Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww

16.03.2005 · IWW-Abrufnummer 050678

Finanzgericht München: Beschluss vom 01.02.2005 – 14 K 2944/04

Umsatzsteuerliche Bemessungsgrundlage der privaten Nutzung eines insgesamt dem Unternehmen zugeordneten Gebäudes


Az.: 14 K 2944/04
Freigabe: 10.02.2005

Finanzgericht München

BESCHLUSS

In der Streitsache XXX
wegen

Umsatzsteuer-Voranmeldung 12/03, 01/04, 02/04, 03/04
hat der 14. Senat des Finanzgerichts München unter Mitwirkung XXX
ohne mündliche Verhandlung am 01. Februar 2005 beschlossen:

I. Das Verfahren wird ausgesetzt.

II. Dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) wird folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Wie ist der Begriff ?Betrag der Ausgaben? in Art. 11 Teil A Abs. 1 Buchstabe c der Richtlinie 77/388/EWG auszulegen? Umfasst der Betrag der Ausgaben für die privat genutzte Wohnung in einem dem Unternehmen insgesamt zugeordneten Gebäude (neben den laufenden Aufwendungen) auch entsprechend den jeweiligen innerstaatlichen Regelungen die jährlichen Abschreibungen für Abnutzung von Gebäuden und/oder den in Anlehnung an den jeweiligen innerstaatlichen Vorsteuerabzugs- Berichtigungszeitraum berechneten jährlichen Anteil der Anschaffungs- und Herstellungskosten, die zum Mehrwertsteuerabzug berechtigt haben?

Gründe:
I.
Sachverhalt

Streitig ist im Ausgangsverfahren die Besteuerungsgrundlage/Bemessungsgrundlage der privaten Nutzung einer Wohnung in einem dem Unternehmen insgesamt zugeordneten Gebäude.

Die Klägerin, eine Hausgemeinschaft, errichtete im Jahr 2003 ein Gebäude. In dem Gebäude befinden sich die privat genutzten Wohnräume der beiden Gemeinschafter der Klägerin sowie die Räume einer Steuerkanzlei, die von der Klägerin an einen der Gemeinschafter, einen Steuerberater, ab Dezember 2003 steuerpflichtig vermietet wurde. Der Anteil der vermieteten Räume beträgt unstreitig 20,33 v.H. des Gebäudes.

In ihren Umsatzsteuervoranmeldungen für Dezember 2003 sowie für Januar, Februar und März 2004 machte die Klägerin die gesamte ihr im Zusammenhang mit den Herstellungskosten in Rechnung gestellte Mehrwertsteuer geltend und setzte als Besteuerungsgrundlage/ Bemessungsgrundlage für die Verwendung der privat genutzten Wohnung monatlich jeweils 1/12 von 2 v.H. der auf den privat genutzten Teil des Gebäudes entfallenden Herstellungskosten an.

Abweichend davon legte das beklagte Finanzamt nach Maßgabe des Schreibens des Bundesministeriums für Finanzen ? BMF -- vom 13. April 2004 (BStBl I 2004, 468) als Besteuerungsgrundlage/Bemessungsgrundlage der privaten Grundstücksverwendung monatlich jeweils 1/12 von 10 v.H. der insoweit entstandenen Herstellungskosten an und setzte die Umsatzsteuer entsprechend mit Vorauszahlungsbescheiden fest.

Die Einsprüche gegen die Umsatzsteuervorauszahlungsbescheide wies das Finanzamt mit Einspruchsentscheidung vom 16. Juni 2004 als unbegründet zurück.

Zur Begründung ihrer dagegen gerichteten Klage führt die Klägerin im Wesentlichen aus:
Sie habe das gesamte Gebäude für Zwecke der Umsatzsteuer ihrem Unternehmen zugeordnet. Sie habe im Rahmen der o.g. Voranmeldungen den Vorsteuerabzug unter Berufung auf die Rechtsprechung des EuGH (Urteil vom 8. Mai 2003 Rs. C-269/00, Seeling, Slg. 2003, I-4101) und der Nachfolgeentscheidung des Bundesfinanzhofs ? BFH ? (Urteil vom 24. Juli 2003 V R 39/99, BFH/NV 2003, 1513) in voller Höhe geltend gemacht. Das Finanzamt habe die Vorsteuern in der erklärten Höhe berücksichtigt. Abweichend von den Voranmeldungen habe das Finanzamt jedoch als Bemessungsgrundlage für die unentgeltliche Wertabgabe nicht die gesetzlich vorgesehenen Kosten (§ 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 des Umsatzsteuergesetzes -UStG-), sondern gemäß dem BMF-Schreiben in BStBl I 2004, 468, die Herstellungskosten, die ohne Rechtsgrundlage auf den Berichtigungszeitraum nach § 15a UStG verteilt worden seien, zugrunde gelegt.

