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21.04.2005 · IWW-Abrufnummer 051157

Bundesfinanzhof: Urteil vom 01.03.2005 – VIII R 92/03

1. Die Absenkung der Wesentlichkeitsgrenze von bisher 25 v.H. auf 10 v.H. in § 17 Abs. 1 Satz 4 EStG i.d.F. des StEntlG 1999/2000/2002 und die damit verbundene Erfassung von in der Vergangenheit gebildeten stillen Reserven ist jedenfalls dann verfassungsgemäß, wenn die Veräußerung erst nach dem Gesetzesbeschluss im Bundestag am 4. März 1999 vorgenommen worden ist.



2. Bei der Ermittlung des Veräußerungsgewinns gemäß § 17 Abs. 2 EStG i.d.F. des StEntlG 1999/2000/2002 sind als Anschaffungskosten die historischen Anschaffungskosten und nicht der gemeine Wert der Anteile am 1. Januar 1999 anzusetzen.


Gründe:

I.

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) war seit dem 26. März 1996 am Stammkapital der C-GmbH von 150 000 DM mit Geschäftsanteilen von 10 000 DM und 20 000 DM beteiligt. Diese Beteiligung hielt er im Privatvermögen.

Durch den notariell beurkundeten Vertrag über den Verkauf und die Abtretung eines Geschäftsanteils vom 11. März 1999 veräußerte der Kläger mit sofortiger Wirkung einen Teilgeschäftsanteil an der C-GmbH von 15 100 DM zum Kaufpreis von 1 510 000 DM an die V-KG, die bereits zuvor an der C-GmbH als Mitgesellschafterin beteiligt war. In diesem Vertrag wurde die Abtretung des veräußerten Geschäftsanteils zum 31. März 1999, 23 Uhr, vereinbart. Die dingliche Übertragung war jedoch vom Eintritt mehrerer aufschiebender Bedingungen, nämlich der vollständigen Kaufpreiszahlung, der Zustimmung des ... und dem Abschluss eines Lizenzvertrags zwischen der C-GmbH und einem Dritten abhängig. Der Lizenzvertrag wurde am 16. März 1999 abgeschlossen und die Kaufpreiszahlung am 14. April 1999 geleistet. Die Zustimmung des ... wurde am 30. April 1999 erteilt.

Hinsichtlich des Gewinnbezugsrechts wurde in dem Vertrag vereinbart, dass der Kläger und die V-KG am Gewinn der C-GmbH bis zum 31. März 1999 nach dem bisherigen Anteilsverhältnis beteiligt sind und zwar unabhängig davon, ob bis dahin die vereinbarten aufschiebenden Bedingungen eingetreten sind. Die C-GmbH und die Mitgesellschafter haben der Abtretung des Teilgeschäftsanteils zugestimmt.

Durch den Einkommensteuer-Bescheid für 1999 erfasste der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) einen Gewinn aus der Veräußerung der Beteiligung in Höhe der Differenz zwischen dem Veräußerungspreis und den Anschaffungskosten von 15 100 DM. Diesen Gewinn von 1 494 900 DM unterwarf er dem ermäßigten Steuersatz gemäß § 34 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in der im Streitjahr geltenden Fassung.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Das Urteil des FG ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2004, 105 abgedruckt. Grundrechte des Klägers würden hierdurch nicht verletzt.

Mit der Revision macht der Kläger im Wesentlichen geltend, § 17 EStG i.d.F. des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 vom 24. März 1999 --künftig: StEntlG 1999/2000/2002-- (BGBl I 1999, 402, BStBl I 1999, 304) sei deshalb verfassungswidrig, weil der Gesetzgeber davon abgesehen habe, eine vertrauensschützende Übergangsregelung zu schaffen, obwohl er in Dispositionen des Steuerpflichtigen für bereits abgelaufene Kalenderjahre eingreife. Eine solche Disposition liege auch darin, dass es unterlassen worden sei, die Anteile in der Vergangenheit zu veräußern.

Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zum dispositionsbezogenen Vertrauensschutz erfordere eine Übergangsregelung, wenn durch die rückwirkende Herabsetzung der Beteiligungsgrenze stille Reserven nachträglich steuerverstrickt würden. Die Sachlage sei mit derjenigen des § 23 EStG i.d.F. des StEntlG 1999/2000/2002 vergleichbar. Der IX. Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) habe für den vergleichbaren Fall der infolge der Verlängerung der Frist des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG wieder steuerverstrickten Wertsteigerungen privater Grundstücke eine Übergangsregelung gefordert.

Verfassungswidrig sei das StEntlG 1999/2000/2002 auch insoweit, als die tatsächliche Steuerbelastung des Klägers in Bezug auf den gemäß § 17 EStG erzielten Veräußerungsgewinn 50 % übersteige. Das Gesetz verstoße daher gegen den vom BVerfG im Beschluss vom 22. Juni 1995 2 BvL 37/91 (BStBl II 1995, 1191) angesprochenen Halbteilungsgrundsatz.

Der Kläger beantragt,

das Urteil der Vorinstanz aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid für 1999 vom 24. Mai 2002 in der Weise zu ändern, dass die Einkommensteuerschuld um 400 875,84 ¤ herabgesetzt wird.

Das FA beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Es schließt sich den Gründen des angefochtenen Urteils an. Ergänzend trägt es vor, im Streitfall habe ein schutzwürdiges Vertrauen des Klägers in den Fortbestand des bisher geltenden Rechts nicht bestanden. Bereits bei Aufnahme der Verkaufsverhandlungen im Jahr 1998 sei der Gesetzesentwurf vom 9. November 1998 (BTDrucks 14/23) bekannt gewesen, der eine Absenkung der Beteiligungsgrenze auf 10 % vorgesehen habe. Nicht zu beanstanden sei auch die beim Kläger eingetretene Steuerbelastung. Nach der Rechtsprechung des BFH gebe es keine aus dem Grundgesetz (GG) ableitbare Begrenzung der Einkommensteuer auf höchstens 50 % der Einkünfte oder des zu versteuernden Einkommens.

II.

Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Der Kläger hat eine wesentliche Beteiligung i.S. von § 17 Abs. 1 Sätze 1, 4 EStG i.d.F. des StEntlG 1999/2000/2002 veräußert und hierbei den vom FA angesetzten Gewinn erzielt. Die steuerliche Erfassung dieses Gewinns ist --auch hinsichtlich der angesetzten Höhe-- verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

1. Gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG i.d.F. des StEntlG 1999/2000/ 2002 gehört zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb der Gewinn aus der Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft, wenn der Veräußerer innerhalb der letzten fünf Jahre am Kapital der Gesellschaft wesentlich beteiligt war. Eine wesentliche Beteiligung ist gegeben, wenn der Veräußerer zu mindestens 10 % unmittelbar oder mittelbar beteiligt war.

a) Der Kläger hat im zeitlichen Geltungsbereich des StEntlG 1999/2000/2002 von seiner Beteiligung an der C-GmbH, die 20 % des Stammkapitals umfasste, einen Teilgeschäftsanteil von 10,06 % mit Zustimmung der Gesellschaft und der Mitgesellschafter (vgl. hierzu § 17 Abs. 1 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung --GmbHG--) an die V-KG veräußert. Eine Veräußerung i.S. von § 17 EStG ist mit der Übertragung des rechtlichen oder wirtschaftlichen Eigentums auf den Erwerber verwirklicht (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. Senatsurteil vom 21. Dezember 1993 VIII R 69/88, BFHE 174, 24, BStBl II 1994, 648, m.w.N.). Dies ist hier spätestens mit dem im Streitjahr erfolgten Eintritt aller vereinbarten aufschiebenden Bedingungen und der zu diesem Zeitpunkt erfolgten Verschaffung des rechtlichen Eigentums geschehen.

b) Der Veräußerungsgewinn wurde auch in der zutreffenden Höhe angesetzt. Als Veräußerungsgewinn ist gemäß § 17 Abs. 2 Satz 1 EStG i.d.F. des StEntlG 1999/2000/2002 der Betrag anzusetzen, um den der Veräußerungspreis nach Abzug der Veräußerungskosten die Anschaffungskosten übersteigt. Das FA hat diesen Veräußerungsgewinn zutreffend ermittelt. Es hat zu Recht den Veräußerungspreis lediglich um die historischen Anschaffungskosten der im Jahr 1999 veräußerten Anteile und nicht um deren gemeinen Wert gekürzt, den diese Anteile am 1. Januar 1999, also zu Beginn des zeitlichen Anwendungsbereichs des StEntlG 1999/2000/ 2002, hatten.

In der Rechtsprechung und im Schrifttum wird zwar teilweise die Auffassung vertreten, Anschaffungskosten seien nicht in Höhe des Betrags anzusetzen, den der Anteilsinhaber für den Anteilserwerb aufgewandt hat. Maßgeblich sei stattdessen der gemeine Wert der Anteile im Zeitpunkt ihrer steuerlichen Verstrickung (Haritz/Slabon, GmbH-Rundschau --GmbHR-- 1998, 1159; Schmidt/ Weber-Grellet, Einkommensteuergesetz, 23. Aufl., § 17 Rz. 159; ebenso unter dem Gesichtspunkt der verfassungskonformen Auslegung: FG Baden-Württemberg, Außensenate Stuttgart, Beschluss vom 8. Dezember 2000 9 V 85/00, EFG 2001, 292; FG Düsseldorf, Beschluss vom 6. Juli 2001 7 V 3499/01 A (E), EFG 2001, 1216; Blümich/Ebling, Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, § 17 EStG Rz. 204; Eilers/R. Schmidt in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, Kommentar, § 17 EStG Anm. 10; Kirchhof/Gosch, Einkommensteuergesetz, KompaktKommentar, 4. Aufl., § 17 Rn. 79; Hörger in Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht, § 17 EStG Rz. 214, 215; Strahl, Kölner Steuerdialog --KÖSDI-- 2000, Nr. 1, 12260, 12261 f.; Vogt, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 1999, 1596; Wendt, Finanz-Rundschau --FR-- 1999, 333, 344 f.; ebenso hinsichtlich der bis einschließlich 1998 geltenden Rechtslage für den Fall des Hineinwachsens in die steuerliche Verstrickung: Crezelius, Der Betrieb --DB-- 1997, 195; Niehus/Wilke, Steuer und Wirtschaft --StuW-- 1997, 35; L. Schmidt, StuW 1996, 300).

Dieser Auffassung kann sich der Senat nicht anschließen. Der in § 17 Abs. 2 Satz 1 EStG i.d.F. des StEntlG 1999/2000/2002 verwandte Begriff der Anschaffungskosten ist nach der Rechtsprechung des Senats geklärt. Wegen einer insoweit fehlenden Rechtsgrundlage können die Anteile im Rahmen von § 17 Abs. 2 Satz 1 EStG nicht stattdessen in Höhe des gemeinen Werts im Zeitpunkt der Verstrickung bewertet werden.

aa) Der aus dem Handelsrecht (§ 255 des Handelsgesetzbuchs --HGB--) in das Steuerrecht übernommene Begriff der Anschaffungskosten gilt gleichermaßen im Bereich der Gewinneinkünfte wie im Bereich der Überschusseinkünfte (BFH-Urteil vom 19. Dezember 2000 IX R 100/97, BFHE 194, 182, BStBl II 2001, 345). Anschaffungskosten sind demgemäß alle Aufwendungen, die geleistet werden, um einen Vermögensgegenstand zu erwerben und ihn in einen betriebsbereiten Zustand zu versetzen. Anschaffungskosten liegen aus diesem Grund nur in Höhe der tatsächlich entstandenen Aufwendungen vor. Dem können wegen insoweit fehlender Aufwendungen bloße Wertveränderungen, die in der Zeit der fehlenden Verstrickung i.S. von § 17 EStG eingetreten sind, nicht gleichgestellt werden (ständige Senatsrechtsprechung zu § 17 EStG in der bis zum 31. Dezember 1998 geltenden Fassung; vgl. z.B. Urteil vom 10. November 1992 VIII R 40/89, BFHE 173, 17, BStBl II 1994, 222). Von diesem Grundverständnis geht auch die durch das Jahressteuergesetz (JStG) 1996 eingeführte, die Abziehbarkeit von Verlusten einschränkende Vorschrift des § 17 Abs. 2 Satz 4 EStG aus (vgl. Senatsbeschluss vom 18. Januar 1998 VIII B 80/98, BFHE 187, 565, BStBl II 1999, 486).

