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01.02.2005 · IWW-Abrufnummer 050286

Bundesgerichtshof: Urteil vom 01.12.2004 – XII ZR 3/03

Der dem Unterhaltsschuldner im Rahmen seiner Leistungsfähigkeit für einen Unterhaltsanspruch aus Anlaß der Geburt nach § 1615 l Abs. 2 BGB zu belassende Selbstbehalt ist nicht generell mit dem Betrag zu bemessen, der als angemessener Selbstbehalt gegenüber Unterhaltsansprüchen volljähriger Kinder im Rahmen des Verwandtenunterhalts gilt.



Wegen der weitgehenden Angleichung an Unterhaltsansprüche geschiedener Ehegatten nach § 1570 BGB einerseits und dem Nachrang gegenüber Unterhaltsansprüchen minderjähriger Kinder andererseits ist der Selbstbehalt vielmehr in der Regel mit einem Betrag zu bemessen, der zwischen dem angemessenen Selbstbehalt nach § 1603 Abs. 1 BGB und dem notwendigen Selbstbehalt nach § 1603 Abs. 2 BGB liegt.


BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL

XII ZR 3/03

Verkündet am:
1. Dezember 2004

in der Familiensache

Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 1. Dezember 2004 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Hahne und die Richter Sprick, Weber-Monecke, Prof. Dr. Wagenitz und Dose

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 3. Senats für Familiensachen des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 13. Dezember 2002 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin verlangt von dem Beklagten Unterhalt nach § 1615 l BGB aus Anlaß der Geburt eines Kindes.

Der Beklagte ist Vater der am 16. Juli 2001 geborenen Tochter der Klägerin. Er hat seine Unterhaltspflicht für das Kind in Höhe von 100 % des jeweiligen Regelbetrages abzüglich eines nach Anrechnung gemäß § 1612 b Abs. 5 BGB noch verbleibenden Kindergeldanteils anerkannt.

Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts erzielte der Beklagte mindestens monatliche anrechenbare Einkünfte in Höhe von zuletzt 1.227 ¤. Auf den Unterhaltsanspruch der Klägerin, die in der fraglichen Zeit lediglich über Erziehungsgeld verfügte, zahlte er für den Zeitraum von Juli 2001 bis Januar 2002 insgesamt 728,31 ¤. In einer vollstreckbaren Urkunde verpflichtete er sich, an sie für die Zeit ab Februar 2002 bis längstens 15. Juli 2004 monatlich 107 ¤ Unterhalt zu zahlen.

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung, mit der die Klägerin weitere Unterhaltsrückstände und ab Februar 2002 einen weiteren, über den titulierten Betrag hinausgehenden Unterhalt von ca. 167 ¤ monatlich begehrt, blieb erfolglos. Mit der zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr zweitinstanzliches Begehren weiter.

Entscheidungsgründe:

Die Revision hat Erfolg und führt zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht.

I.

Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen, weil dem Beklagten nach Abzug des gemäß § 1615 l Abs. 3 Satz 3 BGB vorrangig zu berücksichtigenden Kindesunterhalts und des gezahlten bzw. titulierten Unterhalts für die Klägerin kein weiterer Betrag verbleibe, der seinen angemessenen Selbstbehalt übersteige. Ihm müsse im Rahmen seiner Unterhaltspflicht aus Anlaß der Geburt gemäß §§ 1615 l Abs. 3 Satz 1, 1603 Abs. 1 BGB der gleiche angemessene Selbstbehalt verbleiben, wie es im Rahmen einer Unterhaltspflicht gegenüber volljährigen Kindern der Fall sei. Für die Zeit bis Ende 2001 belaufe dieser sich auf monatlich 1.960 DM, für die Zeit danach auf monatlich 1.000 ¤. Daß dem Unterhaltsschuldner nach §§ 1361, 1570 BGB nur der geringere Selbstbehalt verbleibe, führe nicht zu einer gleichheitswidrigen Behandlung. Der geringere Selbstbehalt des getrennt lebenden oder geschiedenen Ehegatten sei durch ein besonderes Maß an Solidarität und Beistandspflicht aus der früheren Ehe geboten. Zwar bedürfe ein nicht in der Ehe geborenes Kind gleichermaßen der Pflege und Erziehung wie ein Kind, das aus der Ehe seiner Eltern hervorgegangen sei. Das ändere aber nichts daran, daß die nicht verheiratete Mutter hinsichtlich der Sicherung ihres Unterhalts in einer anderen Situation sei als die getrennt lebende oder geschiedene Mutter. Von der nicht verheirateten Mutter werde erwartet, daß sie die Betreuung des Kindes notfalls zu Lasten ihres eigenen Unterhaltsbedarfs sicherstelle, soweit im Rahmen ihres Unterhaltsanspruchs Bedarfslücken verblieben.

