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17.03.2005 · IWW-Abrufnummer 050761

Finanzgericht Baden-Württemberg: Urteil vom 30.09.2004 – 10 K 116/01

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


FINANZGERICHT BADEN-WÜRTTEMBERG

Im Namen des Volkes

Urteil

Az.: 10 K 116/01

In dem Finanzrechtsstreit XXX

wegen Einkommensteuer 1998

hat der 10. Senat des Finanzgerichts Baden-Württemberg aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 30. September 2004 durch

XXX

für Recht erkannt:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Rechtsmittelbelehrung

Gegen das Urteil ist die Revision an den Bundesfinanzhof nur statthaft, wenn das Finanzgericht sie zugelassen hat.

Die Revision ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Bundesfinanzhof schriftlich einzulegen. Die Revisionsschrift muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Ihr soll eine Abschrift oder Ausfertigung des angefochtenen Urteils beigefügt werden.
Die Revision ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Auch die Revisionsbegründung ist bei dem Bundesfinanzhof einzureichen. Sie muss die Erklärung enthalten, inwieweit das Urteil angefochten und dessen Aufhebung beantragt wird (Revisionsanträge). Außerdem muss sie die Revisionsgründe angeben, indem die Umstände bestimmt bezeichnet werden, aus denen sich eine Rechtsverletzung durch das Urteil ergibt; soweit Verfahrensmängel gerügt werden, muss sie auch die Tatsachen angeben, aus denen sich der Mangel ergibt.

Die Nichtzulassung der Revision kann durch Beschwerde angefochten werden.

Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Bundesfinanzhof einzulegen. Sie muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Ihr soll eine Abschrift oder Ausfertigung des angefochtenen Urteils beigefügt werden.
Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach der Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Auch die Beschwerdebegründung ist bei dem Bundesfinanzhof einzureichen. Sie muss darlegen, weshalb die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, weshalb die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs erfordert oder weshalb ein Verfahrensmangel vorliegt, auf dem das Urteil beruhen kann.

Bei der Einlegung und Begründung der Revision oder Beschwerde sowie in dem weiteren Verfahren vor dem Bundesfinanzhof muss sich jeder Beteiligte durch einen Steuerberater, einen Steuerbevollmächtigten, einen Rechtsanwalt, einen niedergelassenen europäischen Rechtsanwalt, einen Wirtschaftsprüfer oder einen vereidigten Buchprüfer als Bevollmächtigten vertreten lassen. Zur Vertretung berechtigt sind auch Steuerberatungsgesellschaften, Rechtsanwaltsgesellschaften, Wirtschaftsprüfungsgesellschaften und Buchprüfungsgesellschaften sowie Partnerschaftsgesellschaften, die durch einen der zuvor aufgeführten Berufsangehörigen tätig werden. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können sich auch durch Beamte oder Angestellte mit Befähigung zum Richteramt sowie durch Diplomjuristen im höheren Dienst vertreten lassen.

Postanschrift des Bundesfinanzhofs: Postfach 86 02 40, 81629 München
Hausanschrift: Ismaninger Straße 109, 81675 München
Telefax-Anschluss: (089) 92 31-2 01

Tatbestand

Die Kläger begehren die Anerkennung weiterer Sonderausgaben.

Die Kläger werden als Ehegatten gemeinsam zur Einkommensteuer veranlagt. Die Klägerin zu 2) ist die Tochter von K, der in 2. Ehe mit der am ... geborenen R, geb. ..., (im Folgenden: Frau R.) verheiratet war. Die Klägerin zu 2) hatte mit ihrem Vater am 25. Juni 1981 einen notariellen Erbvertrag geschlossen. Hierin vermachte K seiner Tochter seinen Geschäftsanteil von derzeit 81.000,-- DM an der im Handelsregister des Amtsgerichts ... HRB 250 eingetragenen ?K, ...vertrieb, Gesellschaft mit beschränkter Haftung? und seine Kommanditbeteiligung in Höhe von 40.000,-- DM an der im Handelsregister des Amtsgerichts ... HRA 691 eingetragenen Kommanditgesellschaft Firma ?K KG? zu alleiniger Berechtigung mit der Verpflichtung, an seine Ehefrau R. auf die Dauer des Witwenstandes einen Geldbetrag von monatlich 3.000,-- DM zu entrichten. Nach dem Erbvertrag soll das Vermächtnis mit seinem Ableben anfallen und zum Vollzuge fällig sei. K verstarb am 12. Juni 1998 in .... Nach dem Erbschein des Notariats - Nachlassgericht - ... vom 31. Juli 1998 wurde die Klägerin zu 2) Alleinerbin von K.