bb) Dem steht nicht entgegen, dass der Senat den Begriff der (nachträglichen) Anschaffungskosten i.S. von § 17 EStG normspezifisch interpretiert hat. Soweit er es in seinem Urteil vom 10. November 1998 VIII R 6/96 (BFHE 187, 480, BStBl II 1999, 348) in Abweichung von dem in § 255 HGB verwandten Begriff der Anschaffungskosten zugelassen hat, dass Verluste aus krisenbestimmten Finanzierungsmaßnahmen als nachträgliche Anschaffungskosten auf die Beteiligung zu behandeln sind, beruht dies auf dem die Einkommensbesteuerung beherrschenden objektiven Nettoprinzip. Danach ist dem durch die Beteiligung veranlassten Ertrag der durch sie veranlasste Aufwand gegenüberzustellen.

cc) Dass eine Beteiligung, welche infolge der Absenkung der maßgeblichen Beteiligungsgrenze zu einer solchen i.S. von § 17 EStG geworden ist, mit den historischen Anschaffungskosten zu bewerten ist, entspricht auch dem gesetzgeberischen Willen. Dieser hat sich an der Senatsrechtsprechung orientiert, wonach unwesentliche Beteiligungen, die in die Wesentlichkeit hineinwachsen, mit ihren tatsächlichen Anschaffungskosten zu bewerten sind. Der Gesetzgeber hat bewusst davon abgesehen, die von der Absenkung der Wesentlichkeitsschwelle betroffenen Beteiligungen mit ihrem gemeinen Wert zum 1. Januar 1999 zu bewerten (vgl. Begründung des Entwurfs eines StEntlG 1999/2000/2002 vom 9. November 1998, BTDrucks 14/23, S. 178). Der Ansatz der Beteiligung mit dem gemeinen Wert zum Zeitpunkt des Beginns einer solchen Verstrickung kann deshalb nicht im Wege der teleologischen Reduktion von § 17 Abs. 2 Satz 1 EStG i.d.F. des StEntlG 1999/2000/2002 erreicht werden.

dd) Ein solcher Ansatz lässt sich auch nicht mit dem Hinweis auf § 13 Abs. 2 Satz 3 des Umwandlungssteuergesetzes (UmwStG 1995) begründen (a.A. Schmidt/Weber-Grellet, a.a.O., § 17 Rz. 159 a.E.). Die dort getroffene Anordnung, wonach Anteile, die dem Gesellschafter im Rahmen der Übertragung des Vermögens einer Gesellschaft auf eine andere Körperschaft gewährt werden, mit ihrem gemeinen Wert am steuerlichen Übertragungsstichtag zu bewerten sind, wenn erst durch die Gewährung dieser Anteile eine wesentliche Beteiligung i.S. von § 17 Abs. 1 EStG entsteht, hat der Gesetzgeber nicht auf § 17 Abs. 2 Satz 1 EStG i.d.F. des StEntlG 1999/2000/2002 erstreckt.

2. Gegen § 17 EStG i.d.F. des StEntlG 1999/2000/2002 bestehen auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken.

a) Die gesetzliche Anordnung, realisierte Wertsteigerungen von wesentlichen Beteiligungen an Kapitalgesellschaften abweichend vom Grundsatz der Nichtsteuerbarkeit im Privatvermögen erzielter Wertzuwächse zu besteuern, ist mit dem Gleichheitssatz vereinbar (BVerfG-Beschluss vom 7. Oktober 1969 2 BvL 3/66, 2 BvR 701/64, BVerfGE 27, 111, BStBl II 1970, 160). § 17 EStG i.d.F. des StEntlG 1999/2000/2002 verletzt auch nicht deshalb Art. 3 Abs. 1 GG, weil der für die Besteuerung nach § 17 Abs. 1 EStG maßgebliche Schwellenwert auf 10 % abgesenkt worden ist.

aa) Im Schrifttum ist umstritten, ob Art. 3 Abs. 1 GG dadurch verletzt wird, dass § 17 EStG i.d.F. des StEntlG 1999/2000/2002 auch Beteiligungen an Kapitalgesellschaften erfasst, deren Umfang 25 % des Grund- oder Stammkapitals der Gesellschaft nicht übersteigt. Eine Besteuerung von Veräußerungsgewinnen nach § 17 EStG sei nur dann sachlich gerechtfertigt, wenn der Anteilseigner der Geschäftsführung der Gesellschaft nahe stehe, weil er als Inhaber einer Beteiligung von mehr als 25 % über eine sein Mitentscheidungsrecht sichernde Sperrminorität verfüge (Friauf, DB 1995, Beilage Nr. 8, S. 3; Korn/Strahl, Einkommensteuergesetz, Kommentar, § 17 Rz. 20; Landsittel/Haug, Betriebs-Berater --BB-- 1999, 2218; Schulte, DB 2000, 1043). Überwiegend wird hingegen die Absenkung der Beteiligungsgrenze unter dem Gesichtspunkt des Art. 3 Abs. 1 GG als unbedenklich beurteilt (Blümich/Ebling, a.a.O., § 17 EStG Rz. 11; Bornheim, DB 2001, 162; Debus, Betrieb und Wirtschaft --BuW-- 2000, 307; Kirchhof/Gosch, a.a.O., § 17 Rn. 5; Hörger in Littmann/Bitz/ Pust, a.a.O., § 17 EStG Rz. 8; Schmidt/Weber-Grellet, a.a.O., § 17 Rz. 6; Wendt, FR 1999, 333, 344 f.).

Der Senat folgt der zuletzt genannten Auffassung.

bb) Der Gleichheitssatz ist im Steuerrecht als Grundsatz der Steuergerechtigkeit bereichsspezifisch ausgeprägt; er verlangt, dass die Steuerpflichtigen durch ein Steuergesetz rechtlich und tatsächlich gleichmäßig belastet werden. Die Besteuerung ist an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen auszurichten (BVerfG-Beschluss vom 26. Januar 1994 1 BvL 12/86, BVerfGE 89, 346, BStBl II 1994, 307). Der Gesetzgeber hat bei der Auswahl des Steuergegenstandes einen weitreichenden Gestaltungsspielraum und ist in der Erschließung von Steuerquellen weitgehend frei (BVerfG-Beschluss vom 5. Februar 2002 2 BvR 305/93, 2 BvR 348/93, BVerfGE 105, 17). Jedoch muss er unter dem Gebot möglichst gleichmäßiger Belastung aller Steuerpflichtigen bei der Ausgestaltung des steuerrechtlichen Ausgangstatbestandes die einmal getroffene Belastungsentscheidung folgerichtig im Sinne der Belastungsgleichheit umsetzen; Ausnahmen von einer solchen folgerichtigen Umsetzung bedürfen eines besonderen sachlichen Grundes (vgl. BVerfG-Beschluss vom 4. Dezember 2002 2 BvR 400/98, 1735/00, BVerfGE 107, 27, 47, m.w.N.).

