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22.02.2005 · IWW-Abrufnummer 050506

Finanzgericht Baden-Württemberg: Urteil vom 09.12.2004 – 3 K 61/03

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


FINANZGERICHT BADEN-WÜRTTEMBERG

Im Namen des Volkes

Urteil

Az.: 3 K 61/03

In dem Finanzrechtsstreit

1.
2.

Kläger

Prozessbevollmächtige/r:

gegen

Finanzamt
Az:

Beklagter

wegen Einkommsteuer 2001

hat der 3. Senat des Finanzgerichts Baden-Württemberg ? aufgrund der mündlichen Verhandlung ? in der Sitzung vom 9. Dezember 2004 durch

Vorsitzenden Richter am Finanzgericht
Richter am Finanzgericht
Richterin am Finanzgericht
ehrenamtliche Richter

für Recht erkannt.

1. Auf den Hilfsantrag der Kläger wird festgestellt, dass die mit Bescheid vom 25. Juli 2002 erfolgte und in der Einspruchsentscheidung vom 17. Februar 2003 bestätigte Ablehnung des Antrags rechtswidrig war, den Klägern zur Einkommensteuer 2001 einen Änderungsbescheid zu erteilen und darin im Rahmen der gegenüber dem Bescheid vom 19. März 2002 gegebenen Steuererhöhung die Vorläufigkeit der Steuerfestsetzung insoweit anzuordnen, als diese auf Einkünften beruht, die dem Halbeinkünfteverfahren unterliegen können.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens tragen die Kläger und das Finanzamt je zur Hälfte.
3. Die Revision wird zugelassen.

Rechtsmittelbelehrung

Gegen das Urteil ist die Revision an den Bundesfinanzhof nur statthaft, wenn das Finanzgericht sie zugelassen hat.

Die Revision innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Bundesfinanzhof schriftlich einzulegen. Die Revisionsschrift muss das angefochtene Urteil zeichnen. Ihr soll eine Abschrift oder Ausfertigung des angefochtenen Urteils beigefügt werden.
Die Revision ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Auch die Revisionsbegründung ist bei dem Bundesfinanzhof einzureichen. Sie muss die Erklärung enthalten, inwieweit das Urteil angefochten und dessen Aufhebung beantragt wird (Revisionsanträge). Außerdem muss sie die Revisionsgründe angeben, indem die Umstände bestimmt bezeichnet werden, aus denen sich eine Rechtsverletzung durch das Urteil ergibt; soweit Verfahrensmängel gerügt werden, muss sie auch die Tatsachen angeben, aus denen sich der Mangel ergibt.

Die Nichtzulassung der Revision kann durch Beschwerde angefochten werden.

Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Bundesfinanzhof einzulegen. Sie muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Ihr soll eine Abschrift oder Ausfertigung des angefochtenen Urteils beigefügt werden.
Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach der Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Auch die Beschwerdebegründung ist bei dem Bundesfinanzhof einzureichen. Sie muss darlegen, weshalb die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, weshalb die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs erfordert oder weshalb ein Verfahrensmangel vorliegt, auf dem das Urteil beruhen kann.

Bei der Einlegung und Begründung der Revision oder Beschwerde sowie in dem weiteren Verfahren vor dem Bundesfinanzhof muss sich jeder Beteiligte durch einen Steuerberater, einen Steuerbevollmächtigten, einen Rechtsanwalt, einen niedergelassenen europäischen Rechtsanwalt, einen Wirtschaftsprüfer oder einen vereidigten Buchprüfer als Bevollmächtigten vertreten lassen. Zur Vertretung berechtigt sind auch Steuerberatungsgesellschaften, Rechtsanwaltsgesellschaften, Wirtschaftsprüfungsgesellschaften und Buchprüfungsgesellschaften sowie Partnerschafsgesellschaften, die durch einen der zuvor aufgeführten Berufsangehörigen tätig werden. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden könnten sich auch durch Beamte oder Angestellte mit Befähigung zum Richteramt sowie durch Diplomjuristen im höheren Dienst vertreten lassen.

Postanschrift des Bundesfinanzhofs: Postfach 86 02 40 91629 München
Hausanschrift: Ismaninger Str. 109,81675 München
Telefax-Anschluss: (089)92 31-201

Tatbestand

Streitig ist, ob Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft, die mit dieser auch in nicht gesellschaftsrechtlich ausgeformten Rechtsbeziehungen stehen, einen Anspruch darauf haben, dass ihre Einkommensteuerfestsetzung ? bis zur abschließenden Überprüfung der den gleichen Zeitraum betreffenden Körperschaftsteuerfestsetzung der Gesellschaft ? hinsichtlich ihrer Einkünfte, die dem sog. Halbeinkünfteverfahren unterliegen können, vorläufig im Sinne des § 165 der Abgabenordnung (AO) erfolgt.

Die Kläger werden als Eheleute vom beklagten Finanzamt (FA) zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger ist Aktionär und Vorstand der Aktiengesellschaft (im Folgenden: AG). In der gemeinschaftlichen Einkommensteuer- Erklärung der Eheleute für 2001 hat er seine Einkünfte auch der Vorstandstätigkeit in Höhe von rd. 376.000 DM als solche aus nichtselbständigen Arbeit angegeben; die von den Klägern erklärten Einnahmen aus Kapitalvermögen lagen unter dem gesetzlichen Freibetrag (§ 20 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Im Rahmen der Einkommensteuer-Veranlagung hat das FA die Einkünfte der Kläger in der erklärten Höhe berücksichtigt. Die Einkommensteuer-Festsetzung 2001 vom 19. März 2002 enthält keinen Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 AO). Sie ist (nur) hinsichtlich der beschränkten Abzugsfähigkeit von Vorsorgeaufwendungen vorläufig i. S. d. § 165 AO erfolgt; ein Antrag, die Steuer auch wegen anderer Punkte vorläufig festzusetzen, war nicht gestellt worden. Der Bescheid vom 19. Mai 2002 blieb zunächst unangefochten.

Zur Berücksichtigung von Feststellungen einer Lohnsteuer-Außenprüfung bei der AG wurde dieser Bescheid unter dem 19. Juni 2002 geändert und die Einkommensteuerfestsetzung 2001 von zuvor 15.444,47 ? auf nunmehr 15.350 ? erhöht.

Unter anderem gegen diesen Änderungsbescheid legten die Kläger Einspruch ein. Zur Erläuterung teilten sie mit, dass dies vorsorglich geschehen sei. In der Sache gehe es ihnen darum, den Eintritt der Bestandskraft zu verhindern, damit gewährleistet sei, dass die vom Kläger für seine Leistungen gegenüber der AG bezogenen Vergütungen bei dieser und bei ihm selbst korrespondierend beurteilt werden. Werde der Fall nicht offen gehalten, drohe eine Steuerfalle. § 173 Abs. 1 Nr. 2 eröffne nicht für alle Fälle der nachträglichen Aufdeckung einer vGA im Besteuerungsverfahren der Kapitalgesellschaft die Möglichkeit zu einer korrespondierenden Änderung der Einkommensteuerfestsetzung beim Anteilseigner. Deshalb beantragten die Kläger das Ruhen des Einspruchsverfahren bis der die AG betreffende Körperschaftsteuerbescheid abschließend geprüft sei. Jedoch erklärten sie sich ?mit einem Abhilfebescheid dergestalt, dass die Festsetzungen der Einkünfte vorläufig sind im Hinblick auf die Frage, ob in ihnen Einkünfte enthalten sind, die nach dem sogenannten Halbeinkünfteverfahren zu besteuern sind, ... einverstanden?.