Mit notariellem Vertrag vom 6. August 1998 - Notariat I ..., der die Überschrift ?Erbrechtliche Vereinbarung? trägt, überließ die Klägerin zu 2) das von ihrem Vater zu Alleineigentum vererbet, mit einem Wohnhaus bebaute Grundstück Flst.Nr. 11506/9, ...Straße (8, 13 Ar), Frau R. zu Alleineigentum unter Bewilligung des Löschung des zu ihren Gunsten bestehenden Nacherbenvermerks. Frau R. bewilligte hierin die Löschung des zu ihren Gunsten eingetragenen Wohnungsrechts. Die Klägerin zu 2) trat in diesem Vertrag des Weiteren die dem Erblasser zustehenden Ansprüche verschiedener Bankkonten an Frau R. ab. Weiterhin übernahm die Klägerin zu 2) die im Erbvertrag vom 25. Juni 1981 enthaltene Verpflichtung, an Frau R. 3.000,-- DM jeweils am ersten Banktag eines Monats zu entrichten. In § 6 dieses Vertrages bekennt sich Frau R. wegen ihrer Pflichtteilsansprüche am Nachlass von K für befriedigt.

Der Beklagte veranlagte die Kläger mit Bescheid vom 14. Dezember 1999 zur Einkommensteuer, Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer für das Jahr 1998. Hierin berücksichtigte er die Zahlungen an Frau R. in Höhe von 18.000,-- DM nicht als abzugsfähige Sonderausgaben.

Den hiergegen von den Klägern am 16. Dezember 1999 eingelegten Einspruch wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 19. April 2001 mit der Begründung zurück, die Zahlungen der Klägerin zu 2) unterlägen als Unterhaltsleistungen dem Abzugsverbot für Zuwendungen nach § 12 Nr. 2 Einkommensteuergesetz (EStG). Zwar könnten Versorgungsleistungen grundsätzlich auch testamentarisch begründet werden. Solche setzten jedoch voraus, dass der Zahlungsempfänger im Erbwege kein existenzsicherndes Vermögen aus der Erbmasse übertragen worden. Als Gegenleistung habe sie auf die Geltendmachung ihres gesetzlich zustehenden Pflichtteilsanspruchs verzichtet. Der Erhalt des existenzsichernden Vermögens unter Verzicht auf Geltendmachung der Pflichtteilsansprüche hebe damit den Versorgungscharakter der Geldzahlungen auf.

Die Kläger haben am 10. Mai 2001 beim Finanzgericht Baden-Württemberg Klage erhoben.
Sie beantragen,
den Einkommensteuerbescheid für 1998 des Beklagten vom 14. Dezember 1999 und dessen Einspruchsentscheidung vom 19. April 2001 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, die Einkommensteuer für 1998 unter Anerkennung weiterer Sonderausgaben aufgrund dauernder Lasten in Höhe von monatlich 3.000,-- DM (hier insgesamt 18.000,-- DM) auf 212.738,-- DM festzusetzen.