Das BVerfG hat es aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht beanstandet, dass der Gesetzgeber die Besteuerung von Gewinnen aus der Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften in § 17 Abs. 1 EStG davon abhängig gemacht hat, ob der Anteilseigner (unmittelbar oder mittelbar) zu mehr als 25 % am Stammkapital der Kapitalgesellschaft beteiligt ist. Es hat die gesetzgeberische Grenzziehung bei mehr als 25 % wegen der "Nähe" einer solchen Beteiligung zur Geschäftsführung der Gesellschaft (Beschluss in BVerfGE 27, 111, 128, BStBl II 1970, 160) und der mitunternehmerähnlichen Stellung (BVerfG-Beschluss vom 20. November 1984 1 BvR 727/82, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 1985, 381) als sachlich gerechtfertigt angesehen. Der Senat kann dahingestellt sein lassen, ob auch eine Beteiligung von 10 % wegen der damit verbundenen Rechte noch eine mitunternehmerähnliche Stellung und hinreichende Nähe zur Geschäftsführung mit der Folge vermittelt, dass die 10 %-Grenze noch eine folgerichtige Ausgestaltung des steuerrechtlichen Ausgangstatbestandes ist. Denn selbst wenn dies nicht zuträfe, kann der Umstand, dass das BVerfG die Grenzziehung bei mehr als 25 % für verfassungsgemäß gehalten hat, nicht dahin verstanden werden, dass dem Gesetzgeber jede andere Regelung und damit eine Neugestaltung des steuerrechtlichen Ausgangstatbestandes verwehrt wäre.

Der Gesetzgeber hat die Herabsetzung der Wesentlichkeitsgrenze auf 10 % mit der Verbreiterung der Besteuerungsgrundlage und der Missbrauchsbegrenzung begründet (vgl. BTDrucks 14/265, S. 179). Ungeachtet dessen, dass er an dem Begriff der "wesentlichen Beteiligung" festgehalten hat, gibt es hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass er bezüglich der steuerlichen Erfassung von Wertsteigerungen im Privatvermögen durch das StEntlG 1999/2000/2002 einen Paradigmenwechsel eingeleitet hat. Denn er hat gleichzeitig die Voraussetzungen für die steuerliche Erfassung von Gewinnen aus Veräußerungsgeschäften von sonstigen Wirtschaftsgütern des Privatvermögens erweitert, was durch die Änderung der bisherigen Überschrift des § 23 EStG von "Spekulationsgeschäfte" in "Private Veräußerungsgeschäfte" durch das StEntlG 1999/2000/2002 besonders augenscheinlich wird. Er hat den beschrittenen Weg einer breiteren steuerlichen Erfassung von Wertsteigerungen im Privatvermögen fortgeführt, indem er durch das Steuersenkungsgesetz (StSenkG) vom 23. Oktober 2000 (BGBl I 2000, 1433, BStBl I 2000, 1428) die Grenze für die Steuerpflicht von Gewinnen aus der Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften auf 1 % abgesenkt hat.

Die Absenkung der Wesentlichkeitsgrenze auf gerade 10 % ist mit den entsprechenden Regelungen in § 9 Nr. 2a des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) und in § 26 Abs. 2 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG 1999), die ebenfalls auf Beteiligungen in dieser Höhe abstellen, begründet worden (vgl. BTDrucks 14/265, S. 179). Der Gesetzgeber hat damit die Grenze für die Steuerverstrickung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft im Privatvermögen bei einer Beteiligungshöhe gezogen, die auch in sonstigen gesetzlichen Vorschriften für die Abgrenzung einer erheblichen von einer unerheblichen Beteiligung als sachgerecht angesehen wird (vgl. §§ 32a, 50, 61, 66 GmbHG). Wenn er auf diese Unterscheidung auch für die steuerliche Erfassung der gesteigerten wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit aufgrund von Anteilsveräußerungen zurückgreift, dann handelt es sich dabei um eine gesetzliche Neubestimmung, die im Rahmen seines gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums liegt.

b) § 17 EStG i.d.F. des StEntlG 1999/2000/2002 verstößt auch nicht gegen das aus dem Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG herzuleitende grundsätzliche Verbot der echten Rückwirkung bzw. der unzulässigen Rückbeziehung von Rechtsfolgen.

Die Erfassung von Gewinnen aus der Veräußerung auch solcher Beteiligungen, die vor 1999 und damit im Geltungsbereich der alten Wesentlichkeitsgrenze erworben wurden, ist grundsätzlich als unechte Rückwirkung bzw. als tatbestandliche Rückanknüpfung zu beurteilen. Dies gilt auch, soweit § 17 EStG im zeitlichen Geltungsbereich des StEntlG 1999/2000/2002 realisierte Gewinne erfasst, die auf früheren Wertsteigerungen der Beteiligung beruhen.

aa) Nach der Rechtsprechung des BVerfG ist eine wegen Verstoßes gegen das Rechtsstaatsprinzip gemäß Art. 20 Abs. 3 GG grundsätzlich unzulässige echte Rückwirkung bzw. Rückbeziehung von Rechtsfolgen eines Gesetzes (im Folgenden: echte Rückwirkung) dann gegeben, wenn dieses nachträglich in belastender Weise ändernd in abgewickelte, der Vergangenheit angehörende Tatbestände eingreift (Beschluss vom 31. Mai 1960 2 BvL 4/59, BVerfGE 11, 139, 145 f., und Urteil vom 19. Dezember 1961 2 BvL 6/59, BVerfGE 13, 261, 271). In einem solchen Fall erstreckt sich der festgelegte Beginn des zeitlichen Anwendungsbereichs der Norm auf Zeiträume, die vor dem Gültigwerden der Norm liegen (Beschluss vom 3. Dezember 1997 2 BvR 882/97, BVerfGE 97, 67, 78).