Unter dem 25. Juli 2002 führte das FA aus (Rb-Abl.3), dass nach Prüfung der Rechtslage dem ?Einspruch bzw. dem Antrag auf eine vorläufige Steuerfestsetzung hinsichtlich der vGA im Verhältnis zum Halbeinkünfteverfahren nicht entsprochen werden könne?. Eine vorläufige Steuerfestsetzung komme abweichend von der Regelung des § 155 AO nur unter den Voraussetzungen des § 165 AO in Betracht. Der abschließend gegebenen Anregung den Einspruch zurückzunehmen, kamen die Kläger nicht nach, wiesen jedoch darauf hin, dass sie auf einer baldigen Einspruchsentscheidung nicht bestünden (Schreiben vom 09. August 2002; Rb-Abl. 5 f.). Daraufhin teilte das FA den Klägern unter dem 06. Dezember 2002 mit, dass ihr Einspruch mangels Beschwer nicht zulässig sei, und verwies hierzu auf eine in der (in Kopie auszugsweise beigefügten) Niederschrift über die Einkommensteuer-Dienstbesprechung II/2002 der Oberfinanzdirektion (OFD) Karlsruhe (dort unter TOP 2 des Allgemeinen Teils) zu dieser Problematik erteilten Dienstanweisung. In dieser Niederschrift wurde u. a. auch mitgeteilt, dass im Rahmen der Referentenbesprechung auf Bundesebene die Einführung einer eigenständigen Korrekturvorschrift für vGA-Fälle ? zumindest vorerst ? nicht befürwortet worden sei; zunächst sollten vielmehr die praktischen Erfahrungen mit vGA im Halbeinkünfteverfahren abgewartet werden; auch sei eine generelle vorläufige Veranlagung der Gesellschafter nach § 165 Abs. 1 AO oder unter Vorbehalt der Nachprüfung nach § 164 AO abgelehnt worden. Die Änderbarkeit des Einkommensteuerbescheids sei ? so das FA im Schreiben vom 06. Dezember 2004 weiter ? regelmäßig über § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO gewährleistet.

Nachdem sich die Kläger bis dahin nicht mehr geäußert hatten, verwarf das FA den Einspruch mit Endscheidung vom 17. Februar 2003 als unzulässig. Die Kläger seien durch den angefochtenen Verwaltungsakt nicht beschwert. Ein Begehen, das nicht die Höhe der Steuerfestsetzung betreffe, begründe in der Regel keine Beschwer i. S. d. § 350 AO. Im Übrigen bestehe kein allgemeiner Anspruch auf ein Offenhalten eines Steuerfalles, um spätere Änderungen zu Gunsten des Steuerpflichtigen zu ermöglichen. Hiefür stützte sich die Behörde insbesondere auf die vorgenannte Dienstanweisung der OFD Karlsruhe und ferner auf das Urteil des Bundesfinanzhofs vom 06. Oktober 1995 (BStBl II 1996, 20). In Fällen nachträglich aufgedeckter vGA komme ? außer bei bewusst herbeigeführter vGA ? die Anwendung des § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO in Betracht.

Am 25. Februar 2003 hat das FA die Einkommensteuerfestsetzung 2001 zur Berücksichtigung gesondert festgestellter Beteiligungseinkünfte auf der Grundlage des § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO erneut geändert und die Steuernummer auf 16.369,52 ? festgesetzt.

Hiergegen richtet die vorliegende Klage, mit der die Kläger zunächst die Anordnung der Vorläufigkeit der Steuerfestsetzung bezüglich der vom Kläger aufgrund seiner Rechtsbeziehungen zur AG erzielten Einkünfte erreichen wollten.
Infolge der Ablehnung ihres Antrags auf Beifügung einer solchen Nebenbestimmung seien sie beschwert. Die gegenteilige Auffassung des FA verkenne den Begriff der Beschwer und werde ? soweit ersichtlich ? nirgends geteilt. Die Beschwer sei nicht nur formeller Natur. Da die Tätigkeitsvergütung des Klägers über den Nichtaufgriffsgrenzen der Finanzverwaltung gelegen habe, sei konkret ? und nicht nur abstrakt ? zu besorgen gewesen, dass das FA bei deren näherer Prüfung zur Auffassung gelangen könnte, es liege teilweise eine vGA vor.
Zur Begründung ihres Begehrens weisen die Kläger darauf hin, das die Frage, ob Geschäftsführerzüge oder die Vergütung anderer Leistungsbeziehungen zwischen einer Kapitalgesellschaft und ihrem Anteilseigner (noch) angemessen bemessen oder -- ganz oder teilweise ? als vGA zu qualifizieren sind, zu den umstrittensten Rechtsfragen auf dem Gebiet des Körperschaftsteuerrechts gehöre. Obwohl diese Frage sowohl für die Besteuerung der Kapitalgesellschaft als auch für die Besteuerung des Anteilseigners ? mit gegenläufigen Auswirkungen -- erheblich sei, sei im Falle der nachträglichen Würdigung eines Vorgangs als vGA angesichts der Änderungsvorschriften der §§ 164 und 172 ff. AO die der Sache nach gebotene einheitliche Würdigung nur unzureichend gewährleistet. Insbesondere gelte das in Bezug auf die vom FA als einschlägig postulierte Vorschrift des § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO. Es werde nämlich Fälle geben, bei denen § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO eine Änderung des Steuerbescheids zugunsten des Anteilseigners mindestens nach Ansicht des FA nicht erlaube. Abgesehen davon, dass die Finanzverwaltung ? soweit ersichtlich ? Satz 2 der zu Nr. 2 getroffenen Regelung nicht anwenden wolle und auch nicht absehbar sei, in welchen Fällen man eine vom Anteilseigner begehrte Bescheidänderung unter Hinweis auf dessen grobes Verschulden am nachträglichen Bekanntwerden der hierfür erheblichen Tatsachen ablehnen werde, seien auch Fälle zu bedenken, in denen bei der Gestattung der Rechtsbeziehung bewusst von den Angemessenheitsvorstellungen des FA abgewichen sei, weil man diese nicht für zutreffend gehalten habe. Schließlich sei zu berücksichtigen, das eine Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO nur innerhalb der Festsetzungsfrist möglich sei, ein Änderungsbedürfnis (etwa bei noch nicht abgeschlossener Außenprüfung bei der Kapitalgesellschaft) aber auch nach diesem Zeitpunkt noch auftreten könne. Nur die mit der Klage erstrebte Vorläufigkeitsanordnung sei geeignet, die Änderbarkeit der Einkommensteuerfestsetzung im Hinblick auf eine etwa nachträglich aufgedeckte vGA umfassend sicherzustellen.
Wegen weiterer Einzelheiten der Klagebegründung wird auf die Schriftsätze des Prozessbevollmächtigten Kläger vom 24.06.2003 sowie vom 01.12.2004 Bezug genommen.

Während des gerichtlichen Verfahren ist bei der AG im Jahr 2004 eine Außenprüfung durchgeführt worden, die auch die unter dem Vorbehalt der Nachprüfung erfolgte Festsetzung der Körperschaftssteuer für 2001 zum Gegenstand hatte. Die Prüfung hat nicht zur Feststellung von vGA geführt. Nachdem aufgrund dessen ihr Bedürfnis für die Aufnahme eines Vorläufigkeitsvermerks in die streitgegenständliche Steuerfestsetzung entfallen sei, die Streitfrage sich indessen in nachfolgenden Veranlagungszeiträumen erneut stellen werde, beantragen die Kläger nunmehr gestützt auf § 100 Abs. 1 Satz 4 der Finanzgerichtsordnung (FGO) festzustellen, dass das FA verpflichtet war, den Einkommensteuerbescheid für 2001 vom 25. Februar 2003 mit einer Nebenbestimmung zu versehen, die im Rahmen der gegenüber dem Bescheid vom 19. März 2002 gegebenen Steuererhöhung die Vorläufigkeit der Steuerfestsetzung insoweit anordnete, als diese auf Einkünften beruht, die dem Halbeinkünfteverfahren unterliegen können,
hilfsweise, festzustellen, dass die in der Einspruchsentscheidung vom 17. Februar 2003 erfolgte Ablehnung des Erlasses eines in dem im Hauptantrag bezeichneten Sinne vorläufigen Einkommensteuerbescheids 2001 rechtswidrig war.