Zur Begründung tragen die Kläger im Wesentlichen vor, Frau R. erhalte die Zahlungen gerade nicht anstelle des Erbteils, sondern aufgrund der Vereinbarung vom 25. Juni 1981. Zur Abgeltung des Erbteils habe sie Vermögen erhalten, das ihr (der Klägerin zu 2)) als Alleinerbin zunächst zugestanden habe. Frau R. wären lediglich Pflichtanteilsansprüche nach dem Tod ihres Mannes verbleiben. Pflichtteilsansprüche bestünden jedoch in Geld. Geldbeträge gelten im Allgemeinen nicht als existenzsicherndes Vermögen. Dass die ?Geldschuld? u. a. durch Übertragung des Grundstücks ...Straße getilgt worden sei, rechtfertigt nicht die Annahme, dass durch testamentarische Anordnung bzw. Erbvertrag existenzsicherndes Vermögen übertragen worden sei. Im Übrigen sei nicht endgültig geklärt, ob ein selbstbewohntes Einfamilienhaus existenzsicherndes Vermögen darstelle. Der Erblasser, K, habe die Versorgung seiner Ehefrau sicherstellen wollen. Mit der Übertragung des Grundstücks ...Straße zu Lebzeiten auf Frau R. wäre deren Versorgung noch nicht sichergestellt gewesen. Da sie (die Klägerin zu 2)) nicht die Tochter von Frau R. sei, bestünde keine Unterhaltsverpflichtung, so dass die Einordnung als Unterhaltszahlungen schon aus diesem Grunde ausscheide.

Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Zur Begründung verweist er auf die in der Einspruchsentscheidung dargelegten Gründe.

Die Einkommensteuer- und Rechtsbehelfsakten sowie die Bewertungsakten bezüglich des Grundstücks Flst.-Nr. 11506/9 des Beklagten liegen dem Gericht vor. Sie waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten verweisen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist begründet.

Der Einkommensteuerbescheid 1998 vom 14. Dezember 1999 und die Einspruchsentscheidung des Beklagten vom 19. April 2001 sind rechtmäßig; sie verletzten die Kläger daher nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 1. Halbsatz FGO).

Der Beklagte hat die Zahlungen der Kläger an Frau R. zu Recht nicht als Sonderausgaben zum Abzug gelassen; sie sind weder eine Leibrente noch eine dauernde Last.

Nach § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG können auf besonderen Verpflichtungsgründen beruhende Renten und dauernde Lasten als Sonderausgaben abgezogen werden, wenn sie nicht mit Einkünften in wirtschaftlichen Zusammenhang stehen, die bei der Veranlagung außer Betracht bleiben, und wenn sie weder Werbungskosten noch Betriebsausgaben sind. Dauernde Lasten sind in vollem Umfang abziehbar, Leibrenten hingegen nur mit dem Ertragsanteil, der sich aus der Tabelle des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a EStG ergibt. Die spezialgesetzliche Zuordnung der wiederkehrenden Leistungen zu den Sonderausgaben und den wiederkehrenden Bezügen (private Versorgungsrente) beruht auf der Vorstellung des Gesetzgebers, dass sich der Vermögensübergeber im ?Vermögensübergabevetrag? in Gestalt der Versorgungsleistungen typischerweise Erträge vorbehält, die nunmehr vom Übernehmer erwirtschaftet werden müssen (grundlegend) BFH-GrS, Beschlüsse vom 5. Juli 1990 GrS 4-6/89, BFHE 161, 317, BStBl II 1990, 847, und vom 15. Juli 1991 GrS 1/90, BFHE 165, 225, BStBl II 1992, 78; BVerfG, Beschluss vom 17. Dezember 1992 1 BvR 4/87, DStR 1993, 315; seither ständige Rechtsprechung, z. B. BFH, Urteil vom 23. Januar 1997 IV R 45/96, BFHE 182, 539, BStBl II 1997, 458; Urteil vom 17. Juni 1998 X R 104/94, BFHE 186, 280; Urteil vom 26. November 2003 X R 11/01, BFHE 204, 192, BFH/NV 2004, 572; Urteil vom 17. Dezember 2003, X R 31/00, BFH/NV 2004, 1083; Urteil vom 31. März 2004, X R 66/98; BFH/NV 2004, 881, DStR 2004, 857; sowie Beschlüsse vom 12. Mai 2003 GrS 1/00, BFHE 202, 464, BStBl II 2004, 95, und GrS 2/00, BFHE 202, 477, BStBl II 2004, 100).