Hingegen liegt eine verfassungsrechtlich grundsätzlich zulässige unechte Rückwirkung bzw. eine tatbestandliche Rückanknüpfung (im Folgenden: unechte Rückwirkung) dann vor, wenn das Gesetz nur auf gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Sachverhalte und Rechtsbeziehungen für die Zukunft einwirkt (Beschlüsse des BVerfG in BVerfGE 11, 139, 146, und vom 19. Juli 1967 2 BvL 1/65, BVerfGE 22, 241, 248). Die gesetzliche Regelung erfasst in diesem Fall auch Sachverhalte, die bereits vor der Verkündung dieser Norm ins Werk gesetzt worden sind (Beschlüsse vom 15. Mai 1995 2 BvL 19/91, 2 BvR 1206, 1584/91 und 2601/93, BVerfGE 92, 277, 344; in BVerfGE 97, 67, 79, und in BVerfGE 105, 17, 36, m.w.N.; zur Terminologie des BVerfG vgl. auch Papier, Die Steuerberatung --Stbg-- 1999, 49, 56; Spindler, DStR 2001, 725 f.).

bb) Auch in den Fällen der unechten Rückwirkung bedarf es vor dem Rechtsstaatsprinzip einer besonderen Rechtfertigung, wenn der Gesetzgeber die Rechtsfolgen eines der Vergangenheit zugehörigen Verhaltens nachträglich belastend ändert. Belastende Steuergesetze dürfen schutzwürdiges Vertrauen des Steuerpflichtigen nicht ohne hinreichende Rechtfertigung enttäuschen. Vielmehr sind das Ausmaß des Vertrauensschadens und das gesetzgeberische Anliegen für das Wohl der Allgemeinheit gegeneinander abzuwägen. Es ist in jedem Einzelfall zu ermitteln, inwieweit und mit welchem Gewicht das Vertrauen in die bestehende günstige Rechtslage schützenswert ist und ob die öffentlichen Belange, die eine nachteilige Änderung rechtfertigen, dieses Vertrauen überwiegen (BVerfG-Beschlüsse vom 14. Mai 1986 2 BvL 2/83, BVerfGE 72, 200, 254, und in BVerfGE 105, 17, 36 f.; BFH-Beschluss vom 16. Dezember 2003 IX R 46/02, BFHE 204, 228, BStBl II 2004, 284). Die allgemeine Erwartung des Bürgers, das geltende Recht werde auch in Zukunft unverändert fortbestehen, ist verfassungsrechtlich jedoch nicht geschützt.

Ein verstärkter Vertrauensschutz gilt nach der neueren Rechtsprechung des BVerfG im Bereich von Lenkungsnormen: Bietet ein Steuergesetz dem Steuerpflichtigen eine Steuervergünstigung oder Verschonungssubvention an, die dieser nur während des Veranlagungszeitraums annehmen kann, dann schafft die Annahme dieses Angebots für diese Disposition in ihrer zeitlichen Bindung eine schutzwürdige Vertrauensgrundlage, auf die der Steuerpflichtige seine Entscheidung über das steuerbegünstigte Verhalten stützt. Dies ist bei der Abwägung zwischen dem Interesse des Einzelnen am Fortbestand des geltenden Rechts und dem Änderungsinteresse der Allgemeinheit zu berücksichtigen (Beschlüsse des BVerfG in BVerfGE 97, 67, 80; in BVerfGE 105, 17, 40; vom 3. Juli 2001 1 BvR 382/01, DB 2001, 1650).

cc) Der erkennende Senat legt seiner Entscheidung die herkömmliche Unterscheidung zwischen echter und unechter Rückwirkung zugrunde.

Der in der Literatur vielfach vertretenen Auffassung, es sei im Hinblick auf die Rechtsprechung des BVerfG zu steuerlichen Lenkungsvorschriften von einem einheitlichen dispositionsbezogenen Rückwirkungsbegriff auszugehen (Balmes, FR 2001, 392; Hey, BB 1998, 1444, 1447; dieselbe in BB 2002, 2312, 2314; F. Kirchhof, StuW 2002, 185, 197; Offerhaus, Deutsche Steuer-Zeitung --DStZ-- 2000, 9, 13 f.; Pleyer, Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 2001, 1985; Schaumburg, DB 2000, 1884, 1888), folgt der Senat nicht (ebenso Beschluss des BFH in BFHE 204, 228, BStBl II 2004, 284, unter B.III.2.e aa).

Auf dieser Grundlage beurteilt der Senat die im Bereich des § 17 EStG eingetretene Steuerverschärfung jedenfalls insoweit als unechte Rückwirkung, als die Vorschrift Beteiligungsverkäufe erfasst, bei denen der Steuerpflichtige --wie im Streitfall-- die für die Veräußerung maßgeblichen Handlungen nach dem Gesetzesbeschluss des Deutschen Bundestags zum StEntlG 1999/2000/2002 vorgenommen hat.

aaa) § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG i.V.m. § 52 Abs. 1 Satz 1 EStG machen die Erfüllung des Besteuerungstatbestands der Veräußerung einer wesentlichen Beteiligung i.S. des StEntlG 1999/2000/2002 u.a. davon abhängig, dass die Beteiligung in der Zeit ab Beginn des Jahres 1999 veräußert wird. Der Besteuerungstatbestand ist mithin erst mit einer solchen Veräußerung abgeschlossen. Erst mit der Veräußerung, also der entgeltlichen Übertragung der rechtlichen oder wirtschaftlichen Verfügungsmacht über diese Beteiligung (vgl. hierzu Senatsbeschluss vom 25. Juni 1998 VIII B 45/97, BFH/NV 1999, 33), wird der steuerbegründende Tatbestand verwirklicht (Bornheim, DB 2001, 162; Eilers in Hommage an Josef Isensee zum 65. Geburtstag von seinen Schülern, 2002, 421, 427; Haritz/Slabon, GmbHR 1998, 1159; Möstl, DStR 2003, 720; Schweyer/Dannecker, BB 1999, 2375). Eine echte Rückwirkung liegt nicht bereits darin, dass das StEntlG 1999/2000/2002 auf Wertsteigerungen von nach bisherigem Recht unwesentlichen Beteiligungen zugreift, die zwar in der Vergangenheit eingetreten, aber erst im zeitlichen Geltungsbereich des StEntlG 1999/ 2000/2002 realisiert worden sind (so aber Birk/Kulosa, FR 1999, 433; Debus, BuW 2000, 307; Landsittel/Haug, BB 1999, 2218; Wermeckes, DStZ 1999, 479). Ob eine unechte Rückwirkung vorliegt, lässt sich nicht durch einen bloßen Vergleich zweier Rechtszustände, sondern nur danach beantworten, ob der neu geschaffene oder geänderte Besteuerungstatbestand vollständig außerhalb des zeitlichen Geltungsbereichs der Neuregelung verwirklicht oder erst im zeitlichen Geltungsbereich der Neuregelung abgeschlossen worden ist (Beschluss des BVerfG in BVerfGE 72, 200, 241). Es kommt deshalb nicht darauf an, ob der Steuerpflichtige in der Vergangenheit im Vertrauen auf den Fortbestand der bisherigen Rechtslage auf eine Veräußerung der Beteiligung verzichtet hat.