Das FA beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie sei von Anfang an unzulässig gewesen. Die lediglich theoretische abstrakte Möglichkeit, dass den Klägern infolge der Aufdeckung von vGA im Besteuerungsverfahren der AG ein irreparabler Rechtnachteil entstehen könnte, begründe noch kein ausreichendes Rechtschutzbedürfnis für die erhobene Klage. Bei nachträglicher Feststellung einer vGA könne der Einkommensteuerbescheid des betroffenen Anteilseigners grundsätzlich nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO zu seinen Gunsten werden. Diese Änderungsmöglichkeit bestehe nur dann nicht, wenn die vGA vom Anteilseigner bewusst herbeigeführt worden ist. Gerade wegen der von den Klägern herausgestellten Unsicherheiten bei der Beurteilung der Angemessenheit von an Gesellschafter- Geschäftsführer geleisteten Vergütungen, könnten in diesem Bereich bewusst herbeigeführte vGA ? wenn überhaupt ? nur in extrem gelagerten Ausnahmefällen festgestellt werden. Für eine solche Fallkonstellation hätten jedoch keine Anhaltspunkte vorgelegen. Die Kläger hätten auch nicht zu befürchten brauchen, dass eine etwa erforderliche Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO am Eintritt der Festsetzungsverjährung scheitern werde. Sei absehbar, dass im Zeitpunkt des Ablaufs der Festsetzungsfrist die Überprüfung bei der Kapitalgesellschaft noch nicht abgeschlossen sein werde, bestehe die Möglichkeit, durch einen Antrag auf Bescheidänderung den Ablauf der Frist zu hemmen. Da die Kläger aus diesen Gründen keinen Anspruch darauf gehabt hätten, dass die streitbefangene Steuerfestsetzung mit einem Vorläufigkeitsvermerk in der begehrten Form versehen wird, könne nach Wegfall ihres Interesses an einem Vorläufigkeitsvermerk auch der Fortsetzungsfeststellungsantrag keinen Erfolg haben.

Entscheidungsgründe

I.
Die Klage war zunächst als Verpflichtungsklage und ist nunmehr als Fortsetzungsfeststellungsklage zulässig.

1. Die Kläger haben ihre Klage mit dem Ziel erhoben, einen Änderungsbescheid zu erlangen, in dem die Festsetzung der sie betreffenden Einkommensteuer 2001 in näher konkretisierter Weise teilweise für vorläufig erklärt ist. Dieses Begehren ist auf eine hinsichtlich ihrer endgültigen Verbindlichkeit teilweise eingeschränkte Regelung eines Steuerrechtsverhältnisses gerichtet. Den Erlass einer solchen partiell vorläufigen Regelung hat der Gesetzgeber in Bezug auf Steuerbescheide unter den in § 165 AO geregelten Voraussetzungen in das Ermessen der Finanzbehörde gestellt. Für die gerichtliche Durchsetzung eines solchen Begehrens sieht die Rechtsprechung die Verpflichtungsklage als richtige Klageart an (vgl. z. B. das BFH-Urteil vom 07. Februar 1992 III R 61/91, BStBl II 1992, 592; ferner Urteile des Finanzgerichts Düsseldorf vom 18. März 1991 6 K 153/86, EFG 1991, 484 sowie des Finanzgerichts Berlin vom 28. September 1992 IX 751/92, EFG 1993, 244). Eine Anfechtungsklage wäre nicht zulässig. Der maßgebliche Grund liegt darin, dass die isolierte Beifügung eines Vorläufigkeitsvermerks durch das FG zu einer inhaltlichen Umgestaltung (Veränderung) des Bescheids führte und damit einen der rechtsprechenden Gewalt prinzipiell verwehrten Eingriff in Verwaltungskompetenz der Finanzbehörde darstellte (vgl. den BFH-Beschluss vom 14. Juli 2003 II B 121/01, BFH/NV 2004, 2 zur vergleichbaren Konstellation der Beseitigung eines Vorläufigkeitsvermerks).
Dem entsprechend stellte die von den Kläger erhobene Klage bis zu ihrer mit Schriftsatz vom 06. Oktober 2004 erfolgten Änderung eine Verpflichtungsklage dar. Sie ist zwar nicht als solche gekennzeichnet worden; auch deutet die Formulierung des Klagantrags im Schriftsatz vom 24. Juni 2004 eher auf eine Anfechtungsklage als auf eine Verpflichtungsklage hin. Die vorliegenden Schriftsätze der Klägerseite schließen jedoch anderseits eine Auslegung als Verpflichtungsbegehren auch nicht aus. Geht man von dem mit der Klage verfolgten Ziel aus und berücksichtigt hierzu die im vorstehenden Absatz zitierte Rechtsprechung zu richtigen Klageart, dann ist ein solches prozessrechtliches Verständnis der vorliegenden Klage unter dem Gesichtspunkt der rechtsschutzwahrenden Auslegung (vgl. hierzu etwa das BFH-Urteil vom 31.10.2000 VIII R 47/98, BFH/NV 2001, 589) sogar geboten.

2. Entgegen der Auffassung des FA haben die Kläger mit dem Begehren, den angefochtenen Einkommensteuerbescheid 2001 mit einem näher konkretisierten Vorläufigkeitsvermerk zu versehen, auch eine Beschwer im Sinne des § 40 Abs. 2 FGO geltend gemacht.

Die Ablehnung der Beifügung eines Vorläufigkeitsvermerks zu einer Steuerfestsetzung ist geeignet, in Bezug auf diese Festsetzung einer Beschwer auszulösen (so etwa zutreffend Tipke in Tipke/Kruse, Kommentar zur AO und FGO, Rdz. 35 zu § 165 AO). Sie schafft bzw. bewahrt eine endgültige Regelung, wo dem Steuerpflichtigen an einer partiell nur eingeschränkt verbindlichen Beurteilung gelegen ist. Die nur vorläufige Beurteilung eines besteuerungsrelevanten Vorgangs im Rahmen einer Steuerfestsetzung kann für den Steuerpflichtigen vorteilhaft sein. Insbesondere braucht er dagegen nicht nur deshalb einen Rechtsbehelf einzulegen, weil sich bei eingehender Prüfung des (ggf. weiter aufgeklärten) Sachverhalts eine niedrigere Steuer ergeben und er in diesem Fall bei unterlassener Anfechtung Rechtsnachteile erleiden könnte. Versagt ihm die Behörde diesen Vorteil, kann darin eine Rechtverletzung liegen. Ob sich dies im konkreten Fall so verhält hängt davon ab, ob der Steuerpflichtige einen Anspruch auf die von ihm begehrte Beifügung eines Vorläufigkeitsvermerks hat. Das ist aber nicht mehr eine Frage der Beschwer, sondern eine solche der Begründetheit dem Kläger.
Das Fehlen der Beschwer kann im Streitfall auch nicht damit begründet werden, dass sich eine solche aus dem Tenor der Behördenentscheidung ergebend müsse, eine (nur) fehlerhafte Begründung hingegen keine Beschwer auslöse. Bei dieser Argumentation würde zum einen übersehen, dass zum Tenor eines Steuerbescheids neben Steuerart und Besteuerungszeitraum nicht nur die Höhe der festgesetzten Steuer, sondern auch die hierauf bezogenen (unselbständigen) Nebenbestimmungen gehören, die den Grad der Verbindlichkeit der Steuerfestsetzung ? insgesamt (§ 164 AO) oder punktuell (§ 165 AO) ? einschränken. Zum anderen löst die Ablehnung eines Antrags auf Erlass eines Steuerverwaltungsakts (hier: der mit einer Vorläufigkeitsanordnung verbundenen Steuerfestsetzung) stets eine mindestens formelle Beschwer aus.