Demgegenüber dürfen die in § 12 EStG genannten Ausgaben weder bei den einzelnen Einkunftsarten noch vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden, ?soweit in den ?§ 10 Abs. 1 Nrn. 1 2 bis 9, § 10b und §§ 33 bis 33c nicht anderes bestimmt ist?. Vom Abzugsverbot erfasst sind u. a. freiwillige Zuwendungen und Zuwendungen auf Grund einer freiwillig begründeten Rechtspflicht (§ 12 Nr. 2 EStG), wozu auch Renten und dauernde Lasten gehören, wenn sie außerhalb einer Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen als Unterhalt oder auf Grund einer freiwillig begründeten Rechtspflicht geleistet werden (z. B. BFH, Urteil vom 16. Mai 2001 X R 53/99, BFH/NV 2001, 1388, m.w.N.)

Wiederkehrende Leistungen eines Erben z. B. an die Witwe des Erblassers können als Sonderausgaben abziehbar sein, wenn sie auf einem im Rahmen einer vorweggenommenen Erbfolge geschlossenen Erbvertrag oder auf einer letztwilligen Verfügung des Erblassers beruhen und der Erbe von Todes wegen existenzsicherndes Vermögen erhalten hat (sog. ?erbrechtliche? private Versorgungsrente, vgl. im Einzelnen, z. B. BFH, Urteile vom 26. Januar 1994 XR 54/92, BFHE 173, 360, BStBl II 1994, 633, und vom 20. Oktober 1999 X R 86/86, BFHE 190, 365, BStBl II 2000, 602; Urteil vom 23. September 2003, IX R 26/99, BFH/NV 2004, 476; Fischer, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 22 Rdnr. B 185 f., B 290 f.), sofern z. B. ein überlebender Ehegatte oder ein erbberechtigter Abkömmling statt seines gesetzlichen Erbteils lediglich Versorgungsleistungen aus dem ihm an sich zustehenden Vermögen erhält und es sich bei den Zahlungen nicht um eine Verrentung des Erbanteils handelt (BFH, Urteil v. 26. Januar 1994 X R 54/92, BFHE 173, 360, BStBl II 1994, 633; Urteil v. 27. Februar 1992, X R 139/88, BFHE 167, 381, 386, 387, BStBl II 1992, 612; Urteil vom 17. Dezember 2003, X R 31/00, BFH/NV 2004; 1083).

