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17.03.2005 · IWW-Abrufnummer 050755

Oberlandesgericht Oldenburg: Urteil vom 18.02.2004 – 3 U 93/03

1. Ist ein Streitgenosse (hier: VR) zugleich Streithelfer des anderen (hier: VN), so muss seiner Berufungsschrift nebst beigefügten Unterlagen zweifelsfrei zu entnehmen sein, für wen das Rechtsmittel eingelegt wird.



2. Die in einem Antragsformular für eine Pferdehaftpflichtversicherung enthaltene Klausel "Kutschpferde sind nicht mitversicherbar" ist unkklar i. S. v. § 305 c Abs. 2 BGB/§ 5 AGBG.


Oberlandesgericht Oldenburg
Im Namen des Volkes
Urteil

3 U 93/03

Verkündet am 18. Februar 2004

In dem Rechtsstreit

hat der 3. Zivilsenat auf die mündliche Verhandlung vom 28. Januar 2004

durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ...,
den Richter am Oberlandesgericht ... und
den Richter am Oberlandesgericht ...

für Recht erkannt:

Tenor:

Die für die Beklagte zu 1.) geführte Berufung gegen das am 17. September 2003 verkündete Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Oldenburg wird als unzulässig verworfen.

Die Berufung der Beklagten zu 2.) wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens fallen der Beklagten zu 2.) zur Last.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Den Parteien bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des beizutreibenden Betrages abzuwenden, wenn nicht der Vollstreckungsgläubiger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand:

Die Beklagte zu 2.) wendet sich gegen das am 17. September 2003 verkündete Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Oldenburg, durch welches festgestellt wurde, dass sie verpflichtet sei, der Beklagten zu 1.) Deckungsschutz aus der mit dieser abgeschlossenen Tierhaftpflichtversicherung für das Pony T... wegen eines Unfalls des Klägers vom 9. Dezember 2001 zu gewähren.

An diesem Tage hatte die Beklagte zu 1.) anlässlich einer Weihnachtsfeier des Reitvereins P... mit ihrem vor eine ihr ebenfalls gehörende Kutsche gespannten Pony T... den als Weihnachtsmann verkleideten Kläger in die Reithalle kutschiert. Dort ging das Pony aus zwischen den Parteien streitigem Grund durch und galoppierte unkontrolliert durch die Halle. Beide Parteien sprangen von der Kutsche ab, wobei sich der Kläger verletzte.

Die Beklagte zu 2.) war dem Rechtsstreit zunächst auf Seiten der Beklagten zu 1.) beigetreten, nachdem ihr diese den Streit verkündet hatte. Vor dem Hintergrund der Verweigerung der Einstandsverpflichtung durch die Beklagte zu 2.) hat der Kläger seine Klage sodann auch auf diese erstreckt.

Die Beklagte zu 2.) hat sich gegen ihre direkte Inanspruchnahme durch den Kläger gewandt und dabei darauf verwiesen, dass sie zu diesem keine rechtlichen Beziehungen unterhalte. Überdies seien die Voraussetzungen, unter denen die Beklagte zu 1.) aus dem Gesichtspunkt der Tierhalterhaftung für einen dem Kläger entstandenen Schaden aufzukommen habe, nicht erfüllt. Schließlich hat die Beklagte zu 2.) unter anderem auch darauf verwiesen, dass sie zu einer Übernahme der Deckung nicht verpflichtet sei, da es in ihrem durch die Beklagte zu 1.) unterzeichneten Antragsformular ausdrücklich und deutlich erkennbar heiße : "Kutschpferde sind nicht mitversicherbar."

Das Landgericht hat antragsgemäß festgestellt, dass die Beklagte zu 1.) verpflichtet sei, dem Beklagten jeden materiellen und immateriellen Schaden zu ersetzen, den er wegen des Unfalls vom 9. Dezember 2001 erlitten habe. Hinsichtlich der Beklagten zu 2.) hat das Landgericht festgestellt, dass diese verpflichtet sei, der Beklagten zu 1.) Deckungsschutz zu gewähren. Auf die Formulierung in dem Versicherungsantrag könne sie sich nicht berufen, da der Haftungsausschluß überraschend und der Begriff "Kutschpferd" zudem unklar sei.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Beklagte zu 2.) mit ihrer Berufung, zu deren Begründung sie ihren erstinstanzlichen Vortrag wiederholt und vertieft. Im Termin am 28. Januar 2004 hat sie erklärt, dass sich ihr Rechtsmittel auch gegen die Verurteilung der Beklagten zu 1.) richte.