Ein Zusammenhang der Kosten gemäß § 10 Abs. 4 Nr. 2 UStG mit dem Berichtigungszeitraum des § 15a UStG sei weder aus dem Gesetz noch aus der Systematik der Umsatzsteuer ersichtlich. Bei den Kosten handle es sich um den Wertverzehr durch die Nutzung des Gebäudes. Ein vollständiger Wertverzehr sei keinesfalls bereits nach zehn Jahren gegeben. Vielmehr seien die Herstellungskosten auf die Nutzungsdauer des Gebäudes zu verteilen. Aus Vereinfachungsgründen werde hierbei die in § 7 Abs. 4 Nr. 2 Buchstabe a des Einkommensteuergesetzes (EStG) vorgegebene Nutzungsdauer für Wohngebäude übernommen. Die von der Finanzverwaltung vorgenommene Verteilung der Herstellungskosten auf zehn Jahre führe für den Fall der steuerpflichtigen Entnahme im elften Jahr dazu, dass der Neutralitätsgrundsatz der Umsatzsteuer nicht gewahrt werde, da der Unternehmer über zehn Jahre die Vorsteuer zurückzahle und aufgrund der Werthaltigkeit des Gebäudes im elften Jahr für die Entnahme erneut Umsatzsteuer bezahle. Der Unternehmer sei somit definitiv mit Umsatzsteuer belastet.

Die Klägerin beantragt,
unter Änderung der angefochtenen Umsatzsteuervorauszahlungsbescheide die Umsatzsteuervorauszahlung für Dezember 2003 sowie für Januar, Februar und März 2004 um jeweils 167,54 ? herabzusetzen.

Das Finanzamt beantragt,
die Klage abzuweisen.

Bezug nehmend auf seine Einspruchsentscheidung verweist es auf das BMF-Schreiben in BStBl I 2004, 468, an das es gebunden sei. Die Bemessungsgrundlage der nichtunternehmerischen Nutzung des Gebäudes berechne sich daher wie folgt: Die Herstellungskosten für den privat genutzten Teil des Gebäudes (79,67 v.H.) betrügen 157.200 ?. Daraus ergäben sich jährliche Kosten für die private Verwendung der Wohnung in Höhe von 15.720 ? und monatliche Kosten in Höhe von 1.310 ? (=1/12 von 15.720 ?).

II.

Das Gericht setzt das Verfahren aus (§ 74 der Finanzgerichtsordnung -FGO-) und legt dem EuGH gemäß Art. 234 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft die im Tenor genannten Fragen zur Vorabentscheidung vor.

III.

1. Die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits hängt nach Auffassung des Gerichts von folgenden Bestimmungen der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (Richtlinie 77/388/EWG) und insbesondere von der Auslegung des Art. 11 Teil A Abs. 1 Buchstabe c der Richtlinie 77/388/EWG ab.

Art. 6 Dienstleistungen
...
(2) Dienstleistungen gegen Entgelt werden gleichgestellt:
...
a) die Verwendung eines dem Unternehmen zugeordneten Gegenstands für den privaten Bedarf des Steuerpflichtigen, für den Bedarf seines Personals oder allgemein für unternehmensfremde Zwecke, wenn dieser Gegenstand zum vollen oder teilweisen Abzug der Mehrwertsteuer berechtigt hat;
...

Abschnitt VIII Besteuerungsgrundlage
Art. 11

A. Im Inland
(1) Die Besteuerungsgrundlage ist:
...
c) bei den in Artikel 6 Absatz 2 genannten Umsätzen der Betrag der Ausgaben des Steuerpflichtigen für die Erbringung der Dienstleistung;
...