3. Die Zulässigkeit der Verpflichtungsklage scheiterte auch nicht an weiteren Sachentscheidungsvoraussetzungen.

a) Insbesondere hat das FA einen Antrag der Kläger auf Beifügung eines Vorläufigkeitsvermerks abgelehnt.

Die Kläger haben ihrem auf den Änderungsbescheid vom 19.06.2002 bezogenen Einspruchsschreiben vom 19.07.2002 erkennen lassen, dass sie jedenfalls für den Fall, dass die Behörde dem im erster Linie beantragten Ruhen des Einspruchsverfahrens nicht entsprechen sollte, einen Änderungsbescheid begehren, in dem die Vorläufigkeit ihrer Einkommensteuerfestsetzung 2001 hinsichtlich der von der AG bezogenen Einkünfte angeordnet wird. In diesem Sinne, also nicht nur als bloße Zustimmung zu einem entsprechenden Abhilfebescheid, sondern als Hilfsbegehren, hat das FA die entsprechenden Ausführungen auch aufgefasst. Das ergibt sich schon daraus, dass die Behörde in ihrer Reaktion auf das Schreiben der Kläger vom 19.07.2002 ausgeführt hat, ?nach Prüfung der Rechtslage? könne u. a. dem ?Antrag auf eine vorläufige Steuerfestsetzung hinsichtlich der verdeckten Gewinnausschüttungen im Verhältnis zum Halbeinkünfteverfahren nicht entsprochen werden?. Darin liegt die Ablehnung des vorausgegangenen Antrags auf Erlass eines teilweise vorläufigen Steuerbescheids, die nach Anfechtung Gegenstand eines außergerichtlichen und anschließend gerichtlichen Rechtsbehelfsverfahren sein konnte; dass das entsprechende Schreiben des FA vom 25.07.2002 nicht mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen war, steht einer Auslegung dahin, dass in Bezug auf das Vorläufigkeitsbegehren eine (ablehnende) Regelung getroffen werden sollte, nicht entgegen.

b) Es kann auch davon ausgegangen werden, dass der Kläger diesen Ablehnungsbescheid angefochten haben.

Sie haben unter dem 09.08.2002 auf das Schreiben des FA vom 25.07.2002 erwidert. Dies ist zwar nicht ausdrücklich in Bezug auf die von der Behörde zur Frage der Vorläufigkeitsanordnung vertretene Ansicht geschehen. Im Vordergrund des klägerischen Schreibens vom 09.08.2002 stand vielmehr die im Hinblick auf die verspätete Anfechtung des Bescheids vom 19.03.2002 thematisierte Frage einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Jedoch kommt in diesem Schreiben hinreichend deutlich zum Ausdruck, dass sich die Kläger darüber hinaus insgesamt gegen die ablehnende Haltung des FA zur Trage des Offenhaltens der Veranlagung 2001 wenden wollten. Nachdem die Kläger dieses Ziel seinerzeit alternativ mit einem Ruhen des (Einspruchs-)Verfahrens oder einer Vorläufigkeitsanordnung zu erreichen suchten, kann das Schreiben durchaus (auch) als Einspruch gegen die in dem dort angegebenen Bezugsschreiben erfolgte Ablehnung einer vorläufigen Steuerfestsetzung ausgelegt werden.

c) Nachdem diesem Einspruchsbegehren auch in der Folgezeit nicht entsprochen worden ist, durften die Kläger dieses Begehren gerichtlich geltend machen.

Es mag zwar zweifelhaft erscheinen, ob das hierzu nach § 44 FGO grundsätzlich erforderliche Vorverfahren auch (für die Kläger erfolglos) abgeschlossen worden ist. Ausweislich der Gründe I. der Einspruchsentscheidung vom 17. Februar 2003 hat sich diese nämlich auf den gegen die Bescheide vom 19.03. und 19.06.2002 gerichteten Einspruch der Kläger vom 19.07.2002 und nicht auf einen Rechtsbehelf wegen Ablehnung einer Vorläufigkeitsanordnung bezogen. Auch die Erwägungen, mit denen das FA diesen Einspruch mangels einer Beschwer als unzulässig verworfen hat, erscheinen nur in Bezug auf eine Anfechtung der (den eingereichten Erklärungen entsprechenden) Steuerfestsetzungen plausibel. Anderseits hat das FA in seiner Stellungnahme im vorliegenden Verfahren vom 13.10.2004 ausgeführt, dass es in Bezug auf die begehrte Vorläufigkeitsanordnung ein ?Rechtsschutzinteresse der Kläger verneint und deshalb den mit diesem Ziel verfolgten Einspruch als unzulässig verworfen? habe.

Letztendlich ist der erfolglose Abschluss des Vorverfahren allerdings für die Zulässigkeit der vorliegenden Klage nicht ausschlaggebend. Fehlte es hieran, wäre die mit dem Ziel der Anordnung der Vorläufigkeit der Einkommensteuerfestsetzung 2001 erhobene Klage nach § 46 Abs. 1 Satz 1 FGO als Untätigkeitsklage zulässig, da das FA über den Rechtsbehalt nicht innerhalb von sechs Monaten nach dessen Einlegung entschieden hat.

d) Da das FA mit Bescheid vom 25.02.2003 den Bescheid vom 19.06.2002 bereits geändert hatte, waren die Kläger befugt, ihr Verpflichtungsbegehren (Anordnung der partiellen Vorläufigkeit) gemäß § 68 FGO unmittelbar auf diesen Änderungsbescheid zu beziehen.

4. Fällt das Rechtsschutzbedürfnis für die ursprünglich erhobene Klage im Verlauf des Prozesses deshalb weg, weil sich der angefochtene Verwaltungsakt in der Hauptsache erledigt hat, wird die Klage unzulässig. Der Kläger kann sie zurücknehmen oder die Hauptsache für erledigt erklären. Sofern er ein berechtigte Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts hat, kann er auch zur sog. Formsetzungsfeststellungsklage übergehen (§ 100 Abs. 1 Satz 4 FGO). Diese Möglichkeit besteht auch im Rahmen einer Verpflichtungsklage (ständige Rspr. des BFH seit dem Urteil vom 23. März 1976 VII R 106/73, BStBl II 1976, 459). Erforderlich ist allerdings ein berechtigtes Interesse an einer entsprechenden Feststellung. Ein solches Interesse haben die Kläger im Streitfall dargetan.

Ein besonderes Feststellungsinteresse im Sinne des § 100 Abs. 1 Satz 4 FGO ist grundsätzlich dann zu bejahen, wenn hinreichend konkret damit zu rechnen ist, dass sich die aufgrund erledigenden Ereignisses in Bezug auf den streitgegenständlichen Bescheid nicht mehr zu beantwortende Frage zwischen den Beteiligten erneut stellen wird (Gesichtspunkt der Wiederholungsgefahr). Das ist hinsichtlich des von den Klägern geltend gemachten Anspruchs auf Erlass eines teilweise vorläufigen Bescheids der Fall.