bbb) Demnach ist die durch das StEntlG 1999/2000/2002 angeordnete Absenkung der Beteiligungsgrenze jedenfalls insoweit als eine unechte Rückwirkung zu beurteilen, als sie Veräußerungen i.S. von § 17 Abs. 1 EStG erfasst, die nach dem Gesetzesbeschluss des Deutschen Bundestags vom 4. März 1999 ins Werk gesetzt worden sind. Zwar ist für die Frage, ob ein von der Rückwirkung betroffener Tatbestand bereits in der Vergangenheit abgeschlossen worden ist, der Zeitpunkt der Verkündung des Gesetzes maßgebend (Beschluss des BVerfG in BVerfGE 72, 200, 242). Das StEntlG 1999/2000/2002 wurde am 24. März 1999 verkündet. Da aber bereits mit dem Gesetzesbeschluss des Deutschen Bundestags das Vertrauen in den Fortbestand des geltenden Rechts zerstört worden ist, unterliegen Veräußerungen ab diesem Zeitpunkt nicht mehr dem unbedingten Schutz des Rechtsstaatsprinzips (Urteil des BVerfG vom 8. Februar 1977 1 BvF 1/76 u.a., BVerfGE 43, 291, 392; Beschlüsse des BVerfG in 72, 200, 261, und vom 15. Oktober 1996 1 BvL 44, 48/92, BVerfGE 95, 64, 87).

c) Soweit das StEntlG 1999/2000/2002 infolge der Absenkung der Beteiligungsgrenze im Wege der unechten Rückwirkung auf in der Vergangenheit angelegte, aber noch nicht abgeschlossene Sachverhalte steuerverschärfend einwirkt, überwiegt das Änderungsinteresse des Staates und des gemeinen Wohls die schutzwürdigen Interessen des Betroffenen in den Fortbestand des geltenden Rechts.

aa) Das BVerfG hat im Zusammenhang mit steuerlichen Normen wiederholt entschieden, eine Beeinträchtigung schutzwürdiger Belange des Einzelnen liege im Fall der belastenden Änderung steuerlicher Rahmenbedingungen auch dann nicht vor, wenn die Änderung in der Vergangenheit angelegte, jedoch noch nicht abgeschlossene Sachverhalte erfasse. Die Erwartung des Einzelnen, das geltende Steuerrecht werde fortbestehen, sei verfassungsrechtlich nicht geschützt (vgl. z.B. Urteil des BVerfG vom 10. Mai 1962 1 BvL 31/58, BVerfGE 14, 76, 104; Entscheidungen vom 24. September 1965 1 BvR 228/65, BVerfGE 19, 119, 127; vom 17. Juli 1974 1 BvR 51, 160, 285/69, 1 BvL 16, 18, 26/72, BVerfGE 38, 61, 83, und vom 8. März 1983 2 BvL 27/81, BVerfGE 63, 312, 330 f.; vgl. auch Senatsbeschluss vom 25. Februar 2003 VIII B 253/02, BFH/NV 2003, 624, zur sog. Fünftel-Regelung des § 34 EStG i.d.F. des StEntlG 1999/2000/2002).

Dies gilt nicht nur für die Abschaffung von Steuervergünstigungen, sondern auch für die Aufhebung von "Freiräumen" und die Erhebung zusätzlicher Steuern (Beschlüsse des BVerfG vom 9. März 1971 2 BvR 326, 327, 341, 342, 343, 344, 345/69, BVerfGE 30, 250, 269, und in BVerfGE 63, 312, 330 f.). Das Vertrauen ist grundsätzlich auch dann nicht geschützt, wenn der Steuerpflichtige auf der Grundlage der bisher geltenden steuerlichen Lage disponiert hat.

Nach diesen Grundsätzen war der Gesetzgeber durch den verfassungsrechtlichen Vertrauensschutz nicht gehindert, die Rahmenbedingungen für die Erfassung von Veräußerungsgewinnen i.S. des § 17 EStG zum Nachteil der betroffenen Steuerpflichtigen zu ändern. Durch das StEntlG 1999/2000/2002 wollte der Gesetzgeber die Besteuerungsgrundlage für Veräußerungsgewinne i.S. des § 17 EStG verbreitern und Missbräuche eindämmen (vgl. BTDrucks 14/265, S. 179). Dies sind sachliche Gründe, die eine belastende Rechtsänderung rechtfertigen. Auch die Grundsätze, die das BVerfG über den verstärkten Vertrauensschutz von Dispositionen im Zusammenhang mit steuerlichen Lenkungsnormen entwickelt hat (vgl. oben II.2.b bb), führen im Streitfall zu keinem anderen Ergebnis.

bb) Der IX. Senat des BFH hat die vom BVerfG für Lenkungsvorschriften aufgestellten Rechtsgrundsätze auch im Falle der Änderung von Fiskalzwecknormen angewandt, wenn die Veränderung der steuerrechtlichen Lage unmittelbar die steuerrechtlichen Rahmenbedingungen verändert, die im Zeitpunkt der Disposition des Einzelnen gegolten haben (Beschluss in BFHE 204, 228, BStBl II 2004, 284; ebenso Arndt/Schumacher, NJW 1998, 1538; F. Kirchhof, StuW 2002, 185, 197; Landsittel/Haug, BB 1999, 2218, 2222; Micker, BB 2002, 120; a.A. wohl Papier, Stbg 1999, 49, 56). Er hat hiervon ausgehend im Rahmen der Abwägung zwischen dem Bestandsinteresse des Steuerpflichtigen und dem Änderungsinteresse des Gesetzgebers dem Bestandsinteresse Vorrang eingeräumt. Der Steuerpflichtige, welcher ein Grundstück im Vertrauen auf die Fortgeltung einer jahrzehntelang geltenden Regelung in der Erwartung erworben habe, ein Gewinn unterliege im Falle der Veräußerung nach Ablauf von zwei Jahren seit der Anschaffung nicht mehr der Besteuerung, habe eine besonders schützenswerte Position. Dieses Vertrauen habe sich mit Ablauf der früheren Spekulationsfrist zusätzlich verstärkt. Es sei auch deshalb besonders zu schützen, weil das EStG Wertzuwächse im Privatvermögen grundsätzlich nicht erfasse. Der Steuerpflichtige könne daher beanspruchen, dass der Gesetzgeber im Falle der Verlängerung der Frist, innerhalb derer der Gewinn aus der Grundstücksveräußerung der Besteuerung unterliege, dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes durch eine Übergangsregelung Rechnung trage.