Die Beklagte zu 2.) beantragt,

das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten zu 2.) gegen das Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Oldenburg vom 17. September 2003 war als unzulässig zu verwerfen, soweit es sich gegen die Verurteilung der Beklagten zu 1.) richtet. Im Übrigen ist ihr Rechtsmittel zwar zulässig, aber nicht begründet und daher zurückzuweisen.

A.

Soweit die Beklagte zu 2.) ihre Berufung im Termin am 28. Januar 2004 auch auf die die Beklagte zu 1.) betreffende Verurteilung erstreckt hat, ist sie unzulässig.

Zwar war der Beklagten zu 2.) als Streithelferin der Beklagten zu 1.) gemäß § 67 ZPO eine Rechtsmitteleinlegung auch für diese möglich, dies aber nur während des Laufs der für die Beklagte zu 1.) geltenden Rechtsmittelfrist (vgl. Vollkommer in Zöller, ZPO, 24. Auflg., § 67 Rdnr. 5 m.w.N.). Das angefochtene Urteil ist der Beklagten zu 1.) am 6. Oktober 2003 zugestellt worden. Während des Laufs der einmonatigen Rechtsmittelfrist des § 517 ZPO ist eine Berufungseinlegung auch namens der Beklagten zu 1.) nicht erfolgt.

Ein derartiges Rechtsmittel läßt sich aus der Berufungsschrift der Beklagten zu 2.) vom 3. November 2003 nicht ersehen. In dem Schriftsatz vom 3. November 2003 ist vielmehr ausdrücklich davon die Rede, dass "namens und im Auftrag der Beklagten Ziff. 2" Berufung eingelegt werde. Zwar muss der Streithelfer normalerweise keine ausdrückliche Erklärung dazu abgeben, dass das Rechtsmittel namens der Hauptpartei eingelegt werde (vgl. Vollkommer a.a.O.). Anders ist dies aber dann zu beurteilen, wenn der Streithelfer darüber hinaus Partei geworden ist und mithin die Wahl hat, das Rechtsmittel nur für sich, nur für den unterstützten Streitgenossen oder für alle beide zu führen. In diesem Fall muss eindeutig klargestellt werden, für wen das Rechtsmittel eingelegt wird.

An die Bezeichnung des Rechtsmittelklägers sind dabei strenge Anforderungen zu stellen. Diesbezügliche Versäumnisse sind nur dann unschädlich, wenn sich aus den beigefügten Unterlagen bis zum Ablauf der Rechtsmittelfrist im Wege der Auslegung zweifelsfrei erschließt, für wen das Rechtsmittel eingelegt ist (vgl. Ball in Musielak, ZPO, 2. Auflg., § 519 Rdnr. 7 unter Hinweis insbes. auf BGH NJW 1999, 1554, 1555).

Das ist vorliegend nicht der Fall. In der Berufungsschrift vom 3. November 2003 heißt es, dass "namens und im Auftrag der Beklagten Ziff. 2" Berufung eingelegt werde. Der Berufungsschrift sowie der dieser beigefügten Kopie des angefochtenen Urteils (ohne Entscheidungsgründe) ist nicht zu entnehmen, dass die Beklagte zu 2.) auch Streithelferin der Beklagten zu 1.) war. Die Verfahrensakten, aus denen sich dieser Umstand ergibt, sind erst am 20. November 2003, und damit nach Ablauf der Berufungsfrist bei dem Oberlandesgericht eingegangen.