Das FA hat den Klägern auch bei der Einkommensteuerfestsetzung 2002 die begehrte Vorläufigkeitsanordnung vorenthalten. Ihre Annahme, die Behörde werde auch künftig so verfahren, sofern nicht die Rechtswidrigkeit dieser Handhabung gerichtlich festgestellt werde, ist nicht von der Hand zu weisen; das FA hat ihr jedenfalls nicht widersprochen. Das Interesse der Kläger an einer Vorläufigkeitsanordnung bei künftigen Einkommensteuerfestsetzungen kann auch nicht schon deshalb verneint werden, weil die Überprüfung der Rechtsbeziehungen zwischen der AG und dem Kläger im Rahmen der bei der AG durchgeführten Außenprüfung für das Streitjahr nicht zur Annahme einer vGA seitens des FA geführt hat. Obwohl sich diese Beurteilung auf ein Dauerrechtsverhältnis bezogen hat, bedeutet das nicht, dass diese Problematik damit für künftige Besteuerungsperioden geklärt wäre. Die Frage der vGA kann nach einer etwaigen Änderung der den Rechtsbeziehungen zugrunde liegenden schuldrechtlichen Verträge anders zu beantworten sein. Auch kann sich die Rechtslage aufgrund einer Gesetzesänderung oder einer Änderung der Rechtsprechung anders darstellen. Und schließlich ist das FA nach dem Prinzip der Abschnittsbesteuerung auch nicht gehindert, auf Grund besserer Erkenntnis den gleichen Sachverhalt in einem anderen Veranlagungszeitraum anders zu beurteilen. Der Umstand, dass die Vergütung des Klägers für seine Tätigkeit bei der AG im Streitjahr mit 376.000 DM im Grenzbereich des Angemessenen lag, lässt es nach den Erfahrungen des Senats nicht ausgeschlossen erscheinen, dass in den Folgejahren je nach dem Umfang etwaiger Gehaltserhöhungen vom FA vGA angenommen werden.

II.
Der Fortsetzungsfeststellungsantrag ist begründet, soweit die Kläger die Feststellung begehren, dass die Ablehnung des Erlasses eines hinsichtlich von dem Halbeinkünfte verfahren unterliegenden Einkünften vorläufigen Einkommensteuerbescheids 2001 rechtswidrig gewesen sei. Er ist hingegen unbegründet, soweit die Kläger die weitergehende Feststellung begehren, dass das FA verpflichtet gewesen sei, ihnen einen mit einem entsprechenden Vorläufigkeitsvermerk versehenen Bescheid zu erteilen.

1.
a) Nach § 165 Abs. 1 Satz 1 AO kann eine Steuer vorläufig festgesetzt werden, soweit ungewiss ist, ob die Voraussetzungen ihrer Entstehung eingetreten sind. Dabei kommt es auf die Ungewissheit bei der für die jeweilige Steuerfestsetzung zuständigen Finanzbehörde (konkret der damit befassten Dienststelle) an und muss sich diese Ungewissheit auf den steuererheblichen Sachverhalt beziehen.

b) Im Streitfall hat bei der Ablehnung des Antrags der Kläger auf Anordnung der (partiellen) Vorläufigkeit der Einkommensteuerfestsetzung 2001 eine solche Ungewissheit bestanden; sie ist auch in der Folgezeit jedenfalls bis zur Erhebung der vorliegenden Klage nicht behoben worden. Diese Ungewissheit hat sich auf die tatsächlichen Umstände bezogen, die für die steuerliche Qualifizierung der von der AG bezogenen Einkünfte des Klägers erheblich waren. Dem FA waren seinerzeit lediglich die Höhe dieser Einkünfte (376.485 DM) und deren steuerliche Qualifizierung durch den Kläger als Einkünfte aus nicht selbständiger Arbeit bekannt. Diese Eigenqualifizierung musste nicht zutreffen. Vielmehr konnte sich bei Kenntnis weiteren Tatsachen ergeben, dass die erklärten Einnahmen ? ggf. auch nur teilweise ? durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst und sie deshalb als (verdeckte) Einnahmen im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG zu beurteilen waren. Davon wäre insbesondere auszugehen gewesen, soweit sie
· nicht auf im Voraus getroffenen klaren und eindeutigen Vereinbarungen oder
· zu mehr als der Hälfte auf gewinnabhängigen Vergütungsbestandteilen beruhten oder
· eine über eine angemessene Vergütung hinaus gehende Entlohnung der geleisteten Vorstandstätigkeit darstellten.
Eine Aufklärung dieser und anderer für die Qualifizierung der Einkünfte des Klägers erheblicher Tatsachen ist indessen bei der diesen betreffende Einkommensteuer- Veranlagung 2001 unterblieben, so dass die entsprechende Steuerfestsetzung in diesem Punkt auf ungewisser Tatsachengrundlage beruhte.

2.
a) Waren danach die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine vorläufige Steuerfestsetzung erfüllt, hatte das FA eine Ermessensentscheidung darüber zu treffen, ob es von der in § 165 Abs. 1 AO eröffneten Befugnis Gebrauch macht. Die dazu vom FA unter dem 25. Juli 2002 getroffene und später (durch Bezugnahme auf die Auffassung der OFD) ergänzend begründete Entscheidung darf das Gericht gemäß § 102 FGO nur eingeschränkt überprüfen. Nach dieser Vorschrift ist die gerichtliche Prüfung einer Ermessensentscheidung darauf beschränkt, ob die Behörde die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten oder von dem ihr eingeräumten Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat. Das Finanzgericht darf nicht eigene Ermessenserwägungen an die Stelle derjenigen des FA setzen. Es darf aber und muss sogar prüfen, ob das FA alle relevanten Gesichtspunkte berücksichtigt und mit dem ihnen zukommenden Gewicht in die Entscheidungsfindung hat einfließen lassen.

Zweck der in § 165 AO getroffenen Regelung ist es, der Finanzbehörde eine Steuerfestsetzung zu ermöglichen, obwohl hinsichtlich einzelner besteuerungserheblicher Sachverhalte noch gewisse Unsicherheiten vorhanden sind, die erst später geklärt werden können und/oder sollen (ähnlich Sauer in Beermann, Steuerliches Verfahrensrecht, Rz. zu § 165 AO). Dies kann etwa der Fall sein, weil die Besteuerung von tatsächlichen Umständen abhängt, deren Klärung in einem anderen Verfahren erwartet werden kann, wobei dieses andere Verfahren auch ein Besteuerungsverfahren sein kann (vgl. z. B. das BFH-Urteil vom 24. Februar 1977 VIII R 237/72, BStBl II 1977, 392 zu § 100 Abs. RAO). Dabei sind auch die Interessen des Steuerpflichtigen zu berücksichtigen, der unter bestimmten Umständen einen Anspruch auf eine Vorläufigkeitsanordnung haben kann (vgl. das BFH-Urteil vom 7. Februar 1992 III R 61/91, BStBl II 1992, 592), jedenfalls aber einen Anspruch auf fehlerfreien Ermessensausübung hat.

b) Im Streitfall war das FA verpflichtet, bei der in seinem pflichtgemäßen Ermessen stehenden Entscheidung über die von den Klägern beantragte Vorläufigkeitsanordnung deren Interesse zu berücksichtigen, eine möglicherweise als Gewinnausschüttung zu qualifizierende Vergütung nur unter Berücksichtigung der Steuerbefreiung des § 3 Satz 1 Nr. 40 d EStG versteuern zu müssen. Das ist nicht ausreichendem Maße geschehen. Diese Würdigung beruht zum einen auf den gegenläufigen Auswirkungen, die eine nachträgliche Aufdeckung einer vGA bei der Kapitalgesellschaft einerseits und bei ihrem Gesellschafter andererseits hat, und zum anderen auf dem Umstand, dass die Vorschriften über die Änderbarkeit von Steuerbescheiden (§§ 172 ff. AO) nicht ausreichend gewährleisten, dass die aus einer solchen Aufdeckung resultierende Steuererhöhung bei der Kapitalgesellschaft mit einer Herabsetzung der Einkommensteuer des Gesellschafters korrespondiert.