Diese Grundsätze lassen sich nicht auf die durch die Absenkung der Beteiligungsgrenze eingetretene Erweiterung des Besteuerungstatbestands des § 17 EStG übertragen. Denn ein nach bisherigem Recht nicht wesentlich beteiligter Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft konnte nicht in gleichem Maße auf eine steuerfreie Realisierung der Wertsteigerung seiner Beteiligung vertrauen wie z.B. der Eigentümer eines Grundstücks. Dies ergibt sich aus folgenden Erwägungen:

aaa) Während der Wertzuwachs, der bei einem Grundstück erzielt wurde, nach Ablauf der Zweijahresfrist des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a EStG a.F. steuerfrei realisiert werden konnte, blieb bei einem nicht wesentlich beteiligten Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft der Wertzuwachs latent steuerverstrickt. Auch ein nicht wesentlich beteiligter Anteilsinhaber erzielt sowohl im Falle der Ausschüttung von Gewinnen (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG) als auch nach Maßgabe des § 17 Abs. 4 Satz 3 i.V.m. § 20 Abs. 1 Nr. 2 EStG steuerpflichtige Einkünfte, wenn die Kapitalgesellschaft aufgelöst, ihr Unternehmen unter Aufdeckung der stillen Reserven (einschließlich eines Geschäftswerts) veräußert und der Liquidationsüberschuss an die Gesellschafter verteilt werden. Es hängt damit wesentlich vom Ausschüttungsverhalten und den unternehmerischen Entscheidungen der Mehrheit der Gesellschafter ab, ob und in welcher Höhe ein Beteiligungsertrag oder ein diesem wirtschaftlich gleichwertiger, aber nicht der Einkommensteuer unterworfener Veräußerungsgewinn anfiel (zur Gleichstellung von Ausschüttungen und Veräußerungsgewinnen nach dem ab Veranlagungszeitraum 2002 geltenden Halbeinkünfteverfahren vgl. BTDrucks 14/2683, S. 120; Crezelius, DB 2001, 221, 222; Schüppen/Sanna, BB 2001, 2397, m.w.N.).

Ein Gesellschafter mit einer Beteiligung von nicht mehr als 25 % kann nach dem gesetzlichen Regelstatut weder auf das Ausschüttungsverhalten Einfluss nehmen (vgl. für die GmbH: § 29 Abs. 1, § 42a Abs. 2 Satz 1 und § 47 Abs. 1 und 2 GmbHG) noch den Beschluss, das Unternehmen aufzulösen oder zu veräußern, verhindern (vgl. Fastrich in Baumbach/Hueck, GmbH-Gesetz, 17. Aufl., § 60 Rz. 19; Scholz/Schmidt, Kommentar zum GmbH-Gesetz, 9. Aufl., § 60 Rz. 13; §§ 179, 179a des Aktiengesetzes --AktG--; vgl. Küting, DStR 2003, 838, 841 f.). Aus diesem Grund war die Position eines nicht wesentlich beteiligten Gesellschafters bezüglich der Möglichkeit einer steuerfreien Realisierung der Wertsteigerung seines Anteils an der Kapitalgesellschaft eine andere als z.B. diejenige eines Grundstückeigentümers nach Ablauf von zwei Jahren.

bbb) Bei der gebotenen Abwägung zwischen dem Änderungsinteresse der Allgemeinheit und dem Bestandsinteresse des Steuerpflichtigen ist zudem zu beachten, dass das allgemeine Vertrauen in den künftigen unveränderten Fortbestand des § 17 EStG schon mit der Einfügung des Abs. 11 in § 50c EStG durch das Gesetz zur Fortsetzung der Unternehmenssteuerreform vom 29. Oktober 1997 (BGBl I 1997, 2590, BStBl I 1997, 928) abgeschwächt war. Bereits mit dieser Regelung hat der Gesetzgeber ersichtlich das Ziel verfolgt, die Einmalbesteuerung ausgeschütteter Gewinne inländischer Kapitalgesellschaften zu gewährleisten (vgl. zu diesem Gesichtspunkt bei der Änderung des § 17 EStG: Altvater, BB 1997, 2510; Herzig, DB 1997, 1688; Herzig/Dötsch, DB 1998, 15); zugleich wollte er mit dieser Regelung missbräuchliche Gestaltungen verhindern (zur Problematik der sog. Anteilsrotation vgl. z.B. die BFH-Urteile vom 7. Juli 1998 VIII R 10/96, BFHE 186, 534, BStBl II 1999, 729; vom 18. Juli 2001 I R 48/97, BFHE 196, 128; vom 8. Mai 2003 IV R 54/01, BFHE 202, 219, BStBl II 2003, 854; Schmidt/Weber-Grellet, a.a.O., § 17 Rz. 228). Durch die Veräußerung einer nicht wesentlichen Beteiligung des Privatvermögens konnten thesaurierte Erträge in nicht steuerbare Veräußerungsgewinne umgewandelt werden. Dieser Gestaltung ist § 50c Abs. 11 EStG entgegengetreten, indem er dem Erwerber einer solchen Beteiligung die sog. ausschüttungsbedingte Teilwertabschreibung untersagt und auf diese Weise die Besteuerung der Erträge sicherstellt (vgl. dazu im Einzelnen die Ausführungen bei Groh, Teilwertabschreibung nach Beteiligungskauf, in Unternehmenskauf im Steuerrecht, 1997, 149 ff.; Weber-Grellet, BB 1999, 289). Diese Regelung ist auf Kritik gestoßen, da sie die Besteuerung der im Veräußerungsgewinn enthaltenen Erträge systemwidrig beim Erwerber der Beteiligung vornimmt. Dieser Kritik hat der Gesetzgeber des StEntlG 1999/2000/2002 mit der Absenkung der Beteiligungsgrenze des § 17 Abs. 1 EStG zumindest teilweise Rechnung getragen. Damit ist zugleich der Anwendungsbereich von § 50c Abs. 11 EStG zurückgedrängt worden (vgl. BTDrucks 14/265, S. 179).