II.

Die Entscheidung des Berufungsgerichts hält den Angriffen der Revision nicht stand.

1. Zwar unterliegt eine vom Tatrichter nach Billigkeitsgesichtspunkten getroffene Entscheidung, wie hier über die Frage, ab wann der eigene angemessene Unterhalt des nach § 1615 l Abs. 2 BGB unterhaltspflichtigen Vaters gefährdet wäre, nur in eingeschränktem Umfang der revisionsrechtlichen Überprüfung. Eine solche ist aber dann eröffnet, wenn die tatrichterliche Entscheidung den gesetzlich vorgegebenen Ermessensspielraum nicht ausschöpft oder gesetzlich vorgesehene Wertungen außer Betracht läßt (Senatsurteil vom 18. Oktober 1989 - IVb ZR 89/88 - BGHZ 109, 72, 88 = FamRZ 1990, 262, 266). Das ist hier schon deshalb der Fall, weil das Berufungsgericht die gesetzlich vorgeschriebene individuelle Billigkeitsabwägung durch den Hinweis auf einen einheitlichen Selbstbehalt für den Verwandtenunterhalt ersetzt hat, ohne dem besonderen Schutzzweck des Unterhaltsanspruchs aus § 1615 l Abs. 2 BGB Rechnung zu tragen. Insoweit ist es verfehlt, sich auch dann an feste Tabellen und Leitlinien zu halten, wenn andere Lebensverhältnisse zu beurteilen sind als diejenigen, auf die sie für den Regelfall abstellen (vgl. Senatsurteil vom 26. Februar 1992 - XII ZR 93/91 - FamRZ 1992, 795, 797).

2. Ansprüche der Mutter gegen den Vater aus Anlaß der Geburt sind in der jüngsten Vergangenheit mehr und mehr den Unterhaltsansprüchen getrennt lebender oder geschiedener Ehegatten angeglichen worden. Während das Gesetz ursprünglich in § 1715 BGB lediglich einen reinen Entschädigungsanspruch der nichtehelichen Mutter für Aufwendungen infolge der Schwangerschaft und Entbindung vorsah, hat der Gesetzgeber mit der - mehrfach geänderten - Vorschrift des § 1615 l Abs. 2 BGB nunmehr einen Unterhaltsanspruch geschaffen, der zwar - mit Verlängerungsmöglichkeit aus Billigkeitsgründen - auf drei Jahre befristet, im übrigen dem der geschiedenen Ehefrau aus § 1570 BGB aber im wesentlichen vergleichbar ist. Durch die Erweiterung des Anspruchs auf Betreuungsunterhalt soll der Vater mehr in die Verantwortung dafür einbezogen werden, daß sein nicht aus einer Ehe hervorgegangenes Kind während der ersten drei Lebensjahre in den Genuß der persönlichen Betreuung durch die Mutter kommt, was durch den Unterhaltsanspruch sichergestellt wird. Der Anspruch findet deswegen seinen Grund darin, daß der Mutter während der ersten drei Lebensjahre ermöglicht werden soll, das Kind zu pflegen und zu erziehen, ohne auf eine Erwerbstätigkeit angewiesen zu sein. Insoweit unterscheidet sich der Anspruch in keiner Weise von dem Anspruch nach § 1570 BGB, der ebenfalls diesen Zweck verfolgt. Soweit die Ansprüche sich in der Dauer unterscheiden, findet dieses seinen Grund in der nachehelichen Solidarität (vgl. zu allem Senatsurteil vom 17. November 2004 - XII ZR 183/02 - m.w.N. zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt).