aa) Vergütung, die ein Gesellschafter (Anteilseigner) einer Kapitalgesellschaft für Leistungen (Tätigkeiten, zeitweilige Überlassungen von Wirtschaftsgütern oder Kapital zur Nutzung) erhält, die er dieser Gesellschaft gegenüber erbringt, führen bei ihm und der Kapitalgesellschaft zu gegenläufigen steuerlichen Folgen. Sie stellen bei der Kapitalgesellschaft Betriebsausgaben dar und mindern damit deren steuerpflichtigen Einkommen. Anderseits unterliegen sie im Veranlagungszeitraum des Zuflusses als steuerpflichtige Einnahmen der Einkommensbesteuerung beim Anteileigner. Unbeschadet dessen, dass sich die steuerlichen Auswirkung bei der Kapitalgesellschaft und beim Anteilseigner aus verschiedenen Gründen (insbesondere wegen unterschiedlicher Steuersätze) betragsmäßig nicht entsprechen, ist die Einkommensbesteuerung der beiden Steuersubjekte auf einer grundsätzlich korrespondierende Erfassung solcher Rechtsbeziehungen angelegt.

Anders verhält es sich hingegen bei Zuwendungen der Gesellschaft an ihren Anteileigner, die nicht auf einem gegenseitigen Vertrag, sondern auf dem Gesellschaftsverhältnis beruhen. Solche Zuwendungen dürfen ? ungeachtet der formellen Ausgestaltung des zugrunde liegenden Rechtsverhältnisses ? die Steuerlast der Gesellschaft nicht mindern (§ 8 Abs. 3 Satz 2 KStG). Sie sind vielmehr entweder aus bereits versteuertem oder aus dem für die laufende Periode zu versteuernden Einkommen zu finanzieren. Beim Anteileigner stellen solche Zuwendungen Einkünfte aus Kapitalvermögen im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 1 und 9 EStG dar. Das seit dem Inkrafttreten des Steuersenkungsgesetzes vom 23.10.1999 (BGBl I 1999, 1433) geltende Körperschaftsteuersystem ist danach ? anders als das bis dahin geltende Anrechnungsverfahren ? durch eine zweimalige definitive steuerliche Belastung ausgeschütteter Gewinne gekennzeichnet. Diese zweifache Belastung ist allerdings gemildert. Zum einen ist der für Körperschaften geltende Regel-Steuersatz von zuletzt 40% (für die Jahre 1999 und 2000) auf 25 % vermindert worden (§ 23 Abs. 1 KStG). Zum anderen stellt § 3 Nr. 40 EStG die Ausschüttungen der Kapitalgesellschaft auf der Ebene des Anteilseigners ? sofern es sich um eine natürliche Person handelt - zur Hälfte steuerfrei.

Eine Umqualifizierung von Vergütung eines Gesellschafters als vGA hat danach bei der Gesellschaft eine Steuererhöhung zur Folge, da Betriebsausgaben dem Einkommen wieder hinzuzurechnen sind. Zugleich führt sie auf der Besteuerungsebene des Anteilseigners zu einer Steuerminderung, weil bislang in voller Höhe zu versteuernde Einkünfte nunmehr zur Hälfte als steuerfrei zu beurteilen sind. Werden diese Konsequenzen auf beiden Ebenen gleichermaßen gezogen, dann bleibt eine einheitliche Beurteilung der entsprechenden Rechtsbeziehung gewahrt. Geschieht dies nicht und werden nur auf der Besteuerungsebene der Gesellschaft Vergütungen als vGA umqualifiziert, wohingegen eine solche Umqualifizierung bei der Einkommensbesteuerung des Anteileigners unterbleibt, dann wird der selbe steuerliche Sachverhalt in miteinander unvereinbarer Weise unterschiedlich besteuert; der Betriebsausgabenabzug bei der Gesellschaft würde im Ergebnis storniert, die beim Anteilseigner ankommende Zuwendung gleichwohl in voller Höhe ? und nicht etwa nur zur Hälfte ? besteuert.

Ein solches ? materiell-rechtlich unrichtiges ? Besteuerungsergebnis zu vermeiden, ist nicht nur ein berechtigtes Anliegen des potentiell betroffenen Anteilseigners. Auch der Auftrag der Finanzbehörden ist auf dieses Ziel gerichtet (§ 85 AO). Sofern infolge der gesetzlichen Regelungen der Bestandskraft die Gefahr im vorstehend beschriebenen Sinne divergierender Steuerfestsetzungen besteht, hat die Behörde ihre verfahrensrechtlichen Möglichkeiten zur Vermeidung einer solchen Überbesteuerung auszuschöpfen; das gilt namentlich, wenn der Steuerpflichtige sein dahingehendes Interesse durch einen Antrag auf Erlass eines in dieser Hinsicht vorläufigen Bescheids ausdrücklich kund tut.

bb) Nach Aktenlage konnte das FA nicht ohne weiteres davon ausgehen, dass es zu einer Umqualifizierung der Einkünfte des Klägers bei einer näheren Prüfung nicht kommen werde.

Der Klägervertreter hat zutreffend ausgeführt, dass die Besteuerungspraxis der Finanzverwaltung und die Rechtsprechung der Finanzgerichte in vielen Fällen eine zuverlässige Beantwortung der Frage nicht erlaubten, ob bestimmte wie unter fremden Dritten ausgeformte Rechtsbeziehungen zwischen Kapitalgesellschaft und ihren Gesellschaftern beanstandet und als vGA umqualifiziert werden oder nicht. Zwar ist im Grundsatz unbestritten, das Vergütungen die ein Gesellschafter auf einer entsprechenden vertraglichen Grundlage erhält, bei der Kapitalgesellschaft eine Betriebsausgabe darstellen, wenn sie nach Art und Höhe angemessen sind. Was unter den jeweils gegebenen Umständen gerade noch angemessen oder schon unangemessen ist, wird indessen naturgemäß von jedem Rechtsanwender unterschiedlich beurteilt. Auch die mit dem BFH-Urteil vom 13. Oktober 2001 I R 103/00 (BStBl II 2004, 71) begründete sog. Bandbreiten-Rechtsprechung hat das Abgrenzungsproblem nicht gelöst, sondern allenfalls zu einer Verschiebung der Grenzlinie geführt.

Die Tätigkeitsvergütungen, die der Kläger im Streitjahr von der AG erhalten hat, betrugen rd. 375.000 DM. Sie hatten damit unabhängig von ihrer Zusammensetzung nach Einschätzung der Kläger eine Größenordnung erreicht, bei der AG und Kläger mit einer kritischen Überprüfung der Angemessenheit rechnen mussten und auch eine streitige Auseinandersetzung nicht von vornherein ausschließen konnten. Diese Einschätzung wird vom erkennenden Senat aufgrund eigener Kenntnis der Besteuerungspraxis im hiesigen Raum geteilt; auch das FA hat ihr nicht widersprochen. Dass die Vergütungen im Rahmen der zwischenzeitlich durchgeführten Außenprüfung bei der AG tatsächlich unbeanstandet blieben rechtfertigt nicht den Schluss, dass diesbezügliche Befürchtungen von Anfang an unbegründet gewesen seien.

cc) Im Streitfall hatten die Kläger bei berechtigten Anlass zu der Befürchtung, sie hätten Rechtsnachteile hinzunehmen, wenn die Einkommensteuerveranlagung 2001 vor der abschließenden Beurteilung der Rechtsbeziehungen des Klägers bei der AG materiell bestandskräftig würde. Entgegen der Rechtsansicht des FA konnten sie sich nicht darauf verlassen, dass die Behörde die Einkommensteuer 2001 auf der Grundlage der §§ 172 ff. AO herabsetzen werde, sofern man infolge der bei der Prüfung der AG gewonnenen Erkenntnisse zu der Auffassung gelangen sollte, dass die Tätigkeitsvergütungen des Klägers teilweise als vGA zu qualifizieren sind.