Art. 20 Berichtigung der Vorsteuerabzüge

...
(2) Für Investitionsgüter wird eine Berichtigung vorgenommen, die sich auf einen Zeitraum von fünf Jahren einschließlich des Jahres, in dem die Güter erworben oder hergestellt wurden, erstreckt. ...

Bei Grundstücken, die als Investitionsgüter erworben wurden, kann der Zeitraum für die Berichtigung bis auf 20 Jahre verlängert werden.

2. Die entsprechenden Vorschriften des Umsatzsteuergesetzes 1999 (UStG) lauten: § 3 Lieferung, sonstige Leistung
...

(9a) Einer sonstigen Leistung gegen Entgelt werden gleichgestellt

1. die Verwendung eines dem Unternehmen zugeordneten Gegenstandes, der zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt hat, durch einen Unternehmer für Zwecke, die außerhalb des Unternehmens liegen, oder für den privaten Bedarf seines Personals, sofern keine Aufmerksamkeiten vorliegen;
...
§ 10 Bemessungsgrundlage für Lieferungen, sonstige Leistungen und innergemeinschaftliche Erwerbe (in der bis zum 30. Juni 2004 gültigen Fassung)
...
(4) Der Umsatz wird bemessen
...
2. bei sonstigen Leistungen i.S. des § 3 Abs. 9a Nr. 1 nach den bei der Ausführung dieser Umsätze entstandenen Kosten, soweit sie zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt haben;
...

§ 10 Bemessungsgrundlage für Lieferungen, sonstige Leistungen und innergemeinschaftliche Erwerbe (in der ab dem 1. Juli 2004 gültigen Fassung)
...

(4) Der Umsatz wird bemessen
...
2. bei sonstigen Leistungen i.S. des § 3 Abs. 9a Satz 1 Nr. 1 nach den bei der Ausführung dieser Umsätze entstandenen Ausgaben, soweit sie zum vollen oder teilweisen
Vorsteuerabzug berechtigt haben. Zu diesen Ausgaben gehören auch die Anschaffungs oder Herstellungskosten eines Wirtschaftsguts, soweit das Wirtschaftsgut dem Unternehmen zugeordnet ist und für die Erbringung der sonstigen Leistung verwendet wird. Betragen die Anschaffungs- oder Herstellungskosten mindestens 500 ?, sind sie gleichmäßig auf einen Zeitraum zu verteilen, der dem für das Wirtschaftsgut maßgeblichen Berichtigungszeitraum nach § 15a entspricht; .
..

§ 15a Berichtigung des Vorsteuerabzugs

(1) Ändert sich bei einem Wirtschaftsgut innerhalb von fünf Jahren ab dem Zeitpunkt der erstmaligen Verwendung die für den ursprünglichen Vorsteuerabzug maßgebenden Verhältnisse, ist für jedes Kalenderjahr der Änderung ein Ausgleich durch eine Berichtigung des Abzugs der auf die Anschaffungs- oder Herstellungskosten entfallenden Vorsteuerbeträge vorzunehmen. Bei Grundstücken einschließlich ihrer wesentlichen Bestandteile, bei Berechtigungen, für die die Vorschriften des bürgerlichen Rechts über Grundstücke gelten, und bei Gebäuden auf fremdem Boden tritt an die Stelle des Zeitraums von fünf Jahren ein solcher von zehn Jahren.

IV.
Darstellung der Gründe für die Vorlage an den EuGH

Entscheidungserheblich für den Streitfall ist die Bestimmung der Besteuerungsgrundlage/ Bemessungsgrundlage der privaten Verwendung eines dem Unternehmen insgesamt zugeordneten bebauten Grundstücks.

Die Klägerin hat das von ihr errichtete Gebäude insgesamt ihrem Vermietungsunternehmen zugeordnet, auf die Steuerbefreiung der Vermietungsumsätze verzichtet (§ 9, § 4 Nr. 12 Buchstabe a UStG) und dementsprechend die Vorsteuern aus den ihr in Rechnung gestellten Herstellungskosten in vollem Umfang geltend gemacht. Die unentgeltliche Verwendung des nicht steuerpflichtig vermieteten, sondern von den Gemeinschaftern der Klägerin für Wohnzwecke genutzten Gebäudeteils (79,67 v.H.) steht deshalb gemäß § 3 Abs. 9a Nr. 1 UStG einer sonstigen Leistung der Klägerin gegen Entgelt gleich.