3. Diesem gesetzlichen Zweck des Unterhaltsanspruchs nach § 1615 l Abs. 2 BGB trägt das Berufungsurteil nicht hinreichend Rechnung.

a) § 1615 l Abs. 3 Satz 1 BGB erklärt für den Unterhaltsanspruch aus Anlaß der Geburt grundsätzlich die Vorschriften über die Unterhaltspflicht zwischen Verwandten für entsprechend anwendbar. Aus diesem Grund wird in der Rechtsprechung (OLG Hamm FamRZ 1997, 632; OLG Oldenburg FamRZ 2000, 1521; OLG Schleswig OLGR 2000, 332; OLG München OLGR 2003, 340) und dem folgend in der Literatur durchgehend angenommen, daß dem unterhaltspflichtigen Vater stets der sog. große Selbstbehalt verbleiben müsse, wie dies bei Unterhaltsansprüchen volljähriger Kinder nach § 1603 Abs. 1 BGB der Fall sei (Wendl/Pauling, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis 6. Aufl. § 6 Rdn. 759 a; Schwab/Borth, Handbuch des Scheidungsrechts 5. Aufl. Teil IV Rdn. 1084; Johannsen/Henrich/Graba Eherecht 4. Aufl. § 1615 l BGB Rdn. 10; Luthin/Seidel, Handbuch des Unterhaltsrechts 10. Aufl. Rdn. 4219; Kalthoener/Büttner/Niepmann, Die Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts 9. Aufl. Rdn. 185; Eschenbruch, Der Unterhaltsprozess 3. Aufl. Rdn. 4024; Weinreich/Klein/Schwolow, Kompaktkommentar Familienrecht § 1615 l BGB Rdn. 20; FA-FamR/Gerhardt 4. Aufl. Kap. 6 Rdn. 211; a.A. für den Fall, daß die Eltern des Kindes zuvor in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft zusammen gelebt haben - Göppinger/Wax/Maurer, Unterhaltsrecht 8. Aufl. Rdn. 1259).

Dem vermag der Senat nicht zu folgen.

b) Nach der von § 1615 l Abs. 3 Satz 1 BGB in Bezug genommenen Vorschrift des § 1603 Abs. 1 BGB entfällt die Unterhaltspflicht, wenn der Unterhaltspflichtige "bei Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen außerstande ist, ohne Gefährdung seines angemessenen Unterhalts den Unterhalt zu gewähren". Damit unterscheidet sich der Wortlaut kaum von dem des § 1581 BGB, der den Anspruch auf nachehelichen Ehegattenunterhalt in einen Billigkeitsanspruch übergehen läßt, wenn der Unterhaltspflichtige "unter Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen außerstande (ist), ohne Gefährdung des eigenen angemessenen Unterhalts dem Berechtigten Unterhalt zu gewähren". Gleichwohl bemessen die Gerichte den Selbstbehalt des Unterhaltspflichtigen gegenüber Ansprüchen auf nachehelichen Unterhalt und auf Unterhalt sonstiger, etwa volljähriger Kinder unterschiedlich (vgl. Nr. 21.3 und 21.4 der Leitlinien der Oberlandesgerichte).