Die der Vermeidung widerstreitender Steuerfestsetzungen dienende Vorschrift des 174 AO hätte jedenfalls keine verfahrensrechtliche Grundlage für eine entsprechende Bescheidänderung geboten. Keiner der in den verschiedenen Absätzen dieser Norm geregelten Tatbestände sieht eine Änderung eines Steuerbescheids für den Fall vor, dass ein darin berücksichtigter Sachverhalt in einem anderen Besteuerungsverfahren von der Finanzbehörde in damit unvereinbarer Weise beurteilt wird und die damit korrespondierende Beurteilung beim Steuerpflichtigen eine günstigere Steuerfestsetzung rechtfertigen würde.

Aber auch die vom FA gegen die Erforderlichkeit eines Vorläufigkeitsvermerks ins Feld geführte Regelung des § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO bot den Klägern keinen umfassenden Schutz vor der befürchteten Überbesteuerung. Man wird zwar annehmen können, dass eine Umqualifizierung der Tätigkeitsvergütungen allenfalls aufgrund von Tatsachen befürchtet zu werden brauchte, die der für die Besteuerung der Kläger zuständigen Veranlagungsdienstelle noch nicht bekannt waren. Dann wäre der Anwendungsbereich des § 173 AO eröffnet gewesen und hätte aufgrund der dort in Abs. 1 Nr. 2 getroffenen Regelung in vielen Fällen der Umqualifizierung von Arbeitseinkünften in vGA eine Überbesteuerung vermieden werden können. Es kann jedoch je nach den die Umqualifizierung rechtfertigenden Gründen anderseits auch nicht ausgeschlossen werden, dass das FA eine Bescheidänderung zugunsten der Kläger daran hätte scheitern lassen, dass das nachträgliche Bekanntwerden der entsprechenden Tatsachen auf grobem Verschulden der Kläger beruhe.

Eine entsprechende Sorge war jedenfalls nicht schon deshalb unbegründet, weil die OFD in einer Dienstbesprechung den nachgeordneten Finanzämtern empfohlen hatte, die Frage des groben Verschuldens ?nicht streng? zu beurteilen. Abgesehen davon, dass es bedenklich erschiene, wenn damit einer unterschiedlichen Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs ?grobes Verschulden? je nach Fallgruppe das Wort geredet würde, dürfte diese Auslegungshilfe aufgrund des Hinweises auf die ?Ausnahme bei bewusst herbeigeführter vGA? kaum zu einer Verminderung der Streitanfälligkeit entsprechender Verfahren bei nachträglich entdeckter vGA beitragen.

So setzt etwa die Annahme einer vGA wegen überhöhter Tätigkeitsvergütung voraus, dass diese jenseits einer Bandbreite noch angemessener Vergütungen liegt: Da die Finanzbehörden im hiesigen Raum angewiesen sind, nur Fälle deutlicher Überschreitung der Angemessenheitsgrenze aufzugreifen (Überschreiten der Grenze um mehr als 20 %, vgl. Tz. 5. 3 der Verfügung der OFD Karlsruhe vom 17. April 2001 ? S 2742 A ? St 331, Der Betrieb 2001, 1009) liegt in all diesen Fällen der Schluss auf eine bewusst herbeigeführte vGA nahe. Immerhin nehmen die Finanzbehörden eine bewusste Handlungsweise regelmäßig schon dann an, wenn der Steuerpflichtige die Konsequenz seines Handelns billigend in Kauf genommen hat.

Auch für den Fall, dass die befürchtete Umqualifizierung der als Arbeitslohn erklärten Einkünfte des Klägers nicht auf deren absolute Höhe, sondern auf deren Zusammensetzung ? etwa auf einen ungewöhnlich hohen Anteil variabler Gehaltsbestandteile ? gestützt würde (vgl. hierzu etwa das BFH-Urteil vom 4. Juni 2003 I R 24/02, BStBl II 2004, 136), durfte der Kläger nicht damit rechnen, hinsichtlich der im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung unterbliebenen Offenlegung solcher Verhältnisse vom Vorwurf groben Verschuldens verschont zu bleiben; dies gilt gleichermaßen, wenn sich im Rahmen der Prüfung der AG etwa herausgestellt hätte, dass es hinsichtlich eines Teils der geleisteten Vergütungen an im Voraus getroffenen klaren und eindeutigen Vereinbarung gefehlt hat. In diesem Zusammenhang ist nämlich auch zu berücksichtigen, dass nach der für die Besteuerungspraxis maßgebenden ? wenngleich nicht unumstrittenen ? BFH-Rechtsprechung (grundlegend das Urteil vom 3. Februar 1983 IV R 153/80, BStBl II 1983, 324; dagegen etwa Losse in Tipke/Kruse, Kommentar zur AO und FGO, Rdz. 82 zu § 173 AO) ein Steuerpflichtiger auch das Verschulden des zur Erfüllung seiner steuerlichen Pflichten eingeschalteten Steuerberaters zu vertreten hat und der Grad der Verschuldens eines Steuerberaters an den (höheren) Anforderungen zu messen ist, denen dieser bei seiner Berufsausübung hinsichtlich der Kenntnis und sachgemäßen Anwendung der steuerrechtlichen Vorschriften gerecht werden muss. Von einem Steuerberater wird aber die Kenntnis der höchstrichterlichen Rechtsprechung erwartet (vgl. z. B. zur Steuerberaterhaftung das Urteil des BGH vom 22. Februar 2001 IX ZR 293/99, BFH/NV 2002, Beilage 1-2, 82) und liegt bei diesbezüglichen Defiziten in zentralen Bereichen des Steuerrechts, zu deren Rechtfragen der vGA durchaus gehören, der Vorwurf groben Verschuldens stets nahe. Dies gilt nicht minder, wenn ein Steuerberater Tatsachen nicht vorträgt, die er kennt und bezüglich deren ihm bewusst ist, dass ihre Berücksichtigung zu einer Steuerminderung bei dem von ihm vertretenen Mandanten führen.

Die Kläger konnten auch nicht darauf vertragen, dass es auf den Grad des Verschuldens gar nicht ankommen werde. § 173 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 AO erklärt das Verschulden zwar für unbeachtlich, wenn die der Behörde nachträglich bekannt gewordenen steuermindernden Tatsachen oder Beweismittel in Zusammenhang mit nachträglich bekannt gewordenen steuererhöhenden Tatsachen der Beweismitteln stehen. Indessen ist - so weit ersichtlich ? noch nicht entschieden worden, dass dies auch gelte, wenn die gegenläufige steuerliche Auswirkung bei verschiedenen Steuersubjekten eintritt. Die Finanzverwaltung geht jedenfalls in ihrer vom FA in Bezug genommenen Auffassung (Niederschrift über die ESt- Dienstbesprechung der OFD Karlsruhe II/2002) von der Erheblichkeit groben Verschuldens aus.

c) Angesichts des vorstehend dargestellten Befundes waren die Kläger durch die Regelung des §173 Abs. 1Nr. 2 AO nicht uneingeschränkt vor einer Überbesteuerung der Rechtsbeziehungen zwischen dem Kläger und der AG geschützt. Der Hinweis auf die Möglichkeit einer Bescheidänderung nach dieser Vorschrift rechtfertigte die Versagung des begehrten Vorläufigkeitsvermerks nur dann, wenn die Kläger an einem Schutz in den nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO nicht änderbaren Fällen kein berechtigtes Interesse haben konnten. Das bedurfte jedoch der näheren Darlegung an der es fehlt.

