrensweise bei einer vorzeitigen Rückzahlung möge zwar vertraglich festgelegt gewesen sein, jedoch sei von einer geringeren Rückzahlungsquote von Anfang an nicht auszugehen gewesen. Auf die Wahrscheinlichkeit einer nicht vollständigen Rückzahlung des Kapitals und einer damit verbundenen niedrigeren Rückzahlungsquote komme es nicht an. Die eigentliche Vertragsbedingung, nämlich die Rückzahlung des Kapitals zu 100 %, sei durch die frühzeitige Einlösung der Papiere nicht eingehalten worden. Nach der gebotenen einschränkenden Auslegung des § 20 Abs. 2 Nr. 4 Satz 2 EStG liege daher ein nicht zu berücksichtigender privater Vermögensverlust vor. Ergänzend sei auf das Urteil des Finanzgerichts Düsseldorf vom 29. 7. 1999 -15 K 7136/97 E - zu verweisen, das die Rechtsauffassung der Finanzbehörde bestätige.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Die Klage ist unbegründet.

Die Kläger werden durch die Ablehnung der beantragten Änderung der Einkommensteuerfestsetzung 1998 nicht in ihren Rechten verletzt (§ 101 FGO).

1.) Die Kläger können die begehrte steuermindernde Berücksichtigung des Kapitalverlustes bei den Einkünften aus Kapitalvermögen bereits deshalb nicht auf die Anspruchsgrundlage des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Sätze 1, 2 und 4 EStG in den zur Anwendung auf das Streitjahr in Betracht kommenden Fassungen des StMBG 1994 und des StÄndG 2001 stützen, weil diese die Besteuerung von Kapitalerträgen nach der Emissionsrendite bzw. der Differenzmethode regelnden Vorschriften den vorliegenden Fall der vorzeitigen Einlösung eines Wertpapiers nicht erfassen.

Nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 d Satz 1 EStG in der Fassung des StMBG 1994 (EStG a. F.) gehören zu den Einkünften aus Kapitalvermögen auch Einnahmen aus der Veräußerung oder Abtretung von Schuldverschreibungen und sonstigen Kapitalforderungen, bei denen Kapitalerträge in unterschiedlicher Höhe gezahlt werden (Buchstabe d, 1. Alternative), soweit sie der rechnerisch auf die Besitzzeit entfallenden Emissionsrendite entsprechen. Weist der Steuerpflichtige die Emissionsrendite nicht nach, gilt gem. Satz 2 der Unterschied zwischen dem Entgelt für den Erwerb und den Einnahmen aus der Veräußerung, Abtretung oder Einlösung der Wertpapiere und Kapitalforderungen als Kapitalertrag. Nach Satz 4 gelten die vorstehenden Bestimmungen für die Einlösung der Wertpapiere und Kapitalforderungen bei deren Endfälligkeit durch den zweiten und jeden weiteren Erwerber entsprechend.

Abweichend hiervon regelt § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 4 EStG in der Fassung des StÄndG 2001 (EStG n. F.), dass die Bestimmungen in § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Sätze 1 und 2 EStG für die Einlösung der Wertpapiere und Kapitalforderungen bei deren Endfälligkeit entsprechend gelten. Diese Neufassung des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 4 EStG ist gem. dem ebenfalls durch das StÄndG 2001 eingefügten § 52 Abs. 37 b EStG für alle Veranlagungszeiträume anzuwenden, soweit Steuerbescheide noch nicht bestandskräftig sind.

Im Streitfall kann offen bleiben, inwieweit die Anwendungsvorschrift des § 52 Abs. 37 b EStG n. F. auch die hier vorliegende formell bestandskräftige Vorbehaltsfestsetzung im Sinne des § 164 Abs. 1 AO ergreift. Weiterhin bedarf keiner Entscheidung, ob durch diese Anwendungsvorschrift eine - zugunsten des Steuerpflichtigen indessen sicherlich zulässige - echte Rückwirkung angeordnet wird und welchen verfassungsrechtlichen Bedenken die durch § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 EStG a. F. - und weitergehend noch durch die Neufassung der Vorschrift - fingierte Behandlung von Wertänderungen der Kapitalanlage als Kapitalertrag im Hinblick auf den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG begegnet (vgl. dazu Urteil des FG Rheinland-Pfalz vom 28.10.2002 1 K 1807/99, EFG 2003, 314). Denn die von den Klägern erworbene, als Gleitzins-Schuldverschreibung im Sinne des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 d EStG zu beurteilende Kapitalanlage unterläge auch bei rückwirkender Geltung des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 4 EStG n. F. für formell bestandskräftig veranlagte Einlösungsfälle im Jahre 1998 allein der Ertragsbesteuerung nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG, was die Berücksichtigung eines Vermögensverlustes ausschließt.