Soweit der Prozessbevollmächtigte der Beklagten zu 2.) erstmalig im Termin am 28. Januar 2004 zum Ausdruck gebracht hat, dass sich die Berufung "in der Funktion der Beklagten zu 2.) als Streithelferin der Beklagten zu 1.)" auch gegen die diese betreffende Verurteilung richte, ist das hierin zu erblickende Rechtsmittel verspätet und daher als unzulässig zu verwerfen.

B.

Im Übrigen ist die Berufung der Beklagten zu 2.) zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg.

I.

Soweit der Kläger die Auffassung vertritt, die Berufung sei bereits wegen Mängeln der Berufungsbegründung unzulässig, vermag sich der Senat dem nicht anzuschließen. Ihm ist allerdings zuzugeben, dass sich die Berufungsbegründung im Hinblick auf den Versicherungsausschluss für Kutschpferde, den das Landgericht für unwirksam gehalten hat, weil diese Klausel zum einen überraschend und zum anderen unklar sei, lediglich mit der Frage des Vorliegens einer überraschenden Klausel auseinandersetzt, während es die gleichfalls angenommene Unklarheit der Ausschlussklausel unerörtert läßt. Ob dies zur Unzulässigkeit der Berufung führen würde, falls sich die Berufungsbegründung auf diesen Punkt beschränkt hätte, bedarf keiner Entscheidung, denn eine Berufung ist immer dann insgesamt zulässig, wenn sie zumindest in einer den ganzen Anspruch erfassenden Rüge zureichend begründet wurde (vgl. Gummer/Heßler in Zöller, ZPO, 24. Auflg., § 520 Rdnr. 37).

Dies ist vorliegend der Fall, da sich die Berufungsbegründung der Beklagten jedenfalls in zureichend begründeter Weise unter anderem auch darauf stützt, dass der Unfall vom 9. Dezember 2001 nicht die Realisierung einer "Tiergefahr" darstelle, sondern auf einen technischen Defekt der Kutsche zurückgehe und daher nicht von dem durch sie im Rahmen der abgeschlossenen Tierhalterversicherung gewährten Versicherungsschutz umfasst sei. Führt die Beklagte auf diese Weise einen zulässigen Berufungsangriff, der bereits für sich betrachtet geeignet ist, das angefochtene Urteil insgesamt zu Fall zu bringen, so ist sie nicht gehindert, ihr Rechtsmittel darüber hinaus auch auf anderer Aspekte zu stützen, deren Darstellung in der Berufungsbegründung isoliert nicht den Anforderungen an eine zulässige Rechtsmittelbegründung genügen mag.

II.

1. Entgegen der Auffassung der Beklagten zu 2.) ist der gegen sie gerichtete Feststellungsantrag trotz des Fehlens rechtlicher Beziehungen zwischen ihr und dem Kläger zulässig.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann auch ein Drittrechtsverhältnis Gegenstand einer Feststellungsklage sein, falls dieses zugleich für die Rechtsbeziehungen der Parteien untereinander von Bedeutung ist und der Kläger ein rechtliches Interesse an der alsbaldigen Klärung hat (vgl. Greger in Zöller, ZPO, 24. Auflg., § 256 Rdnr. 3b m.w.N.). Dies ist auch dann der Fall, wenn dem Dritten der Deckungsanspruch als Befriedigungsobjekt entzogen zu werden droht oder der Versicherer seine Eintrittspflicht verneint und der Versicherungsnehmer hiergegen nichts unternimmt (vgl. Voit in Prölls/Martin, VVG, 26. Auflg., § 156 Rdnr. 1; BGH VersR 2001, 90, 91; OLG Köln VersR 2002, 730 f.).

2.) Auch soweit die Berufungsbegründung weiter darauf abstellt, dass der Unfall vom 9. Dezember 2001 nicht die Folge einer "Tiergefahr" darstelle, sondern auf einen technischen Defekt der Kutsche zurückgehe und deshalb nicht von dem durch sie im Rahmen der abgeschlossenen Tierhalterversicherung gewährten Versicherungsschutz umfasst sei, ist ihr nicht zu folgen. Der von der Beklagten zu 2.) gewünschten Beweiserhebung zur Frage des behaupteten Defekts der Kutsche bedarf es nicht. Selbst wenn sich ein Teil der Kutsche gelöst hat und dem Pony von hinten auf die Beine gefallen ist, ist die Verletzung des Klägers nicht hierdurch unmittelbar bewirkt worden, sondern es handelte sich lediglich um den Auslöser für das dann folgende unkontrollierte Angaloppieren und Ausschlagen bzw. "Durchgehen" des Ponys, in dem sich die von der Haftungsbestimmung des § 833 BGB erfasste "typische Tiergefahr" realisiert hat.