Dem liegen die folgenden Erwägungen zugrunde: Der Vermögensübergeber benötigt eine Versorgung lediglich für den Fall, dass er sein Vermögen vor seinem Tode überträgt. Überlässt er es von Todes wegen, muss er indessen das Versorgungsbedürfnis anderer von ihm abhängiger Familienmitglieder bedenken. Das gilt vor allem für den überlebenden Ehegatten, der kein existenzsicherndes Vermögen erhalten, sondern lediglich vom Erwerber des Vermögens aus den Vermögenserträgen versorgt werden soll. Die Versorgungsbedürftigkeit solcher Familienmitglieder richtet sich unabhängig von dem Zeitpunkt des Vermögensübergang nach eigenen Bedürfnissen. Danach ist dem Fall, dass das Vermögen unter dem Vorbehalt von Versorgungsleistungen für den Übergeber und seinen Ehegatten übergeben wird, zumindest der Fall gleichzustellen, dass der Vermögensinhaber sein Vermögen bis zu seinem Tode selbst verwaltet und seinen Erben (Vermächtnisnehmern) auferlegt, den überlebenden Ehegatten, der rechtlich und tatsächlich am Nachlass nicht beteiligt ist, zu versorgen. Denn charakteristisches und im (steuer-)rechtlichen Sinne konstituierendes Merkmal der Versorgungsleistungen i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. 1 a EStG - und ihre privilegierte Behandlung als abzugsfähige Sonderausgaben (BFH, Urteil vom 31. März 2004, X R 66/98; BFH/NV 2004, 881, DStR 2004, 857; Urteil vom 14. Februar 1996 X r 1106/91, BFHE 180, 87; BStBl II 11996, 687) - ist, dass der Versorgungsempfänger seinerseits einen eigenen Vermögenswert aufgewendet hat (vgl. BFH, Urteil vom 26. November 2003 X R 11/01, BFHE 204, 192, BFH/NV 2004, 572; auch Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 22 Rz. B 291). Eine solche Disposition gegenüber dem zu Versorgungsleistungen verpflichteten Vermögensübernehmer erbringt insbesondere der vom Erblasser bei der Vermögensübergabe von Todes wegen ?übergangene?, aber mit Ansprüchen auf Versorgungsleitungen gegen den Vermögensübernehmer bedachte (überlebende) Ehegatte des Erblassers, wenn er - im Interesse der Erhaltung des Familienvermögens - auf die Geltendmachung seiner erbrechtlichen und etwaigen familienrechtlichen Ansprüche (Pflichtteil, vgl. § 2303 Abs. 2 i.V.m: § 1924 BGB; Zugewinnausgleich, §§ 1363 gg. BGB) verzichtet und sich stattdessen mit den ihm (vermächtnisweise) ausgesetzten Versorgungsleistungen bescheidet (vgl. BFH, Urteil vom 26. November 2003 X R 11/01, BFHE 204, 192, BFH/NV 2004, 572; auch Urteil vom 27. Februar 1992 X R 139/88, BFHE 167, 381, BStBl II 1992, 612, unter 4. b, bb der Gründe; Kirchhoff/Söhn/Mellinghoff, a.a.O., § 22 Rz. B 189, B 185 und B 290). § 10 Abs. 1 Nr. 1 a EStG greift daher nicht ein, wenn der überlebende Ehegatte existenzsicherndes Vermögen aus der Erbmasse erhält, sei es aufgrund gesetzlicher Erbfolge, durch Erbeinsetzung oder Vermächtnis (BFH, Urteil v. 26. Januar 1994 X R 54/92, BFHE 173, 360, BStBl II 1994, 633). Dem steht eine erbvertragliche Regelung zwischen dem Alleinerben und dem von Todes wegen ?übergangenen? Ehegatten als Pflichtteilsberechtigten gleich (so ausdrücklich BFH, Urteil v. 27. November 1996 X R 85/94, BFHE 182, 110, BStBl II 1997, 284 [S. 6]).]

In Anwendung der vorstehenden Grundsätze sind die wiederkehrenden Zahlungen der Klägerin zu 2) an Frau R. in monatlicher Höhe von DM 3.000 nicht den in § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG aufgeführten Sonderausgaben zuzuordnen. Sie stellen keine wiederkehrenden (Versorgungs)Leistungen aufgrund einer privaten Versorgungsrente dar, die den oben dargestellten, richterrechtlich entwickelten Grundsätzen einer - steuerlich privilegierten - Vermögensübergabe unter Vorbehalt von Erträgen entspricht. Es handelt sich vielmehr um nicht abzugsfähige Zuwendungen nach § 12 Nr. 2 EStG.