Zwar dürfte nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 4 EStG n. F. der Kapitalertrag auch dann bei Nichtnachweis der Emissionsrendite nach der Differenzmethode zur ermitteln sein (§ 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 EStG n. F.), wenn der Einlöser einer Schuldverschreibung zugleich deren Ersterwerber ist (sog. Durchhalter; a. A. allerdings Loschelder in HHR, Lfg. Jb. 2002, § 20 EStG, Tz J 01-15). Anders als noch nach der nur Zweiterwerber und weitere Erwerber treffenden Fassung des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 4 EStG a. F. wäre demnach der Status der Kläger als Ersterwerber der Schuldverschreibung für die begehrte Differenzbesteuerung unschädlich.

Keinesfalls kann aber unter dem Begriff der "Einlösung bei... Endfälligkeit" jedwede vorzeitige Rückzahlung des Kapitals aufgrund einer Leistungsstörung verstanden werden, deren Ursache im Verhalten oder der Liquidität des Emittenten bzw. - wie im Fall der vorliegenden kreditgebundenen Anleihe - der auf seiner Seite eingeschalteten weiteren Vertragspartner liegt. Dies folgt sowohl aus dem Wortlaut des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 4 EStG n. F., der dessen Wortsinn nach der Gesetzesbegründung beizumessenden Bedeutung und dem systematischen Zusammenhang der Bestimmung mit den die Besteuerung nach der Emissionsrendite regelnden Vorschriften.

Bereits der Gesetzeswortlaut gebietet, zwischen der Einlösung bei der nach der Laufzeit des Wertpapiers definierten Fälligkeit, also der Endfälligkeit, und der Einlösung zu jedem weiteren gesetzlich oder vertraglich bestimmten Fälligkeitszeitpunkt, der nicht notwendig durch das kalendarische Ende eines Zeitraums bestimmt wird, zu differenzieren. Denn anderenfalls wäre nicht nachvollziehbar, warum der Gesetzgeber nicht schlicht die Einlösung bzw. die Einlösung bei Fälligkeit zur Tatbestandsvoraussetzung der entsprechenden Anwendung der Vorschriften über die Besteuerung nach der Emissionsrendite gemacht hat.

Der gesetzgeberische Wille, mit dieser Tatbestandsformulierung nur die Fälle der Einlösung bei Laufzeitende zu erfassen, spiegelt sich auch in der Begründung des Entwurfs des StMBG 1994 (BT-Drs. 12/6078, Seite 123) wider, wonach die Endeinlösung durch den Ersterwerber den Fall meint, dass der Anleger das Wertpapier während dessen gesamter Laufzeit besessen hat. An dieser Gesetzesbegründung zum StMBG hat der Gesetzgeber in der Begründung des Entwurfs zum StÄndG 2001 (BT-Drs. 14/7341, Seite 11) angeknüpft, indem er dort die Erstreckung des Wortlautes des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 4 EStG auf den Fall des Durchhalters als bloße Klarstellung bezeichnet.