Nach der Rechtsprechung des Senats kann der Selbstbehalt des Unterhaltspflichtigen bei Ansprüchen auf nachehelichen Ehegattenunterhalt nicht generell und für alle Fälle einheitlich festgelegt werden. Das würde dem unterschiedlichen Lebenszuschnitt in der jeweiligen Ehe und den sich daraus ergebenden dauerhaften Belastungen der geschiedenen Ehegatten nicht entsprechen. Zwar muß auch dem Unterhaltsschuldner nach den §§ 1361, 1570 BGB zumindest der notwendige Selbstbehalt verbleiben, der für Unterhaltsansprüche minderjähriger Kinder gilt und von den Leitlinien der Oberlandesgerichte gegenwärtig mit 840 ¤ bemessen wird. Andererseits hat es der Senat aber aus Rechtsgründen nicht für vertretbar und auch nicht für billig gehalten, dem unterhaltspflichtigen geschiedenen Ehegatten regelmäßig nur diesen notwendigen Selbstbehalt zu belassen. Die darin zum Ausdruck kommende Gleichbehandlung des geschiedenen Ehegatten mit den minderjährigen Kindern, wie sie für das Rangverhältnis in § 1609 Abs. 2 Satz 1 BGB angeordnet ist, ist im Rahmen der Billigkeitsregelung nach § 1581 BGB zwischen den geschiedenen Ehegatten nicht gerechtfertigt, weil sie den Regelungshintergrund des § 1603 Abs. 2 BGB, der darin zu sehen ist, daß minderjährigen Kindern wegen ihres Alters von vornherein die Möglichkeit verschlossen ist, durch eigene Anstrengungen zur Deckung ihres notwendigen Lebensbedarfs beizutragen, nicht hinreichend berücksichtigt (Senatsurteil vom 18. Oktober 1989 - IVb ZR 89/88 - BGHZ 109, 72, 85 = FamRZ 1990, 260, 265).

Entsprechend kann auch der angemessene Selbstbehalt nach § 1603 Abs. 1 BGB, auf den § 1615 l Abs. 3 Satz 1 BGB für den Unterhaltsanspruch aus Anlaß der Geburt grundsätzlich verweist, nicht einheitlich und unabhängig vom Zweck des Unterhaltsanspruchs bemessen werden. Nach § 1609 Abs. 1 BGB stehen nicht alle Unterhaltsansprüche der Verwandten gleichrangig nebeneinander, sondern es gehen die Unterhaltsansprüche minderjähriger (und ihnen gleich gestellter) Kinder denen volljähriger, diejenigen der Abkömmlinge denen der Verwandten in der aufsteigenden Linie und dabei die Ansprüche der näheren denen der entfernteren Verwandten vor. Aus diesem Grund hat der Senat in seiner Rechtsprechung zum Elternunterhalt entschieden, daß der angemessene Eigenbedarf nicht losgelöst von der im Einzelfall vorliegenden Lebensstellung, die dem Einkommen, Vermögen und sozialen Rang des Verpflichteten entspricht, bestimmt und deshalb nicht durchgehend mit einem festen Betrag angesetzt werden kann. Der Senat hat es auch gebilligt, wenn bei der Ermittlung des für den Elternunterhalt einzusetzenden bereinigten Einkommens allein auf einen - etwa hälftigen - Anteil des Betrages abgestellt wird, der den an sich vorgesehenen Mindestselbstbehalt übersteigt. Dabei hat der Senat entscheidend auf den rechtlich vergleichsweise schwach ausgestalteten Charakter des Anspruchs auf Elternunterhalt abgestellt (vgl. Senatsurteile vom 23. Oktober 2002 - XII ZR 266/99 - BGHZ 152, 217, 225 ff.; vom 19. März 2003 - XII ZR 123/00 - BGHZ 154, 247, 258 f. und vom 17. Dezember 2003 - XII ZR 224/00 - FamRZ 2004, 370, 372).