ccc) Ein nach bisherigem Recht nicht wesentlich Beteiligter konnte auch deshalb nicht ohne weiteres darauf vertrauen, ein durch Veräußerung realisierter Wertzuwachs unterliege nicht der Besteuerung, weil der Senat in ständiger Rechtsprechung zu § 17 EStG in der bis zum 31. Dezember 1998 geltenden Fassung davon ausgegangen ist, dass eine unwesentliche Beteiligung, die in die Wesentlichkeit hineingewachsen ist, im Fall ihrer Veräußerung mit den historischen Anschaffungskosten und nicht mit ihrem tatsächlichen Wert, den sie im Zeitpunkt der Begründung der Wesentlichkeit hatte, zu bewerten ist (vgl. Senatsurteile in BFHE 173, 17, BStBl II 1994, 222, betr. die Aufstockung einer unwesentlichen Beteiligung; vom 30. März 1993 VIII R 44/90, BFH/NV 1993, 597, und vom 19. März 1996 VIII R 15/94, BFHE 180, 146, BStBl II 1996, 312, jeweils betr. den Wertzuwachs vor Begründung der unbeschränkten Steuerpflicht; Senatsbeschlüsse in BFHE 187, 565, BStBl II 1999, 486, betr. den Erwerb im Erbwege, und vom 23. Januar 2003 VIII B 121/01, BFH/NV 2003, 767). Hierbei hat der Senat maßgeblich darauf abgestellt, dass der Gesetzeswortlaut des § 17 Abs. 1 und 2 EStG eindeutig den Zweck der Bestimmung zum Ausdruck bringt, den durch die Veräußerung der Beteiligung insgesamt eintretenden Zuwachs an steuerlicher Leistungsfähigkeit zu erfassen.

Dem steht nicht entgegen, dass das auf der Absenkung der Beteiligungsgrenze beruhende Hineinwachsen in die Wesentlichkeit auf eine gesetzliche Maßnahme zurückzuführen ist, die der Steuerpflichtige nicht beeinflussen kann (so aber Strahl, KÖSDI 2000, Nr. 1, 12260, 12262; Vogt, DStR 1999, 1596). Zwar ist das Hineinwachsen einer unwesentlichen Beteiligung in die Wesentlichkeit häufig auf Handlungen des Steuerpflichtigen zurückzuführen, durch welche dieser willentlich seine Beteiligung und bereits eingetretene Wertsteigerungen in den steuerbaren Bereich überführt. Die Steuerverhaftung kann jedoch ungeachtet gesetzlicher Maßnahmen auch ohne Zutun des Steuerpflichtigen entstehen (van Lishaut, DB 1997, 2190, 2194). Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn die Kapitalgesellschaft selbst eigene Anteile erwirbt (§§ 33, 47 GmbHG) und hierdurch die Beteiligung des Steuerpflichtigen die Wesentlichkeitsgrenze deshalb überschreitet, weil der Nennwert der eigenen Anteile der Kapitalgesellschaft vom Grund- oder Stammkapital abzuziehen ist (Senatsurteil vom 18. April 1989 VIII R 329/84, BFH/NV 1990, 27). Eine vergleichbare Lage ist gegeben, wenn der Steuerpflichtige an der Kapitalgesellschaft (auch) mittelbar über eine andere Kapitalgesellschaft beteiligt ist, welche weitere Anteile hinzu erwirbt mit der Folge, dass hierdurch die Beteiligung des Steuerpflichtigen in die Wesentlichkeit hineinwächst. Insoweit kommt es auch nicht darauf an, ob der Steuerpflichtige die Kapitalgesellschaft beherrscht, welche ihm die Beteiligung vermittelt (BFH-Urteil vom 12. Juni 1980 IV R 128/77, BFHE 131, 49, BStBl II 1980, 646; vgl. auch Beschluss des BVerfG in HFR 1985, 381).

ddd) Im Hinblick auf die vorstehend genannten Gesichtspunkte kann der Senat offen lassen, ob das Vertrauen der Steuerpflichtigen auch deshalb abgeschwächt war, weil in der Vergangenheit wiederholt Überlegungen angestellt worden sind, die für § 17 EStG maßgebliche Beteiligungsgrenze abzusenken. So wurde bereits im Gutachten der Steuerreformkommission 1971 vorgeschlagen, die Beteiligungsgrenze auf eine Quote von mehr als 10 % abzusenken (Schriftenreihe des Bundesministeriums der Finanzen, Heft 17, S. 88). Auch sah der Entwurf der Bundesregierung zum Dritten Steuerreformgesetz vom 9. Januar 1974 (BTDrucks 7/1470) in § 40 Abs. 1 Satz 3 der Entwurfsfassung eine Absenkung der Grenze auf mindestens 10 % vor. Umgekehrt ist die Bundesregierung der Stellungnahme des Bundesrats zum Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung des Missbrauchs und zur Bereinigung des Steuerrechts, in der dieser vorgeschlagen hatte, die Beteiligungsgrenze auf eine solche von mindestens 10 % abzusenken, entgegengetreten (BTDrucks 12/5940 vom 21. Oktober 1993, S. 4 f., 28). Schließlich war im Entwurf der CDU/CSU und F.D.P. eines Steuerreformgesetzes 1999 in Anknüpfung an die Petersberger Steuervorschläge der Steuerreform in § 43 Abs. 1 Satz 3 des Gesetzesentwurfs eine Beteiligungsgrenze von mehr als 10 % vorgesehen (BTDrucks 13/7480 vom 22. April 1997, S. 38).

3. Verfassungsrechtliche Bedenken bestehen auch nicht insoweit, als die tatsächliche Steuerbelastung, die auf den vom Kläger erzielten Veräußerungsgewinn entfällt, 50 % dieses Gewinns überschreitet. Bezogen auf die Einkommensteuer lässt sich aus dem GG kein Rechtssatz ableiten, dass die Steuerbelastung die Hälfte der erzielten Einkünfte nicht überschreiten darf (BFH-Urteile vom 11. August 1999 XI R 77/97, BFHE 189, 413, BStBl II 1999, 771, und vom 18. September 2003 X R 2/00, BFHE 203, 263, BStBl II 2004, 17).

RechtsgebieteEStG, GGVorschriftenEStG i.d.F. des StEntlG 1999/2000/2002 § 17 Abs. 1 EStG i.d.F. des StEntlG 1999/2000/2002 § 17 Abs. 2 EStG i.d.F. des StEntlG 1999/2000/2002 § 17 Abs. 4 Satz 3 EStG i.d.F. des StEntlG 1999/2000/2002 § 20 Abs. 1 Nr. 2 GG Art. 3 Abs. 1 GG Art. 20 Abs. 3

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