Das Verständnis des Begriffs der Einlösung bei Endfälligkeit als Kapitalrückzahlung bei Ende der Laufzeit nach den bei Ausgabe der Kapitalanlage zugrunde gelegten Vertragsbedingungen wird schließlich auch dem in der Verweisung des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 4 EStG n. F. auf die Sätze 1 und 2 der Vorschrift zum Ausdruck kommenden systematischen Zusammenhang gerecht. Rechtsfolge dieser Verweisung ist dem Grundsatz nach die Besteuerung der Einnahmen aus der Einlösung von Wertpapieren als Kapitalertrag im Umfang der rechnerisch auf die Besitzzeit entfallenden Emissionsrendite. Unter dem Begriff der Emissionsrendite versteht der Gesetzgeber den von vornherein zugesagten und mit Sicherheit bis zur Einlösung des Wertpapiers erzielbaren Kapitalertrag, wie er durch stillschweigende Bezugnahme auf das der BMF-Schreiben vom 30.4.1993, BStBI l 1993, 343, in den Materialien zum StMBG (a.a.O., Seite 116 f.) klargestellt hat (vgl. dazu Urteil des BFH vom 23.10.2000 VIII R 28/99, BStBI II 2001, 97, Tz 2 a, m. w. N). Die grundsätzlich Bestimmbarkeit einer Emissionsrendite setzt folglich die Annahme einer Endfälligkeit für die Einlösung der Kapitalanlage bei regulärem Vertragsablauf in Abgrenzung zur vorzeitigen Fälligkeit aufgrund eines außergewöhnlichen Ereignisses voraus. Denn anderenfalls würde es an ausreichend sicheren Anhaltspunkten für eine derartige Prognoseberechnung fehlen. Die Qualifikation des Einlösungszeitpunkts eines Wertpapiers durch das Attribut "bei Endfälligkeit" muss demnach angesichts der eintretenden Rechtsfolge nahe legen, dass die für die Bestimmung der Emissionsrendite maßgebende Endfälligkeit, nämlich die Einlösung bei regulärem Vertragsablauf, und nicht der Fall der vorzeitigen Kapitalrückzahlung gemeint ist. Dafür spricht nicht zuletzt, dass derartige vorzeitige Einlösungen regelmäßig wirtschaftlich zu Sekundäransprüchen führen, kraft deren die bei Ausgabe des Papiers zugesagte Rendite nicht realisiert werden kann. Die Absicht, eine Besteuerungsregel für nicht realisierte Erlöse aufstellen zu wollen, kann indessen dem Gesetzgeber nicht unterstellt werden.

Allein die vertragliche Regelung der vorzeitigen Einlösung aufgrund von Leistungsstörungen oder sonstiger Bedingungseintritte, wie sie in den dem Streitfall zugrunde liegenden Emissionsbedingungen enthalten ist, ist daher nicht geeignet, eine zur Berechnung der Emissionsrendite geeignete Endfälligkeit i.S.d. § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 4 EStG n.F. begründen. Entgegen der Auffassung der Kläger kann somit auch nicht entscheidungserheblich auf den Unterschied zwischen gesetzlich und vertraglich vorgesehenen Kapitalrückzahlungsansprüchen vor Laufzeitende abgestellt werden.

2.) Selbst wenn aber durch § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 4 EStG n. F. für die Kläger der Weg zu der alternativen Besteuerung der Erträge der von ihnen erworbenen Gleitzins-Schuldverschreibungen nach Maßgabe der Emissionsrendite oder der Differenzmethode des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 EStG n. F. dem Grunde nach eröffnet wäre, so könnten sie doch das von ihnen reklamierte Wahlrecht zur Anwendung der Differenzmethode deshalb nicht in Anspruch nehmen, weil sie gegenüber dem Beklagten den Nachweis der Emissionsrendite in Gestalt aller hierzu erforderlichen Berechnungsgrundlagen bereits geführt haben.

§ 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 EStG n. F. stellt eine Beweislastregelung dar, die dem Steuerpflichtigen die Möglichkeit gibt, die Besteuerung nach der Differenzmethode durch Nachweis der Emissionsrendite abzuwenden (Urteil des BFH vom 24.10.2000, a. a. O., Tz 2 b und 3 b). Diese Beweislastregelung wird teilweise im Schrifttum und der Verwaltungsauffassung als Wahlrecht des Steuerpflichtigen gewertet, statt der Besteuerung der Emissionsrendite zur Besteuerung nach der Differenzmethode zu optieren, indem er den Nachweis der Emissionsrendite nicht erbringt (Harenberg in HHR, Lfg. 198, § 20, Tz 1122; Geurts in Bordewin/Brandt, § 20 EStG, Tz 721; Korn, DStR 2001, 1507, 1509; Verfügung der OFD Frankfurt vom 23.10.2003 S 2252 A - 42- St 3.04). Fällt die Wahl des Steuerpflichtigen auf den Ansatz der Emissionsrendite, so kann er diese der Finanzbehörde z. B. durch Vorlage des Emissionsprospekts oder eine Bestätigung des Kreditinstituts bzw. des Emittenten nachweisen. Eine Ermittlung durch das Finanzamt, etwa durch Einholung einer Auskunft des Emittenten, erfolgt nicht. (Schlotter in Littmann/Bitz/Pust, § 20 EStG, Tz 1125; Geurts a. a. O.; OFD Frankfurt, a. a. O.). Erbringt der Steuerpflichtige den Nachweis nicht, so hat die Finanzbehörde den v fr steuerpflichtigen Ertrag anhand der Differenzmethode zu ermitteln.