Im vorliegenden Fall hat Frau R. gerade nicht auf ihre erbrechtlichen (Pflichtteil, vgl. § 2303 Abs. 2 i. V.m. § 1924 BGB) und familienrechtlichen (Zugewinnausgleich, §§ 1363 ff. BGB) Ansprüche nach dem Tod ihres Ehemanns verzichtet und sich mit den ihr im Erbvertrag vom 25. Juni 1981 vermächtnisweise ausgesetzten Versorgungsleistungen begnügt. Dies zeigt die erbrechtliche Vereinbarung vom 6. August 1998. Aufgrund dieses Vertrages erhielt Frau R. das Grundstück Flst.Nr. 11506/9, das mit einem Einfamilienwohnhaus bebaut ist, zu Alleineigentum, an dem sie bislang nur ein Wohnrecht hatte. Das Grundstück gehörte unzweifelhaft auch zu der der Klägerin zu 2) als Alleinerbin nach ihrem Vater zugefallenen Erbmasse, wie sich aus § 2 der erbrechtlichen Vereinbarung ergibt. Denn der Erblasser war bis zu seinem Tod Alleineigentümer dieses Grundstücks. Die Übertragung sowie die Abtretung von Ansprüchen der Klägerin zu 2) aus verschiedenen Bankguthaben an Frau R. hatten ersichtlich ihren - einzigen - Grund in den im Erbrecht (und Familienrecht) wurzelnden Ansprüchen von Frau R., nämlich ihrem Pflichtteilsanspruch zugestanden (§§ 2303 ff und 1931 BGB). Anhaltspunkte dafür, dass ihr das Grundstück - wie auch die Abtretung der Bankguthaben - auch ohne bestehenden Pflichtteilsanspruch zu Eigentum übertragen worden wäre, sind nicht ersichtlich. Die erbvertragliche Regelung vom 6. August 1998 hatte gerade den Zweck, den Pflichtteilsanspruch von Frau R. abzulösen. Frau R. hat nicht auch ihre erb- und familienrechtlichen Ansprüche verzichtet, sondern - wie § 6 der erbrechtlichen Vereinbarung vom 6. August 1998 deutlich zeigt - sich mit Erfüllung der darin getroffenen Vereinbarungen wegen ihrer Pflichtteilsansprüche für befriedigt bekannt. Der Senat hat schließlich auch keine Zweifel daran, dass ein mit einem Wohnhaus bebautes Grundstück ein existenzsicherndes Vermögen darstellt. Substantiierte Einwendungen hiergegen haben die Kläger nicht erhoben; solche sind auch für das Gericht aus den vorgelegten Bewertungsakten nicht ersichtlich. Die Kläger übersehen in diesem Zusammenhang, dass es vorliegend nicht um die Frage geht, ob ein vom Vermögensübergeber selbstbewohntes Einfamilienhaus im Rahmen einer Vermögensübergabe unter Vorbehalt von Erträgen eine existenzsichernde Wirtschaftseinheit darstellen kann (vgl. hierzu allgemein BFH, Beschlüsse vom 12. Mai 2003 GrS 1/00, BFHE 202, 464, BStBl II 2004, 95 und GrS 2/00, BFHE 202, 477, BStBl II 2004, 100; FG Münster, Urteil vom 29. Juli 2003 6 K 5809/00E, EFG 2003, 1071, Revision zurückgewiesen BFH, Beschluss vom 7. Januar 2004,: X R 38/03 - n.v.).

Entgegen der Auffassung der Kläger rechtfertigt das BMF-Schreiben vom 16.9.2004 - IV C 3 - S 2255 - 354/04 (abgedruckt in DStR 2004, 1696) keine andere Beurteilung. Allein aus dem Umstand, dass hierin unter C. II Tz. 41 nicht mehr - wie im BMF-Schreiben vom 23.12.1996 - IV B 3 - S 2257 - 54/96 (BStBl I 1996, 1508) unter II. Tz. 29 - auf den Erhalt von existenzsichernden Vermögen im Erbwege mit der Folge des Ausschlusses von Sonderausgaben nach § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG abgestellt und insoweit auf das Urteil des BFH vom 26. Januar 1994 (BStBl II 1994, 63 veröffentlicht, so dass die Finanzverwaltung hieran gebunden bleibt. Ein Nichtanwendungserlass ist nicht ergangen. Der BFH hat seine in diesem Urteil geäußerte Rechtsansicht auch nicht aufgegeben. Vielmehr ist mit dem Beklagten davon auszugehen, dass diese Rechtsauffassung der Finanzverwaltung und des BFH nach wie vor gilt, sie lediglich in dem BMF-Schreiben vom 16.9.2004 nicht mehr ausdrücklich aufgeführt wird.