Umgekehrt kann der gegenüber dem Unterhaltsanspruch volljähriger Kinder stärker ausgestaltete Charakter des Anspruchs auf Unterhalt aus Anlaß der Geburt auch zu einer stärkeren Haftung und damit zu einem geringeren Selbstbehalt führen als dieses auf der Grundlage des § 1603 Abs. 1 BGB für den Unterhaltsanspruch volljähriger Kinder der Fall ist. Dabei ist allerdings weniger auf den Rang eines Unterhaltsanspruchs als vielmehr auf seinen Grund und Charakter abzustellen. Denn obwohl der Unterhaltsanspruch geschiedener Ehegatten nach § 1609 Abs. 2 BGB im Rang demjenigen minderjähriger Kinder gleichsteht, betrifft die verschärfte Haftung nach § 1603 Abs. 2 BGB und die daraus hergeleitete höhere Opfergrenze allein die Unterhaltsansprüche minderjähriger (und ihnen gleich gestellter) Kinder. Dieser Gedanke ist auch auf den Unterhaltsanspruch der Mutter aus Anlaß der Geburt übertragbar. Schon im Rang geht dieser Anspruch nach § 1615 l Abs. 3 Satz 3 BGB zwar den Unterhaltsansprüchen minderjähriger Kinder oder einer Ehefrau nach, den Unterhaltsansprüchen sonstiger Verwandter des Unterhaltspflichtigen geht er aber vor. Insoweit unterscheidet sich der Unterhaltsanspruch nicht von demjenigen einer geschiedenen Ehefrau des Unterhaltsschuldners. Hinzu kommt - wie schon ausgeführt - der gemeinsame Schutzzweck der Unterhaltsansprüche nach § 1615 l Abs. 2 BGB und § 1570 BGB, nämlich der Mutter jedenfalls während der ersten drei Lebensjahre des Kindes die Pflege und Erziehung des Kindes zu ermöglichen. Aus Rechtsgründen ist es deswegen nicht hinnehmbar, wenn das Berufungsgericht den Selbstbehalt im Rahmen eines Unterhaltsanspruchs nach § 1615 l BGB grundsätzlich abweichend von demjenigen eines Unterhaltsanspruchs nach § 1570 BGB bemißt.

4. Auch bei der Bemessung der Leistungsfähigkeit des Unterhaltsschuldners ist somit entscheidend auf den Zweck des Unterhaltsanspruchs abzustellen.

Insoweit überzeugt die Begründung des Berufungsgerichts für die Annahme eines - gleichermaßen für den Unterhaltsanspruch gegenüber volljährigen Kindern geltenden - einheitlichen "großen Selbstbehalts" gemäß § 1603 Abs. 1 BGB nicht. Der Senat hat schon darauf hingewiesen, daß sich der Unterhaltsanspruch der Mutter aus Anlaß der Geburt nach § 1615 l Abs. 2 BGB nicht unerheblich von sonstigen Ansprüchen auf Verwandtenunterhalt unterscheidet (vgl. Senatsurteil vom 21. Januar 1998 - XII ZR 85/96 - FamRZ 1998, 541, 543 f.). Trotz der grundsätzlichen Verweisung in § 1615 l Abs. 3 Satz 1 BGB auf die Vorschriften über die Unterhaltspflicht zwischen Verwandten geht der Unterhaltsanspruch der nicht verheirateten Mutter - wie ausgeführt - nach § 1615 l Abs. 3 Satz 3 Halbs. 2 BGB den Ansprüchen der übrigen Verwandten des Vaters vor. Auch erlischt der Unterhaltsanspruch der Mutter entgegen § 1615 Abs. 1 BGB nicht mit dem Tod des unterhaltspflichtigen Vaters (§ 1615 l Abs. 3 Satz 5 BGB). Deswegen und wegen der auch sonst weitgehenden Angleichung des Anspruchs an den Unterhaltsanspruch nach § 1570 BGB ist die Unterhaltspflicht des Vaters gegenüber der Mutter nach § 1615 l BGB eher mit dem Unterhaltsanspruch der geschiedenen Ehefrau als mit dem Anspruch auf Verwandtenunterhalt vergleichbar (vgl. auch Senatsurteile vom 17. November 2004 aaO und vom 21. Januar 1998 aaO S. 543).