Da die in § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 EStG n. F. eingeräumte faktische Optionsmöglichkeit nicht von einer gestaltenden Willenserklärung der Steuerpflichtigen, sondern von dem Nachweis der Emissionsrendite durch ihnen zuzurechnende Mitwirkungshandlungen abhängt, haben die Kläger ihrem auf die steuerliche Berücksichtigung des Kapitalverlustes gerichteten Begehren jedenfalls dadurch die Grundlage entzogen, dass sie die für die Berechnung der Emissionsrendite relevanten Angaben durch Vorlage der ersten Seite des Emissionsprospektes im Original und in deutscher Übersetzung hinlänglich nachgewiesen haben. Denn hieraus ergeben sich der Ausgabekurs (101%), die Zinsstaffelung (ab 19.3.1997: 3 %, spätestens ab 30.12.1997: 14 %, ab. 19.3. 2001 10 %) und die Endfälligkeit (jeweils ein 1/11 des Kapitals p. a. ab 19.3.2005). Der Beginn der 14 %igen Verzinsung ergibt sich hierbei nach den vorgelegten Bedingungen in Abhängigkeit von dem zur Vermeidung der vorzeitigen Rückzahlung des Kapitals spätestens zum 30.12.1997 vorgesehenen Abschlusstermin für die Neustrukturierung der Darlehen. Die Ermittlung der Emissionsrendite aus diesen Angaben (rd. 10,5 %) erfordert lediglich einen - wenngleich nicht allzu einfachen - Rechenvorgang. Dass aber auch diese Berechnung dem Steuerpflichtigen zwingend zum Nachweis der Emissionsrendite aufgegeben wäre, vermag der Senat der gesetzlichen Regelung nicht zu entnehmen.

Hätte der Gesetzgeber ein echtes Wahlrecht des Steuerpflichtigen in der Ausgestaltung einführen wollen, dass die Art seiner Ausübung von der Vorlage oder Nichtvorlage einer Eigenberechnung des Steuerpflichtigen abhängt, so läge hierin eine über die Mitwirkungspflicht bei der Tatsachenfeststellung hinausgehende Formalanforderung. Die Begründung einer derartigen Obliegenheit des Steuerpflichtigen mit dem Inhalt, der Finanzverwaltung eine Arbeitshilfe für die nach §§ 88, 155 AO zu ihrem Aufgabenkreis gehörende Sachverhaltswürdigung und Steuerfestsetzung vorzulegen, hätte indessen einer eindeutigen und unmissverständlichen gesetzlichen Regelung bedurft. Da es hieran fehlt, sieht der erkennende Senat keine tragfähige Grundlage für eine Auslegung der Bestimmung des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 EStG n. F. in der Weise, dass der Kapitalertrag auch dann nach der Differenzmethode ermittelt werden muss, wenn anhand der Angaben des Steuerpflichtigen eine eigene Berechnung der Finanzbehörde möglich ist (so aber Harenberg a. a. O.). Eine solche Rechtsfolge erscheint auch mit dem für das Handeln der Finanzbehörde geltenden Untersuchungsgrundsatz nicht vereinbar. Dabei kann dahin stehen, ob das Postulat der restriktiven Auslegung der Vorschrift des § 20 Abs. 2 Nr. 4 Satz 2 EStG wegen der mit ihr einhergehenden Inkaufnahme der systemwidrigen Unqualifikation von Vermögenszuwächsen in Kapitalerträge (vgl. dazu Urteil des BFH vom 24.10.2000, a. a. O., Tz 3 a) auch dann Geltung beanspruchen muss, wenn die systemwidrige Rechtsfolge dem Steuerpflichtigen günstig ist.

Die zwischen den Beteiligten streitige Frage, ob die Bestimmung des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 EStG n. F. ungeachtet der Ausweitung ihres Anwendungsbereichs durch das StÄndG 2001 einschränkend dahingehend ausgelegt werden kann, dass bei der Ermittlung des Kapitalertrags nach der Differenzmethode ggfls. eindeutig der Vermögensebene zuzuordnende Wertveränderungen auszuscheiden sind, erweist sich nach alledem vorliegend als nicht entscheidungserheblich.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Der Senat lässt die Revision wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zu, da eine höchstrichterliche Klärung der im Streitfall entscheidungserheblichen Voraussetzungen für die Besteuerung von Kapitalerträgen aus Finanzinnovationen nach der Differenzmethode bislang aussteht.

RechtsgebietEStGVorschriften20 II Nr.4, S. 2 EStG

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