Unabhängig davon sprachen jedoch folgende ? vom FA so nicht angestellte ? Erwägungen dafür, die Einkommensteuer-Veranlagung der Kläger für 2001 einstweilen mindestens punktuell offen zu halten:

Wenn sich die für die Besteuerung einer Kapitalgesellschaft zuständige Finanzbehörde durch eine Nebenbestimmung im Sinne des § 164 AO die Nachprüfung einer bestimmten Steuerfestsetzung vorbehält und damit den Eintritt der materiellen Bestandskraft dieser Festsetzung verhindert, dann erscheint es als ein Gebot fairen Verfahrens, dass die für die Besteuerung des Anteilseigners zuständige Behörde auf dessen Antrag hin ebenfalls eine die Bestandskraft einschränkende Regelung mindestens hinsichtlich solcher Sachverhalte trifft, deren geänderte steuerliche Würdigung bei Gesellschaft und Gesellschafter gegenläufige steuerliche Folgen hätte. Da die Körperschaftsteuer-Festsetzung der AG für 2001 zunächst unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangen war, lag es deshalb nahe auch die Einkommensteuerveranlagung des Klägers für 2001 hinsichtlich der Beurteilung der erklärungsgemäß als Einkünfte aus richtselbständiger Arbeit erfassten Zahlungen der AG für eine etwaige Änderung offen zu halten. Nur so wäre für jede denkbare Sachverhaltskonstellation gewährleistet gewesen, dass aus einer etwa gebotenen Umqualifizierung dieser Einkünfte nicht nur (bei der AG) steuererhöhende, sondern auch die der materiell-rechtlichen Beurteilung entsprechenden steuermindernden Konsequenzen (beim Kläger) hätten gezogen werden können. Es sind keine Belange der Finanzbehörde ersichtlich, die einer Sicherstellung einer korrespondierende Beurteilung von Sachverhalten bei den mehreren daran beteiligten Steuersubjekten in Fällen der vorliegend streitigen Art entgegenstünden. Das FA hat solche Belange jedenfalls nicht vorgetragen, sondern in ersten Linie auf das vermeintliche Fehlen eines Anspruchs des Anteilseigners abgehoben. Aus dem vom FA in diesem Zusammenhang zitierten Urteil des BFH vom 6. Oktober 1995 III R 52/90 (BStBl II 1996, 20) lässt sich allerdings nicht ableiten, dass ein Antrag auf Erteilung eines punktuell vorläufigen Steuerbescheids unter Berücksichtigung der Besonderheiten der vorliegend zu beurteilenden Verfahrenskonstellation stets zurückgewiesen werden müsste.

Der in der Niederschrift über die Einkommensteuer-Dienstbesprechung II/2002 der OFD Karlsruhe enthaltene Hinweis, es sollten zunächst die praktischen Erfahrungen mit vGA im Halbeinkünfteverfahren abgewartet werden, konnte nach Auffassung des Senats die Vorgehensweise des FA ebenfalls nicht rechtfertigen. Es widerspricht nach Auffassung des Senats der ? in § 89 AO nicht abschließend geregelten ? behördlichen Fürsorgepflicht, den Steuerpflichtigen mit ? durch die begehrte Vorläufigkeitsanordnung ohne weiteres vermeidbaren ? Risiken zu belasten, die Folge der Neukonzeption der Kapitalgesellschaften und ihrer Gesellschafter sind.

3.
Nach den vorstehenden Ausführungen ist die Ablehnung der Erteilung des mit einer Vorläufigkeitsanordnung versehenen Bescheids rechtswidrig gewesen, weil für die Ausübung des Ermessens wesentliche Gesichtspunkte teils unzutreffend eingeschätzt, teils unberücksichtigt geblieben sind. Indessen ist die Sache für die mit dem Hauptantrag begehrte weitergehende Feststellung, dass das FA verpflichtet gewesen sei, den mit der Klage erstrebten punktuell vorläufigen Bescheid zu erlassen, nicht spruchreif. Das Rechtsfolgeermessen des FA war nämlich nicht auf nur eine rechtmäßige Alternative eingeengt.

Denn zum einen will es der Senat nicht gänzlich ausschließen, dass das FA das beantragte Offenhalten der streitbefangenen Einkommensteuerveranlagung der Kläger auch bei einer Berücksichtigung aller hierfür erheblichen Umstände und deren Abwägung ermessensfehlerfrei ablehnen konnte. Zum anderen hatte das FA neben der den Klägern verwehrten Vorläufigkeitsanordnung noch andere verfahrensrechtliche Möglichkeiten, dem Anliegen der Kläger gleichwertig Rechnung zu tragen. Dies konnte etwa durch eine ? von den Klägern seinerzeit ebenfalls beantragte ? Anordnung des Ruhens des Einspruchsverfahrens (§ 363 Abs. 2 AO) geschehen (zur mangelnden Spruchreife im Hinblick auf diese Alternative vgl. das BFH-Urteil vom 18. Dezember 2001 VIII R 27/96,BFH/NV 2002, 747). Auch die nachträgliche Aufnahme eines Vorbehalts der Nachprüfung (§ 164 AO) wäre möglich und zur Gewährleistung der Änderbarkeit des streitbefangenen Einkommensteuerbescheids im konkreten Fall ausreichend gewesen; dass der Vorbehalt der Nachprüfung anders als etwa die Vorläufigkeitsanordnung den Ablauf der Festsetzungsverjährung nicht hemmt (vgl. dazu § 164 Abs. 4 AO einerseits und § 171 Abs. 8 AO andererseits), dürfte für die Kläger im konkreten Fall keine Rolle gespielt haben, nachdem offenbar mit einer zeitnahen ? im Jahr 2004 auch durchgeführten ? Betriebsprüfung bei der AG gerechnet werden konnte.

Danach kann der Klage nicht stattgegeben werden, soweit mit ihr die Feststellung begehrt wird, das FA sei zur Erteilung eines hinsichtlich der streitbefangenen Einkünfte vorläufigen Bescheids verpflichtet gewesen. Soweit die Kläger ihr Begehren mit dem Hilfsantrag allerdings auf die Feststellung der Rechtswidrigkeit des Ablehnungsbescheids beschränkt haben, ist ihrem Begehren zu entsprechen; bei der Antragstellung wurde die sich aus § 351 Abs. 1 AO ergebende Änderungsbeschränkung beachtet.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO. Die Kläger sind mit ihrem im Verlauf des Verfahrens eingeschränkten Hauptantrag unterlegen, hatten jedoch mit ihrem Hilfsantrag Erfolg. Mangels eines besseren Maßstabs für die Gewichtung von Obsiegen und Unterliegen belastet der Senat die Kläger und das beklagte FA je zur Hälfte mit den Kosten des Verfahrens.

Die Zulassung der Revision beruht auf § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO. Nach Auffassung des Senats bedarf die Frage, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen das FA verpflichtet ist, wegen der Möglichkeit nachträglicher Aufdeckung einer vGA die Einkommensteuerveranlagung des Anteilseigners offen zu halten, im Interesse der Fortbildung des Rechts einer Entscheidung des BFH. An der Klärung dieser ? soweit ersichtlich ? höchstrichterlich noch nicht beurteilten Rechtsfrage besteht ein allgemeines Interesse, da sie sich in zahlreichen Fällen stellt, in denen Gesellschafter zu ?ihren? Kapitalgesellschaften Rechtsbeziehungen eingegangen sind, die (jedenfalls auch) durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst sind.

RechtsgebieteAO, EStGVorschriften§§ 155, 164, 165, 173 Abs. 1 Nr. 2 AO; §§ 3 Nr. 40, 20 Abs. 1 Nr. 1,9, Abs. 4 EStG; § 8 KStG

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