Bei der Ausgestaltung des Unterhaltsanspruchs der Mutter gemäß § 1615 l Abs. 2 BGB ist deswegen entscheidend auf den Grund dieses Anspruchs abzustellen, nämlich der Mutter während der ersten drei Lebensjahre die Pflege und Erziehung des Kindes zu ermöglichen, ohne auf eine Erwerbstätigkeit angewiesen zu sein. Dieser gesetzlich verfolgte Zweck, der neben der fortgeltenden ehelichen Solidarität auch dem Unterhaltsanspruch nach § 1570 BGB zugrunde liegt, kann - im Gegensatz zur Rechtsauffassung des Berufungsgerichts - nur durch einen zur Höhe ausreichenden Unterhaltsanspruch der Mutter sichergestellt werden. Insbesondere wenn die Mutter - wie hier - in ohnehin beengten finanziellen Verhältnissen nicht einmal den für ihre Lebensführung zwingend notwendigen Bedarf erhielte, verbliebe ihr nicht die Möglichkeit, die Betreuung des Kindes zu Lasten des eigenen Unterhaltsbedarfs sicherzustellen. Die Mutter wäre dann entgegen dem ausdrücklichen Zweck der Unterhaltsvorschrift des § 1615 l Abs. 2 BGB gehalten, zu Lasten der Betreuung des Kindes eine eigene Erwerbstätigkeit aufzunehmen. Insoweit unterscheidet sich der Unterhaltsanspruch nach § 1615 l Abs. 2 BGB gerade nicht von dem Anspruch der geschiedenen Ehefrau wegen der Pflege oder Erziehung ehelicher Kinder gemäß § 1570 BGB.

5. Nur in dieser Auslegung genügt der Unterhaltsanspruch nach § 1615 l Abs. 2 BGB auch den Anforderungen des Art. 6 Abs. 4 und 5 GG, der einen Anspruch jeder Mutter "auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft" sicherstellt und es gebietet, den nichtehelichen Kindern "die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern". Danach muß auch einer nicht verheirateten Mutter die Wahl bleiben, bis zum Beginn des Kindergartenalters selbst für die Pflege und Erziehung des Kindes zu sorgen, ohne für ihren Lebensunterhalt auf eine eigene Erwerbstätigkeit angewiesen zu sein. Auch von Verfassungs wegen ist deswegen hinsichtlich des dem Unterhaltsschuldner zu belassenden Selbstbehalts eine Gleichbehandlung von Ansprüchen aus § 1615 l Abs. 2 BGB mit solchen nach § 1570 BGB geboten. Das hat das Berufungsgericht nicht berücksichtigt.

III.

Danach kann das Berufungsurteil nicht bestehen bleiben. Eine eigene Entscheidung in der Sache ist dem Senat indes verwehrt. Das Oberlandesgericht wird vielmehr in eigener tatrichterlicher Verantwortung als Selbstbehalt einen Betrag festzulegen haben, der nicht unter dem notwendigen aber auch nicht über dem angemessenen Selbstbehalt liegt. Dabei wird es nicht zu beanstanden sein, wenn der Tatrichter im Regelfall von einem etwa hälftig zwischen diesen beiden Beträgen liegenden Betrag ausgeht.

Im Rahmen der erneuten Verhandlung wird das Oberlandesgericht im übrigen den Berufungsantrag der Klägerin ergänzend auszulegen haben. Während sie in der ersten Instanz Unterhalt "für die Zeit bis zum 31. 07. 2004", also für die ersten drei Jahre seit der Geburt des Kindes begehrt hatte, enthält der Berufungsantrag diese Einschränkung nicht mehr. Andererseits sind aber auch keine Umstände vorgetragen oder sonst ersichtlich, die unter besonderer Berücksichtigung der Belange des Kindes einen Wegfall der Unterhaltspflicht nach Ablauf von drei Jahren seit der Geburt als grob unbillig darstellen könnten (vgl. insoweit Senatsurteile vom 17. Mai 2000 - XII ZR 88/98 - FamRZ 2000, 1499, 1501 und vom 5. Juli 2000 - XII ZR 104/98 - FamRZ 2001, 905, 906).

Die Zurückverweisung des Rechtsstreits gibt dem Berufungsgericht auch Gelegenheit, den Unterhaltsanspruch für die Zeit bis Juli 2004 auf der Grundlage der nunmehr konkret feststehenden Einkünfte des Beklagten anstelle der bislang auf einer Prognose beruhenden anrechenbaren Einkünfte festzusetzen.

RechtsgebieteGG, BGBVorschriftenGG Art. 6 Abs. 4 GG Art. 6 Abs. 5 BGB § 1581 BGB § 1603 Abs. 1 BGB § 1603 Abs. 2 BGB § 1609 Abs. 1 BGB § 1609 Abs. 2 BGB § 1615 l Abs. 2 BGB § 1615 l Abs. 3

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