Bei sonstigen Leistungen i.S. des § 3 Abs. 9a Nr. 1 UStG wird der Umsatz gemäß § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 UStG nach den bei der Ausführung dieser Umsätze entstandenen Ausgaben/Kosten, soweit sie zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt haben, bemessen.

Unter Berufung auf den Neutralitätsgrundsatz des Mehrwertsteuersystems sind nach Auffassung der Finanzverwaltung nunmehr für die Ermittlung der Ausgaben/Kosten i.S. des § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 UStG die Anschaffungs- oder Herstellungskosten eines Gegenstandes ? wie hier eines Gebäudes ? abweichend von den innerstaatlichen ertragsteuerlichen Abschreibungsgrundsätzen gleichmäßig auf den nach § 15a UStG für diesen Gegenstand jeweils maßgeblichen Vorsteuerabzugs-Berichtigungszeitraum ? bei Gebäuden also auf zehn Jahre ? zu verteilen (s. Ziffer 2 und 4 des BMF-Schreibens in BStBl I 2004, 468; § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 UStG in der seit dem 1. Juli 2004 gültigen Fassung).

Die Regelung des § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 UStG beruht auf Art. 11 Teil A Abs. 1 Buchstabe c der Richtlinie 77/388/EWG, wonach die Besteuerungsgrundlage bei den in Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie genannten Umsätzen, also ? wie hier ? auch die Verwendung eines dem Unternehmen zugeordneten Gebäudes für den privaten Bedarf des Steuerpflichtigen, der Betrag der Ausgaben des Steuerpflichtigen für die Erbringung der Dienstleistung ist.

Die Richtlinienbestimmung definiert den Begriff ?Betrag der Ausgaben? nicht.

Nach dem Urteil Enkler des EuGH (vom 26. September 1996 Rs. C-230/94, Rn. 36, Slg. 1996, I-4517) sind bei Ermittlung der Besteuerungsgrundlage/Bemessungsgrundlage der Mehrwertsteuer nur die Ausgaben heranzuziehen, die ? wie die Abschreibungen für die Abnutzungen des Gegenstandes oder die Ausgaben des Steuerpflichtigen, die ihn zum Vorsteuerabzug berechtigt haben ? mit dem Gegenstand selbst verknüpft sind.

Danach wird die private Nutzung eines abnutzbaren Investitionsgutes zumindest auch durch die abschnittsweise Besteuerung seiner Anschaffungs- und Herstellungskosten in Gestalt der Abschreibungen erfasst. Dies könnte für den von der Klägerin angenommenen pauschalen Ansatz der Abschreibung in Höhe von jährlich 2 v.H. der auf die privat genutzte Wohnung entfallenden Herstellungskosten als steuerliche Besteuerungsgrundlage/Bemessungsgrundlage für die Privatnutzung des Gebäudes sprechen. Diese Besteuerung erfasst nur die Anschaffungs- und Herstellungskosten eines Gebäudes. Mangels Abnutzbarkeit werden damit nicht die Anschaffungskosten des dem Unternehmen zugeordneten und auch privat genutzten Grund und Bodens, sofern diese zum Mehrwertsteuerabzug berechtigt haben, der Besteuerung unterworfen.

Andererseits soll Art. 6 Abs. 2 Buchstabe a der Richtlinie 77/388/EWG die Gleichbehandlung des Steuerpflichtigen und des Endverbrauchers sicherstellen (vgl. EuGH-Urteil Enkler, Rn. 35, Slg. 1996, I-4517). Diese Vorschrift soll die Nichtbesteuerung von Grundstücken verhindern, die einem Unternehmen zugeordnet werden, aber zur persönlichen Nutzung bestimmt sind, sofern bei deren Erwerb die Steuer abgezogen wurde (vgl. Schlussantrag des Generalanwalts Colomer vom 4. Mai 2004 in der Rs. C-284/03, Temco Europe SA, Rn. 42, www.curia.eu.int; EuGH-Urteil vom 16. Oktober 1997 Rs. C-258/95, Fillibeck, Rn. 25, Slg. 1997, I-5577). Zudem hat der EuGH in dem Urteil Breitsohl (vom 8. Juni 2000 Rs. C-400/98, Rn. 50, Slg. 2000, I-4321) ausgeführt, dass Gebäude oder Gebäudeteile und der dazu gehörige Grund und Boden für Zwecke der Mehrwertsteuer nicht voneinander getrennt behandelt werden können.