Die Klage hat des weiteren auch deshalb keinen Erfolg, weil sich die Vertragsparteien in der erbrechtlichen Vereinbarung vom 6. August 1998, und damit außerhalb des Sonderrechts der Vermögensübergabe gegen private Versorgungsrente aufgrund der im Erbrecht wurzelnden Ansprüche der Frau R. auf wiederkehrende Leistungen geeinigt haben. Grund der wiederkehrenden Leistungen war nach Abschluss der erbrechtlichen Vereinbarung nicht mehr die Vermächtnisanordnung im Erbvertrag vom 25. Juni 1981. Denn die Klägerin zu 2) und Frau R. haben die - zunächst - im Erbvertrag vom 25. Juni 1981 geregelten wiederkehrenden Leistungen in die erbrechtliche Vereinbarung vom 6. August 1998 über die Ablösung des Pflichtanspruch von Frau R. mit einbezogen. Dies zeigt sich insbesondere in der erbrechtlichen Bestimmung des § 5 Abs. 2, wonach die Klägerin zu 2) nunmehr (Hervorhebung durch das Gericht) die Verpflichtung aus dem Erbvertrag vom 25. Juni 1981 übernimmt (vgl. insoweit BFH, Urteil v. 27. November 1996 X R 85/94, BFHE 182, 110, BStBl II 1997, 284 [S. 6]. Diese wiederkehrenden Leistungen mögen zwar den Zweck gehabt haben, Frau R. zu versorgen. Aber auch wenn beispielsweise ausschließlich nach Erbrecht zu beurteilende Ansprüche verrentet werden, sind die wiederkehrenden Leistungen nicht allein deshalb als Sonderausgaben abziehbar, weil sie die Versorgung sicherstellen sollen. Hierbei ist auch von Bedeutung, dass diese wiederkehrenden Leistungen keine Fortschreibung einer familienrechtlichen Unterhaltsverpflichtung der Klägern zu 2) darstellten, denn eine solche bestand gegenüber Frau R. nicht (BFH, Urteil v. 27. November 1996, a.a.O.) Sie dienten der (Mit)Abgeltung von im Erb- und Familienrecht wurzelnden Ansprüchen von Frau R. Verzichtet ein zur gesetzlichen Erbfolge Berufener auf seinen (künftigen) Erb- und/oder Pflichtteil und erhält er hierfür an Stelle eines Einmalbetrages wiederkehrende Zahlungen, sind diese beim Zahlenden nicht als Sonderausgaben (§ 10 Abs. 1 Nr. 1 a EStG) abziehbar und beim Bezieher nicht als wiederkehrende Leistungen (§ 22 Nr. 1 Satz 1 EStG) steuerbar (BFH, Urteile vom 20. Oktober 1999 X R 132/95, BFHE 190, 178, BStBl II 2000, 82, und X R 86/96, BFHE 190, 365, BStBl II 2000, 602). Da der Verzicht auf erbrechtliche Ansprüche gegen eine Einmalzahlung keinen steuerrechtlichen Abzugstatbestand erfüllt, führt auch der Aufschub der Erfüllung eines solchen Anspruchs mittels Verrentung - gleichgültig, ob der Erb- und Pflichtteilsverzicht als veräußerungsähnlicher oder unentgeltlicher Vorgang qualifiziert wird - nicht zum Abzug als Sonderausgaben nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 a EStG. Nichts anderes gilt für den Fall, dass erberechtliche und damit im Zusammenhang stehende Pflichtteilsansprüche durch eine erbrechtliche Vereinbarung abgelöst werden (vgl. BFH, Urteil vom Urteil v. 27. November 1996 X R 85/94, BFHE 182, 110, BStBl II 1997, 284). Die gesamten in der erbrechtlichen Vereinbarung aufgeführten Leistungen - gemessen an der gesamten Erbmasse - dem tatsächlichen Wert des Pflichtteilsanspruch von Frau R. auch der Höhe nach entsprechen.

Die Klage war daher abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
Das Gericht hat die Revision nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO nicht vorliegen.

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