Die vom Kläger erlittenen Verletzungen sind letztlich dadurch verursacht worden, dass sich die durch die Unberechenbarkeit tierischen Verhaltens hervorgerufene Gefährdung von Leben, Gesundheit und Eigentum verwirklicht hat (BGHZ 67, 129), und zwar unabhängig davon, ob diese Folge durch einen zuvor eingetretenen technischen Defekt ausgelöst wurde. Hätte das Pony die Kutsche nämlich nicht in der geschehenen Weise weitergezogen, nachdem ihr - so die Darstellung der Beklagten zu 1.) in ihrem Schriftsatz vom 3. Mai 2002 - ein Teil derselben auf die Hinterbeine gefallen war, so wäre es mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht zu den eingetretenen Verletzungsfolgen gekommen. Der Kläger hätte sich vielmehr unversehrt entfernen können.

3. Für den bei dem Unfall entstandenen Schaden ist die Beklagte zu 2.) auch aus dem mit der Beklagten zu 1.) geschlossenen Tierhalterhaftpflichtversicherungsvertrag einstandsverpflichtet.

Der in dem von der Beklagten zu 1.) unterzeichneten Antragsformular der Beklagten zu 2.) unter der Überschrift "Pferdehaftpflichtversicherung" in Schrägdruck hervorgehoben der Hinweis "Kutschpferde sind nicht mitversicherbar !" vermag eine andere Beurteilung nicht zu rechtfertigen.

Versicherungsrechtliche Vertragsbedingungen sind so auszulegen, wie sie ein rechtlich nicht vorgebildeter durchschnittlicher Versicherungsnehmer ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhanges verstehen muss (vgl. BGH NJWRR 99, 1473).

Unter Zugrundelegung dieser Kritereien vermag der Senat keinen eindeutigen Sinngehalt der Klausel festzustellen. Auf der einen Seite könnte die Klausel so verstanden werden, dass Pferde gleich welcher Art zwar grundsätzlich versichert sind, jedoch mit Ausnahme der Zeiträume, in denen sie als Kutschpferde verwendet werden. Auf der anderen Seite erscheint angesichts der Tatsache, dass die Beklagte zu 2.) dies eben nicht klargestellt, sondern die Formulierung gewählt hat, dass "Kutschpferde" nicht "versicherbar" seien, ebenso die Auslegung möglich, dass Pferde, die nach dem Schwerpunkt ihrer Verwendung als ausgesprochene "Kutschpferde" gelten müssen, generell nicht versichert werden können, während der lediglich gelegentliche Einsatz anderer Pferde vor einer Kutsche unschädlich ist.

Verbleiben nach der Auslegung zumindest zwei, nicht notwendig gleichwertige, Auslegungsmöglichkeiten, so gilt die für den Versicherungsnehmer günstigste Lösung, denn es obliegt dem Verwender von vorformulierten vertraglichen Bestimmungen, diese klar und unmissverständlich zu fassen. Misslingt ihm das, so geht dies zu seinen Lasten.

Für die Beklagte zu 1.) günstigste Variante ist hier die zweite Auslegungsmöglichkeit, denn das Pony T... ist nach ihrem unbestrittenen Vorbringen erstmals zur Weihnachtsfeier 2000 und danach nur gelegentlich als Kutschtier verwendet worden.

C.

Für eine Zulassung der Revision besteht keine Veranlassung, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichtes nicht erfordert, § 543 Abs. 2 ZPO.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

RechtsgebieteZPO, BGB, AGBGVorschriftenZPO § 519 BGB § 305 c Abs. 2 AGBG § 5

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