Dies könnte für die von der Finanzverwaltung vorgesehene pauschale Ermittlung der Besteuerungsgrundlage/Bemessungsgrundlage in Höhe von 10 v.H. der auf die privat genutzte Wohnung entfallenden Anschaffungs- und Herstellungskosten sprechen. Denn nach Ablauf des nach § 15a UStG für Grundstücke vorgesehenen Zeitraums für die Berichtigung der Vorsteuerabzüge von zehn Jahren würden die auf den zu Wohnzwecken genutzten Gebäudeteil entfallenden Anschaffungs- und Herstellungskosten vollständig der Besteuerung unterlegen haben. Damit könnte ein unversteuerter Endverbrauch vermieden werden, der durch steuerfreie Veräußerung oder durch möglicherweise ebenfalls steuerfreie Entnahme nach Ablauf des Vorsteuerabzugs-Berichtigungszeitraums eintreten könnte (vgl. Birkenfeld, Zuordnung von Wohnräumen, wechselndes Recht der Vorsteuerberichtigung und Entwicklung bei grenzüberschreitenden Umsätzen, Umsatzsteuer-Rundschau 2004, 265, 270).

Die infolge des Urteils Seeling (Slg. 2003, I-4101) erforderliche Besteuerung der Privatverwendung gemäß Art. 6 Abs. 2 Buchstabe a der Richtlinie 77/388/EWG dient der Rückgängigmachung des für den privat genutzten Grundstücksanteil vorgenommenen Vorsteuerabzugs, der durch die vollständige Grundstückszuordnung vom EuGH für zulässig erklärt worden ist. Diese Rückgängigmachung entspricht dem Grundsatz der Neutralität. Das Gericht hält es daher für möglich, den Begriff der Ausgaben des Art. 11 Teil A Abs. 1 Buchstabe c der Richtlinie 77/388/EWG unter Berücksichtigung dieses Grundsatzes zu bestimmen (vgl. Lohse, Neutralitätsgrundsatz im Umsatz-/Mehrwertsteuerrecht, Umsatzsteuer-Rundschau 2004, 582, 589; Stadie, Umsatzsteuerrechtliche Zuordnung von Anlagegegenständen zum Unternehmen, Umsatzsteuer-Rundschau 2004, 597, 599).

In Betracht kommt deshalb in Anlehnung an die Regelung über die Berichtigung der Vorsteuerabzüge (Art. 20 der Richtlinie 77/388/EWG), den Gesamtbetrag der Erwerbskosten auf den jeweils innerstaatlich geltenden Vorsteuerabzugs-Berichtigungszeitraum (Art. 20 Abs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG) zu verteilen. Dies ermöglicht ggf. auch die Besteuerung der Privatverwendung nicht abnutzbarer Investitionsgüter wie den Grund und Boden. Danach wäre dem Grundsatz des Mehrwertsteuer-Systems Rechnung getragen, wonach auf der einen Seite die Vorsteuer für Lieferungen, die von einem Steuerpflichtigen für die Zwecke seiner besteuerten Unternehmensumsätze verwendet werden, abziehbar sein muss, während auf der anderen Seite der Endverbrauch für private Zwecke in vollem Umfang der Steuer unterliegen muss (vgl. Schlussantrag des Generalanwalts Jacobs vom 20. Januar 2005 in der Rs. C-434/03, P. Charles und T.S. Charles- Tijmens, Rn. 51, www.curia.eu.int).

Dagegen steht die auch von der Klägerin vertretene Auffassung, dass die Ausgaben/- Kosten i.S. von § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 UStG nur in Höhe des durch die Nutzung des Gebäudes eintretenden Wertverzehrs entstehen. Ein vollständiger Wertverzehr ist dabei aber nicht nach Maßgabe des Vorsteuerberichtigungszeitraums des § 15a UStG bereits nach zehn Jahren anzunehmen. Die Klägerin geht deshalb in Anlehnung an die ertragsteuerliche Absetzung für Abnutzung von Gebäuden von einem Wertverzehr des von ihr privat genutzten Gebäudeteils in Höhe von jährlich 2 v.H. der darauf entfallenden Herstellungskosten und damit in Konsequenz von einer regelmäßigen Verwendungsbesteuerung von 50 Jahren aus (so auch Niedersächsisches Finanzgericht Urteil vom 28. Oktober 2004 - 5 K 351/04, Entscheidungen der Finanzgerichte -- EFG -- 2005, 72).

Zudem hat der EuGH in dem Urteil Seeling (vom 8. Mai 2003 Rs. C-269/00, Rn. 54, Slg. 2003, I-4101) ausgeführt: Wenn im Fall der Besteuerung einer privaten Wohnungsverwendung in dem insgesamt dem Unternehmen zugeordneten Gebäude ein Letztverbrauch nicht versteuert wird, weil bei dem in Art. 20 Abs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG vorgesehenen Berichtigungszeitraum der Vorsteuerabzug, der im Zeitpunkt der Herstellung eines Gebäudes erfolgt, nur teilweise korrigiert werden kann, so ist dies die Folge einer bewussten Entscheidung des Gemeinschaftsgesetzgebers und kann nicht dazu führen, dass eine weite Auslegung eines anderen Artikels dieser Richtlinie geboten wäre. Im Übrigen ist zu beachten, dass der Zeitraum für die Berichtigung bei Grundstücken, die als Investitionsgüter erworben wurden, seit Inkrafttreten der Richtlinie 75/7 im Mai 1995 bis auf 20 Jahre anstelle der bisherigen 10 Jahre verlängert werden kann. Aus der fünften Begründungserwägung dieser Richtlinie ergibt sich, dass mit der Einführung dieser Änderung gerade der wirtschaftlichen Lebensdauer dieser Investitionsgüter Rechnung getragen werden sollte (Rn. 55 des Urteil Seeling, Slg. 2003, I-4101).

Damit hält der EuGH trotz des Grundsatzes der Steuerneutralität und der Berichtigung der Vorsteuerabzüge nach Art. 20 der Richtlinie 77/388/EWG es für möglich, dass die Besteuerung der Privatverwendung eines dem Unternehmen zugeordneten Gebäudes zu einem unversteuerten Letztverbrauch führen kann.

Das Gericht hat deshalb Zweifel, ob die von der Finanzverwaltung pauschal mit 1/10 der Anschaffungs- und Herstellungskosten berechnete Besteuerungsgrundlage/Bemessungsgrundlage der privaten Wohnungsverwendung eines insgesamt dem Unternehmen des Steuerpflichtigen zugeordneten Gebäudes dem Begriff der Ausgaben i.S. von Art. 11 Teil A Abs. 1 Buchstabe c der Richtlinie 77/388/EWG entspricht.

Zu klären ist deshalb, ob der Betrag der Ausgaben/Kosten einer Privatverwendung neben den laufenden Aufwendungen für Betrieb und Unterhalt aus dem auf einen Besteuerungszeitraum entfallenden und aus der üblichen Lebensdauer abzuleitenden Wertverzehr ? etwa entsprechend den innerstaatlichen Abschreibungsregelungen ? oder in Anlehnung an Art. 20 Abs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG nach dem Jahresbetrag der auf den geltenden Vorsteuerabzugs-Berichtigungszeitraum entfallenden Anschaffungs- und Herstellungskosten zu berechnen ist.

Daraus ergibt sich die für das vorliegende Streitverfahren entscheidungserhebliche und im Tenor genannte Frage.

Zusatz: Sie werden darauf hingewiesen, dass dem EuGH vorliegende Daten an die Öffentlichkeit gelangen können.

RechtsgebietUmsatzsteuerVorschriften§ 10 Absatz 4 UStG

Sprechen Sie uns an!

Kundenservice
Max-Planck-Str. 7/9
97082 Würzburg
Tel. 0931 4170-472
kontakt@iww.de

Garantierte Erreichbarkeit

Montag - Donnerstag: 8 - 17 Uhr
Freitag: 8 - 16 Uhr